Lesegottesdienst für Pfingstsonntag, den 28. Mai 2023

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde,
herzlich willkommen bei der Lesepredigt zum Pfingstfest 2023 (28. und 29. Mai).
Wir erinnern uns, wie es damals in Jerusalem begonnen hat mit der christlichen Kirche.
Es erfüllt sich, was Jesus angekündigt hat.
Er selbst geht weg und der Heilige Geist erfüllt die Menschen.
Ein gesegnetes Pfingstfest wünscht Pfarrerin Anke Mühlenberg-Knebel.

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater und von dem Herrn Jesus Christus.
Amen.

Der Predigttext stammt aus den sogenannten Abschiedsreden Jesu, Johannes 16, 5-15:
„Jetzt aber gehe ich hin zu dem, der mich gesandt hat; und niemand von euch fragt mich: Wo gehst du hin? Doch weil ich dies zu euch geredet habe, ist euer Herz voll Trauer. Aber ich sage euch die Wahrheit: Es ist gut für euch, dass ich weggehe. Denn wenn ich nicht weggehe, kommt der Tröster nicht zu euch. Wenn ich aber gehe, werde ich ihn zu euch senden. Und wenn er kommt, wird er der Welt die Augen auftun über die Sünde und über die Gerechtigkeit und über das Gericht; über die Sünde: dass sie nicht an mich glauben, über die Gerechtigkeit: dass ich zum Vater gehen und ihr mich hinfort nicht seht; über das Gericht: dass der Fürst dieser Welt gerichtet ist. Ich habe euch noch viel zu sagen; aber ihr könnt es jetzt nicht ertragen. Wenn aber jener kommt, der Geist der Wahrheit, wird er euch in aller Wahrheit leiten. Denn er wird nicht aus sich selber reden; sondern was er hören wird, das wird er reden, und was zukünftig wird, das wird er euch verkündigen. Er wird mich verherrlichen; denn von dem Meinen wird er´s nehmen und euch verkündigen. Alles, was der Vater hat, das ist mein. Darum habe ich gesagt: Er nimmt es von den Meinen und wird es euch verkündigen.
Amen.

Liebe Geschwister, Jesus sagt:„Es ist gut für euch, dass ich weggehe. Denn wenn ich nicht weggehe, kommt der Tröster nicht zu euch. Wenn ich aber gehe, will ich ihn zu euch senden.“

Liebe Gemeinde, das ist es, was wir an Pfingsten feiern. Christus geht weg, und der Geist der Wahrheit, der Geist des Trostes, kommt. Nicht leicht zu verstehen. Eine Leere tut sich auf.

Jesus, der wie kein anderer mit den Menschen unterwegs war, der sagt: „Es ist gut für euch, dass ich weggehe. Denn wenn ich nicht weggehe, kommt der Tröster nicht zu euch. Wenn ich aber gehe, will ich ihn zu euch senden.“ (Joh 16, 7) Der Messias, der Heilsbringer, zieht sich aus dieser Welt zurück. Ein ungeheurer Gedanke. Unser Gott nimmt sich zurück und sagt: Im Loslassen werdet ihr stark sein, im Verlieren werdet ihr gewinnen, im Abschiednehmen Neues empfangen. Das Neue ist der Geist der Wahrheit.

„Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, kommen wird, wird er euch in alle Wahrheit leiten.“
Ein Raum öffnet sich, der durch Jesu Weggehen leere Raum füllt sich mit dem Tröstergeist, dem Geist der Wahrheit. Wie kann man diesen Geist verstehen, wie kann man ihn fassen? Vielleicht gar nicht, vielleicht jeder und jede von uns ganz anders. Es ist wie mit unserem Glauben. Manchmal ist er groß und stark, manchmal klein und verzagt, manchmal wissen wir nicht, was wir beten sollen, manchmal zweifeln wir an Gott und seiner Macht und manchmal durchströmt uns tiefe Gewissheit: Gott ist da und geht mit. Der Geist der Wahrheit wird kommen und wird uns in alle Wahrheit leiten, so sagt es Jesus. Er wird den leeren Raum füllen, den wir mitunter schmerzlich empfinden: weil ein Mensch gegangen ist, weil wir uns von einem Ort verabschieden müssen, der uns Heimat war oder von Überzeugungen, die uns Sicherheit gaben.

Wahrheit hat in der Bibel etwas damit zu tun, dass ich mich auf etwas verlassen kann. Dass ich vertrauen kann, dass ich mich binde an Christus und sein Wort. Wahrheit ist Glaube und Treue, Freiheit und Bindung, Wahrheit ist Geschenk.

„Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, kommen wird, wird er euch in alle Wahrheit leiten.“

Pfingsten feiert das Kommen des Geistes. Und wenn es der Geist der Wahrheit ist, der kommt und um den wir bitten, dann gönnt er uns und allen anderen Wahres. In den Fundamentalismen unserer Zeit ist es ein sehr tröstlicher Gedanke, dass ich mit dem Geist der Wahrheit auch anderen Wahres gönnen kann. Ich kann und darf mich an Christus und sein Wort binden. Dieser Christus ist seit Pfingsten in Bewegung, zieht sich zurück, kommt wieder, geht mit. Ist selber der Weg. Auf ihn vertraue ich, an ihm halte ich fest- nicht an meinem eigenen Standpunkt.

Pfingsten feiert die Offenheit für ein Leben mit dem Geist Gottes. Dieser Geist ist mit uns auf dem Weg, immer im Werden, im Abschiednehmen und Wiederfinden, in der Leere und in der Fülle.

Der Reformator Martin Luther hat das Leben in Gottes Geist so beschrieben: das Leben ist nicht ein Frommsein, sondern ein Frommwerden, nicht eine Gesundheit, sondern ein Gesundwerden, nicht ein Sein, sondern ein Werden, nicht eine Ruhe, sondern eine Übung. Wir sind´s noch nicht, wir werden´s aber. Es ist noch nicht getan oder geschehen, es ist aber im Gang und im Schwang. Es ist nicht das Ende, es ist aber der Weg.“

Pfingsten heißt, Jesus geht, aber heißt aber auch: der leere Raum füllt sich mit dem Geist, dem Geist der Wahrheit, dem Tröster. Das Weggehen ist die Voraussetzung, dass Neues kommen kann: neue Erkenntnis, neue Menschen, neues Leben. Möge Gottes Geist in unserem Leben einkehren, die leeren Räume füllen und die gefüllten leerfegen. Möge Gottes Geist uns beleben, erfrischen, trösten und erneuern.

Komm, Schöpfer, Heiliger Geist.
Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft zu fassen vermag, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.
Amen.

Lesegottesdienst für Ostersonntag, den 09. April 2023

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde,
zu Ostern grüße ich alle mit dem alten Ostergruß der Christenheit:
„Der Herr ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden. Halleluja!“
Auch dieses Jahr fällt Ostern in eine Zeit, in der die Menschen weltweit mit den unterschiedlichsten Belastungen und Nöten zu kämpfen haben. Umso wichtiger ist es, auf die Botschaft von Ostern zu hören: vom Sieg des Lebens über den Tod.
Ein gesegnetes Osterfest wünscht Pfarrerin Anke Mühlenberg-Knebel.

Lied: EG 106, 1.2.3.5:
Erschienen ist der herrlich Tag,
dran niemand gnug sich freuen mag:
Christ, unser Herr, heut triumphiert,
sein Feind er all gefangen führt.
Halleluja!

Im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Amen.

Wir beten:
Du, Gott des Lebens, du hast die Dunkelheiten unserer Welt durchbrochen an jenem Ostermorgen.
Du hast einen neuen Anfang geschenkt, als alle nur auf das Ende blickten.
Versteinertes hast du ins Rollen gebracht.
Die Schatten der Angst hast du zur Seite gewischt.
Lass dein Licht auch unseren Ostermorgen erleuchten.
Schenke Mut, das Unglaubliche zu glauben, damit auch wir das Leben finden.
Amen.

Predigt:

Liebe Gemeinde, wir Christinnen und Christen, hat ein bekannter Theologe einmal gesagt, sind Protestleute gegen den Tod. Mit der Liebe protestieren wir gegen ihn. Sie ist das einzige, was wir dem Tod entgegensetzen können, und sie ist gar nicht so schwach, wie wir so oft meinen. Am Kar-Freitagabend haben die Frauen den Stein vor die Tür des Grabes gewälzt. Am Sonntagmorgen ist der Stein fort. Am Freitagabend haben sie der dunklen, kalten Macht des Todes ins Gesicht gesehen.

Am Sonntagmorgen strahlt die Sonne in eine Felsenhöhle hinein, die kein Grab mehr ist. Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten, sagen die zwei Gestalten in glänzenden Gewändern, Boten vom Himmel. Jesus hat wahr gemacht, was an so vielen Gräbern schon geträumt worden ist und was doch niemals geschehen kann: Er ist wieder aufgestanden. Er hat sein Grab verlassen. Er hat den Tod abgeschüttelt und dem Licht, der Wärme, dem bunten, vielgestaltigen Leben die Tür geöffnet. Die Liebe ist die einzige Macht, mit der wir für das Leben und gegen den Tod eintreten können. Und oft genug erscheint sie uns kläglich und klein. Aber in den Händen Gottes ist die Liebe eine große starke Macht. Er hat den Tod besiegt, weil er uns auch in unseren finstersten, kältesten Stunden nicht allein lassen möchte. Er hat die Tür des Grabes Jesu geöffnet, um uns zu trösten: Auch in eure Dunkelheiten scheint das Licht meiner Liebe hinein. Auch euch werde ich die Tür zum Leben wieder öffnen.

Jesus ist auferstanden, weil die Liebe stärker ist als der Tod. Gott hat den Tod besiegt.
Was für ein ungeheuerlicher Satz!

Allerdings: auch wenn wir glauben können, dass Jesus auferstanden ist von den Toten, der Tod macht uns Angst. Auch seine Vorboten, die schweren Krankheiten, die Kriege und Katastrophen, all das Elend und das Leiden in der Welt. Aber gegen die eigene Angst und Fassungslosigkeit dürfen wir unser Vertrauen auf Gott setzen. Er lässt niemanden allein. Er wird die Toten zu einem neuen Leben erwecken wird, so unbegreiflich das auch für uns ist. Denn Gott liebt das Leben, das so bunt und vielgestaltig ist. Mit seinen tiefen Gefühlen, mit seinen Farben und Gerüchen. Das Wunder des Lebens zeigt sich uns gerade jetzt im Frühling, wenn wir die Natur beobachten: Mit welcher Entschlossenheit und Schönheit, wie zart und gleichzeitig zäh es überall hervorgekommen ist, aus scheinbar toten Gehölzen, aus dunkler Erde, vertrockneten Pflanzenresten des letzten Jahres. Ist das nicht erstaunlich? Ein Wunder! Gott sagt Ja! zum Leben. Seine Liebe verwandelt Tod in Leben-ganz am Ende des Lebens und mitten im Leben.

Denen, die um einen lieben Menschen trauern, sei zu Ostern gesagt: Versucht, trotzdem Gott zu vertrauen. Spürt seiner Liebe nach. Eure Verstorbenen sind in guten Händen, über Gott seid ihr weiter mit ihnen verbunden. Wenn ihr euch dafür offenhaltet, werden euch neue Kräfte zufließen.

Denen, die ängstlich und verzweifelt sind, sei gesagt: Versucht eure Augen zu öffnen, um all die Wunder des Lebens zu sehen, die euch umgeben. Verlernt die Freude nicht und die Dankbarkeit. Wo es möglich ist, holt euch Hilfe und nehmt sie für euch in Anspruch. Wo ihr könnt, lasst die Sonne herein. Das Leben ist zu wertvoll, als dass wir seufzen und klagen und es so vergehen lassen.

Denen, die Grund zur Freude und Glücksichsein haben,- auch das gibt es in diesen schweren Zeiten- sei gesagt: Freut euch von ganzem Herzen. Teilt eure Freude mit anderen. Macht das Leben stark, schützt es, liebt es und verlernt das Staunen nicht.

Uns allen sagt er: Seid füreinander da, mit den Möglichkeiten, die ihr habt. Tröstet und stärkt einander, weil alle Menschen Nähe und Gemeinschaft brauchen. Achtet auf die Schwachen und Schwächsten, die Hilfe brauchen, ihr seid stärker als ihr denkt. Vergesst das Beten und das Singen nicht, das könnt ihr auch zuhause tun.

Liebe Geschwister, Gottes Liebe ist größer als unsere Angst. Darauf dürfen wir vertrauen.
Denn Christus ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden.
Halleluja!.
Amen.

So lasst euch den Segen Gottes zusprechen:
Christus spricht: Ich war tot, und siehe, ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit
und habe die Schlüssel des Todes und der Hölle.
Im Licht und in der Stärke dieser Gewissheit gehen wir in die Tage, die vor uns liegen.
Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige Gott.
Der Vater, der Sohn und der Heilige Geist.
Amen.

Lesepredigt für Sonntag, den 02. April 2023 - Palmsonntag

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde,
herzlich willkommen zur Lesepredigt für den Sonntag Palmarum, am 2. April 2023, mit dem die Karwoche beginnt. Eine Woche voller Dramatik. Vom Einzug Jesu in Jerusalem über die Einsetzung des Abendmahls am Gründonnerstag, das Gebet im Garten Gethsemane, die anschließende Verhaftung, den Tod am Kreuz am Karfreitag, die Trauer und die Verzweiflung bis hin zur Freude über die Auferstehung Jesu am Ostermorgen. So vieles geschieht in diesen wenigen Tagen!
Der Wochenspruch aus dem Johannes-Evangelium erinnert uns daran, dass all das geschehen musste, um unseretwillen: “Der Menschensohn muss erhöht werden, auf dass alle, die an ihn glauben, das ewige Leben haben.“ (Kap. 3, V. 14b.15).
Einen gesegneten Sonntag und eine gute neue Woche wünscht Pfarrerin Anke Mühlenberg-Knebel.

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater und von dem Herrn Jesus Christus.
Amen.

Predigttext aus Markus 14, 3-9:
„Als Jesus in Betanien war im Haus Simons des Aussätzigen und saß zu Tisch, da kam eine Frau, die hatte ein Alabastergefäß mit unverfälschtem, kostbarem Nardenöl, und sie zerbrach das Gefäß und goss das Öl auf sein Haupt. Da wurden einige unwillig und sprachen untereinander: Was soll diese Vergeudung des Salböls? Man hätte dieses Öl für mehr als dreihundert Silbergroschen verkaufen können und das Geld den Armen geben. Und sie fuhren sie an. Jesus aber sprach: Lasst sie! Was bekümmert ihr sie? Sie hat ein gutes Werk an mir getan. Denn ihr habt allezeit Arme bei euch und wenn ihr wollt, könnt ihr ihnen Gutes tun; mich aber habt ihr nicht allezeit. Sie hat getan, was sie konnte; sie hat meinen Leib im Voraus gesalbt zu meinem Begräbnis. Wahrlich, ich sage euch: Wo das Evangelium gepredigt wird in der ganzen Welt, da wird man auch das sagen zu ihrem Gedächtnis, was sie getan hat.“
Amen.

Liebe Gemeinde, für uns Menschen sind Symbole etwas sehr Wichtiges. Sie drücken unsere Gefühle, unsere Zuneigung und Liebe, aber auch unsere Sorgen und unsere Angst aus. Sie gehören zu unserem Leben, zu unserem Menschsein dazu. Die Bibel steckt voller Symbole. Der Palmsonntag erinnert daran, wie Jesus in Jerusalem einzieht. Die Menschen begrüßten ihn mit Palmzweigen. Mit Palmzweigen wurden Könige begrüßt. Mit den Hosiannarufen und den Palmen drückte das Volk seine Erwartungen aus. Jesus wurde als neuer König erwartet.

Aber Jesus ritt nicht auf einem Pferd, wie es sich für einen Herrscher gehört hätte. Er ritt auf einem Esel, dem Reittier der Armen. Im Grunde liegt in diesen beiden Symbolen, den Palmen auf der einen und dem Esel auf der anderen Seite, der weitere Verlauf schon angelegt. Weil Jesus den Erwartungen der Menschen nicht entsprach, ließ sie ihn wenige Tage später fallen und riefen: Kreuzige ihn! Eigentlich passen die Palmwedel und der Esel nicht zusammen. Beides ist bedeutsamer, als es auf den ersten Blick erscheint.

Auch das Abendmahl, das wir in der Karwoche am Gründonnerstag feiern, hat symbolischen Charakter. Das Brot, das wir essen und der Wein, den wir trinken, sind gewöhnliches Brot und gewöhnlicher Wein. Und doch bedeuten sie uns mehr. Brot und Wein weisen über sich hinaus. Am Gründonnerstag weisen sie auf das letzte gemeinsame Mahl, das Jesus mit seinen Jüngern kurz vor seinem Tod einnahm. Auch das Kreuz ist ein Symbol. Das Kreuz, das in den Kirchen über dem Altar hängt oder darauf steht und in katholischen Gegenden an vielen Wegkreuzungen und an Hausecken zu finden ist, ist ein Zeichen, das über sich hinausweist. Ein Zeichen, das uns in manchen Situationen wichtig werden kann. Unser Glaube enthält viele Symbole, die wir entdecken und neu mit Leben füllen können. Sie bedeuten mehr, als es auf den ersten Blick erscheint. Symbole weisen über sich hinaus.

Auch die Salbung Jesu, von der unser Predigttext berichtet, ist ein Symbol. Eines, das standhält, selbst angesichts seines Todes. Die Frau, die Jesus salbte, konnte seinen Tod nicht verhindern. Der Evangelist Markus berichtet von der Salbung Jesu in einem erschreckenden Zusammenhang. In den zwei Versen vor unserem heutigen Text heißt es: „Es waren noch zwei Tage bis zum Passafest und den Tagen der Ungesäuerten Brote. Und die Hohenpriester und Schriftgelehrten suchten, wie sie ihn mit List ergreifen und töten könnten. Denn sie sprachen: Ja nicht bei dem Fest, damit es nicht einen Aufruhr im Volk gebe.“ Darauf folgt die Erzählung von der Salbung Jesu. Sie endet mit den Worten: „Wahrlich, ich sage euch: Wo das Evangelium gepredigt wird in aller Welt, da wird man auch das sagen zu ihrem Gedächtnis, was sie jetzt getan hat.“ Und danach erzählt Markus, wie Judas Jesus an die Hohenpriester verrät.

Liebe Geschwister, ist das nicht ein schrecklicher Kontrast? Auf der einen Seite eine Handlung voller Ehrfurcht, die Salbung mit kostbarem Öl, auf der anderen Seite Mordabsichten und Verrat. Auf der einen Seite eine Frau, die ihre Verehrung durch ein Zeichen, durch ein Symbol ausdrückt, auf der anderen Seite berechnende Logik, die einen Menschen, der nicht ins Bild der anderen passt, beseitigen will.

Die Frau, die damals Jesus gesalbt hat, die konnte seinen Tod nicht verhindern. Aber ihre Salbung reicht weit über seinen Tod hinaus. Denn gerade in seinem Leiden und Sterben ist Jesus der Gesalbte, der Messias, ist Jesus der, den Gott gesandt hat. Jesus lebte, wie wir Menschen leben. Das ganze Elend, die Angst, die Schmerzen hat er mit ausgehalten. Die Frau in Bethanien hat ihrem Glauben und ihrer Hoffnung Ausdruck verliehen und damit Recht behalten. Auch angesichts des Todes.

Ich wünsche uns allen den Mut dieser Frau, zu unseren Hoffnungen zu stehen. Den Mut, unseren Glauben und unsere Hoffnung auszudrückenin Wortenaber auch in Zeichen und Symbolen.

Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft zu fassen vermag, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.
Amen.

 

Lesepredigt für Sonntag, den 26. März 2023 - Judica

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde,
zum Gottesdienst am Sonntag Judica grüße ich Sie und euch mit dem Wochenspruch aus dem Matthäus-Evangelium, Kapitel 20, Vers 28:
„Der Menschensohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und gebe sein Leben als Lösegeld für viele.“
Im Gottesdienst wollen wir uns heute mit Hiob aus dem Alten Testament beschäftigen. Sein Glaube wird auf eine harte Probe gestellt. Hat sein Leiden einen Sinn? Und was ist mit unserem Leiden? Die Passionszeit lädt uns ein, diesen Fragen einmal nachzugehen.
Einen gesegneten Sonntag wünscht Pfarrerin Anke Mühlenberg- Knebel.

Am Anfang steht das Lied EG 91, 1-3 „Herr, stärke mich, dein Leiden zu bedenken“

Eingangswort:
Im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Unsere Hilfe steht im Namen des Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat.
Amen.

Gebet:
An diesem Morgen kommen wir zu dir, Gott, aus unserem Alltag voller Aufregung.
Lass uns bei dir Ruhe finden.
Mit unserem wirren Leben finden wir uns an diesem Morgen bei dir ein, Gott.
Lass uns den Weg finden.
Wir bringen an diesem Morgen vor dich unsere Welt voll Leid, Gott.
Lass uns die Hoffnung nicht verlieren.
Wir beten zu dir, wir hören auf dich, rede zu uns, zeig dich.
Amen.

Als Lesung und als Predigttext haben wir heute einen Abschnitt aus dem Buch Hiob,
Kapitel 19, Verse 19- 27:
„Alle meine Getreuen verabscheuen mich, und die ich lieb hatte, haben sich gegen mich gewandt. Mein Gebein hängt nur noch an Haut und Fleisch und nur das nackte Leben brachte ich davon. Erbarmt euch über mich, erbarmt euch, ihr meine Freunde; denn die Hand Gottes hat mich getroffen! Warum verfolgt ihr mich wie Gott und könnt nicht satt werden von meinem Fleisch? Ach dass meine Reden aufgeschrieben würden! Ach dass sie aufgezeichnet würden als Inschrift, mit einem eisernen Griffel und mit Blei für immer in einen Felsen gehauen! Aber ich weiß, dass mein Erlöser lebt und als der Letzte wird er über dem Staub sich erheben. Nachdem meine Haut noch so zerschlagen ist, werde ich doch ohne mein Fleisch Gott sehen. Ich selbst werde ihn sehen, meine Augen werden ihn schauen und kein Fremder. Danach sehnt sich mein Herz in meiner Brust.“
Amen.

Wir bekennen unseren christlichen Glauben:
Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde.
Und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn.
Empfangen durch den Heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria,
gelitten unter Pontius Pilatus, gekreuzigt, gestorben und begraben.
Am dritten Tage auferstanden von den Toten, aufgefahren in den Himmel.
Er sitzt zur Rechten Gottes, des Allmächtigen Vaters, v
v on dort wird er kommen zu richten die Lebenden und die Toten.
Ich glaube an den Heiligen Geist, die heilige christliche Kirche, Gemeinschaft der Heiligen,
Vergebung der Sünden, Auferstehung der Toten und das Ewige Leben.
Amen.

Lied EG 382, 1-3 „Ich steh vor dir mit leeren Händen, Herr“

Predigt:

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und von dem Herrn Jesus Christus.
Amen.

Liebe Gemeinde,
Hiob aus der Bibel ist wohlhabend, ein reicher Herdenbesitzer, mit zahlreichen Knechten. Er ist auch Familienvater. Er und seine Frau haben drei Töchter und sieben Söhne. Für ihn ist das alles Geschenk Gottes, Zeichen dafür, dass er bei Gott gut angesehen ist, sogar sein Liebling.

Doch dann kommt ein Schicksalsschlag nach dem anderen. Die sprichwörtlichen Hiobsbotschaften ereilen ihn. Hiob verliert zunächst alle seine Tiere, dann seine Knechte. Schließlich kommen seine Kinder ums Leben. Dann kommt er selbst an die Reihe, ein juckender Ausschlag, sogar Geschwüre, er kann kaum noch laufen oder sprechen, nichts mehr zu sich nehmen, er wird zum Außenseiter.

Im biblischen Buch Hiob wird nach dem Sinn oder Unsinn des Leidens gefragt, geradezu gerungen. Das, was diesem Menschen zustößt an Schrecklichem, ist das Schicksal? Zufall? Wille Gottes? Für Hiob scheint es eine wirkliche schlüssige Antwort nicht zu geben, sie bleibt aus. Als Leser wissen wir, was Hiob nicht weiß. Dem Ganzen geht eine Wette zwischen dem Satan und Gott voraus. Hiobs Frömmigkeit soll auf die Probe gestellt werden. Wird er auch im Leiden seinem Gott treu bleiben? Der Satan bezweifelt das.

Man mag diese Wette für etwas geschmacklos halten, aber das Thema ist doch klar benannt. Was bringt es einem Menschen zu glauben? Bringt es vielleicht sogar Nachteile mit sich? Muss ich im Leiden meinen Glauben aufgeben, weil die Gleichung von Glaubensinvestition und Glücksgewinn nicht mehr aufgeht?
Die Theologin Dorothee Sölle schreibt dazu: „Liebe zu Gott ist anders, sie ist eine verrückte Liebe ohne Berechnung, eine Liebe, die sich nach Meinung des Teufels nicht auszahlt(…). Gott zu lieben heißt nicht: ich geb dir den richtigen Glauben und komme dafür in den Himmel. Es heißt, sich Gott geben, ohne Versicherung, ohne Rückzahlung.“ Das ist ein schöner Gedanke. So, lieben wir ja zum Beispiel auch einen anderen Menschen, ohne Berechnung, einfach so.

Hiobs Frau reagiert ungehalten, sie versteht nicht, warum ihr Mann sich nicht von Gott abwendet: „Hältst du immer noch an deiner Frömmigkeit fest? Gib Gott den Laufpass und stirb.“

Liebe Schwestern und Brüder, kennen Sie ähnliche Ratschläge heute? Bringt doch nichts, das Glauben, das Beten. 10 Gebote beachten. Zum Gottesdienst gehen. Kirchensteuer zahlen. Gott sind wir Menschen doch egal, wenn es ihn überhaupt geben sollte. Denn wenn es ihn gibt: Warum verhindert er nicht, dass so viel Schreckliches in der Welt passiert? Die Pandemie, die uns nun schon seit einem Jahr in Atem hält und unser Leben bedroht und massiv einschränkt, Kriege, Millionen Flüchtlinge, Katastrophen, unheilbare Krankheiten, Armut und Elend, so viel unschuldige Menschen leiden und sterben.

Hiob antwortet im Laufe des sehr umfangreichen biblischen Buches nicht einheitlich. Es gibt verschiedene Antworten, so verschieden, dass Theologen davon ausgehen: die Texte des Hiob-Buches sind in verschiedenen Zeiten entstanden, wurden ergänzt und zusammen -gestellt. Es gibt eine erzählende Rahmenhandlung, legenden-, fast märchenhaft; dahinein sind Reden Hiobs und seiner Freunde eingefügt, die an die Sprache der Psalmen erinnern.
Zunächst ist Hiob sehr abgeklärt, er sagt: „Gott hats gegeben, Gott hats genommen, der Name des Herrn sei gelobt.“ Später werden seine Klagen lauter: „Mich ekelt mein Leben an. Gefällt dirs, dass du Gewalt tust und verwirfst mich, den deine Hände gemacht haben? Gott, schau doch weg von mir. Also: Wenn das Leben schon so ist, wie es ist, dann lass mich doch wenigstens in Ruhe, Gott.“

Hiob ist kämpferisch. Er ist nicht fertig mit Gott, gibt ihm nicht den Laufpass. Er wendet sich Gott immer wieder zu, klagt ihm sein Leid, schleudert ihm offene Fragen hin, begehrt auf. Und bekommt am Ende von Gott bescheinigt, recht geredet zu haben. Das Klagen, Hadern, Zweifeln gehört zum Glauben dazu. Vielleicht ist gerade das, wenn wir untröstlich sind, das Tröstliche: dass es einen gibt, der zuhört und die Klage zulässt: Gott.

Und was heißt das nun für das Leiden? Für Hiobs Leiden, für unser Leiden?

Der biblische Hiob hat Freunde, die ihn besuchen. Sie halten sein Trauern und Schweigen aus. Sieben Tage und Nächte sitzen sie bei ihm, schweigen mit ihm, dann reden sie. Sie sagen: „Leiden geht immer auf Schuld zurück. Da Gott gerecht ist, musst du, Hiob, irgendetwas falsch gemacht haben, sonst ginge es dir nicht so. Denk mal drüber nach.“

Hiob pflichtet den Freunden zwar bei, denn völlig unschuldig ist eben kein Mensch auf Erden. Aber so viel Leid, wie er zu tragen hat- das kann nichts mit eigenem schuldhaftem Leben zu tun haben.

Uns rutscht das auch so raus, dass wir beim Leid anderer sagen oder denken: Kein Wunder. Unvorsichtig gewesen. Alles auf die leichte Schulter genommen. Das Virus. Das Leben selbst. Wir sind, so meinen wir oft, selbst verantwortlich, selbst schuld an dem, was uns widerfährt. So geben wir dem Leiden einen Sinn, eine Erklärung, wir wissen anscheinend genau, wo es herkommt. Und sind dabei ziemlich ungnädig.

Liebe Geschwister, der Verfasser des Hiob-Buches zeigt uns, dass es komplett sinnloses Leid gibt. Weder der Leidende selbst, noch andere, noch Gott sind daran schuld. Und dass allein schon das Forschen nach einer Ursache lieblos und zynisch wirken kann. Das wird in den Gesprächen mit Hiob und seinen Freunden deutlich. Wie wäre es, wenn unser christlicher Glaube uns darin stark machen könnte, gerade auch die Sinnlosigkeit von Leid auszuhalten? Und dennoch in allem Leid an Gott festzuhalten. Hiob lässt sich nicht mit Erklärungen abspeisen, die versuchen zu zeigen, dass vielleicht doch alles einen Sinn gibt. Er will keine Erklärungen, das einzige, was er braucht, ist, dass Gott ihn sieht. Dass er zu ihm redet. Darauf kommt es an. Dass sie noch verbunden sind.

Hiob kann uns ein Vorbild im Glauben sein. Vielleicht weniger der biblische Hiob der Legende, der das Leid so übermenschlich stark akzeptiert und für den am Ende alles wieder gut wird. Er kommt uns da nahe, wo er aufbegehrt, streitet, kämpft. Sich nicht abfindet mit Krankheit, Leid, Verlust. Wo er Leben und Gerechtigkeit und Glück fordert, für sich und andere. Wo er gegen alles, was ihm widerfährt, daran festhält, dass Gott es mit ihm, seinem Geschöpf, gut meinen muss. Und dann ist da mitten in der Klage, im Kampf ein großer Satz des biblischen Hiobs: „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt“ Aus der größten Verzweiflung taucht die Hoffnung auf, dass es in der Tiefe des Abgrund Halt gibt. Der Sturz geht nicht ins Bodenlose. Am Ende ist da eine Hand, die uns hält. Am Ende ist da Gott, der uns auffängt.

„Ich weiß, dass mein Erlöser lebt“, das ist ein Satz gegen die Angst, ein Wort, das mitten in der Verzweiflung die Rettung ahnt. Das Schwere, das Leiden, die Anfechtungen werden unser Leben weiterhin begleiten, wir werden immer wieder stürzen, aber nicht tiefer als nur in Gottes Hand.
Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft zu fassen vermag, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.
Amen.

Lied EG 372, 1.2.4 „Was Gott tut, das ist wohlgetan“

Fürbitten:

Verborgener Gott,
den es nicht gibt, wie es etwas geben kann.
Du bist nicht dort, wo wir dich zu wissen meinen.
Doch du geschiehst, wo wir dich vermissen.

Zeig deine Nähe, wo nichts und niemand mehr nahe ist,
wo es nichts mehr zu hoffen gibt,
wo Lebensgerüste zerfallen.

Zeig deine Nähe, wo Worte und Verstehen aufhören,
wo das Wort „Gott“ nichts mehr sagt,
wo der Glaube ins Offene fällt.

Zeig deine Nähe, wo das Elend zu groß ist, um es zu begreifen,
wo das Dunkel ohne Widerspruch regiert,
wo tiefe Nacht alle Gewissheiten nimmt.

Zeig deine Nähe, wo der Tod den Abschied von allem fordert
und Menschen zwingt, sich selbst zu verlassen.

Zeig deine Nähe, wo Menschen selbstlos lieben und das Gute tun,
ohne es sich anzurechnen, ohne sich besser als andere zu fühlen.

Verborgener Gott, du fehlst uns und wir ahnen doch,
dass du uns näher bist, als wir es fassen können,
näher als wir uns selbst.
So werden wir still vor dir…

„Aber ich weiß, dass mein Erlöser lebt und als der letzte wird er sich über dem Staub erheben. Ich selbst werde ihn sehen, meine Augen werden ihn schauen und kein Fremder.“

Amen.

Alles, was wir Gott sonst noch sagen möchten, sagen wir mit den Worten des Vaterunsergebetes:

Vater Unser im Himmel, geheiligt werde dein Name,…

Lasst euch segnen mit der 2. Strophe des abschließendes Liedes
EG 171: „Bewahre uns Gott, behüte uns, Gott“
„Bewahre uns, Gott, behüte uns, Gott, sei mit uns in allem Leiden.
Voll Wärme und Licht im Angesicht, sei nahe in schweren Zeiten,
voll Wärme und Licht im Angesicht, sei nahe in schweren Zeiten.“

Lied EG 171, 1.2.4.

 

Lesepredigt für Sonntag, den 05. März 2023 - Reminiszere

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde,
herzlich willkommen bei der Lesepredigt für den Sonntag Okuli, 12. März 2023.
Der Wochenspruch, der uns in der neuen Woche begleiten wird, lautet:
„Wer die Hand an den Pflug legt und schaut zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes.
(Lukas 9, 62)
Einen gesegneten Sonntag wünscht Pfarrerin Anke Mühlenberg-Knebel

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater und von dem Herrn Jesus Christus.
Amen.

Liebe Gemeinde, der heutige Sonntag trägt den Namen Okuli. Das bedeutet: „meine Augen“. Er möchte uns dazu anregen, nach vorne zu schauen, genau hinzuschauen. Was sehe ich? Wie komme ich darin vor? „Die auf Gott sehen, werden strahlen vor Freude“, lesen wir im Psalm 34. Was kann mich heute erfreuen?

Der heutige Predigttext scheint dazu ein Kontrast zu sein. Eine bedrückende Szene. So dunkel, dass man kaum die Hand vor Augen sieht. Es ist Nacht, der Abend der Verhaftung, Jesus im Garten Gethsemane. Aus dem Festsaal mit dem letzten gemeinsamen Mahl und einigen rätselhaften Gesprächen sind Jesus und seine Jünger aufgebrochen. Alle gehen mit, alle können die Augen kaum noch offenhalten. Dann werden sie Zeugen der Verhaftung. Das Schlimmste, was sie sich vorstellen können, geschieht. So berichtet der Evangelist Lukas (Kap. 22, Verse 37-53) davon: „Als Jesus noch redete, siehe, da kam eine Schar; und einer von den Zwölfen, der mit dem Namen Judas, ging vor ihnen her und nahte sich Jesus, um ihn zu küssen. Jesus aber sprach zu ihm: Judas, verrätst du den Menschensohn mit einem Kuss? Als aber, die um ihn waren, sahen, was geschehen würde, sprachen sie: Herr, sollen wir mit dem Schwert dreinschlagen? Und einer von ihnen schlug nach dem Knecht des Hohenpriesters und hieb ihm sein rechtes Ohr ab. Da sprach Jesus: Lasst ab! Nicht weiter! Und er rührte sein Ohr und heilte ihn. Jesus aber sprach zu den Hohenpriestern und Hauptleuten des Tempels und den Ältesten, die zu ihm hergekommen waren: Ihr seid wie gegen einen Räuber mit Schwertern und Stangen ausgezogen? Ich bin täglich bei euch im Tempel gewesen und ihr habt nicht Hand an mich gelegt. Aber dies ist eure Stunde und die Macht der Finsternis. Amen“ Was die Begleiter Jesu sehen müssen, erschreckt sie und uns auch. Wir haben schon geahnt, dass es nicht gut ausgehen würde. Das vorangegangene Mahl mit den Andeutungen, die Worte „mein Leib, mein Blut für euch“.

Die anschließenden Gespräche und der Weg in den Garten. Die bedrohliche Spannung ist kaum auszuhalten. Sie holen ihn, es kann nicht gut ausgehen für Jesus. Dunkel erscheint die ganze Szene. Aber ist es nicht auch konsequent? Jesus hatte ja all das angekündigt: seine Auslieferung, die Gefangennahme, den Tod. Den Weg gehen bis zum Schluss, konsequent und überzeugt, das hat er uns mit seinem Verhalten gezeigt. Seine Hand an den Pflug legen und das Feld im Blick behalten, das ich bearbeiten muss- das hat er auch als Erwartung an seine Freundinnen und Freunde formuliert. Nicht zurückschauen, nicht um das Alte, Vergangene trauern. Sondern auf das Ziel schauen, den Weg nicht aus dem Blick verlieren.

Die auf Gott sehen, werden strahlen vor Freude. Strahlen vor Freude, viele schöne Momente durften die Menschen erleben, die Jesus auf seinem Weg begleitet haben. Gutes Essen und Trinken beim Zöllner Zachäus zuhause. Oder bei Maria und Marta. Oder den anderen Frauen, die ihn unterstützt haben. Fröhliche Gesichter waren dabei. Der Vater aus Nain, dessen Sohn wieder leben durfte. Die vielen Kranken, die wieder gesund geworden sind. Wir können uns die staunenden Gesichter sehr gut vorstellen, die sich von seinen Worten und Geschichten berühren ließen, die vertrauensvollen Kinderaugen. So viel Gutes und Schönes war dabei, was seinen Begleiterinnen und Begleitern jetzt noch vor Augen steht. Und auch wir haben ein buntes lebendiges Bild vor Augen. Momente, in denen Gott dabei war, spürbar, erlebbar.

Und nun: was müssen seine Jünger und wir in der heutigen Szene aus dem Lukas-Evangelium sehen? Welches Bild ergibt sich vor unseren Augen, von dem Garten, als es finster wird? Da ist der Kuss. Judas nähert sich, einer seiner engsten Vertrauten. Was treibt ihn dazu zu tun, was er tut? Worauf richtet er seinen Blick? Vielleicht war Judas enttäuscht. Er hatte anderes erwartet von Jesus. Er hatte ja gehört und erlebt, wie der sich den Verlorenen, den Armen und Schwachen zugewendet hatte. Das entsprach nicht seinen Erwartungen von Macht und Stärke. Auf diesen Weg Jesu kann er sich nicht einlassen, blickt er zurück auf seine eigenen Wünsche und Bedürfnisse. Jesus ist nicht der, dem er folgen will! So zeigt er denen, die Jesus verhaften wollen, wer der Gesuchte ist.

Die depressive, ratlose Lähmung, die grade eben noch die Jünger Jesu in den Schlaf getrieben hatte, ist auf einmal weg. Entsetzt reißen sie die Augen auf und beobachten, was hier im Garten Gethsemane geschieht. Sie müssen sehen, wie ihr Freund, wie der Sohn Gottes verhaftet wird, geht auf einmal eine Welle der Energie durch sie hindurch. Sollen wir das Schwert nehmen?, fragen sie. Und einer hat es schon in der Hand und schlägt einem der Soldaten ein Ohr ab. Jesus aber bleibt bis zum Ende der Szene souverän. Er heilt den verwundeten Knecht, wie er zuvor schon viele Menschen geheilt hat. Er liefert sich denen aus, die ihn gefangen nehmen möchten, gibt der ganzen Situation eine Überschrift: „Jetzt ist die Stunde der Verfolger-jetzt zeigt sich die Macht der Finsternis“.

Nun verschwindet Jesus aus dem Blickfeld seiner Vertrauten und auch aus unserem Blickfeld. Andere werden nun auf ihn schauen, urteilend, richtend. Wir sehen ihm hinterher. Was wird uns vor Augen gestellt an diesem dritten Sonntag der Passionszeit, dem Sonntag Okuli? Wir sehen Jesus, der mit großer Klarheit den Weg geht, von dem er überzeugt ist. Wir sehen die Freundinnen und Freunde, voller Angst um ihn und um sich selbst. Die Soldaten und ihre Hauptleute, die ihrem Auftrag folgen, aber vielleicht gar nicht wissen, was sie tun und welche Rolle sie in diesem Drama zu spielen haben. Wir sehen die Düsternis der Nacht und die Unausweichlichkeit eines gewaltsamen Todes. Eine schreckliche Szene, die bedrückend und schrecklich weitergehen wird. „Die auf Gott sehen, werden strahlen vor Freude.“

Hat Jesus an diesem Abend, als er seinen Blick im Gebet auf Gott richtete, gestrahlt vor Freude? Immerhin hat er offenbar die Kraft erhalten, seinen Weg fortzusetzen und sich auszuliefern. Aufrecht liefert er sich aus. Denn es gab keine Alternative. Auch eine Flucht nicht, mit der hätte er sich selbst und Gott verraten. Nur: wo ist Gott an diesem Abend? Wo ist Gott in unserer Düsternis und Dunkelheit, wenn wir unseren Weg weitergehen und nicht ausweichen? Wenn wir tun, was getan werden muss. Oder wenn wir überrollt werden von dem, was unausweichlich ist. Wenn angebliche Freunde und Vertraute sich abwenden und mich ausliefern. Wenn ich meine Nächsten und Liebsten zwar um mich habe, sie aber wie gelähmt sind vor Angst und Traurigkeit. Wo ist Gott in den Düsternissen dieser Welt?

Wenn Menschen um ihr Leben und ihre Existenz, um die Zukunft ihres Landes Angst haben müssen, weil sie militärisch angegriffen werden. Wenn sie flüchten müssen und alles zurücklassen, was ihnen etwas bedeutet. Ihr Leben bei der Flucht auf Schlauchbooten im Mittelmeer riskieren. Wenn ein Erdbeben eine ganze Region verwüstet. Oder wenn Menschen sich auf einmal allein fühlen, weil sie ein Schicksalsschlag ereilt; ein geliebter Mensch stirbt, eine lebensbedrohliche Krankheit bei ihnen selbst oder einem Angehörigen festgestellt wird. Wo ist Gott dann? Hat er seine Augen verschlossen und Jesus im Garten Gethsemane der Dunkelheit ausgeliefert? Liefert er auch uns und die ganze Welt der Finsternis aus?

Liebe Geschwister, manchmal fühlt es sich so an, als sei Gott gar nicht da. Unsere Augen sehen ihn nicht. Das Leben hat sich verfinstert. Dann gibt es wieder andere Tage, an denen ich seine Spuren entdecken kann. Dann kann ich strahlen vor Freude. Schauen wir noch einmal hin. Schauen uns die Szene an. Vor der Verhaftung im Garten Gethsemane erzählt Lukas, wie Jesus betet. Traurig, aber auch tröstlich. Und Jesus hat durch sein Gebet neue Kraft bekommen und Hoffnung. Auch wenn er nicht vor Freude strahlt, so kann er doch seinen Weg auf sich nehmen. Aufrecht. Souverän. So kann er dem Unausweichlichen entgegentreten. Er geht in das Dunkel hinein und hindurch. Vielleicht ahnt er schon das Licht am Ende.

Wir, liebe Geschwister, müssen in unserem Leben auch durch so manches Dunkle hindurch. Du und ich, die Menschen dieser Welt. Ich finde das Bild im Garten Gethsemane tröstlich und beruhigend: Gott ist auch in den finsteren Nächten bei uns. Vielleicht sehen wir noch nicht sein Licht, aber wir sehen, wie Menschen sich halten und aushalten. Aufrecht, souverän. Auch in deinem und meinem Dunkel ist Gott da und führt uns hindurch, schenkt uns die Kraft, damit wir weitergehen.

Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft zu fassen vermag,
bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.
Amen.

 

Lesepredigt für Sonntag, den 05. März 2023 - Reminiszere

Liebe Leserinnen, liebe Leser, liebe Gemeinde,
herzlich willkommen bei der Lesepredigt für Sonntag, den 5. März 2023. „Reminiszere“, „Gedenke, Herr!“, so heißt es in Psalm 25, der diesem Sonntag zugeordnet ist.
Um unser menschliches Gedenken geht es in der vorliegenden Predigt. Wir denken an den 80. Todestag der Geschwister Sophie und Hans Scholl und der anderen Mitglieder der „Weißen Rose“, die für ihren Widerstand gegen Hitler ihr Leben eingesetzt haben.
Einen gesegneten und nachdenklichen Sonntag wünscht Pfarrerin Anke Mühlenberg-Knebel

Gnade sei mit euch Friede von Gott, unserem Vater, und von dem Herrn Jesus Christus.
Amen.

Liebe Geschwister, wofür lohnt es sich zu leben? Was soll ich mit meinem Leben anfangen? Wofür setze ich meine Zeit, mein Können, meine Kräfte oder mein Geld ein? Was ist eigentlich wichtig? Welche Werte, welche Überzeugungen leiten mich dabei? Die Passionszeit ist eine gute Zeit, über diese Fragen einmal nachzudenken.

Vor diese Fragen sah sich auch der Apostel Paulus immer wieder gestellt.  Wir hören als Predigttext einen Abschnitt aus seinem Philipperbrief, Kap. 1, Verse 15- 21:
„Einige predigen zwar Christus aus Neid und Streitsucht, einige aber auch in guter Absicht: diese aus Liebe, denn sie wissen, dass ich zur Verteidigung des Evangeliums hier liege; jene aber verkündigen Christus aus Eigennutz und nicht lauter, denn sie möchten mit Trübsal bereiten in meiner Gefangenschaft. Was tuts aber? Wenn nur Christus verkündigt wird auf jede Weise, es geschehe zum Vorwand oder in Wahrheit, so freue ich mich drüber. Aber ich werde mich auch weiterhin freuen; denn ich weiß, dass mir dies zum Heil ausgehen wird durch euer Gebet und durch den Beistand des Geistes Jesu Christi, wie ich sehnlich erwarte und hoffe, dass ich in keinem Stück zuschanden werde, sondern dass frei und offen, wie allezeit so auch jetzt, Christus verherrlicht werde an meinem Leben, es sei durch Leben oder durch Tod. Denn Christus ist mein Leben, und Sterben ist mein Gewinn.“

Liebe Gemeinde, Paulus sitzt im Gefängnis. Der Ausgang seines Prozesses ist ungewiss. Ihm droht die Todesstrafe. Steht nun alles infrage? Aber Paulus ist hartnäckig, so leicht lässt er sich nicht von seinem Ziel abbringen. Dass er im Gefängnis ist? Dann wird endlich geredet über das, was er zu sagen hat. Dann sieht man doch erst, welche Kraft seine Botschaft hat. Er predigt Christus, den Leidenden, den Gekreuzigten. Wenn er eingesperrt wird, dann ist er doch noch viel glaubwürdiger, denkt er. Das alles predigt vielleicht noch überzeugender als viele Worte, was Christus bedeutet. Das Leiden, die Schmerzen, die Angst vor dem Tod.

Ich finde, der Apostel Paulus ist wirklich sehr hartnäckig. Er hat eine Mission, die er erfüllen will. Wenn sie ihm den Mund verbieten werden, dann predigt er eben mit seinem Leben. Eigentlich kann ihm nichts Besseres passieren!  „Gelt Sophie, Jesus.“- „Ja, aber du auch.“ Vor wenigen Tagen habe ich diesen kurzen Wortwechsel wieder einmal nachgelesen, wie schon öfter in den letzten Jahren, meist so Mitte, Ende Februar. Jedes Mal berührt er mich. Was in diesen wenigen Worten drinsteckt! Es sind letzte Worte zwischen zwei Menschen, Tochter und Mutter, Abschiedsworte vor dem Tod.

Der Dialog ist in einem Jugendbuch abgedruckt, das über Sophie Scholl und die anderen aus der Widerstandsbewegung „Die Weiße Rose“ berichtet. Er zeigt, dass der Glaube an Jesus Christus zu tun hat mit den Beziehungen der Menschen untereinander. „Gelt Sophie- Jesus“. Das sagte Magdalena Scholl am 22. Februar 1943 zum Abschied zu ihrer Tochter Sophie. Wenige Minuten später wird Sophie hingerichtet. Zusammen mit ihrem Bruder Hans und anderen Studenten hat sie in München Flugblätter gegen den Nationalsozialismus geschrieben und verbreitet. Gegen den Krieg, gegen Hitler, gegen die Verfolgung der Menschen jüdischen Glaubens- für die Freiheit des Geistes und des Glaubens.

„Gibt es, so frage ich dich, der du ein Christ bist, gibt es in diesem Ringen ein Zögern, ein Hinausschieben der Entscheidung in der Hoffnung, dass ein anderer die Waffen erhebt, um dich zu verteidigen? Hat dir nicht Gott selbst die Kraft und den Mut gegeben zu kämpfen? Wir müssen das Böse dort angreifen, wo es am mächtigsten ist, und es ist am mächtigsten in der Macht Hitlers.“ So steht es in einem Flugblatt der „Weißen Rose“ vom Sommer 1942. Dann folgt ein Zitat aus dem biblischen Buch der Sprüche Salomos: „Ich wandte mich und sah an alles Unrecht, das geschah unter der Sonne; und siehe, da waren die Tränen derer, so Unrecht litten und hatten keinen Tröster; und die ihnen Unrecht taten, waren zu mächtig, dass sie keinen Tröster haben konnten.“…“Wir schweigen nicht, wir sind euer böses Gewissen, die „Weiße Rose“ lässt euch keine Ruhe!“ „Gelt Sophie, Jesus.“- „Ja, aber du auch!“ Hattest du keine Angst, Sophie? Wolltest du nicht leben? Hat sich das gelohnt?

Der Blick auf Jesus, auf den gekreuzigten Christus. Der Blick auf den anderen Menschen, auf die Gesellschaft und das eigene Leben. Und die Frage: Wofür lohnt es sich zu leben? Diese drei Punkte gehörten für Sophie Scholl, die junge Studentin, offenbar zusammen. Augenzeugen beschreiben, dass sie ruhig und gefasst in den Tod gegangen ist. Sie hat ihr Leben nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt, sie wollte nicht sterben, mit erst 21 Jahren, sie hatte auch Angst. Ihr Leben und ihr Sterben zeigen auf Christus, den Gekreuzigten, den Leidenden und Mitleidenden: „Gelt Sophie-Jesus“-„Ja, aber du auch!“

Liebe Geschwister, was predigt euer und mein Leben? Nicht immer befinden wir uns wie Paulus oder wie Sophie in Grenzsituationen, in denen alles auf den Punkt kommt. Aber auch in unserem ganz alltäglichen Leben stellt sich die Frage: Was heißt es, als Christ, als Christin zu leben? Was predigt mein Leben?“ Es geht nicht um heldenhaften Mut, nicht um Erfolgsgeschichten, nicht um moralische Bestnoten. Auch Paulus hat es nicht darauf angelegt, als Märtyrer zu sterben. „…wie ich sehnlich erwarte und hoffe, dass ich in keinem Stück zuschanden werde, sondern dass frei und offen…Christus verherrlicht werde an meinem Leibe, sei es durch Leben oder durch den Tod.“ Paulus hält daran fest: Christus, der Gekreuzigte, wird sichtbar an den Erfahrungen der Menschen, die an ihn glauben. Der einsame, zweifelnde Jesus im Garten Gethsemane erscheint in deiner Einsamkeit und in deinen Zweifeln. Der Jesus, der unter dem Kreuzbalken zusammenbricht, erscheint in deinem Scheitern, den Niederlagen und Abbrüchen deines Lebens. Der Sterbende am Kreuz wird sichtbar in deiner Sterblichkeit und Todesangst. In unseren Lebensgeschichten, im ganz alltäglichen und gewöhnlichen Lauf unserer Tage will Christus sichtbar werden.

Was predigt mein Leben? Nicht erst dann, wenn einmal an meinem Grab eine Beerdigungsansprache gehalten wird. Sondern jetzt, mitten im Leben und im Alltag. Paulus, unser Glaubensbruder aus biblischer Zeit, ist beharrlich und zugleich gelassen: „Wenn nur Christus verkündigt wird auf jede Weise…“, schreibt er in seinem Brief. „Ja, aber du auch!“- antwortet Sophie Scholl ihrer Mutter, ähnlich beharrlich und gelassen. Der Glaube an den gekreuzigten Jesus ist keine Erfolgsgarantie für ein Leben, das „sich lohnt“. Aber er öffnet den Blick für das, was sich um Christi willen lohnt. Und er macht unser Leben transparent für die Botschaft des Evangeliums: Hoffnung und Leben über den Tod hinaus.
Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft zu fassen vermag, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.
Amen.

 

Lesepredigt für Sonntag, den 26. Februar 2023 - Invokavit

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde,
herzlich willkommen zur Lesepredigt für Sonntag, den 26. Februar.
Es ist der erste Sonntag der Passionszeit und trägt den Namen „Invokavit“. Wörtlich übersetzt bedeutet das „Er ruft mich an“ und bezieht sich auf ein Wort aus Psalm 91. Da geht es um die vertrauensvolle Beziehung des Menschen zu Gott, der ihn in seiner Not anruft und Gott wird ihn erhören.
Der Wochenspruch für die neue Woche steht im 1. Johannesbrief, Kap. 3, V. 8b:
„Dazu ist erschienen der Sohn Gottes, dass er die Werke des Teufels zerstöre.“

Einen gesegneten Sonntag und eine gute neue Woche wünscht Pfarrerin Anke Mühlenberg-Knebel.

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und von  dem Herrn Jesus Christus.
Amen.

Liebe Geschwister,

wir stellen uns einmal vor, dass unser Glaube wie ein roter Faden ist, der sich durch unser Leben zieht und uns hilft, dass wir uns im Labyrinth unseres Lebens zurechtfinden können. In unseren roten Faden wollen wir gleich vier symbolische Knoten hinein knüpfen. Jeder Knoten soll dann für einen Inhalt stehen. Den ersten Knoten knüpfen zu Anfang hinein. Er verbindet sich mit den Werten, die Gott in unser Leben hineinlegt: Glaube, Hoffnung und Liebe. Im Römerbrief heißt es dazu: „Nun aber bleibt Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei, aber die Liebe ist die größte unter ihnen.“

Vielleicht habt ihr schon einmal gesehen, dass Liebespaare seit einigen Jahren an Brückengeländern kleine Schlösser anbringen mit ihren Initialen darauf und sie werfen als Symbol ihrer ewigen Liebe den Schlüssel anschließend weg. Ein fest abgeschlossenes Schloss, zu dem es keinen Schlüssel mehr gibt. Was für ein starkes Zeichen, dass zwei Liebende fest zusammengehören. Ich kann es mir nicht anders denken als dass auch Gott so ein Schloss mit unseren Initialen hingehängt hat, weil er uns unendlich liebt. Wie gut tut es uns, wenn wir spüren, dass die Liebe sich durch unser Leben zieht. Geliebt zu sein durch die Familie, durch Freundinnen und Freunde und durch Gott. Gottes Liebe zu uns hört niemals auf, auch wenn wir uns selbst nicht leiden können und auch andere uns die Achtung entziehen.

Einen zweiten Knoten machen wir für die 10 Gebote. Im Konfiunterricht sind wir gerade dabei, sie kennenzulernen. Sie sind 10 Angebote Gottes, 10 Leitlinien, an denen wir uns orientieren können. Sie helfen uns für einen guten, respektvollen Umgang mit anderen und auch mit Gott. Sie zeigen uns, dass wir Verantwortung füreinander haben. Und dass es nicht egal ist, was wir sagen und denken, wie wir uns verhalten, welche Werte für uns ganz oben stehen. Lassen uns erkennen, wie wir von Gott beschenkt sind. Sie helfen uns, wenn wir wichtige Entscheidungen treffen müssen. Bes. dann, wenn wir bei der Entscheidungsfindung in einem Dilemma stecken.

Den dritten Knoten dürfen wir für das Vaterunser in den roten Faden knüpfen. Jesus hat dieses besondere Gebet den Menschen geschenkt. Er lädt uns mit dem Gebet ein, mit Gott über das Leben ins Gespräch zu kommen. Vertrauensvoll. Der Glaube ist keine Einbahnstraße. Er ist wie ein Dialog, der beginnt und niemals aufhört. Gott lässt sich bewegen, in unser Leben hineinzuwirken und seinen Segen zu entfalten.

Der vierte Knoten steht für das Glaubensbekenntnis. Ich glaube an Gott den Vater, an Jesus seinen Sohn und an den Heiligen Geist. Der Begriff Glaube stammt in der hebräischen Sprache aus dem Bauwesen. Glaube heißt: fest, sicher sein. Das Glaubensbekenntnis ist wie ein Fundament, auf dem wir uns bewegen dürfen. Gott hat die Welt erschaffen, auch uns hat er ins Dasein gerufen. Wir sind von Gott gewollt, es ist kein Zufall, dass es uns gibt; wir sind ein genialer Gedanke Gottes, den er im Leben unserer Eltern ausgesprochen hat und der uns heranreifen ließ. Jeder ist eine besondere Persönlichkeit, mit Begabungen und Ideen, mit unserer eigenen ganz anderen Art. So sind wir Gott recht. So hat er sich das gedacht.

Ihr Lieben, So uns allen kann ich nur wünschen, dass jeder auf seine individuelle Art und Weise den roten Faden seines Lebens entdeckt, den Sinn darin findet, der uns hilft, unseren Weg zu finden und uns Mut macht, Gott zu vertrauen. Im Leben Jesu ist bereits unser Leben eingezeichnet. In jeder Teilstrecke unseres Lebens ist Gott da. Auch, wenn wir heute noch nicht den ganzen Weg überblicken, geht Gott doch durch Jesus mit. Er sorgt dafür, dass wir am Ende unseres Lebens am Ziel ankommen.

Unser Leben ist wie ein Labyrinth, aber es ist kein Irrgarten. Im Irrgarten kann man sich verlaufen. Im Labyrinth führt jeder Weg zum Ziel. Geht euren Lebensweg im Vertrauen, dass Gott an unserer Seite bleibt. „Ich will dich unterweisen und dir den Weg zeigen, den du gehen sollst. Ich will dich mit meinen Augen leiten.

Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft zu fassen vermag, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.
Amen.

 

Lesepredigt für Sonntag, den 19. Februar 2023 - Estomihi

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde,
herzlich willkommen zum Lesegottesdienst für Sonntag, den 19. Februar 2023.
Im liturgischen Kalender ist es der Sonntag mit dem Namen Estomihi, der letzte Sonntag vor Beginn der Passionszeit.
Der Wochenspruch, der uns durch die neue Woche begleiten wird, lautet:
„Seht, wir gehen hinauf nach Jerusalem, und es wird alles vollendet werden, was geschrieben ist durch die Propheten von dem Menschensohn.“

Einen gesegneten Sonntag und eine gute neue Woche wünscht Pfarrerin Anke Mühlenberg-Knebel.

Im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Amen.

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und von dem Herrn Jesus Christus.
Amen.

Der Predigttext steht im Markus-Evangelium, Kap. 8., V. 31- 38:
„Und Jesus rief zu sich das Volk samt seinen Jüngern und sprach zu ihnen: Wer mir nachfolgen will, der nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. Denn wer sein Leben erhalten will, der wird es verlieren, und wer sein Leben verliert um meinetwillen und des Evangeliums willen, der wird’s erhalten. Denn was hilft es dem Menschen, die ganze Welt zu gewinnen und Schaden zu nehmen an seiner Seele? Denn was kann der Mensch geben, womit er seine Seele auslöse? Wer sich aber meiner und meiner Worte schämt unter diesem abtrünnigen Geschlecht, dessen wird sich auch der Menschensohn schämen, wenn er kommen wird in der Herrlichkeit seines Vaters.“

Liebe Gemeinde,
als ich vorgestern ganz versonnen durch die Innenstadt in Bühl gehe, den Kopf voll von schweren Gedanken über Kreuze, Schicksale und was es bedeuten könne, das Leben zu verlieren und wie man das Leben gewinnt, wenn man es verliert, da bleibt mein Blick an einem Clownsgesicht an einem der Schaufenster hängen. Oh , nein, denke ich, schon wieder Fastnacht, kann man nicht einmal zehn Minuten in Ruhe und ernsthaft über etwas nachdenken! Ich will mich gerade genervt abwenden, da stutze ich. Der Clown blinzelt mir zu. Blödsinn, denke ich, da sieht man, die Fastnacht bringt alles durcheinander, da zwinkert er wieder und grinst auch noch ziemlich frech.

„Na, kein Kostüm, keine Fete? Du siehst aus, als könntest du Spaß gebrauchen?“

Na, denke ich, das fehlt mir gerade noch. „Lass mich in Ruhe,“ sage ich laut, „ich muss nachdenken.“

„He,“ meint er, „hast du vergessen, dass Fastnacht ist?“

„Wie könnte ich,“ sage ich, „man hört und sieht doch nichts anderes, als gäbe es nicht auch noch Vernünftige. Außerdem, so sagte ich, sei es nicht Fastnacht, sondern Vor-Passionszeit.“

„Vor-Pass-was?“ Er stolpert über das Wort. Diesen Begriff kennt er nicht.

„Klar,“ sage ich, „ist ja auch nur in der Kirche so.“

„Aha,“ meint er, „das erklärt ja einiges, und was ist das bitteschön?“

„Eine sehr ernste Angelegenheit,“ meine ich, „es geht um Leben, um ernstes, richtiges Leben und um verwirktes Leben- ernsthafte Fragen also.“

„Puh,“ sagt er, „hört sich kompliziert an.“

„Ist es auch,“ gebe ich zu, „aber doch wichtig, wenn man es ernst meint mit dem Glauben und Jesus hat ja auch gesagt, und wenn er´s nicht wert ist, wer und was dann?“

„Ist mir zu schwierig.“ - der Clown lacht – „Da bleibe ich lieber bei der Fastnacht. Da mühen sich die Menschen, fröhlich zu sein und nicht ernst.“

Ich protestiere. „Man kann doch nicht auf Bestellung lustig sein und dann diese alberne Kleidung, zynisch, bei unserer Lage.“

„Na, gut,“ sagt er, „dann soll ich ihm erzählen, was wirkliches Leben bedeutet.“

„Jesus sagt,“ meine ich zögernd, „dass der, der ihm nahe sein will, sich selbst aufgeben soll. Erst der, der sein Leben verliert, weil er mit Jesus Wort erst macht, der gewinnt wirkliches Leben. Der, der an seinem Leben hängt, der wird es verlieren.“

„Das hast du nicht verstanden.“ meint der Clown trocken. „So, wie du es erzählst, müssten Christen sich in die Luft sprengen für die Sache Jesu, und das hätte euer Jesus dann sicher auch noch gewollt. Das wäre zynisch, Mensch. Und alle Freude, aller Genuss am Leben würde wegfallen, weil man in den Verdacht käme, sein Leben zu sehr zu lieben. Das kann ich nicht glauben. Das widerspricht doch eurem Gott, der sich an seiner Schöpfung freut. Dann wäre es wirklich kein Wunder, wenn ihr Christen die tollen Tage nicht mögt. Aber ich will dir jetzt sagen, meint er, warum ich sie so gerne habe: Weil ich den Eindruck habe, dass die Menschen gerade dann ehrlich sind.“

„Ausgerechnet in dieser Zeit!“ Ich muss lachen. „Jetzt ist doch niemand er selbst. Der Ingenieur ist Pirat, und der Lehrer Vogelscheuche.“

„Und die Pfarrerin ist der Teufel!“ Der Clown grinst. „Klar, alle maskieren sich, aber sie tun das ganz bewusst. Diese paar Tage, das ist vielleicht die einzige Zeit, in der die Menschen sagen: Ich bin nicht der, der ich vorgebe zu sein.“

„Na klar, bis Aschermittwoch!“ denke ich.

„Da legen sie dann die Masken ab und schlüpfen schnell in ihre alten hinein,“, unterbricht der Clown meine Gedanken, „und merken es nicht einmal.“

„Moment,“ sage ich, „welche Masken, die sind doch ganz normal?“

„Sag ich doch, ihr merkt es nicht!“ lacht der Clown. „Dabei gibt es so viele Verkleidungen, die ihr anlegt. Du kennst sie bestimmt. Ich bin stark, heißt die eine, mich kann nichts erschüttern. Er lässt nichts so richtig an sich heran, Ereignisse, Gefühle, aber auch andere Menschen nicht und ihre Schicksale.“

„Ja, diese Maske kenne ich, die scheint sehr wirkungsvoll zu sein.“

„Oder der ältere Herr, der niemals fremde Hilfe akzeptieren würde, egal, wie schlecht es ihm geht. Oder die alleinerziehende Mutter, die alles so perfekt managt, weil sie allen zeigen muss, wie gut sie alleine zurechtkommt. Der Mitarbeiter, der sich solange einredet, er mag seinen unfähigen Chef, bis er es wirklich glaubt.“

„Hör auf,“ rufe ich dazwischen, „das ist ja nicht auszuhalten. Du machst unser ganzes Leben zu einer Maskerade!“

„Ja, ist es das denn nicht?“ fragt der Clown erstaunt.

„Nein, es gibt doch auch Menschen, die wirklich stark sind, die sich ernsthaft bemühen, gut zu sein. Das ist doch nicht alles Schau.“

„Gut, vielleicht hast du recht,“ gibt er zu. „Aber kannst du erkennen, was Maske ist und was nicht? Bei dir selbst?“

„Nicht immer, manchmal schon. Wenn ich schonungslos ehrlich zu mir bin. Aber eigentlich,“ - ich werde ärgerlich – „will ich das auch gar nicht. Ich fühle mich wohl so, ich habe mich gut eingerichtet. Manches musste ich mir hart erarbeiten. Beziehungen zu anderen Menschen, Berufliches. Selbst wenn es Kostümierungen sind-sie sind ein Teil von mir. Ich brauche sie, auch zum eigenen Schutz.“

„Siehst du,“ triumphiert der Clown, „das meine ich. Warum macht ihr das alles? Aus Angst. Aus Angst, zu den Verlierern zu zählen, aus Angst, nicht anerkannt zu werden, aus Angst, plötzlich alleine dazustehen. Ihr wollt euer schönes Leben, euer Kostüm-diese Mischung aus Maskerade und echt, aufrechterhalten, um nicht die Sicherheit und die Anerkennung, die Beliebtheit zu verlieren, die ihr euch aufgebaut habt. Und ihr habt eine Menge zu verlieren.“

Verlieren-gewinnen-aufrechterhalten, das kommt mir bekannt vor. Und plötzlich kommt mir ein Verdacht. „Du, und wenn Jesus das meint?“

Neugierig geworden, schaut er mich an.

„Naja, ich meine, wenn er sagt, wer sein Leben erhalten will, der wird es verlieren. Das könnte man doch so verstehen: Wenn du aus lauter Angst, deine Masken ausbaust, dann wirst du irgendwann feststellen, dass du dein Leben verloren hast. Unter deinen Kostümierungen bist du hohl, du findest dich nicht mehr, erkennst nicht mehr dein Ziel, weil du dich und dein Leben so verbogen hast. Dann hast du das wichtigste verloren, was du hast, deine Persönlichkeit, deine Seele.“

Der Clown grinst etwas schadenfroh: „Und da kann man noch so viel Erfolg haben, man kann die Welt besiegt haben, mächtige Verbündete gewinnen oder einen riesigen Freundeskreis haben-wenn du dich als Mensch dabei verbogen hast, ist die Seele futsch.“ Er kichert.

Ich möchte weg von dieser Vorstellung. „Aber so muss es ja nicht sein!“ - fast beschwörend sage ich das. „Jesus zeigt ja einen Weg auf, wie es anders geht. Das, was er Nachfolge nennt. Er sagt, wir sollen uns selbst verleugnen. Vielleicht heißt das: wir sollen uns selbst, unser Ansehen, unsere Sicherheiten, all das, was wir mit unseren Verkleidungen schützen wollen-nicht so ernst nehmen. Vielleicht werden wir dann frei, auf das zu hören, was er uns als Menschennicht als Kostüme-zu sagen hat. Und vielleicht werden wir auch bereiter, seinen Willen zu sagen und zu tun-auch wenn wir Sicherheit, Ansehen, mein Bild von mir selbst verlieren.“

In den Augen des Clowns glitzert es: „Weißt du was, Jesus fordert euch auf, so zu werden wie wir Clowns. Du weißt schon, Narren. Wir können sagen, was wir wollen, nur wir dürfen das. Uns geschieht nichts dabei, wir sind ja Narren. Auch darin, wie ich mich verhalte, habe ich Narrenfreiheit. Eigentlich ein schöneres Leben.“

Ich überlege. ChristInnen als Narren-vielleicht. Aber so ganz bestimmt nicht. „Nein, ich glaube nicht, dass Jesus das gemeint hat, sage ich laut. Dir fehlt etwas Entscheidendes: die Liebe. Ohne sie ist alle deine Ehrlichkeit wertlos. Ohne sie nimmst du dich und andere nicht ernst. Du wirst zynisch- vielleicht dein Schutz, aber ganz bestimmt nicht unserer. Gerade die Liebe ist es ja, die uns verletzlich macht. Sie lässt uns Schmerz, Verlust, das Kreuz spüren Gerade die Liebe ist es aber auch, die uns in allem Verlust ein neues Leben spüren lässt, wenn wir uns auf die Nachfolge einlassen. Sie wird uns neue Wege zeigen, Jesus hinterher und an seiner Seite. Wege, die nicht einfacher sind, nicht sicherer, aber menschlicher.“

Der Clown ist ganz still geworden. Dem hat er nichts entgegenzusetzen. „Du Närrin, sagt er , du verrückte Närrin.“ Aber seine Augen schauen ernst. Ich mache mich auf den Weg.
Amen.

Und der Friede Gottes leite und begleite euch.
Amen.

 

Lesepredigt für Sonntag, den 12. Februar 2023 - Sexagesimä

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde,
herzlich willkommen zur Lesepredigt für Sonntag, den 12. Februar 2023.
Es ist der Sonntag mit dem schönen Namen „Sexagesimä“, der zweite Sonntag vor der Passionszeit. Der Wochenspruch für die neue Woche lautet:
„Heute, wenn ihr seine Stimme hört, so verstockt eure Herzen nicht.“ (Heb. 3, 15).
Das möge uns gelingen, heute und in den Tagen, die kommen werden.
Einen gesegneten Sonntag und eine gute neue Woche wünscht Pfarrerin Anke Mühlenberg-Knebel.

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater,
und von dem Herrn Jesus Christus.
Amen.

Predigttext aus Jesaja 55, 6-12 a:
„Sucht den Herrn, jetzt ist er zu finden! Ruft zu ihm, jetzt ist er nahe. Der Frevler soll seinen Lebensweg ändern! Wer Böses im Sinn hat, soll seine Pläne ändern und zum Herrn, unserm Gott zurückkehren! Der wird Erbarmung mit ihm haben und ihm reichlich Vergebung schenken. So lautet der Ausspruch des Herrn: Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken und eure Wege sind nicht meine Wege. Wie weit entfernt ist doch der Himmel von der Erde! So fern sind meine Wege von euren Wegen und meine Gedanken von euren Gedanken. Regen oder Schnee fällt vom Himmel und kehrt nicht dahin zurück, ohne die Erde zu befeuchten. So lässt er die Pflanzen keimen und wachsen. Er versorgt den Sämann mit Samen und die Menschen mit Brot. So ist es auch mit dem Wort, das von mir ausgeht: Es kehrt nicht wirkungslos zu mir zurück, sondern bewirkt, was ich will. Was ich ihm aufgetragen habe, gelingt ihm. Voll Freude werdet ihr aus Babylon fortziehen und wohlbehalten nach Haus gebracht werden.“
Amen.

Liebe Gemeinde,
„Wie man Gott findet“, so heißt es in einem Text, den ich einmal gelesen habe. Pfiffige Ideen, was man da tun könnte: rede mit jemandem, den du nicht kennst; singe gregorianisch, sitze mindestens 17 Minuten auf einem Stuhl und mache gar nichts; schau in den Spiegel, mache Mathe, mach irgendwas, liebe, auch wenn keiner da ist, schau einer Möhre beim Wachsen zu! Und anderes wurde genannt.

„Wie man Gott findet“, ich brauche diese Erinnerung, damit ich mich überhaupt auf die Suche mache. In meinem täglichen Leben, im Kleinen wie im Großen, manchmal ganz nebenbei. Ich brauche diese Erinnerung, nach Gott Ausschau zu halten. Denn Gott steht nicht bei mir zuhause im Bücherregal und wartet darauf, dass ich ihn wie ein Buch aus dem Regal ziehe. Einerseits erscheint mir das eigentlich ganz gut, wenn das so wäre und Gott einfach bei mir daheim auf mich warten würde. Andererseits, wie oft würde ich wirklich nach dem Buch greifen? Manche Bücher in meinem Regal habe ich auch nur einmal gelesen.

Die Menschen des Volkes Israel, die im babylonischen Exil lebten vor mehr als zweieinhalb Jahrtausenden, die mussten ebenfalls daran erinnert werden. „Sucht den Herrn, jetzt ist er zu finden! Ruft ihm zu,
jetzt ist er nahe.“ So fordert der Prophet Jesaja seine Mitmenschen auf, von denen so etliche aufgehört hatten, Gott zu suchen oder auf ihn zu hoffen. Resigniert und ohne Hoffnung, weil sie nicht mehr daran glaubten, jemals in ihre Heimat zurückkehren zu können und die von Gott enttäuscht waren. Andere hatten sich im Exil fern der Heimat gut eingerichtet und dachten nicht mehr an Gott. Jesaja ruft ihnen zu: „Gott lässt sich finden, er ist nahe.“ Gott wartet auf euch! Gott will von euch gesucht und gefunden werden.

Manchmal scheint es mir, als würde Gott mit uns eine Art Suchspiel machen, eine Schatzsuche. Da gibt es Spuren und Hinweise, die gelegt sind, Herausforderungen, die uns dazu bringen, in Bewegung zu kommen, genau hinzuschauen- die Mitmenschen, die Welt um uns herum genau anzuschauen und auch uns selbst, als würde man in einen Spiegel schauen. Gott lockt uns weiter und weiter, damit wir unsere Zimmer, die Wohnung, das Bücherregal, die gewohnten Denkweisen und Ansichten über Gott und die Welt bisweilen hinter uns lassen, Gott noch einmal ganz neu suchen. Und finden, denn das ist sein Ziel, gefunden zu werden.

Deswegen beginnt die Gottsuche mit einer Verheißung, die der Prophet Jesaja den Menschen weitergibt: „Sucht den Herrn, jetzt ist er zu finden! Ruft ihm zu, jetzt ist er nahe!“ Die Suche nach Gott folgt allerdings noch einer besonderen Regel, die anders ist als bei Schatzsuchen: Gott lässt sich suchen und finden, aber nicht einfangen. Man kann ihn nicht festhalten und triumphierend vorzeigen. Selbst wenn ich sicher bin, dass Gott in meinem Leben ist, lässt er sich nicht bei mir zuhause ins Bücherregal stellen. Lässt sich auch nicht in Kirchen sperren. Das Suchen und Finden und wieder neu auf die Suche gehen, das hört bei Gott nie auf.

„Meine Gedanken sind anders als eure Gedanken und meine Wege anders als eure Wege“, erinnert Jesaja alle daran, die meinen, Gott fest zu haben. „Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken und meine Wege sind nicht eure Wege, spricht der Herr.“ Dieser Satz wird oft als Trost gesagt, wenn einem die Sinnlosigkeiten der Welt mit voller Wucht entgegenschlagen, und er wird so zur bloßen Vertröstung. Als ob die Sinnlosigkeit mit Gott mehr Sinn machen würde! Welcher Unfall, welche Krankheit, welcher Krieg macht schon Sinn? Trotzdem macht mir genau dieser Satz Hoffnung bei der Suche nach Gott. Wir können uns das einmal andersherum vorstellen: „Eure Gedanken sind meine Gedanken und eure Wege sind meine Wege.“

Ich bin mir sicher, dass die meisten von uns grundsätzlich gute Pläne und Wege haben, vielleicht sogar alle. Und Gott bleibt trotzdem entzogen, Gott sei Dank! Denn wenn wir ehrlich sind: oft gehen unsere Vorhaben am Ende nicht auf. Wie zerstörerisch haben sich viele unserer alten Wege für die Schöpfung gezeigt. Wie verletzend und brutal sind manchmal die Pläne von Menschen, egoistisch und rücksichtslos. Gottes Wege und Absichten sind andere: Sie bieten keine Vertröstungen, sondern Hoffnung. Neue Möglichkeiten werden für mich auf einmal sichtbar. Neuanfänge entstehen, wo ich längst am Ende bin. Vergebung wird Wirklichkeit, die Enge öffnet sich zur Weite. Überraschende und ungeahnte Wege tun sich auf. Einer davon hat in der Krippe begonnen, hat ans Kreuz geführt und dann weiter zum leeren Grab am Ostermorgen. „Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken und meine Wege sind nicht eure Wege, spricht der Herr.“

Da sind Fährten und Spuren, die auf Gott hinweisen, er lässt sich finden und geht mir wieder verloren, stellt mir andere Menschen an die Seite, die mit mir gemeinsam unterwegs sind, lockt mich, zieht mich, immer weiter ins Leben und in die Welt hinein. Und zu sich hin. Das ist nicht einfach, manchmal ärgerlich, anstrengend und ab und zu brauch ich eine Pause. Aber ich glaube, das ist es, was es heißt, Gott zu suchen und ins Leben zu lassen: in Bewegung sein, hinschauen, entdecken, sich überraschen lassen. Von neuen Möglichkeiten, Begegnungen, von Gott.

„Wie man Gott findet“. Nur wie? Wo anfangen? Auf welche Spuren achten? Jesaja erzählt davon, wie Gott die Distanz zu den Menschen überwindet, wie Gott da ist und sich finden lässt, immer wieder aufs Neue. Wie Gott durch sein Wort wirkt- so, wie unsere Worte auch wirken. Sichtbar, spürbar. „Regen oder Schnee fällt vom Himmel und kehrt nicht dahin zurück, ohne die Erde zu befeuchten. So lässt er die Pflanzen keimen und wachsen. Er versorgt den Sämann mit Samen und die Menschen mit Brot. So ist es auch mit dem Wort, das von mir ausgeht: Es kehrt nicht wirkungslos zu mir zurück, sondern bewirkt, was ich will. Was ich ihm aufgetragen habe, gelingt ihm.“

Liebe Geschwister, Gott lässt sich an seiner Wirkung erkennen. Denn sein Wort verändert. Wird für viele zum Trost am Grab, beim Abschied von einem geliebten Menschen, in dieser unbändigen Hoffnung, dass der Tod kein Ende ist, sondern der Übergang in ein neues, anderes Leben, ein Neuanfang. Menschen, Vereine, Gemeinden öffnen ihre Häuser und Wohnzimmer, um Kaffee, Zeit, Energie und Wärme zu teilen. Weil sie wissen, dass viele Menschen das jetzt brauchen: Wärme und auch Gemeinschaft. Kinder, Jugendliche, Erwachsene organisieren in ihren Schulen, an ihren Arbeitsplätzen Hilfe für die Ukraine. Sie sammeln Spenden, packen Pakete mit Lebensmitteln, warmen Decken, Verbandsmaterial und Medikamenten und sorgen dafür, dass alles in die Kriegsgebiete geschickt werden kann. In diesen Tagen wird auch für die Opfer des Erdbebens in der Türkei und Syrien gesammelt werden.

Für mich sind das Wirkungen von Gottes Wort. Oft können wir es nur ahnen und glauben, aber nicht erklären und beweisen. Die Wirkung können wir nur geschehen lassen und sie erfahren, erleben. Uns locken und überraschen lassen davon. Immer wieder. Gott setzt uns Menschen in Bewegung, ist uns immer einen Schritt voraus. Er überrascht, fordert heraus, lässt uns suchen und sich finden. Das hört nie auf. Manchmal hinterlassen wir auf unserer Suche selbst Spuren von Gottes Wort. Manchmal, ohne dass wir es bemerken. „Wie man Gott findet“ Mit einer Verheißung fängt die Suche an, die uns auf Gottes Spuren durchs Leben bringt. Und wenn wir das vergessen und einmal nicht wissen, wo wir anfangen sollen zu suchen, dann schauen wir einfach den Möhren beim Wachsen zu und lassen uns von der Schöpferkraft überraschen. Machen Mathe und staunen über die Ordnung der Dinge. Lieben, selbst wenn niemand da ist. Bleiben mindestens 17 Minuten auf einem Stuhl sitzen und horchen in die Stille. Schauen mal wieder in den Spiegel. Gott wird sich finden lassen. Gott hat es versprochen.
Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft zu fassen vermag, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.
Amen.

 

Lesepredigt für Sonntag, den 05. Februar 2023 - Septuagesimä

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde, herzlich willkommen zur Lesepredigt für den 5. Februar 2023. Es ist der dritte Sonntag vor der Passionszeit (Septuagesimä).

Einen gesegneten Sonntag und eine gute neue Woche wünscht Pfarrerin Anke Mühlenberg-Knebel.

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und von dem Herrn Jesus Christus!
Amen.

Liebe Gemeinde, in der Predigt denken wir heute über eine Geschichte aus dem Matthäusevangelium nach. Sie erzählt von Jesus und von dem Zöllner Matthäus. Die Zöllner hatten es damals nicht leicht. Sie arbeiteten für die römische Besatzungsmacht, die im Land verhasst war. Auch die Zöllner wurden gehasst und verachtet, waren Außenseiter, ganz am Rand der damaligen Gesellschaft. Mit ihnen wollte man nichts zu tun haben. Als wäre eine unsichtbare Schranke zwischen den Zöllnern und den anderen. Eine fest geschlossene Schranke. Sie, die selbst an einer Grenze saßen, einer Zollgrenze, wurden ausgegrenzt. Sie hatten über ihre Zollschranke die Macht, mit der sie ihren Lebensunterhalt verdienten. Konnten sie öffnen oder herunterlassen, ließen sich von den Menschen für ihren Dienst bezahlen.

Sie hatten aber keinen Einfluss auf die unsichtbaren Schranken, die sie von ihren Landsleuten trennten. Selbst wenn sie ihre Arbeit anständig machten, selbst wenn sie sich um ein gutes Miteinander bemühten, diese Schranke blieb zu. Bis zu dem Moment, wo Jesus vorbeikommt. Der Evangelist Matthäus erzählt: „Jesus sah einen Mann am Zoll sitzen, der hieß Matthäus; und er sprach zu ihm: Folge mir! Und er stand auf und folgte ihm. Und es begab sich, als er zu Tisch saß im Hause, siehe, da kamen viele Zöllner und Sünder und saßen zu Tisch mit Jesus und seinen Jüngern. Als das die Pharisäer sahen, sprachen sie zu seinen Jüngern: Warum isst euer Meister mit den Zöllnern und Sündern? Als das Jesus hörte, sprach er: Die Starken bedürfen des Arztes nicht, sondern die Kranken. Geht aber hin und lernt, was das heißt: „Ich habe Wohlgefallen an Barmherzigkeit und nicht am Opfer.“ Ich bin gekommen, die Sünder zu rufen und nicht die Gerechten.“ (Mt. 9, 9-13)

Jesus macht diese unsichtbare Schranke hoch zwischen dem Zöllner Matthäus und der Welt um ihn herum. Er öffnet sie mit der Aufforderung: „Folge mir!“ Zwei Worte nur, freundlich gesagt, mehr ist nicht nötig. Vielleicht noch ein ermutigender Blick und dann die direkte Anrede an den Mann. Und der spürt, wie sich die Schranke öffnet. Sofort folgt er der Aufforderung Jesu. Jesus setzt sich mit ihm an einen Tisch. Es dauert nicht lange, dann kommen andere dazu. Weitere Zöllner und sogenannte Sünder; Menschen, die nach Ansicht der meisten anderen gegen die Gebote Gottes verstießen. Jesus hatte auch die Schranken, die sie von anderen trennten, geöffnet, auch sie lud er zu sich ein. Grenzen werden aufgehoben, Schranken geöffnet- ein wunderbarer Moment.

Als 1989 die innerdeutsche Grenze aufging, da herrschte eine unglaubliche Freude zwischen den Menschen in Ost und West. Vielleicht haben Sie auch persönliche Erinnerungen an eine Situation in Ihrem Leben, als sich auf einmal eine Schranke öffnete: Ein jahrelanger Streit konnte beendet werden, eine Krankheit war endlich besiegt, die Rückkehr in ein normales Leben wieder möglich, die tiefe Trauer um einen geliebten Menschen wurde leichter, ein Blick nach vorn wieder möglich. Manchmal merken wir: nicht alle freuen sich darüber, wenn Schranken beseitigt werden. Die deutsche Wiedervereinigung wird immer wieder hinterfragt; Menschen sind mit ihren Folgen nicht einverstanden, ihre Lebensentwürfe wurden durcheinandergebracht, sie mussten sich neu orientieren, das war schwer für sie. Oder wir erleben, dass Menschen irritiert oder neidisch reagieren, wenn sich die Abgrenzungen verändern. Jemand, der bisher meine Hilfe brauchte, kommt wieder gut alleine klar. Ich werde nicht mehr gebraucht. Jemand, der sich aus einer Gemeinschaft ausgeklinkt hatte, möchte wieder dazugehören. Findet wieder seinen Platz. Und ich war vielleicht vorher ganz froh, dass ich nichts mehr mit diesem Menschen zu tun hatte. Viele Menschen suchen in unserem Land Zuflucht, sie suchen nach einem sicheren, friedlichen Ort. Sie sind mir fremd, auch ihre Sprache, ihre Kultur, ihr Schicksal ist mir fremd. Es kommt vor, dass einige von ihnen unsere Regeln und Konventionen missachten. Die sollen wir bei uns aufnehmen? Und sie hier versorgen?

Auch in der Geschichte von Jesus und dem Zöllner Matthäus melden sich kritische Stimmen. Auch damals waren eine ganze Reihe Leute nicht damit einverstanden, dass Jesus die bestehende Grenze zu den Zöllnern und Sündern geöffnet hat. „Warum isst euer Meister mit den Zöllnern und Sündern“, fragen z.B. die Pharisäer. Sie meinen, dass jene nicht mehr zur jüdischen Gemeinschaft gehören, sich über Gesetze und Vorschriften hinweggesetzt und sich so gegen Gott gestellt haben. Das darf nicht sein, sagen sie.

Und auch für die Pharisäer öffnet Jesus Schranken. Nämlich die, die in ihren Herzen und in ihrem Denken bestehen. Festgefahrene Vorstellungen von dem, was Gott will und was nicht. Erlerntes Wissen der Regeln und Gesetze ihres Glaubens. Sie sagen: daran muss man sich halten. Das ist für gläubige Menschen unverzichtbar. Ihnen entgegnet Jesus: „Die Starken, die Gesunden brauchen keinen Arzt, sondern die Kranken.“ Er, Jesus, macht es sich zur Aufgabe, sich besonders um die Menschen am Rande der Gesellschaft zu kümmern, um die Ausgegrenzten und Abgelehnten.

Jesus selbst steht fest auf der Grundlage der hebräischen Bibel, kennt die Tora, die Regeln und Gesetze Gottes für die Menschen. Er hält nichts davon für überflüssig oder überholt. Aber er weiß auch, dass das wichtigste aller Gebote das Doppelgebot der Liebe ist. Du sollst Gott lieben von ganzer Seele, von ganzem Herzen und von ganzem Verstand und du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ Dieses wichtigste Gebot ist das Maß für alle anderen Regeln und Gesetze und Gebote. Deshalb sagt er zu seinen Gegnern: „Geht aber hin und lernt, was das heißt: `Ich habe Wohlgefallen an Barmherzigkeit und nicht am Opfer.“ Jesus zitiert hier Worte des Propheten Hosea. Der beklagte schon zu seiner Zeit, dass das Volk Israel sich mehr um das richtige Schlachten und Opfern von Tieren in den Gottesdiensten am Tempel sorgte, als um das Wohlergehen und das friedliche Zusammenleben der Menschen in Israel.

Jesus fordert die Pharisäer hier auf, einmal nachzudenken. Er möchte sie dazu bringen, einmal einen Schritt zurückzutreten, Abstand zu gewinnen von ihren Gesetzes-Schranken, die sie so fest geschlossen haben. Sie sollen wieder die Menschen sehen können, die sie dadurch ausgeschlossen haben. Sie sollen sehen können, dass sie Hilfe und Zuwendung brauchen. Jesus öffnet die Beschränktheit ihres theologischen Denkens und öffnet so den Blick für die Menschen um sie herum. Liebe Geschwister, es wäre sehr schön, wenn wir uns von dieser Geschichte anregen lassen, über die Grenzen und Beschränkungen nachzudenken, die wir in unserem Leben und in unserer Zeit etabliert haben.

Wo verschließen wir uns vor anderen Menschen, weil sie uns fremd sind, weil sie uns verunsichern, weil wir sie als Bedrohung ansehen, weil wir fürchten, sie könnten uns etwas von dem wegnehmen, was uns zusteht? Halten unsere Begründungen dafür dem Maßstab der Barmherzigkeit stand? Sehen wir hinter den schwierigen Umständen den anderen Menschen, der unsere Hilfe und Zuwendung braucht? Erinnern wir uns daran, dass Gottes Liebe alle Menschen meint, auch die, mit denen wir uns schwertun? Wie wunderbar, wenn auch bei uns Grenzen fallen und Schranken geöffnet werden! Jesus sie für uns alle geöffnet, er ist für jeden und jede der Arzt, der Heilende, der Heiland. Und lädt auch dich und mich ein: „Folge mir!“
Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft zu fassen vermag,
bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.
Amen.

 

Lesepredigt für Sonntag, den 29. Januar 2023 - 4. Sonntag nach Epiphanias

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde,
herzlich willkommen zur Lesepredigt für Sonntag, den 29. Januar 2023.
Im liturgischen Kalender ist es der letzte Sonntag der Epiphaniaszeit.
Der Wochenspruch aus Jesaja 60, 2 möge uns durch die neue Woche begleiten:
„Über dir geht auf der Herr, und seine Herrlichkeit erscheint über dir.“

Einen gesegneten Sonntag und eine gute neue Woche wünscht Pfarrerin Anke Mühlenberg-Knebel.

Im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Amen.

Lied EG 67, 1-5: „Herr Christ, der einig Gotts Sohn“
1. Herr Christ, der einig Gotts Sohn, Vaters in Ewigkeit,
aus seim Herz entsprossen,
gleichwie geschrieben steht, er ist der Morgensterne,
sein Glänzen streckt er ferne vor andern Sternen klar;
2. Für uns ein Mensch geboren im letzten Teil der Zeit,
dass wir nicht wärn verloren
vor Gott in Ewigkeit, den Tod für uns zerbrochen,
den Himmel aufgeschlossen, das Leben wiederbracht:
3. Lass uns in deiner Liebe und Kenntnis nehmen zu,
dass wir am Glauben bleiben,
dir dienen im Geist so, dass wir hier mögen schmekken
dein Süßigkeit im Herzen und dürsten stets nach dir.
4. Du Schöpfer aller Dinge, du väterliche Kraft,
regierst von End zu Ende
kräftig aus eigner Macht. Das Herz uns zu dir wende
und kehr ab unsre Sinne, dass sie nicht irrn von dir.
5. Ertöt uns durch dein Güte, erweck uns durch dein Gnad.
Den alten Menschen kränke,
dass der neu`leben mag und hier auf dieser Erden den Sinn
und alls Begehren und G´danken hab zu dir.
(„kränken“ bedeutet so viel wie „schwächen“)

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und von dem Herrn Jesus Christus!
Amen.

Liebe Geschwister, ein ganz besonderes Lied soll uns heute das Evangelium verkündigen „Herr Christ, der einig Gotts Sohn“ (EG 67). Es ist als Wochenlied für den heutigen letzten Sonntag nach Epiphanias vorgesehen, mit dem die Weihnachtszeit endet. Entstanden ist es im Jahr 1524, im Zeitalter der Reformation. Es herrscht damals Aufbruchstimmung, Endzeiterwartung. Das Evangelium wird wiederentdeckt, Kirche in der Krise. Überkommene Ordnungen werden brüchig, Autoritäten in Frage gestellt. Die evangelische Bewegung wird zur eigenen Kirche; herauskatapultiert aus dem Schoß der Römisch-katholischen Kirche. Die einen sind elektrisiert von den Umbrüchen, weil sie Veränderungen herbeisehnen, andere sind ängstlich. Wieder andere reagieren mit Macht und Drohgebärden. Je nachdem. In diesem Aufbrechen und Umbrechen lässt sich nun ein Gesang hören, der wie die Ruhe im Sturm klingt.

Elisabeth Cruciger hat ihn gedichtet. Sie ist die erste evangelische Liederdichterin. Nur dieses einzige Lied ist von ihr erhalten. Elisabeth Cruciger, geborene von Meseritz, stammt aus einer pommerschen Adelsfamilie. Ihr Geburtsjahr liegt zwischen 1500 und 1505. In früher Jugend geht sie ins Prämonstratenserinnenkloster Marienbusch bei Treptow an der Rega in Pommern. Sie bekommt eine ausgezeichnete Bildung: Lesen, Schreiben, Rechnen, Musik, liturgische und biblische Bildung. Im benachbarten Männerkloster wirkt Johannes Bugenhagen, der später Reformator, Freund Luthers und Stadtpfarrer in Wittenberg wurde. Durch Bugenhagen kommen die Nonnen in Berührung mit der neuen Lehre.

1522 verlassen Elisabeth und einige Mitschwestern das Kloster. Sie treffen bei Bugenhagen in Wittenberg ein, wo sie untergebracht werden. Zwei Jahre später heiratet Elisabeth den Caspar Cruciger, einen gebildeten, wohlhabenden Mann. Auch er ist Mitarbeiter der  Reformation, arbeitet mit Luther an Bibelübersetzungen und deren Druckvorbereitungen, protokolliert Luthers Predigten. Martin Luther traut die beiden im Juni 1524 in Wittenberg. Ein Jahr später kommt ein Sohn zur Welt, danach noch eine Tochter, die später einen Sohn Luthers heiratet. Beide Familien sind eng verbunden. So sind auch Elisabeth Cruciger und Katharina von Bora Freundinnen. 1535 stirbt Elisabeth.

Ein interessanter Traum ist von ihr überliefert: Sie erzählt ihrem späteren Mann Caspar, sie habe geträumt, wie sie in der Kirche zu Wittenberg auf der Kanzel stehe und predige. Cruciger deutet ihren Traum auf ihre Lieder hin: „Vielleicht will euch der liebe Gott für würdig erachten, dass eure Gesänge, mit denen ihr zuhause immer umgeht, in der Kirche sollen gesungen werden.“ Zweifellos hatte sie das Zeug zu einer Predigerin, aber das würde Frauen ja noch mehr als 400 Jahre lang verwehrt bleiben.

Ihr Lied wurde auf Luthers Initiative hin sofort in die ersten evangelischen Liedsammlungen aufgenommen, steht also seit fast 500 Jahren im evangelischen Gesangbuch. Ein Kenner urteilt: “Elisabeth Crucigers Lied hat unter den Liedern der Reformationszeit einen eigenen Ton, der den im Kampf stehenden Männern kaum zur Verfügung stand. Den Ton inniger Hingabe und Anbetung, verbunden mit keuscher, ehrfurchtsvoller Zurückhaltung. Es ist das erste Jesuslied der evangelischen Kirche und wird in seiner gehaltenen und tiefen Sprachgestalt von späteren Liedern dieser Art kaum wieder erreicht.“ Strophe 1f: Zurückhaltend, aber mit großer Sprachkraft schildern die ersten beiden Strophen das Wunder der Offenbarung Gottes in dieser Welt. Es sind biblische Worte herauszuhören, das Weihnachtswort aus Johannes 1: „Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater voller Gnade und Wahrheit.“ Und: „Niemand hat Gott je gesehen; der eingeborene Sohn, der in des Vaters Schoß ist, der hat ihn uns verkündigt.“ Aus seim Herzen entsprossen“, drückt die Liederdichterin es aus. Also: in diesem Sohn hat Gott sein Innerstes offenbart. In ihm hat er uns sein Herz geschenkt. Aus Gottes Gefühlsmitte heraus ist Christus in unsere Welt gesandt worden. In ihm begegnet uns Gott selbst. „Er ist der Morgensterne“, heißt es im Lied weiter. Ein verheißungsvolles Bild. Der Morgenstern kündigt das Ende der Nacht und das Anbrechen des neuen Tages an. Deshalb heißt es auch in der 2. Zeile: „Im letzten Teil der Zeit“. Das Gefühl der Reformationszeit wird aufgenommen, dass man im endgültigen Umbruch auf das Reich Gottes hin lebt. Das Dunkel über der Welt, Jammer und Not sollen ein Ende nehmen. Noch lässt sich der neue Tag hier und da erst erahnen. Aber einmal wird sich das Licht endgültig durchsetzen. Dafür steht der Morgenstern.

Die 2. Strophe sagt etwas darüber, was das Erscheinen Christi bedeutet. „Für uns“, in diesen beiden Worten verbirgt sich das ganze Evangelium. Für uns ist Christus erschienen, damit wir die Glaubensgewissheit haben, dass Gott uns gut ist. Besser, als wir selbst uns sein können. Christus ist einzigartig, wesenseins mit Gott, von der Jungfrau geboren.

Die 3. Strophe wendet sich von der anbetenden Betrachtung zur Bitte. Liebe und Erkenntnis, beides gehört im Glauben zusammen. Die Liebe zu Gott drängt nach Erkenntnis. Die Kenntnis wiederum vertieft und festigt die Liebe. Und noch etwas lehrt uns die Strophe: Der Glaube ist ein Wachstumsgeschehen. Solange wir leben, wachsen wir zu Gott hin. Und niemand kann sagen: ich bin fertig, ich habe ausgelernt im Glauben. Das Christenleben vollzieht sich in der Spannung zwischen Glauben und Schauen. Wir schmecken schon die Süße der Gnade. Wir dürfen sie auf der Zunge zergehen lassen. Wir können manchmal erfüllende Momente erleben, beglückende Begegnungen. Wir erleben ab und zu schon ein Stückchen Himmel auf Erden. Aber es bleibt der Durst nach letzter Erfüllung, danach, dass Gottes Heil für alle offenbar wird.

Auch die letzten beiden Strophen singen vom Wachstum des Glaubens. Immer wieder haben wir es nötig, dass Christus unser Herz und unsere Sinne auf ihn hin ausrichtet. Damit wir uns nicht verlieren. Damit wir den Sinn unseres Daseins, unser Vorbild und unser Ziel vor Augen haben. „Ertöt uns durch deine Güte, erweck uns durch deine Gnad…“, so beginnt die letzte Strophe. Das mit dem Ertönen klingt hart. Aber wenn wir ehrlich sind, wissen wir, dass manches in uns ist, dass besser „sterben“ sollte, endgültig nicht mehr existent sein. Weil es uns daran hindert, ein christliches Leben zu führen. So zu leben, wie Christus es uns vorgelebt hat. Oder weil es andere an ihrer Lebensentfaltung hindert. Hier ist die reformatorische Entdeckung in ihrer existenziellen Tiefe erfasst. Unser tödliches Selbstbild, das hin- und schwerschwankt zwischen Selbstüberhebung und Selbstablehnung, dieses Selbstbild soll sterben. Und Gott möge das Bild in uns erwecken, das er von uns hat: dass wir Menschen sind, Menschen mit Fehlern und Schwächen, aber geliebte Menschen.

Der theologische Clou ist jedoch: „Ertöt uns durch dein Güte“. Es ist die Güte Gottes, nicht sein Zorn, der das alte Selbstbild sterben lässt, es auslöscht. Es schmilzt vor Gottes Güte wie das Eis in der Frühlingssonne. Und dieselbe Güte Gottes erweckt das neue Bild in uns, lässt es aufblühen. Reue und Umkehr sind möglich. Die Güte nimmt weg, was uns von Christus trennt. Sie macht uns neu und schön in Gottes Augen.

Das Ende unseres Liedes erinnert an ein altes Liebeslied: „All meine Gedanken, die ich hab, sind bei dir.“ Einem Liebeslied ist übrigens auch die schöne Melodie entliehen. Ich finde, es ist ein Liebeslied geblieben. Es tut gut, es zu lesen und zu singen.

Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft zu fassen vermag, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserm Herrn.
Amen.

 

Lesepredigt für Sonntag, den 22. Januar 2023 - 3. Sonntag nach Epiphanias

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde,
herzlich willkommen zur Lesepredigt für den 3. Sonntag nach Epiphanias (22. Januar 2023).
Mit dem Wochenspruch aus dem Lukasevangelium grüße ich Sie/Euch alle:
„Es werden kommen von Osten und von Westen, von Norden und von Süden, die zu Tisch sitzen werden im Reiche Gottes. Amen“ (Lukas 13, 29).
Einen gesegneten Sonntag und eine gute neue Woche wünscht Pfarrerin Anke Mühlenberg-Knebel.

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und von dem Herrn Jesus Christus.
Amen.

Römerbrief, Kap. 1, Verse 13 bis 17:
Ich will euch aber nicht verschweigen, liebe Geschwister, dass ich mir oft vorgenommen habe, zu euch zu kommen-wurde aber bisher gehindert-, damit ich auch unter euch Frucht schaffe wie unter anderen Heiden. Ich bin ein Schuldner der Griechen und der Nichtgriechen, der Weisen und der Nichtweisen; darum, soviel an mir liegt, bin ich willens, auch euch in Rom das Evangelium zu predigen. Denn ich schäme mich des Evangeliums nicht; denn es ist eine Kraft Gottes, die selig macht alle, die daran glauben, die Juden zuerst und ebenso die Griechen. Denn darin wird offenbart die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, welche kommt aus Glauben in Glauben; wie geschrieben steht: „Der Gerechte wird aus Glauben leben“.
Amen.

Liebe Geschwister,
der Apostel Paulus schreibt an seine Gemeinden in Korinth, Philippi, in Thessaloniki und dieses Mal in Rom. Diese Gemeinden liegen weit auseinander; sie haben ihre je eigenen Fragen und Probleme. In schriftlicher Form berichten sie dem Apostel davon, und er versucht, sie in seinen Briefen zu beraten und zu unterstützen. Das Internet gab es damals noch nicht, das Reisen war beschwerlich und zeitaufwendig. Auch gefährlich. Aber so geht es eben auch. Die Gemeinden sind lebendig; sie können, auch ohne dass der Apostel in Präsenzform bei ihnen ist, ihrem Auftrag nachkommen: von Jesus Christus erzählen und in seinem Sinn handeln.

Das ist möglich, weil viele Menschen mithelfen. Wenn Paulus darauf bestanden hätte, dass er ja der Gemeindeleiter ist (und oft auch der Gründer dieser Gemeinden) und deshalb zu bestimmen hätte, wo es langgehen soll, wäre die Sache gründlich schiefgegangen. Stattdessen hat er sich auf seine Mitarbeitenden verlassen. In seinen Briefen grüßt er sie ausdrücklich in den Schlussworten und nennt dabei manchmal auch ihre Namen. In unserem vorliegenden Römerbrief schreibt er zum Beispiel: „Ich befehle euch unsere Schwester Phöbe an, sie hat vielen beigestanden, auch mir selbst. Grüßt die Priska und den Aquila, meine Mitarbeiter in Christus Jesus, die für mein Leben ihren Hals hingehalten haben. Grüßt Epanetus, grüßt Maria …“. Und so geht es noch einige Verse weiter. Viele Namen von Männern und Frauen werden genannt, die sich in der christlichen Gemeinde engagiert haben. Er dankt ihnen und lobt sie für ihren Einsatz.

Wir haben in den christlichen Kirchen in den vergangenen Jahrhunderten oft anders gearbeitet. Der Mann und später auch die Frau auf der Kanzel, das waren in den Gemeinden oft die Alleinherrschenden, manchmal so von ihnen gewollt oder von ihnen erwartet; manches Mal werden sie auch darunter gelitten haben, konnten oder wollten die vorgegeben Strukturen aber kaum ändern: Pfarrer und Pfarrerinnen hatten Einzelkämpfer zu sein und wurden so auch ausgebildet. Ein Blick in die Bibel hätte uns da eines Besseren belehren können. „Ich war bei euch in Schwachheit, in Furcht und mit großem Zittern“, schreibt der berühmte und in seiner Mission so erfolgreiche Paulus in einem seiner Briefe.

Dabei hatte Paulus bereits in seinem ersten Leben als jüdischer Schriftgelehrter gelernt, den Ton anzugeben. Später ist er dann Jesus begegnet (oder besser gesagt: Jesus begegnete ihm) und erfährt sich von ihm persönlich berufen. Auf seinen Missionsreisen kommt er in der damals ganzen bekannten Welt herum. Er erlebt Wunder, er gründet christliche Gemeinden, viele Menschen setzen auf ihn ihre Hoffnung. Aber dieser Paulus hat offenbar auch seine schwachen Momente. Zahlreiche Theologen haben aufgrund seiner Texte vermutet, dass er an einer Krankheit litt, die ihm zu schaffen machte und die diese Schwäche, von der er selbst schreibt, begründet hätte. Aber es ist ja auch nicht ungewöhnlich, dass jemand, der so unermüdlich arbeitet, auch einmal krank wird. Dass jemand sich persönlich als schwach erlebt und dabei um so mehr auf die Stärke Jesu Christi baut. Wir wissen es nicht genau, das sind nur Vermutungen. Schwache Zeiten erlebt jeder Mensch einmal. Bei Paulus ist das besondere, dass er in seinen Briefen davon schreibt. Er hätte es ja auch verschweigen können und am eigenen Mythos weiterstricken: Paulus als der Mann, dem alles aus eigener Kraft gelingt. Aber an einem solchen Mythos ist er gar nicht interessiert, hat ihn auch nicht nötig. Denn es gibt Menschen, die für ihn einspringen. Mit ihm gemeinsam an der Sache Jesu arbeiten und sich berufen fühlen. Mit den vielen Namen, die er besonders im Römerbrief in einer langen Liste aufzählt, sorgt er dafür, dass sie und ihre Verdienste im Gedächtnis der Christinnen und Christen bleiben. Und es gibt Jesus, der mit Paulus unterwegs ist.

Liebe Geschwister, Gemeinden und Pfarrerinnen und Pfarrer leben in einer Zeit des Umbruchs. Das Personal wird knapp, das Geld auch. Arbeitsbereiche und Gebäude werden aufgegeben. Die Strukturen von Kirche und Gemeinde verändern sich. Das soll aber nun gerade nicht dazu führen, in Schockstarre zu verfallen. Bei aller berechtigten kritischen Haltung gegenüber Kirchenleitungen und ihren Zukunftsplanungen und Entscheidungen: Das kann man auch positiv nutzen. In den Gemeinden ganz neu überlegen, was möglich ist. Wer hat welche Gaben und kann sie auch für andere übernehmen? Wie können sich Gemeinden gegenseitig unterstützen und stärken? Glücklicherweise gibt es ja auch heute, wie zu Zeiten des Paulus, viele Menschen, die ehrenamtlich oder auch gegen Bezahlung ihre Kräfte und Fähigkeiten einbringen. Im Kirchengemeinderat, bei Besuchen, im Konfirmandenunterricht, als Sekretär oder Organistin, im Kirchendienst oder bei der Gartenarbeit.

Viele treten aus in der heutigen Zeit, das erleben wir auch. Aber etwas anderes soll auch nicht übersehen werden: viele arbeiten mit, lassen sich beauftragen von Gott und den Menschen. Anders als noch vor 30, 40 Jahren gehört man heute nicht mehr der Kirche an, weil es immer schon so war. Es ist viel mehr zu einer bewussten Entscheidung geworden, weil man sich dazu berufen fühlt, weil man sich für andere engagieren möchte, weil einem die christliche Botschaft ganz persönlich wichtig geworden ist, und das möchte man weitergeben. Weil man zu einer Gemeinschaft gehören möchte.

Paulus möchte seinen Gemeinden, die ihm so sehr am Herzen liegen, erzählen von dem, was ihn bewegt, antreibt: Gottes guter Geist, seine Kraft, seine Weisheit, die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, die aus dem Glauben kommt, die nicht erst verdienst werden muss. Der Apostel Paulus möchte nicht der Alleinherrscher auf der Kanzel sein, der allen sagt, wo es langgeht und wie es funktioniert. Er sagt von sich selbst, dass er immer wieder schwach ist und dass vieles an Gott ihm rätselhaft ist und gerade deshalb wertvoll. Auch ihm, der sich so viel mit dem Glauben beschäftigt hat, der theologisch hochgebildet ist, begegnet Gott immer wieder neu, überraschend, bewegend.

Liebe Geschwister, auch im Jahr 2023 werden Sie und ich gemeinsam auf dem Weg sein, als Menschen, die sich nahe sind und sich gegenseitig unterstützen. Weil wir alle gerne miteinander in der Gemeinde unterwegs sind. Weil wir uns gemeinsam von Gottes gutem Geist bewegen lassen möchten. Weil es auch in Zukunft noch so viel zu tun gibt mit Gott und zu erzählen von Gott, der uns leben lässt. Vor dem wir keine Angst haben müssen, weil wir wissen, dass er uns mit liebenden und gnädigen Augen anschaut. Mit Paulus dürfen wir darauf vertrauen, dass von unserem Glauben eine Kraft ausgeht, die uns durch das Leben trägt und darüber hinaus.
Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist, als unsere Vernunft zu fassen vermag, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus,
unserem Herrn.
Amen.

 

Lesepredigt für Sonntag, den 15. Januar 2023 - 2. Sonntag nach Epiphanias

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde,
herzlich willkommen zur Lesepredigt für den 2. Sonntag nach Epiphanias am 15. Januar 2023.
Einen gesegneten Sonntag und eine gute neue Woche wünscht Pfarrerin Anke Mühlenberg-Knebel.

Liebe Geschwister, eine alte russische Legende erzählt, dass es vier Könige waren, die damals aufgebrochen sind und auf verschiedenen Wegen dem Stern zur Krippe hin folgten. Jeder hatte das Kostbarste bei sich, um es dem Kind in der Krippe zu schenken: Gold, Weihrauch, Myrrhe und drei Edelsteine. Die Sehnsucht, Gott zu finden, brannte in ihnen allen, aber am meisten davon erfüllt war der vierte und jüngste König.

Als sie nun dem Stern folgen, wird der vierte König immer wieder aufgehalten und verliert die drei anderen schnell aus den Augen. Aber er sieht immer den Stern, dem er folgen kann. Ein verletztes Kind, ein Trauerzug, Menschen im Kriegsgebiet. Immer wieder hält er an, kümmert sich um die leidenden und verzweifelten Menschen und jedes Mal setzt er einen der Edelsteine ein, um ihnen zu helfen. Dann macht er sich müde und traurig und mit leeren Händen wieder auf die Reise. Der Stern war erloschen.

Der junge König wurde von Zweifeln geplagt. Hatte er gegen seinen Auftrag gehandelt? War dies der richtige Weg? Er hatte Angst, nie mehr Gott finden zu können. Jahrelang war er unterwegs, zuletzt zu Fuß, weil er auch sein Pferd verschenkt hatte. Eines Tages kam er in eine Hafenstadt. Wieder wird seine Hilfe gebraucht. Ein Familienvater soll als Sklave auf eine Galeere verkauft werden. Wieder bewegt ihn die menschliche Not, stellvertretend für den Mann wird er Sklave auf dem Schiff.

Die härtesten Jahre seines Lebens beginnen. Angekettet unter Deck gefangen, mit vielen anderen Männern die schweren Ruder bewegend, verspottet, geschlagen, ohne Tageslicht. Aber die ganze Zeit leuchtete der Stern in seiner Seele und gab ihm die tiefe Gewissheit, auf dem richtigen Weg zu sein. Nach vielen Jahren wird ihm die Freiheit geschenkt. In der Nacht träumt er von einem Stern, eine Stimme sagt: Eile dich, eile dich. Noch in der Nacht bricht er auf, dem Stern nach, der rot am Himmel leuchtet.

So kommt er vor die Mauern einer großen Stadt. Er lässt sich von einer Menschenmenge mitreißen bis zu einem Hügel außerhalb der Stadt, auf dem drei Kreuze aufgerichtet waren. Der Stern blieb über dem Kreuz in der Mitte stehen, leuchtete noch einmal auf, als wurde er schreien und: erlosch. Da traf ihn der Blick des Mannes am Kreuz. Da waren alle Qual und alles Leid in seinem Blick, aber auch alle Güte und Liebe und grenzenloses Erbarmen.

Wie ein Blitz durchfuhr es den König: dies war der König der Menschen. Er sank unter dem Kreuz auf die Knie. Was sollte er dem König geben? Seine Hände waren leer, so streckte er sie dem Herrn entgegen. Da fielen drei dunkelrote Tropfen vom Kreuz in seine Hände. Sie leuchteten heller als jeder Edelstein. Ein Schrei: der Herr neigte das Haupt und starb. Unter dem Kreuz war der vierte König tot zusammengebrochen. Seine Hände umschlossen die Blutstropfen. Noch im Tode schaute er den Herrn am Kreuz.

Liebe Geschwister, einer macht sich auf, erfüllt von der Sehnsucht, Gott zu schauen- und er begegnete dem Leid. Das so viele Gesichter hat damals wie heute: stumme und schreiende, angstverzerrte und apathische, individuelle und gesellschaftliche. Wem würde der vierte König heute begegnen? Kindern in Kriegsgebieten, orientierungslos, früh verwaist und verschreckt; Kindern, die als Soldaten oder billige Arbeitskräfte oder sexuell missbraucht werden und ihr Leben lang davon gezeichnet sind. Kindern, die in ihren zerrütteten Familien eine Verantwortung aufgebürdet bekommen, die sie noch gar nicht tragen können. Er würde Jugendlichen begegnen, die sich auf der Suche nach Orientierung in eine Sucht verirrt haben und kaum wieder herausfinden. Jungen Leuten, die sich aus Mangel an überzeugenden, liebevollen Vorbildern radikalen Gruppen anschließen und in ihrer eigenen Persönlichkeit nicht wahrgenommen werden. Er würde alten Menschen begegnen, die vereinsamt und abgeschoben auf ihren Tod warten. Die nicht mithalten können mit der Schnelllebigkeit, die zu müde geworden sind zum Tragen schwerer Einkaufstaschen. Er würde dem Leid begegnen in Krankenhäusern und Psychiatrien, in Bahnhöfen, in den Wohnsilos der Großstädte, hinter gutbürgerlichen Fassaden, in den Schulen, an vielen Arbeitsplätzen, auf Friedhöfen, in Flüchtlingslagern, in Krisengebieten und Armutsvierteln. Und Ihnen fallen bestimmt noch weitere Beispiele ein.

Unsere Welt ist oft so trostlos. Angesichts von Katastrophen und Terror, aber auch von Menschenschicksalen nahe bei uns, haben wir oft das Gefühl: Hier kann man nicht trösten. Doch Leid braucht Trost, jedes Leid, egal, ob klein oder groß. Denn ungetröstet frisst es sich immer tiefer in die Seele hinein und zerstört das Leben. Menschen, die in ihrem Leben zu lange und zu oft ungetröstet bleiben, stehen in der Gefahr, apathisch zu bleiben, d.h. unfähig zu leiden. Apathie macht teilnahmslos dem eigenen und dem Leben anderer gegenüber. Apathie schneidet ab vom Strom des lebendigen Lebens.

Aber, liebe Geschwister, den Trost, der Leid und Schmerz und alles Negative unseres Lebens zu neuem Leben verwandelt, den können wir uns nicht selbst zusprechen. Es braucht jemanden, der sich davon berühren lässt, der stehenbleibt, seine Reise unterbricht, der nicht flieht, sondern mitleidet und das für uns tut, was notwendig ist, im wahrsten Sinne des Wortes. Es braucht jemanden wie den vierten König. So getröstet kann sich unser Schmerz und Leid und unsere Not verwandeln in eine tiefere Teilnahme am Leben, in eine tiefere Anteilnahme an unseren Mitmenschen. Ungetröstetes Leid isoliert. Aber getröstetes Leid verbindet.

Der vierte König hat sich auf den Weg gemacht, geleitet von einem Stern, getrieben von der tiefen Sehnsucht, Gott zu begegnen. Er lässt sich von dem Leid der Menschen anrühren, die ihm begegnen und tut jeweils das, was für sie nötig ist. Als wäre es selbstverständlich. Er hat dies getan, bevor er Christus am Kreuz als den König der Menschen erkannt hat, bevor er mehr von ihm erfahren hat, als dass es einen neuen König, ein kleines Kind im Stall, gibt. Er hat das getan, bevor er Gott begegnet ist. Und doch hat er sich auf seinem Weg auf den Weg Christi begeben, auf den Weg, der zum Kreuz führt. So ist er Christus nachgefolgt, ohne das so zu beabsichtigen.

Trost geben heißt, einen anderen Menschen Gottes Nähe spüren lassen, ob er sie als solche erkennt oder nicht. Aber das ist nicht das Entscheidende, denn der Getröstete wird die Liebe und Nähe Gottes weitergeben, wird andere trösten, wird aufmerksamer, nachdenklicher, verwundbarer und wird so unsere trostlose, noch nicht erlöste Welt ein Stück mehr zu einer getrösteten und erlösten Welt machen. Ein Stück Himmel auf Erden, schon jetzt.
Amen.

 

Gottesdienst am Sonntag, den 8. Januar 2023 - 1. Sonntag nach Epiphanias

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde,
herzlich willkommen zum Lesegottesdienst für Sonntag, den 8. Januar 2023.
Es ist der erste Sonntag nach dem Epiphaniasfest, dem Fest der heiligen drei Könige.
Durch die neue Woche geleitet uns der Wochenspruch aus 1. Joh. 2,8:
„Die Finsternis vergeht, und das wahre Licht scheint schon“.
Amen.
Einen gesegneten Sonntag und eine gute neue Woche wünscht Pfarrerin Anke Mühlenberg-Knebel.

Am Anfang steht das Lied EG 551, 1-3 „Stern über Bethlehem“

Im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Amen.

Gebet:
Allmächtiger Gott und Vater, du hast uns deinen Sohn gesandt,
den Morgenstern, der vom Anbruch des neuen Tages kündet.
Hilf uns, dass wir uns auf die Suche nach ihm machen.
Lass uns das Licht entdecken, das von ihm ausgeht.
Schenke uns Hoffnung, dass das Licht der Dunkelheit der Welt ein Ende setzt.
Dies bitten wir durch Jesus Christus, deinen Sohn, der uns zum Bruder wird.
Amen.

Lesung Matthäus 2, 1-12:
„Da Jesus geboren war zu Bethlehem in Judäa zur Zeit des Königs Herodes, siehe, da kamen Weise aus dem Morgenland nach Jerusalem und sprachen: Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern aufgehen sehen und sind gekommen, ihn anzubeten. Als das der König Herodes hörte, erschrak er und mit ihm ganz Jerusalem, und er ließ zusammenkommen alle Hohenpriester und Schriftgelehrten des Volkes und erforschte von ihnen, wo der Christus geboren werden sollte. Und sie sagten ihm: In Bethlehem in Judäa; denn so steht geschrieben durch den Propheten: „Und du, Bethlehem im Lande Juda, bist mitnichten die kleinste unter den Fürsten Judas, denn aus dir wird kommen der Fürst, der mein Volk Israel weiden soll.“ Da rief Herodes die Weisen heimlich zu sich und erkundete genau von ihnen, wann der Stern erschienen wäre, und schickte sie nach Bethlehem und sprach: Zieht hin und forscht fleißig nach dem Kindlein; und wenn ihr´s findet, so sagt mir´s wieder, dass auch ich komme und es anbete. Als sie nun den König gehört hatten, zogen sie hin. Und siehe, der Stern, den sie hatten aufgehen sehen, ging vor ihnen her, bis er über dem Ort stand, wo das Kindlein war. Da sie den Stern sahen, waren sie hocherfreut und gingen in das Haus und sahen das Kindlein mit Maria, seiner Mutter, und fielen nieder und beteten es an und taten ihre Schätze auf und schenkten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe. Und da ihnen im Traum befohlen wurde, nicht wieder zu Herodes zurückzukehren, zogen sie auf einem anderen Weg wieder in ihr Land.“
Amen.

Predigt:

Gnade sie mit euch und Friede von Gott, unserem Vater und von dem Herrn Jesus Christus.
Amen.

Liebe Gemeinde, wir feiern Epiphanias, Erscheinungsfest, Lichtfest. Wir kommen von Weihnachten her. Mit Weihnachten ist ein Licht in unsere Welt gekommen. Ein wunderbares Licht, ein göttliches Licht, sanft, hell, aber nicht grell.

Mitten in der dunklen Nacht wird Maria Mutter. Mitten in der dunklen Nacht wird das göttliche Kind geboren, das Jesuskind, das Christkind.

Das Licht Jesu scheint in der Finsternis. Die Hirten haben es zuerst gesehen. Die Engel haben ihnen die wunderbare Botschaft verkündet, die große Freude, die allen Menschen gilt. Auch uns. Die Engel haben gerufen: Fürchtet euch nicht! Euch ist heute der Heiland geboren. Mit Jesu Licht kam vom Himmel die frohe Botschaft, dass es über den Menschen nicht dunkel bleiben soll, dass die Menschen Hoffnung haben dürfen. Alle Menschen-alte, junge, kranke, gesunde, traurige und fröhliche.

Mitten in der Nacht leuchtet in der Krippe, im Stall von Bethlehem das Licht der Hoffnung. Und dieses Licht bringt die Menschen in Bewegung. Die Hirten machen sich als erste auf den Weg. Sie gehen zur Krippe, zum Schein, der von dem Stall in Bethlehem ausgeht. Die Hirten wärmen sich am Licht. Sie blicken mit Freude auf Maria und Josef und auf das Jesuskind im Stall. Und dann verkünden die Hirten die frohe Botschaft, die ihnen der Engel über dieses Kind gesagt hat.

Liebe Gemeinde, mit der Geburt Jesu, dem Licht der Welt, legt sich ein Glanz auf die Menschen nieder. Sie lassen sich bescheinen vom Licht des Kindes, sie werden selbst licht und klar. Ja, sie werden erleuchtet vom Lichtschein der Krippe. Ein Strahlen, das die finsteren Täler ihres Lebens verwandeln kann, ist in die Welt gekommen. Denn wo ein Licht scheint, ist es weniger finster. Wo ein Licht angezündet wird, wird es warm. Wo das helle Licht der Sonne leuchtet, da ist die dunkle Nacht überwunden.

Und es dauert nicht lange, liebe Gemeinde, da geht auch den heiligen drei Königen aus dem Morgenland ein Licht auf. Die Bibel berichtet allerdings nicht von Königen, sondern von drei Weisen, Sternkundigen. Erst später haben die Menschen gesagt: das müssen doch Könige gewesen sein, die den König der Welt suchen! Wie auch immer und wer auch immer sie waren: Die drei folgen dem hellen Stern, der sie zur Krippe führt. Sie spüren: dieses Kind ist ein göttliches Kind. Dieses Kind wird ein König der Herzen. Es wird sein Licht zu den Menschen tragen.

Schauen wir einen Augenblick auf das Licht einer Kerze.

Jesus hat von sich selbst gesagt: „Ich bin das Licht der Welt.“ Besser kann man gar nicht sagen, was Jesus wollte. ER ist das Licht, das überall dort leuchten will, wo Menschen mutlos und hoffnungslos sind, kraftlos und lieblos. An IHN, an Jesus Christus, will uns das Licht dieser Kerze erinnern. An IHN, der zu uns gesagt hat: “Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, der wird nicht in der Finsternis wandeln, sondern das Licht des Lebens haben.
Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft zu fassen vermag,
bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.
Amen.

Lied EG 551, 4

Fürbitten:
Herr, mein Gott, manchmal bin ich traurig.
Dann lass dein Licht in meine Traurigkeit scheinen.
Manchmal bin ich verärgert, über mich und andere.
Dann lass dein Licht in solche Momente ausstrahlen.
Manchmal bin ich unzufrieden mit meinem Leben.
Dann lass dein Licht meine Verhältnisse durchleuchten.
Manchmal bin ich einsam, komme mir so verlassen vor.
Dann lass dein Licht in mein Leben leuchten.
Manchmal bin ich hart und ungerecht anderen gegenüber.
Dann lass dein Licht meine Verhärtungen erwärmen.
Manchmal denke ich: Keiner liebt mich mehr.
Dann lass dein Licht in meinem Herzen glühen.
Herr, mein Gott, ich danke dir, dass dein Licht mir zum Heil scheint .
Amen.

Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name, …

Segen:
Gott segne dich und behüte dich auf all deinen Wegen.
Amen.

Lied EG 70, 1-3 „Wie schön leuchtet der Morgenstern“

 

Gottesdienst zum Jahreswechsel 2022/2023

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde,
herzlich willkommen zum Lesegottesdienst für den Jahreswechsel.
Ein Jahr geht zu Ende, ein neues beginnt.
Wir wollen Gott bitten, dass er uns auch im neuen Jahr mit seinem Segen begleiten möge.
Ein gutes neues Jahr 2023 wünscht Pfarrerin Anke Mühlenberg-Knebel.

Wir beginnen mit dem Lied EG 41, 1.3.5 Jauchzet, ihr Himmel

Im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes uns des Heiligen Geistes.
Amen.

Gebet:
Herr, wir stehen an der Schwelle zu einem neuen Jahr.
Das alte Jahr legen wir zurück in deine Hände, so, wie es gewesen ist,
mit allem Schönen und allem Schweren.
Voller Vertrauen auf dich beginnen wir das neue Jahr 2023.
Wir erwarten deine Verheißung, Gott, und warten darauf,
dass du einen neuen Anfang mit uns machst.
Amen.

Gnade sei mit euch und Friede, von Gott, unserem Vater,
und von dem Herrn Jesus Christus.
Amen.

Predigt:

Liebe Gemeinde,
nach dem letztjährigen Sylvesterabend fand ich einige Tage später einen abgebrochenen Stock in unserem Garten. Das war einmal eine Sylvester- Rakete. Die ist auch aufgegangen. Aber der Stecken ist wieder runtergekommen; der war dann nutzlos. Zumindest sah er so aus. Er war schon ein bisschen angeknackst. Eigentlich könnte man ihn wegwerfen oder verbrennen, dachte ich.

Ich habe ihn aber aufgehoben. Vielleicht ist er ja doch noch zu etwas nutze; z.B. um Blumen anzubinden. Dieser verbrauchte, angeknackste Stock könnte schwachen Blumen noch Halt geben.

Das gibt es auch bei uns Menschen, dass jemand, der sich selbst ziemlich angeknackst fühlt, doch noch einem anderen Halt geben und so für einen anderen zur Stütze werden kann. Oft ist es ja so, dass Menschen gerade dann für anderen eine Stütze sein können, weil sie angeknackst sind. Weil sie am eigenen Leib erfahren haben, wie das ist, wenn die Kräfte nachlassen; wenn vieles nicht mehr so geht, wie wir das gerne hätten. Oder wenn man selbst einmal eine schwere Lebenskrise durchgemacht hat oder eine langwierige Krankheit. Wo man selbst einmal Erfahrungen gemacht hat, kann man andere ganz anders verstehen und ihnen besser beistehen. Und oft sagt dann jemand: das tut mir jetzt richtig gut, dass du mich verstehst, dass es mir nicht allein so geht. Ich sehe, du hast das geschafft, dann schaffe ich das auch. Es ist gut, liebe Gemeinde, wenn wir das so erleben können. Wenn es da einen gibt, der uns Mut macht, der zu uns steht, der uns nicht aufgibt. Einen wie den, von dem uns der Prophet Jesaja erzählt. Der Prophet Jesaja, das wissen wir, der hat zu Menschen gesprochen, die traurig sind. Weil sie nicht mehr in ihrer Heimat leben können. Weil alles so anders geworden ist. Weil sie nicht wissen, wie es mit ihnen weitergehen soll. Ihnen kündigt Jesaja an, dass Gott einen schickt, der wieder neue Hoffnung schenkt. Und von diesem Gottesgesandten sagt Jesaja:

Jesaja 42, 1-4:“ Der Herr hat gesagt, hier ist mein Bevollmächtigter, hinter dem ich stehe. Ihn habe ich erwählt, ihm gilt meine Liebe, ihm gebe ich meinen Geist. Er wird die Völker regieren und ihnen das Recht bringen. Er schreit keine Befehle und lässt keine Verordnungen auf der Straße ausrufen. Das geknickte Schilfrohr zerbricht er nicht, den glimmenden Docht löscht er nicht aus. Er bringt dem geschlagenen Volk das Recht, damit Gottes Treue ans Licht kommt. Er selbst zerbricht nicht und wird nicht ausgelöscht. Er führt meinen Auftrag aus und richtet unter den Völkern meine Rechtsordnung auf. Noch an den fernsten Küsten warten sie auf seine Weisung.“
Amen.

Mit zwei Bildern beschreibt Jesaja, wie der, den Gott sendet, handelt. Jesaja spricht von einem geknickten Rohr und von einem glimmenden Docht. Gerade noch ist etwas zu erkennen vom früheren Leben, von dem einst aufrechten Halm und dem glühenden Feuer. Aber es scheint damit zu Ende zu gehen. Die Hoffnung, dass man den glimmenden Docht wieder zu einem Feuer entfachen kann, ist gering. Und noch viel unwahrscheinlicher ist es, dass eine einmal abgeknickte Pflanze wieder weiterwächst und womöglich sogar blüht und sprosst. Aber möglich ist es. Es hängt davon ab, was nun geschieht. Kommt jemand achtlos daher und sagt: das taugt ja doch nichts mehr; den Halm können wir ruhig vollends abknicken, den Docht vollends löschen- dann ist keine Hoffnung mehr. Kommt aber einer und sagt: das wollen wir doch erst mal sehen, und richtet den Halm behutsam wieder auf, bindet ihn vielleicht sogar an- dann kann er wieder Kraft bekommen und weiterwachsen. Und aus dem glimmenden Docht kann man- mit Geschick und Geduld- ein neues Feuer anfachen. Das Bild, das Jesaja gebraucht, wurde später auch auf Jesus übertragen. So- haben die Menschen gesagt- geht Jesus mit den Kranken und Schwachen um. Er gibt keinen auf. Er lässt keinen mit dem Gefühl zurück, nutzlos zu sein. Jesus macht Mut, auf das zu sehen, was im Leben eines Menschen noch möglich ist.

Liebe Gemeinde, in der Bibel werden uns viele Geschichten erzählt, die das deutlich sagen. So sagt Jesus einmal zu einem Steuereintreiber, den keiner mag: bei dir möchte ich heute zu Gast sein; gerade mit dir möchte ich reden. Gerade du sollst spüren, dass es auch für dich Menschen gibt, denen du wichtig bist und für die du wichtig werden kannst.

Und zu einem gelähmten Mann, der sich selbst nichts mehr zutraut, sagt Jesus: Probiers doch mal. Stell dich auf deine Füße und mach ein paar Schritte-vielleicht geht’s ja doch. Zu einem römischen Hauptmann, der an ganz andere Götter glaubt, sagt Jesus: Auch zu dir komme ich im Namen Gottes und helfe deinem Knecht.

So richtet Jesus Menschen wieder auf. Darüber hinaus hilft er Menschen, die sich schuldig fühlen, dass sie sich wieder trauen, aufrecht zu gehen und anderen ins Gesicht zu schauen. Und wo einer vor lauter Traurigkeit den Kopf hängen lässt, da gibt er ihm Kraft und zeigt ihm einen neuen Weg für sein Leben. Er spricht vom Frieden unter dem Menschen und von der Vergebung. Und sogar von der Feindesliebe. Liebe Gemeinde, wie gut ist es, dass Jesus zum Friedenstiften ermutigt. Das zuende gehende Jahr hat so viel Krieg und Gewalt und Not gebracht. Ganz in unserer Nähe, in der Ukraine, tobt ein furchtbarer Krieg. Und auch an vielen anderen Orten in der Welt. Wir wollen alles tun und dafür beten, dass wieder Frieden werden kann.

Jesus will den Menschen helfen, mit ihrem Leben zurechtzukommen. Im Alltag mit seinen kleinen und großen Herausforderungen. Aber auch im Blick auf den Glauben. Auch da gibt es Zeiten, in denen wir geknickt sind, unsere Zweifel haben, ob es Gott wirklich gibt und ob er uns sieht und liebt. Auch hier sagt Jesus: Ich helfe dir. Ich habe für dich gebetet, dass dein Glaube nicht aufhöre. Und er weiß auch, wie es ist, wenn man sich von Gott verlassen fühlt. Jesus weiß sogar, wie das ist, wenn man stirbt. Er war mehr als geknickt, er war sogar tot, und hat doch den Tod besiegt. Damit wir nicht verzweifeln müssen, wenn wir die Macht des Todes spüren. Damit nach jeder Nacht wieder ein neuer Morgen kommt. Damit uns immer wieder neu das Licht aufgeht. Und wir leben können unter seinem Segen, auch im neuen Jahr.
Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft zu fassen vermag,
bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.
Amen.

Fürbitten:
Du, Gott, unseres Lebens, wir kommen zu dir auf der Schwelle in ein neues Jahr.
Befreie uns von allem Alten, was uns gefangen hält,
damit wir frei werden für alles Neue, das du uns schenkst.
Amen.

Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name, …

Segen:
Der Herr segne und behüte dich auf all deinen Wegen.
Amen.

Lied EG 58, 1-3.11 Nun lasst uns gehen und treten

 

Gottesdienst zu Weihnachten 2022

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde,
herzlich willkommen zum Lesegottesdienst für Heiligabend und das Weihnachtsfest 2022. Allen einen herzlichen Gruß mit den Worten des Engels auf den Feldern vor Bethlehem:
„Fürchtet euch nicht, siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids.“ (Lukas 2, 10.11).
Ein gesegnetes Weihnachtsfest wünscht Pfarrerin Anke Mühlenberg-Knebel.

Wir beginnen mit dem Lied: Alle Jahre wieder (Str. 1-3)

Im Namen Gottes Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Amen.

Gebet:
Großer Gott, klein wirst du wie ein Kind.
Mächtiger Gott, schutzlos wirst du wie ein Kind.
Heiliger Gott, menschlich wirst du wie wir.
Beschenke uns mit deinem Geist, damit wir auf dich achten.
Beschenke uns mit deiner Nähe und deiner Gegenwart, damit wir dich im Kind in der Krippe anbeten.
Das bitten wir dich für heute und alle Tage.
Amen.

Wir lesen die Weihnachtsgeschichte aus Lukas 2, 1ff:
Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde. Und diese Schätzung war die allererste und geschah zu der Zeit, da Quirinius Statthalter in Syrien war. Und jedermann ging, dass er sich schätzen ließe, ein jeglicher in seine Stadt. Da machte sich auf auch Josef aus Galiläa, aus der Stadt Nazareth, in das Judäische Land zur Stadt Davids, die da heißt Bethlehem, darum dass er von dem Hause und Geschlechte Davids war, auf dass er sich schätzen ließe mit Maria, seinem vertrauten Weibe; die war schwanger. Und als sie daselbst waren, kam die Zeit, dass sie gebären sollte. Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe; denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge. Und es waren Hirten in derselben Gegend auf dem Felde bei den Hürden, die hüteten des Nachts ihre Herde. Und der Engel des Herrn trat zu ihnen, und die Klarheit des Herrn leuchtete um sie; und sie fürchteten sich sehr. Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids. Und das habt zum Zeichen: Ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen. Und alsbald war da bei dem Engel die Menge der himmlischen Heerscharen, die lobten Gott und sprachen: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens. Und da die Engel von ihnen gen Himmel fuhren, sprachen die Hirten untereinander: Lasst uns nun gehen gen Bethlehem und die Geschichte sehen, die da geschehen ist, die uns der Herr kundgetan hat. Und sie kamen eilend und fanden beide, Maria und Josef, dazu das Kind in der Krippe liegen. Da sie es aber gesehen hatten, breiteten sie das Wort aus, welches zu ihnen von diesem Kind gesagt war. Und alle, vor die es kam, wunderten sich über die Rede, die ihnen die Hirten gesagt hatten. Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen. Und die Hirten kehrten wieder um, priesen und lobten Gott für alles, was sie gehört und gesehen hatten, wie denn zu ihnen gesagt war.
Amen.

Lied EG 43, 1-3 Ihr Kinderlein, kommet

Predigt:

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und von dem Herrn Jesus Christus.
Amen.

Liebe Gemeinde, eine uralte Geschichte. Als die Ältesten unter uns Kinder waren, wurde diese Geschichte schon erzählt. Und wenn die jüngsten unter uns alt sein werden, erzählen sie ihren Enkeln diese Geschichte hoffentlich immer noch. Keine andere Geschichte ist so bekannt. Sie ist überall zuhause. Diese Geschichte birgt ein tiefes Geheimnis. Darin liegt ihre unerschöpfliche Kraft. Sie erzählt von einem unerklärlichen Wunder. Was wir hören und was wir sehen, passt in dieser Geschichte nicht zusammen. Wir werden sie nie ganz begreifen, ihr Geheimnis nie lüften, ihren Schatz nie heben. Gerade darin ist sie eine Rettungsgeschichte. Eine Geschichte, mit der alles anders geworden ist. Eine Geschichte der Hoffnung für die ganze Menschheit.

Vor wenigen Tagen habe ich ein besonderes Bild gesehen, auf einer Weihnachtskarte. Die Krippendarstellung eines niederländischen Meisters ist darauf zu sehen. Mit allem, was dazugehört. Ein Stall, in der Mitte das Kind im Futtertrog, Maria und Josef, die Hirten, Ochse und Esel, alles andächtig um das Neugeborene versammelt. Drunter stand: Vorne in der Mitte ist noch ein Platz für dich. Mit welchem Gesicht du in diesem Jahr das Kind anschaust, sieht nur das Kind allein.“ Diese alte Geschichte - sie ist uns buchstäblich auf den Leib geschrieben. Für Sie/für dich ist auch ein Platz an der Krippe. Vorne rechts vielleicht. Oder etwas weiter links. Oder hinten in der Mitte. Neben Maria. Oder zwischen den Hirten.

Diese alte Geschichte erzählt auch von Ihnen und mir. Kein Mensch auf der Erde, der nicht einen Platz in ihr hätte. Es geht da um unser Leben. Seit sich der Himmel damals über dem dunklen Feld von Bethlehem öffnete, liegt auch auf Ihrem/eurem und meinem Leben ein Glanz. Nichts und niemand kann diesen Glanz wegnehmen. Auch für uns hat der Engel seine Botschaft auf der Erde gelassen: Fürchtet euch nicht! Denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr. Seit der Bote Gottes den Hirten das sagte, ist nichts in unserem Leben mehr ohne Hoffnung. Nichts.

Wer diese Geschichte ernst nimmt, kann nicht mehr sagen: Krieg war immer-deshalb wird es immer Krieg geben. Oder: mein Leben ist verpfuscht. Oder: Dein Leben ist nichts wert. Wer diese Geschichte hört, ist unwillkürlich in sie verwickelt. So wie wir jetzt. Nehmen Sie den Glanz dieser Geschichte mit dahin, wo Sie heute und morgen Weihnachten feiern. Nehmt auch das mit, was nicht zusammenpasst. Das Erschrecken, das Staunen, das Unbegreifliche. Lasst uns nun gehen und die Geschichte sehen, die da geschehen ist. Auch für uns.

Amen.

Lied EG 551, 1-4 Stern über Bethlehem

Fürbitten:

Du Mensch gewordener Gott, du liebst uns und beschenkst deine Welt.
Du bist ein kleines Kind geworden.
So bitten wir dich um Liebe für die Kinder und Jugendlichen dieser Welt, dass sie in Frieden aufwachsen

Maria und Josef waren auf der Suche nach einer Herberge.
So bitten wir dich für alle Geflüchteten und für die Menschen ohne Obdach, dass sie beschützt werden.

Maria und Josef waren bei der Geburt ihres Kindes auf sich allein gestellt.
So bitten wir dich für alle einsamen Menschen, dass ihnen dieses Fest nicht zur Qual wird, sondern zur Freude.

Die Hirten sind von ihrer nächtlichen Arbeit aufgebrochen und haben dich gesucht.
So bitten wir dich für alle, die in diesen Tagen arbeiten, dass sie Dank und weihnachtliche Freude erfahren.

Die Engel haben vom Frieden auf Erden gesungen.
So bitten wir für diese friedlose Welt, dass Frieden wird in der Ukraine, im Iran, an allen Orten, wo die Menschen unter Krieg und Gewalt leiden müssen, dass auf der ganzen Welt Friede wird.

Du Mensch gewordener Gott, du liebst uns und beschenkst deine Welt.
Wir danken dir und bitten dich für uns. Mache deine Liebe in uns groß und segne uns.

Amen.

Vater unser im Himmel, …

Segen:
Der weihnachtliche Segen Gottes komme über dich und bleibe bei dir von nun an bis in Ewigkeit.
Amen.

Lied EG 44, 1-3 O, du fröhliche

 

Gottesdienst am Sonntag, den 18. Dezember 2022 - 4. Advent

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde,
herzlich willkommen zum Lesegottesdienst für den 4. Adventssonntag (18.12.2022).
Heute steht das sog. „Magnifikat“, der Lobgesang der schwangeren Maria aus dem Lukasevangelium, im Mittelpunkt unseres Gottesdienstes. Es wurde schon vielfach vertont und gesungen. Ein wunderbarer Text, dieses Magnifikat, mit dem wir uns auf die letzte Woche der Adventszeit einstimmen wollen.
Einen gesegneten Sonntag wünscht Ihnen und euch Pfarrerin Anke Mühlenberg-Knebel.

Wir beginnen mit dem Lied EG 9, 1.2.5 „Nun jauchzet, all ihr Frommen“

Im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Amen.

Gebet:
Komm, o mein Heiland Jesu Christ, meins Herzens Tür dir offen ist.
Ach zieh mit deiner Gnade sein; dein Freundlichkeit auch uns erschein.
Dein Heilger Geist uns führ und leit den Weg zur ewgen Seligkeit.
Dem Namen dein, o Herr, sei ewig Preis und Ehr.
Amen.

Wir lesen das Magnifikat der Maria (Lukas 1, 46- 55):
Meine Seele erhebt den Herrn, und mein Geist freut sich Gottes, meines Heilandes; denn er hat die Niedrigkeit seiner Magd angesehen. Siehe, von nun an werden mich selig preisen alle Kindeskinder. Denn er hat große Dinge an mir getan, der da mächtig ist und dessen Name heilig ist. Und seine Barmherzigkeit währet für und für bei denen, die ihn fürchten. Er übt Gewalt mit seinem Arm und zerstreut die, die hoffärtig sind in ihres Herzens Sinn. Er stößt die Gewaltigen vom Thron und erhebt die Niedrigen. Die Hungrigen füllt er mit Gütern und lässt die Reichen leer ausgehen. Er gedenkt der Barmherzigkeit und hilft seinem Diener Israel auf, wie er geredet hat zu unseren Vätern, Abraham und seinen Nachkommen in Ewigkeit.
Amen.

Predigt:

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und von dem Herrn Jesus Christus.
Amen.

Liebe Gemeinde, die schwangere Maria besucht die schwangere Elisabeth, eine Verwandte. Beide tragen in sich eine Verheißung, deren Bedeutung sie nur ahnen. Elisabeth wird Johannes zur Welt bringen, von dem der Engel sagte, er werde groß sein vor dem Herrn und schon im Mutterleib mit dem heiligen Geist erfüllt sein. Er werde vor dem Herrn hergehen und das Volk auf sein Kommen vorbereiten. Der Maria wurde angekündigt: Ihr Sohn, Jesus, werde groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden; und Gott der Herr, werde ihm den Thron seines Vaters David geben. Beide Lebensgeschichten sind eng miteinander verknüpft. Das spüren nicht nur die beiden Frauen von Anfang an. Elisabeth ist im 6. Monat schwanger, als sie erfährt, dass Maria ein Kind erwartet.

Als die beiden Frauen sich begegnen, erkennen sie erst, was für ein göttlicher Plan in ihnen reift. Als die beiden sich begrüßen, hüpft das Kind in Elisabeths Bauch vor Freude. Und Elisabeth wird erfüllt vom Heiligen Geist. Sie spürt, dass in Maria Gottes Verheißung Gestalt gewinnt. Die ältere Frau beginnt die jüngere Frau zu preisen, stimmt einen Lobgesang an auf Maria. Sie fühlt sich hoch geehrt, dass Maria sie besucht. Und Maria antwortet mit einem Lobgesang, sie setzt das von Elisabeth angefangene Lied fort. Als „Magnifikat“ ist es in die Geschichte eingegangen.

Magnifikat bedeutet etwa „ehren, hochschätzen, erheben“ und ist auf Latein das erste Wort von Marias Lobgesang. Die Worte fließen aus Maria heraus und erinnern an die Psalmen und Propheten des Alten Testamentes. Die hat Maria sicher schon oft gehört in den Gottesdiensten der Synagoge. Sie sind ihr vertraut, doch jetzt erschließt sich ihr der Sinn auf neue Weise. Es ist, als ob sie zur Prophetin wird, die in diesem Moment sieht, was Gott plant. Durch sie wird der in die Welt kommen, der die bestehenden Verhältnisse auf den Kopf stellt. Das wird ihr nun bewusst. Alles, was in den alten Schriften vorhergesagt wurde, wird sich erfüllen: Die Hochmütigen werden zu Fall kommen, die Demütigen werden Gnade erfahren. Gott gibt den Armen und Schwachen Würde und Ansehen, so, wie er die Niedrigkeit seiner Magd angesehen hat. Wie eine Geburt nicht ohne Wehen und Schmerzen verläuft, so wird auch die Erfüllung der göttlichen Verheißungen nicht ohne Wehen geschehen können. Es werden die Stolzen und Eingebildeten zerstreut und die Mächtigen gestürzt. Und während die Hungrigen endlich satt werden, gehen die Reichen leer aus. Am Ende siegt Gottes Barmherzigkeit. Das, was in Maria hier zur Gewissheit wird und ihren Glauben stärkt, war schon lange in ihr angelegt. Doch jetzt ergibt sich ein Bild. Und es wird ihr klar: Sie hat etwas mit dieser Heilsgeschichte Gottes zu tun, sie, das einfache Mädchen vom Land, die Jungfrau, die Unerfahrene, die unverhofft Schwangere. Maria singt, was ihr das Herz eingibt.

Für den evangelischen Theologen Dietrich Bonhoeffer ist das „Lied der Maria das älteste Adventslied. Es ist zugleich das leidenschaftlichste, wildeste, … revolutionärste Adventslied, das je gesungen wurde.“ Maria weiß sich von Gott angesehen. Das erfüllt sie mit Freude, schenkt ihr Zuversicht. Ihr Weg wird nicht leicht werden, aber sie vertraut darauf, dass Gott sie ans Ziel bringen wird. Bei ihm ist nichts unmöglich. Gottes Sohn kündigt sich an in dieser Welt. Liebe Geschwister, jedes Jahr wieder bereiten wir uns auf dieses große Ereignis vor. Viel Zeichen weisen gerade in der Adventszeit auf ihn hin. Und sie weisen darauf hin: Auch wir sind ein Teil dieser Geschichte, die Gott in unsere Herzen schreibt. Nehmen wir sie bewusst wahr? Erkennen wir uns darin wieder? Was empfinden wir, wenn wir Lieder singen wie „Tochter Zion“ oder „Es wird nicht immer dunkel sein“. Lösen sie etwas in uns aus? Bringen sie unsere Seele dazu, vor Freude zu hüpfen? Was stößt es in uns an, wenn wir unsere Wohnungen und Gärten mit adventlich-weihnachtlichen Symbolen schmücken?

Die vielen Lichter, die wir erstrahlen lassen, erinnern an die Verheißung des Propheten Jesaja. Er kündigt dem Volk, das im Finstern wandelt, ein Licht an. Er spricht von einem Kind, das geboren wird und nennt es Wunder-Rat, Gott- Held, Ewig-Vater, Friede- Fürst. Wird er auch in mein Dunkel Licht bringen? Oder wandle ich noch in der Finsternis? Unsere Welt hat viele dunkle Seiten; viele leben in einer Schattenwelt: Krankheit und Krieg; Not und Neid, wird es je einen Ausweg daraus geben?

Ein anderes vertrautes Zeichne ist der Stern. Der Stern zeigt den Weisen aus dem Morgenland den Weg und führt sie zur Krippe. Hier beten sie den Gottessohn an. Welchem Stern folge ich? Wen verehre ich und wo suche ich den König der Welt?

Liebe Gemeinde, die Adventszeit ist eine intensive und geheimnisvolle Zeit, voller Zeichen und Botschaften. Sie versetzt mich in eine bes. Stimmung. Die Adventszeit ist eine Vorbereitungszeit, in der etwas reift, genau wie während einer Schwangerschaft. Und wenn das Kind geboren ist, sieht die Welt anders aus. Das Kind in der Krippe hat es uns gezeigt: Gott hat einen Plan mit dieser Welt, und der sieht anders aus, als Menschen es sich je erträumen werden. Er hat etwas mit mir zu tun. Es ist an mir, die Zeichen wahrzunehmen und Gottes Botschaft darin zu lesen. In den Adventsliedern wird etwas spürbar vom göttlichen Geheimnis der Menschwerdung. Sie drücken die Freude aus, dass Gott die Welt verwandeln wird. Hoffnungsschwanger trage ich mich mit dem Gedanken, dass Gottes Sohn auch bei mir einkehren will mit seinem Heil und seinem Segen in mein Haus, in meinen Körper/Leib und in meine Seele.

Zwei werdende Mütter treffen sich in der Adventszeit, Maria und Elisabeth. Sie tauschen sich aus über göttliche Verheißungen, über ihre Träume und ihre Hoffnung. Johannes, das eine Kind, hüpft vor Freude im Mutterleib. Er, Johannes, wird dem Herrn den Weg bereiten. Das andere Kind, Jesus, ist nicht viel mehr als ein Gedanke aus dem Mund eines Engels. Das Wort Gottes gibt ihm Gestalt und einen Namen: Jesus.

Das älteste bekannte Adventslied, das Lied der Maria, das Magnifikat, weist uns den Weg zur Krippe. Gott kommt zu mir, zu uns, in unser Leben, das manchmal so schön und manchmal so schrecklich ist. Doch erst in der Begegnung mit anderen Menschen, die wie wir in dieser adventlichen Spannung leben, nimmt die Freude Gestalt an. Im gemeinsamen Singen und Hören der alten Überlieferungen wird es mir jedes Jahr etwas klarer: Christus will in mir geboren werden- in ihm erblicke ich das Licht der Welt. Auch durch mich soll Hoffnung und Frieden in diese Welt kommen.
Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft zu fassen vermag, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.
Amen.

Lied NL 38, 1.2.4 „Es wird nicht immer dunkel sein“

Fürbitten:
Du, Gott der Maria, du bist ein Menschenkind geworden und willst auch in uns geboren werden. Hilf uns, dass wir daraus Mut schöpfen und über unsere Grenzen hinauswachsen, dazu hilf uns um Jesu Christi Willen.
Amen.

Alles, worum wir Gott sonst noch bitten möchten, sagen wir mit den Worten des Vaterunsergebetes: Vater unser im Himmel, …

Segen: „Es wird nicht immer dunkel sein- hat uns das Kind gezeigt, auch wenn bis heut die Finsternis vor unsern Augen steigt.“
So segne euch Gott, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist.
Amen.

Lied EG 13, 1- 3 „Tochter Zion, freue dich“

 

Gottesdienst am Sonntag, den 11. Dezember 2022 - 3. Advent

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde,
herzlich willkommen zum Lesegottesdienst für Sonntag, den 3. Advent 2022.
An diesem Tag soll einmal ein Mensch im Vordergrund stehen, von dem die Evangelien berichten, der in diese Zeit vor Weihnachten hineingehört. Meist nehmen wir ihn kaum wahr vor lauter Ochs und Esel, Engel und Hirten, Eltern und dem Kind in der Krippe: Johannes, der später der Täufer genannt wurde. Er taufte Jesus, der nach ihm kam, dessen Geburt wir in zwei Wochen feiern werden.
Zu Johannes Auftrag passt der Wochenspruch, der uns durch die kommenden Tage begleiten wird:
„Bereitet dem Herrn den Weg; denn siehe, der Herr kommt gewaltig.“ (Jesaja 40, 3. 10).
Einen gesegneten dritten Advent wünscht Pfarrerin Anke Mühlenberg-Knebel.

Wir beginnen mit dem Lied EG 17, 1-3 „Wir sagen euch an den lieben Advent“

Im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Amen.

Biblische Lesung und Predigttext ist Matthäus 3, 1-11:
„Zu der Zeit kam Johannes der Täufer und predigte in der Wüste von Judäa und sprach: Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen! Denn dieser ist`s, von dem der Prophet Jesaja gesprochen und gesagt hat (Jesaja 40, 3):“ Es ist eine Stimme eines Predigers in der Wüste: Bereitet dem Herrn den Weg und macht eben seine Steige!“ Er aber, Johannes, hatte ein Gewand aus Kamelhaaren an und einen ledernen Gürtel um seine Lenden; seine Speise aber waren Heuschrecken und wilder Honig. Da ging zu ihm hinaus die Stadt Jerusalem und ganz Judäa und alle Länder am Jordan und ließen sich taufen von ihm im Jordan und bekannten ihre Sünden. Als er nun viele Pharisäer und Sadduzäer sah, sprach er zu ihnen: Ihr Schlangenbrut, wer hat denn euch gewiss gemacht, dass ihr dem künftigen Zorn entrinnen werdet? Seht zu, bringt rechtschaffene Frucht der Buße! Denkt nur nicht, dass ihr bei euch sagen könntet: Wir haben Abraham zum Vater. Denn ich sage euch: Gott vermag dem Abraham aus diesen Steinen Kinder zu erwecken. Es ist schon die Axt den Bäumen an die Wurzel gelegt. Darum: jeder Baum, der nicht gute Frucht bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen. Ich taufe euch mit Wasser zur Buße; der aber nach mir kommt, ist stärker als ich, und ich bin nicht wert, ihm die Schuhe zu tragen; der wird euch mit dem heiligen Geist und mit Feuer taufen.“
Amen.

Predigt:

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und von dem Herrn Jesus Christus.
Amen.

Liebe Geschwister, Eine Stimme ruft in der Wüste. Bereitet dem Herrn den Weg. Ebnet ihm die Straßen. Es sind Worte des Propheten Jesaja, die Johannes ruft. Johannes trägt einen Mantel aus Kamelhaaren. Mit einem ledernen Gürtel zusammengehalten. Johannes in der Wüste von Judäa: er ernährt sich von Heuschrecken und wildem Honig- bevor die Menschenmengen an den Jordan kommen, aus ganz Judäa. Nachdem das Getümmel wieder vorüber ist, wird es still. Johannes ist für sich allein. Er denkt an den Stärkeren, der da kommen soll, der kommen wird, um mit dem Heiligen Geist und mit Feuer zu taufen.

Doch bis das geschieht, werden sie sich weiter drängeln, werden sich taufen lassen, ihm am Ufer zuhören. Ihm, dem Exoten, dem Spinner, dem Propheten. Und er lässt die Stille in sich anwachsen, die ihn umgibt. Aus ihr zieht er seine Kraft. Die Ereignisse des Tages verklingen. Und wie die Stille langsam zunimmt in ihm, wird er weit und offen für die Botschaft, die er hört, wenn niemand mehr redet. Er gibt dem Raum, was da in seinem Schweigen entsteht. Der Stimme Gottes gibt er Raum. Diese Stimme zeigt ihm die Richtung und macht ihn zum Boten.

Und manche von denen, die zu ihm kommen, lassen sich nicht nur taufen, sie bleiben bei ihm, als seine Jüngerinnen und Jünger. Ganz allmählich lernen auch sie, die Stille zu lieben und auf das zu hören, was Gott in die Stille hinein zu sagen hat. Sie lernen die Nahrung kennen, die Johannes den Täufer wirklich satt macht, geistliche Nahrung. Die anderen Menschen drängen sich jeden Tag aufs Neue am Ufer des Jordan. Heute drängen sich die Menschen in den lichtergeschmückten Innenstädten, in den Geschäften und auf Weihnachtsmärkten. Eine Stimme ruft in der Wüste: Bereitet dem Herrn den Weg! Ebnet ihm die Straße!

Ist Wüste um mich herum? In mir drin? Ist Leere inmitten der Fülle von Lichtern, Geschenken, Vorbereitungen auf das Fest? Den Weg ebnen-mit Gottes Ankunft rechnen, was heißt das? Bereitet dem Herrn den Weg! Ebnet ihm die Straße!

Einen Weg durch die Welt der Armen und der Reichen, der Mächtigen und der Rechtlosen, der Täter und der Opfer. Hülle und Fülle hier, Elend und Not dort. Sinnlosigkeit, Bedrohung, Kriege, Katastrophen, Gewalt - Nachrichten, die uns erschüttern, gerade in diesen Tagen. Aber auch Erinnerungen, die uns das Herz wärmen, Erfahrungen, die uns ermutigen, Gedanken, die hoffen lassen. Manchmal sind die Spannungen kaum zu ertragen.

Haltet inne! Kehrt um! Wagt Neues!, so ruft Johannes aus der Wüste Judas in unsere Wüsten. Denn: Gott kommt in die Welt. Er setzt einen neuen Anfang. Jesus wird geboren. Im Stall. Bei den Menschen. Für die Menschen. Darum: Bereitet dem Herrn den Weg! Ebnet ihm die Straße!
Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft zu fassen vermag,
bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.
Amen.

Lied EG 545 „Mache dich auf, werde Licht“

Fürbitten:
Lass dein Licht aufgehen in diesen Tagen des Advents, damit es die Dunkelheit in uns und um uns vertreibt, damit wir unsere innere Mutlosigkeit und Müdigkeit überwinden und zu dem finden, was wirklich wichtig ist.
Amen.

Wir beten weiter: Vater unser im Himmel,…

Segen:
Der adventliche Segen Gottes erfülle dich mit dem Licht seiner Hoffnung.
Amen.

 

Gottesdienst am Sonntag, den 27. November 2022 - 1. Advent

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde,
herzlich willkommen zum Lesegottesdienst für Sonntag, den 1. Advent (27. November 2022).
Für uns eine ganz besondere Zeit. Wir gehen auf Weihnachten zu, wir bereiten uns auf das Kommen Jesu in diese Welt vor.
Der Wochenspruch für die erste Adventswoche möge Sie in den nächsten Tagen begleiten:
„Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer."
Amen.
Es grüßt Sie herzlich Pfarrerin Anke Mühlenberg-Knebel.

Wir beginnen mit dem Lied EG 1, 1-3 „Macht hoch die Tür“

Im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Amen.

Gebet:
Wir spüren Gottes Segen nun wieder im Advent.
Auf unsern dunklen Wegen ein helles Licht uns brennt.
Wir spüren Gottes Segen an jedem Tage neu.
Gott kommt uns selbst entgegen, das macht uns froh und frei.
Er will uns Menschen führen, es strahlt des Sternes Schein.
Gott öffnet Tor und Türen und lädt uns alle ein.
Amen.

Predigt:

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater und von dem Herrn Jesus Christus.
Amen.

Liebe Gemeinde, gerade haben wir das Adventslied „Macht hoch die Tür“ gesungen. Die Tür ist ein schönes Bild für Gottes Advent, für seine Ankunft in der Welt. Vielleicht war es in Ihrer Kindheit ähnlich wie bei mir. Da hatte ich einen Adventskalender, an dem ich jeden Tag ein Türchen aufgemacht habe. Das erste Türchen wurde am ersten Dezember geöffnet. Das letzte am Heiligen Abend, am 24. Dezember. Hinter jeder Tür wartete als kleines Geheimnis ein weihnachtliches Bild: ein Stern oder ein Lebkuchenpferd, ein Schneemann oder eine Kerze. Und dann das schönste Türchen. Das Türchen vom Heiligen Abend: das war auch etwas größer als die anderen. Dahinter war ein Bild von der Geburt Jesu im Stall zu sehen. Als Kind war mir mein Adventskalender ein vertrauter Begleiter durch die Adventszeit. Kein Tag, an dem ich nicht schon vor dem Frühstück das Türchen auf dem Kalender suchte und öffnete. Liebe Gemeinde, wir feiern Advent. Wir freuen uns darüber, dass Gott sozusagen die Tür hochgemacht hat. Dass er die Himmelstür geöffnet hat. Dass er den Himmel verlassen hat. Wir feiern Advent, weil Gott in seinem Sohn Jesus Christus auf die Erde gekommen ist. Seitdem können wir uns ein richtig gutes Bild von Gott machen. Denn an seinem Sohn Jesus Christus können wir ablesen, wer Gott ist und was Gottes Liebe meint. Denn Jesus ging ja später auf die Menschen zu und hörte ihnen zu und sagte ihnen Gutes zu: gute Nachrichten, frohe Botschaften von Gott. Er sagte den Menschen: „Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken.“ Oder: “Selig sind die Friedfertigen, denn sie werden Gottes Kinder heißen.“ Und die Menschen, die Jesu Worte hörten, spürten: Jesu Worte sind göttlich, himmlisch. Sie bringen Gottes Wort ins Menschenohr. Und Jesus redete nicht nur zu den Menschen vom Gott der Liebe, er zeigte ihnen auch, was Gottes Liebe bewirkt: Der blinde Bartimäus konnte wiedersehen. Der Gelähmte konnte wieder gehen. Jesus konnte aus dem Grab auferstehen. Und die Menschen, die Jesu Taten erlebten, spürten: Wo die Liebe Gottes mit im Spiel ist, da öffnet sich eine Tür, da ereignet sich ein Stück Himmel auf Erden. Da wird es Advent.

Liebe Gemeinde, bleibt die Frage: Wie kann es heute auf Erden, wie kann es in uns Advent werden? Die Antwort ist einfach: Advent wird es, wenn wir nicht nur eine Tür im Adventskalender öffnen, sondern indem wir unsere Herzenstür für Gottes Wort öffnen. So, wie wir es später singen werden, in der 5. Strophe unseres Liedes: „Komm, o mein Heiland Jesu Christ, mein Herzenstür dir offen ist.“
Amen.

Fürbitten:

Herr, mein Gott, es ist schön, Advent zu feiern. Alle Jahre wieder.
Wir bitten dich, Gott: komm in unsere Welt.
Komm zu den jungen und zu den alten Menschen.
Komm zu den glaubenden und zu den zweifelnden Menschen.
Gott, komm auch zu uns.
Senke deine Worte der Liebe tief in unser Herz hinein.
Schenke Vergebung, wo Schuld Menschen voneinander trennt.
Hilf Streit und Feindschaft unter Menschen zu beenden.
Tröste die Menschen, die traurig sind und niedergedrückt.
Gib, dass Gerechtigkeit und Friede überall auf der Erde wachsen können.
Herr, öffne auch die Tür meines Herzens, damit ich ein Werkzeug deiner Liebe sein kann.
Amen.

Vaterunser im Himmel, geheiligt werde dein Name...

Segen:
Der Herr segne dich und behüte dich auf all deinen Wegen.
Amen.

 

Gottesdienst am Sonntag, den 20. November 2022 - Ewigkeitssonntag

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde,
herzlich willkommen zum Lesegottesdienst für den kommenden Sonntag, den 20. November 2022.
An diesem Tag, dem Ewigkeitssonntag gedenken wir der Menschen, die im zu Ende gehenden Kirchenjahr verstorben sind. Im Gottesdienst werden ihre Namen verlesen, und sie stehen uns noch einmal ganz deutlich vor Augen. Auch unser eigenes Leben wird eines Tages zu Ende gehen. Wie gut, dass wir als Christinnen und Christen darauf vertrauen können, dass der Tod nicht das Ende, sondern der Übergang in ein neues, anderes Leben bei Gott sein wird. Bis dahin wollen wir jeden Tag dankbar aus Gottes Hand nehmen.
Einen gesegneten Sonntag wünscht Pfarrerin Anke Mühlenberg-Knebel.

Wir beginnen mit dem Lied EG 450, 1.2.5 „Morgenglanz der Ewigkeit“

Im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Amen.

Wir beten:
Herr, unser Gott, du hast unser Leben begrenzt.
Es fällt uns schwer zu begreifen, dass wir eines Tages sterben müssen.
Lehre uns, was es heißt zu sterben, damit uns das Leben nicht entgleitet.
Bewahre unsere Zeit in deiner Hand.
Halte uns durch das Sterben und durch den Tod hindurch und führe uns auf dem Weg zu dir.
Amen.

Die biblische Lesung und zugleich der Predigttext steht im Buch des Propheten Jesaja, Kap. 65, Verse 17- 25:
„So spricht der Herr: Siehe, ich will einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen, dass man der vorigen nicht mehr gedenken und sie nicht mehr zu Herzen nehmen wird. Freuet euch und seid fröhlich immerdar über das, was ich schaffe. Denn siehe, ich erschaffe Jerusalem zur Wonne und sein Volk zur Freude, und ich will fröhlich sein über Jerusalem und mich freuen über mein Volk Man soll in ihm nicht mehr hören die Stimme des Weinens noch die Stimme des Klagens ...“

Predigt:

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und von dem Herrn Jesus Christus.
Amen.

Liebe Schwestern und Brüder,
„O je“, sagt die schwarz gekleidete ältere Dame mit einem leisen Schrecken in der Stimme, „jetzt hab ich ja grad richtig gelacht, das ist, glaub ich, das erste Mal, seit mein Mann gestorben ist, also, seit der Trauerfeier und das ist doch erst ein paar Wochen her. Darf ich denn überhaupt schon wieder lachen?“ Liebe Gemeinde, Fragen wie diese beschäftigen viele, die einen geliebten Menschen gehen lassen mussten, die erst kürzlich traurig, hilflos am offenen Grab standen. Und häufig sind da Momente, eher Stunden, Tage, Wochen, in denen man meint, nie mehr so wie früher, wie davor, Lachen zu können. Unbeschwerte Augenblicke zu erleben, in denen alles Schwere verfliegt, wie ein Schwarm Krähen, der an einen anderen Ort fliegt oder wie die Sonne, die den Nebel durchbricht.

„Darf ich überhaupt schon wieder lachen, Frau Pfarrerin?“ Um Himmels Willen. Ja, du darfst! Auf diese Frage antwortet mit klarer Stimme, unmissverständlich, der Predigttext für den heutigen Totensonntag oder Ewigkeitssonntag.

Überraschend redet er nicht von der Ewigkeit, von dem Himmel, von dem wir doch hoffen, dass sie nun die Heimat unserer geliebten Verstorbenen ist. Stattdessen redet er von unserer Welt, in der es auch während dieses Gottesdienstes Zahllose gibt, die das Liebste verlieren: den Partner durch eine unheilbare Krankheit, einen Angehörigen durch einen Herzinfarkt, Unschuldige durch Krieg, Gewalt, Flucht oder sogar ein Kind, das noch nicht einmal auf der Welt ist. Es sind Worte, die überwältigen können, wie es nur die Liebe kann. Worte, die fast zu schön sind, um wahr zu sein. Worte, die Sie nötig haben, liebe Trauernde. Und die heute hierhergehören, weil die andere Welt Gottes schon im Kommen ist: Siehe, ich mache alles neu.

Jesaja 65: „Denn siehe, ich will einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen, …“

Liebe Gemeinde, sind diese Worte nicht wie Balsam auf den Wunden der Seele? Seit Jahrtausenden schon lindern, heilen, beleben sie, lassen die Niedergestreckten von Neuem aufstehen, auferstehen. Der Schüler eines Schülers des großen Propheten Jesaja hat sie vor mehr als 2000 Jahren aufgeschrieben. So kamen sie in die Sammlung des Prophetenbuches, das wir mit dem Namen Jesaja verbinden. Ich frage mich: Kann man diesen phantastischen Bilderbogen der Hoffnung zwischen neuem Himmel und neuer Erde, den friedlich miteinander weidenden Tieren, Löwe und Rind, Schaf und Wolf, mit seinem lebensfrohen Glanz überhaupt erfassen, hier beim Hören im Gottesdienst? Mit den vielen persönlichen Gedanken, mit den Gefühlen, die jeden und jede heute bewegen? Machtvoll strömt Lebenslust aus diesen Worten in unseren Tag. Machtvoll wird nicht Gottes ganz neue Welt am Ende der Zeit beschrieben, sondern das, was Gott jetzt für die Welt will und schenkt und schafft. Freuet euch und seid fröhlich immerdar über das, was ich schaffe!

Die Männer, Frauen und Kinder, denen diese Botschaft als erste gesagt wurde, sind uns nahe, bes. Ihnen, liebe Trauernde. Auch sie wissen nicht wirklich, wie das Leben wieder gut werden kann. Auch sie haben keine Kraft mehr für neue Herausforderungen. Auch ihnen erscheint im Alltag vieles wie hinter Nebelwänden, voller Krähengeschrei. Nach Jahren, Jahrzehnten im Exil, dürfen die Menschen endlich zurück: in die Heimat, das gelobte Land. Doch Milch und Honig sind längst versiegt. Frühere Lebensbegleiter sind nicht mehr da. Überall Spuren der Zerstörung.

„Mein Leben liegt in Trümmern“, so hat es ein Verwitweter aus meiner früheren Gemeinde einmal zusammengefasst. Überall fehlt ihm seine Frau, mit der so viele Jahrzehnte verheiratet war. Den Israeliten fehlt es an allem. Die Säuglingssterblichkeit ist hoch, die Lebenserwartung niedrig. Wo das Elternhaus noch steht, wohnt längst ein anderer darin. Im Weinberg der Familie freuen sich Fremde an der Ernte. Die Heimkehrenden sind nicht willkommen. Was trägt, was gibt Zukunft? „Denn siehe, ich will einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen, dass man der vorigen nicht mehr gedenken und sie nicht mehr zu Herzen nehmen wird. So spricht Gott.“ Auch wenn rechts, links, vorne, hinten alles eine andere Sprache spricht. Auch wenn die Bilder des Todes machtvoll erschüttern…Gott will es anders. Und Gott schafft es anders. Den müden Menschen, die meinen, nichts mehr aus eigener Kraft schaffen zu können, nicht mal so etwas scheinbar Leichtes wie Lachen, verspricht Gott: „Siehe, ich mache alles neu. Ich will dem Durstigen geben von der Quelle lebendigen Wassers umsonst.“

Liebe Gemeinde, viele von uns, die hier sitzen, werden solche Erfahrungen, Auferstehungserfahrungen , Gott sei Dank, schon im eigenen Leben gemacht haben. Besonders die Kriegsgeneration weiß nur zu gut, was für ein Dunkel das war, aus dem man kam: Stunde Null. Die Welt, das eigene Leben, lag in Trümmern. Die Zukunft war ungewiss.

Doch die dunklen Bilder des Todes überdeckt Gott mit seiner Verheißung, mit kommenden Bildern gesegneter Tage. Traumatherapeuten, die Menschen nach schweren, brutalen Lebensereignissen begleiten, versuchen genau das: Über die Bilder von Gewalt und Tod werden Bilder neuen Lebens, des Glücks, des Friedens gelegt, damit die Seele heilen kann und wieder auflebt.

Ja, wunderschön sind diese Bilder, mit denen Gott unsere Sehnsucht versteht, seine Wunder an uns beschreibt. Am besten wären sie, gerade an verdunkelten Tagen, morgens und abends zu lesen. Was bräuchte es mehr?

Und doch haben wir als Christinnen und Christen mehr. Heute in einer Woche werden wir den ersten Advent feiern. Die neuen Bilder unseres erneuerten Lebens sind Bilder, in denen uns Jesus Christus begegnet, Menschensohn, Gotteskind, Jahrhunderte nach dem Propheten Jesaja geboren.

Im Gotteskind, im Menschensohn, der den Hungrigen zu essen gibt, die Kranken heilsam berührt, alle Schmerzen vergessen macht. Der die Kinder in die Mitte stellt und mit ihnen lacht. Der den Wein genießt und tanzt und auf die Frauen hört. Der hinabsteigt in das Reich des Todes. Der Gottes Sohn ist und ein Ende setzt allen Mächten des Todes. Weil er lebt von Ewigkeit zu Ewigkeit.

Sein heiliger Geist verwandelt auch uns. Gerade jenes Lachen, das aus dem tiefen Inneren kommt und wieder hell erklingt, findet Widerhall in Gottes ewigem Reich. Oder vielleicht ist es auch umgekehrt, dass unser Lachen, das sich gegen die Traurigkeit behauptet, ein Echo der himmlischen Freude ist?

Mit diesem Vertrauen und den bunten Bildern der Hoffnung vor Augen können wir das Leben neu lernen. Ein eher unspektakuläres, aber trotzdem hilfreiches Bild finden wir im Predigttext. „Denn die Tage meines Volkes werden sein wie die Tage eines Baumes.“ Leben wie ein Baum. Das ist eine Spur, der ich folgen will und die doch auch gut in diese Jahreszeit passt. Ein Baum verwurzelt sich fest in der Erde und streckt zugleich seine Zweige weit in den Himmel aus. Er meistert das Leben: Hitze, Kälte, Sturm und Frost. Noch bevor jetzt im Herbst das letzte Blatt vom Ast fällt, hat im Baum schon der Frühling begonnen, werden neue Knospen angelegt.

Ein Gebet von Lothar Zenetti, greift dieses Bild, diese Gedanken, auf: Herr, wie ein Baum, so sei vor dir mein Leben. Herr, wie ein Baum, so sei vor dir mein Gebet. Gib Wurzeln mir, die in die Erde reichen, dass tief ich gründe in den alten Zeiten, verwurzelt in dem Glauben meiner Väter. Gib mir die Kraft, zum festen Stamm zu wachsen, dass aufrecht ich an meinem Platze stehe und wanke nicht, auch wenn die Stürme toben. Gib, dass aus mir sich Äste frei erheben, oh meine Kinder, Herr, lass sie erstarken und ihre Zweige strecken in den Himmel. Gib Zukunft mir und lass die Blätter grünen und nach den Wintern Hoffnung neu erblühen, und wenn es Zeit ist, lass mich Früchte tragen. Herr, wie ein Baum so sei vor dir mein Leben. Herr, wie ein Baum sei vor dir mein Gebet. Amen“ Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft zu fassen vermag, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.

Amen.

Wir beten: Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name,…

Segen:
Der Herr segne dich und behüte dich,
der Herr lasse leuchten sein Angesicht über dir und sei dir gnädig
Der Herr erhebe sein Angesicht auf dich und schenke dir Frieden.
Amen.

Wir schließen mit dem Lied EG 170, 1-3 „Komm, Herr, segne uns“

 

Ansprache zum Volkstrauertag am Sonntag, den 13. November 2022

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde,
herzlich willkommen zum Lesegottesdienst für den Sonntag Volkstrauertag.
Als Predigt findet Sie an dieser Stelle meine Ansprache beim Ökumenischen Gottesdienst zum Volkstrauertag am 13. November 2022 am Ehrenmal in Bühlertal.
Einen gesegneten Sonntag wünscht Pfarrerin Anke Mühlenberg-Knebel.

Im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Amen.

Liebe Gemeinde am Volkstrauertag!

Albert Schweitzer, der Arzt, Theologe, Musiker und Friedens-Nobelpreisträger von 1952, sagte einmal: „Die Kriegsgräber sind die großen Prediger des Friedens.“ 104 Jahre ist es her, dass der 1. Weltkrieg sein Ende fand. Vor 77 Jahren endete der zweite Weltkrieg. Lange ist das her, so lange, dass die meisten Menschen, die heute leben, diese Kriege nicht selbst erlebt und erlitten haben. Doch spüren wir bis heute die Wunden, die die Kriege in unserem Land, in unserem Ort und in unserem Leben geschlagen haben. Bis heute spüren wir und wissen wir, dass Menschen in unserem eigenen Leben oder in der Geschichte unserer Familie fehlen. Die Väter oder älteren Geschwister, die gefallen sind. Vielleicht sind sogar schon deren Väter und Brüder und Onkel im Ersten Weltkrieg ums Leben gekommen. Die Großväter oder Großmütter, die wir nie kennenlernen durften. Die Verwandten, die bei einem Bombenangriff oder auf der Flucht ums Leben kamen. Die jüdischen Nachbarn unserer Vorfahren, die in einem KZ umgebracht wurden oder verhungert sind. Die behinderte Großtante, die aus dem Heim, in dem sie lebte, abgeholt wurde und einer sog. Euthanasiemaßnahme zum Opfer fiel. Um sie trauern wir bis heute, ihrer gedenken wir bis heute, auch um die, wie wir nie wirklich erlebt haben. Sie gehören trotzdem zu uns.

Unsere ganz persönliche Trauer und Erinnerung klagen auch jeden Krieg und jede Gewalt in der Welt an. Unser stilles und stetes Gedenken an die Opfer der Kriege ist ein deutliches Eintreten für den Frieden. Es ist ein Gebet für den Frieden, den wir in Deutschland nun schon so lange haben dürfen. Vielleicht sollte ich sagen: haben durften. Denn seit Februar ist wieder Krieg in Europa, in der Ukraine, nicht weit weg von uns. Dass Frieden nicht selbstverständlich ist, immer wieder auch bedroht ist, das erleben wir in diesem Jahr als traurige Wahrheit.

Krieg herrscht auch in vielen anderen Ländern weltweit; militärische Gewalt und Terror sollen Probleme lösen. Die vielen Flüchtlinge, die aus der Ukraine und anderen Ländern zu uns kommen, weil sie diesen Schrecken entfliehen wollen, führen uns deutlich vor Augen, was Krieg für Menschen bedeutet. In ihren Geschichten entdecken wir die Erfahrungen unserer Familien und der Generationen vor uns wieder; und sie stehen uns lebendig vor Augen. „Nie wieder Krieg“, mit diesem Grundsatz im Ohr bin ich aufgewachsen. Und jetzt? Der Krieg Russlands gegen die Ukraine konnte nicht verhindert werden. Wie schnell ist ein Krieg schon wieder zur Politik mit anderen Mitteln geworden! Die Zeit, in der man davor zurückschreckte, an militärische Einsätze nur zu denken, Waffenpotentiale lediglich als Mittel der Abschreckung dienten, scheint lange vorbei zu sein. In Krisengebiete werden auch von uns Waffen und militärisches Gerät geliefert. Natürlich, die Waffen werden der Ukraine helfen, sich zu verteidigen, völkerrechtlich gibt es ein Selbstverteidigungsrecht der Staaten, die angegriffen wurden. Aber durch Waffen und Panzer entsteht kein Frieden. Es wird Sieger und Besiegte geben, auch in diesem Krieg, aber Frieden wird es nicht geben. Der wahre Friede kommt von Gott her. Umso wichtiger, gerade in diesen Zeiten auf die Botschaft der Bibel zu hören. Dass Krieg nach dem Willen Gottes nicht sein darf. Dass die Gottes Kinder heißen werden, die Frieden stiften. Dass wir durch unseren Glauben durch die Auferstehung Jesu eine lebendige Hoffnung haben. Dass Gott Gedanken des Friedens und nicht des Leides für uns hat. Jesus Christus hat uns diesen Friedensgedankens Gottes vorgelebt. Er verzichtete auf Gewalt, predigte Feindesliebe. Wurde selbst zu einem Opfer von Gewalt, seine Freunde trauerten um ihn. Damit stellte sich Gott auf die Seite aller Opfer. Er wollte seinen Tod nicht mehr rächen und vergelten. Er setzte dem Tod neues Leben entgegen. Die Auferstehung ist das Zeichen für Gottes Willen zum Frieden. Er verzeiht den Tod Jesu und sucht die Versöhnung. Frieden und Versöhnung sind die Grundlage allen gemeinsamen Lebens. Beides kommt aus Gottes bedingungsloser Liebe zu seinen Menschen. Damit macht er uns als Christinnen und Christen selbst fähig, die Versöhnung und den Frieden zu suchen.  Wir denken am Volkstrauertag an die Toten der Weltkriege von damals und an die Opfer der Kriege und des Terrors von heute. Ihnen und ihrem Schicksal die Ehre zu erweisen bedeutet, dass wir in Gottes Gedanken zum Frieden und Leben einstimmen. Der heutige Tag soll uns dazu ermutigen, dass wir nach dem Frieden suchen und alles in unserer Macht Stehende tun, um für ein friedliches Miteinander der Menschen. Den Weg zum Frieden kann man nirgends besser starten als auf einer Kriegsgräberstätte. Denn die Kriegsgräber sind die großen Prediger des Friedens.
Amen.

Gebet:
Gott des Friedens, Quelle allen Lebens!
Wir gedenken all derjenigen, die durch Krieg und Terror ihr Leben lassen mussten.
Wir gedenken all derjenigen, denen Krieg und Terror Menschen für immer genommen haben.
Halte in uns die Erinnerung an sie wach, und schenke denen, die um sie trauern, deinen Trost, der aus der Mitte des Lebens kommt.
Halte in uns die Mahnung wach, die ihr Schicksal für uns bedeutet.
Lass uns überall das Gute suchen, was dem Leben und dem Frieden dient.
Schenk uns deinen Frieden.
Amen.

 

Gottesdienst am Sonntag, den 06. November 2022 -
drittletzter Sonntag des Kirchenjahres

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde,
herzlich willkommen zum Lesegottesdienst für den drittletzten Sonntag des Kirchenjahres am 6. November 2022.
Im Nachklang des Reformationstages am vergangenen Montag denken wir heute einmal über das Kirchenlied „Ein Schiff, das sich Gemeinde nennt“ nach.
Einen gesegneten Sonntag und eine gute neue Woche wünscht Pfarrerin Anke Mühlenberg-Knebel.

Im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Amen.

Gebet:
Du Gott der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft.
Deine Kirche lebt.
Deine Weisheit tröstet.
Segne deine Gemeinde.
Stärke ihre Sehnsucht nach dir.
Das bitten wir dich heute und alle Tage.
Amen.

Lied EG 609, 1 und 2 „Ein Schiff, das sich Gemeinde nennt“

Predigt:

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater und von dem Herrn Jesus Christus.
Amen.

Liebe Schwestern und Brüder,
ein Schiff, das sich Gemeinde nennt - das ist schon ein sehr altes Bild:
Die christliche Gemeinde, die Kirche als Schiff. Es kennt noch keine Unterscheidung nach Konfessionen, keine Trennung, die wir gerne überwinden möchten. Vielleicht wäre das ja ein Weg:
die verschiedenen Glaubensgemeinschaften und Kirchen als ein großes Schiff zu sehen, das eben mehrere Decks hat. Es ist kein kleines Boot; immerhin ist es unterwegs auf dem Meer, dem „Meer der Zeit“. Es ist also nicht mehr ganz jung, sondern hat schon einige Jahre auf dem Buckel.

Offensichtlich macht dieses Schiff auf einige keinen besonders seetüchtigen Eindruck:
Immer wieder fragt man sich: Wird denn das Schiff besteh‘n? Erreicht es wohl sein großes Ziel? Wird es nicht (vorher) untergeh‘n?
Denn da gibt es Bedrohungen:
Sturm und Wellen, Angst und Gefahr. Und tatsächlich:
wenn man sich die Kirche anschaut, dann entdeckt man so einiges, wo man fragt:
Geht das noch lange gut? Da gibt es Uneinigkeit darüber, in welche Richtung es gehen soll. Die Klagen darüber, dass die Mannschaft an Bord nicht mehr so leistungsfähig ist, überaltert. Zuwenig Nachwuchs, der anheuern möchte. Junge oder jüngere Menschen sind mit Ausbildung, Beruf und/oder Familie so ausgelastet, dass sie sich nicht vorstellen können, sich in der Kirche zu engagieren. Außerdem sind ja gar nicht mehr so viele Junge da, die überhaupt in der Gemeinde mitarbeiten möchten, auch in anderen Bereichen. Und sich gleich für mehrere Jahre z. B. für eine ehrenamtliche Aufgabe zu verpflichten, das erscheint ihnen einfach als unvorstellbar lang. Auch den Älteren geht es teilweise so. Für ein Projekt gerne, sagen sie, wenn hier und da mal meine Hilfe gebraucht wird, natürlich, aber nicht dauerhaft. Es gibt auch eine ganze Reihe Leute, die sagen:
Kirche wirkt altmodisch, geht nicht mit der Zeit. Kirche dreht sich nur um sich selbst, sie kümmert sich nicht um die tagtäglichen Sorgen der Menschen. Manchen dagegen ist die Kirche zu modern und achtet zu wenig auf die Tradition. Sie werfen ihr vor, dass sie sich vom Zeitgeist treiben lässt.

Und immer wieder Berichte über Skandale:
Sexueller Missbrauch, Geldverschwendung und anderes. Es gibt auch immer wieder Stimmen; die so tun, als wäre das Schiff schon im Sinken begriffen, die Zeit des Christentums abgelaufen, zumindest in Westeuropa. Wir müssen aufpassen, wovon wir uns leiten lassen. Gilt es noch:
Das Ziel, das ihm die Richtung weist, heißt Gottes Ewigkeit?
Oder geht der Text in Wirklichkeit so:
Ein Schiff, das sich Gemeinde nennt, fährt durch das Meer der Zeit. Das Ziel, das ihm die Richtung weist, heißt:
Sparkurs, Demographischer Wandel, Gemeindekooperationen, Pfarrermangel, Aufgabe von Gebäuden, Transformation? Unser Lied beschreibt in der zweiten Strophe sehr schön, was passieren kann, wenn wir uns nicht mehr an Gottes Ewigkeit und an seiner Zusage orientieren. Dann kann es passieren, dass das Schiff im Hafen festliegt, weil sich keiner mehr traut aufzubrechen.

Dazu kommt:
„Man sonnt sich gern im alten Glanz vergang‘ner Herrlichkeit.“
Ja, das kennen wir auch:
„Früher, da war alles besser, da waren die Kirchen voll.“ Da wusste man noch, was richtig und was falsch ist. Da hatte der Herr Pfarrer noch Autorität. Seltsam, wie die Vergangenheit manchmal verklärt wird. So schön wird sie beschrieben, dass man sich wundert, warum die Jungen die traumhaften Verhältnisse der Alten nicht einfach übernommen haben? Oder war vielleicht gar nicht alles so golden? Kam es vielleicht doch vor, dass Menschen ungerecht behandelt wurden, dass Notlagen übersehen wurden, dass sich auch früher Menschen in der Kirche nicht wohlgefühlt haben? Dass Frauen in Leitungs- und Entscheidungsgremien der Gemeinden auch früher schon unterrepräsentiert waren, dafür aber gerne für Tätigkeiten wie Kaffeekochen, Kuchenbacken und Spendensammeln eingesetzt wurden. Auch bei uns in Baden gibt es noch gar nicht so lange die Frauenordination, erst seit 1971. Und:
wünschen wir uns ernsthaft die alten Zeiten zurück, als evangelische und katholische Christinnen und Christen streng getrennt wurden? Und man abwertend übereinander sprach? Da erlebe ich doch lieber das gute ökumenische Miteinander, das heute an vielen Orten selbstverständlich ist.

Beides, das ängstliche Starren auf Sorgen und Probleme und der verklärte Blick auf die ach so schöne Vergangenheit lähmt und führt dazu, dass man heute für den Ruf zur Ausfahrt nicht bereit ist. Wie lautet dieser Ruf zur Ausfahrt heute? Zum Beispiel so:
Wo sind Menschen, die noch nie gehört haben, dass Gott sie liebt? Es gibt sie auch in unserem Ort, in unserer Straße Nehmen wir sie wahr? Welche Möglichkeiten gibt es, ihnen das Evangelium von Jesus Christus nahezubringen? Oder so:
Wo ist heute unser Engagement als Christinnen und Christen gefragt? In welche Aufgabe sind wir gerufen, um „Salz der Erde“ zu sein, wie Jesus es fordert? In der Flüchtlingsfrage, bei der Bewahrung der Schöpfung, beim Bemühen um den Frieden. Wenn Diskussionen nur noch im lauten Ton und mit Schaum vor dem Mund geführt werden.

Wenn Ängste geschürt werden und Stimmung gemacht:
Dann müssen wir als Christen aller Konfessionen zu einer Beruhigung beitragen.
Wenn Menschen entrechtet und entwürdigt werden und keiner sagt etwas:
Dann müssen wir laut werden.
Wenn es immer heißt, dass unsere Gesellschaft sich spaltet, und einzelne Gruppen, sich unversöhnlich gegenüberstehen:
Dann müssen wir als Kirche Räume öffnen, wo man einander begegnet und ohne Wut, ohne Aggression miteinander spricht.
Wenn Menschen den Eindruck haben, dass niemand sie wahrnimmt, sich zurückziehen und keinem trauen:
Dann ist es unsere Aufgabe, ihnen nachzugehen und sie einzuladen, zur Gemeinschaft, zum Vertrauen auf Gott, der ihnen erfülltes Leben schenkt.

Aber:
vor dem Ruf zur Ausfahrt steht der Ruf zum Gebet, dass wir still werden und Gott bitten:
Zeig uns, in welche Richtung wir aufbrechen sollen. Geh du uns voran.

Den Kurs gibt Jesus Christus selbst vor. Von Glaube, Hoffnung, Liebe spricht er. Er hat uns eingeladen an Bord zu kommen, in sein Schiff und hat uns auf den Weg geschickt. Er fügt uns zusammen als christliche Gemeinschaft, die einander trägt und unterstützt. Und die ihre Unterschiedlichkeit nicht als Problem, sondern als Bereicherung ansieht. Freundinnen und Freunde, die auf gleichen Kurs gestellt sind. Und er wartet jetzt schon am Ziel auf uns:
So läuft das Schiff nach langer Fahrt in Gottes Hafen ein.
Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft zu fassen vermag, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.
Amen.

Lied EG 609, 5

Fürbitten:

Herr, gib uns Christinnen und Christen die Kraft und die Ausdauer, unseren Glauben aus der überlieferten Wahrheit für eine gemeinsame Zukunft zu gestalten.

Herr, schenk uns den Mut, die Vielfalt unseres gelebten Glaubens als Chance und Kraftquelle zu erfahren.

Erfülle unsere Hoffnung und unsere Sehnsucht nach der Gemeinschaft des Heiligen Mahles.

Hilf uns zu einem guten Miteinander, damit wir voneinander lernen und uns gegenseitig helfen, alles Trennende zu überwinden.

Herr, lass uns miteinander diesen Weg in Liebe, Frieden und im Vertrauen auf dich weitergehen und begleite uns mit deinem Segen.

Amen.

Wir sprechen das Gebet, das Jesus Christus uns selbst gelehrt hat:
Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name, …

Segen:
Der Herr segne dich und behüte dich, er lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig. Amen.

 

Gottesdienst am Sonntag, den 30. Oktober 2022 - 20. Sonntag nach Trinitatis

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde,
herzlich willkommen zur Leseandacht zum kommenden Sonntag, dem 30. Oktober 2022.
Im liturgischen Kalender ist es der 20. Sonntag nach Trinitatis.
Diesmal denken wir in der Andacht über den Monatsspruch für den bald beginnenden Monat November nach. Der Wochenspruch, der uns durch die neue Woche begleiten wird, passt sehr gut dazu. Er stammt aus dem Buch des Propheten Micha:
„Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was der Herr von dir fordert: nichts als Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott.“ (Micha 6, 8)
Ein gesegneten Sonntag und einen guten Start in die neue Woche und den neuen Monat wünscht Pfarrerin Anke Mühlenberg-Knebel.

Im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Amen.

Gebet:
Du rufst uns ins Leben, Gott, und schenkst uns dein Gebot,
dass wir dich und unsere Nächsten lieben.
Lass uns auf dein Wort hören und so leben, wie du es dir für uns vorstellst.
Dies bitten wir durch deinen Sohn Jesus Christus,
der mit dir und dem Heiligen Geist lebt und regiert von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Amen.

Die biblische Lesung ist der Monatsspruch für den November 2022:
„Weh denen, die Böses gut und Gutes böse nennen,
die aus Finsternis Licht und aus Licht Finsternis machen,
die aus sauer süß und aus süß sauer machen!“ (Jesaja 5, 20)

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde,
der Monat November ist ein besonderer Monat. Oft ist er kühl und verhangen, es wird schon früh dunkel. Über diesem Monat liegt eine ernstere Stimmung als über den meisten anderen Zeiten. Manche Menschen stimmt der November traurig, auch, wegen seiner ernsten Feier- und Gedenktage: Allerheiligen, Allerseelen, das Gedenken an die Novemberpogrome 1938, Volkstrauertag, Buß- und Bettag, der Ewigkeitssonntag. Und sie sind froh, wenn er vorbei ist. Für mich ist es allerdings der schönste Monat im Jahr. Er gefällt mir gerade gut, weil er so wahrhaftig und tiefgründig ist. Und weil er mich nachdenklich macht. Zur „Novemberstimmung“ passt sehr gut unser Monatsspruch aus dem Buch des Propheten Jesaja an. Auch er regt zum Nachdenken an. In seinem größeren Textzusammenhang geht es unter anderem um ungerechte Richter, die das Böse nicht entlarven und die Bösen nicht verurteilen. Gut und Böse, Finsternis und Licht, Süße und Sauerkeit, diese Begriffe und was sie meinen, werden verdreht und verkehrt; Wahrheit und Lüge nicht mehr deutlich unterschieden. Mit drastischen und leidenschaftlichen Worten hält der Prophet Jesaja den Menschen den Spiegel vor, dem Volk Israel zu seiner Zeit und uns heute. Er droht im Namen Gottes „Wehe denen“, die sich hier beteiligen. Aus seinem „Wehe“ hören wir zugleich seine Traurigkeit heraus. Was ist gut, was böse? Richtig und falsch? Was ist Wahrheit und was sind fake news? Was dient dem Leben und was nicht? Das möchte ich mir vornehmen für diesen besonderen Monat November: in Jesajas Spiegel schauen. Genau hinschauen. Nachdenken. Woran bin ich selbst beteiligt? Mir und anderen nichts vormachen. Wahrhaftig bleiben. Unangenehme Wahrheiten aussprechen. Das Süße genießen und das Saure sauer nennen. Darauf freue ich mich im November, meinem Lieblingsmonat.
Amen.

Gottesdienst am Sonntag, den 23. Oktober 2022 - 19. Sonntag nach Trinitatis

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde,
herzlich willkommen zur Lesepredigt für Sonntag, den 23. Oktober 2022.
Im liturgischen Kalender ist es der 19. Sonntag nach Trinitatis.
Der Wochenspruch, der uns durch die nächste Woche begleiten wird, steht beim Propheten Jeremia, Kap. 17, Vers 14:
„Heile du mich, Herr, so werde ich heil; hilf du mir, so ist mir geholfen.“
Einen gesegneten Sonntag wünscht Pfarrerin Anke Mühlenberg-Knebel.

Im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Amen.

Unser heutiger Predigttext steht im Markusevangelium, Kapitel 2, Verse 1- 12:
„Und nach etlichen Tagen ging er (Jesus) wieder nach Kapernaum; und es wurde bekannt, dass er im Hause war. Und es versammelten sich viele, sodass sie nicht Raum hatten, auch nicht draußen vor der Tür; und er sagte ihnen das Wort. Und es kamen einige, die brachten zu ihm einen Gelähmten, von vieren getragen. Und da sie ihn nicht zu ihm bringen konnten wegen der Menge, deckten sie das Dach auf, wo er war, gruben es auf und ließen das Bett herunter, auf dem der Gelähmte lag. Da nun Jesus ihren Glauben sah, sprach er zu dem Gelähmten: Mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben. Es saßen da aber einige Schriftgelehrte und dachten in ihren Herzen: Wie redet der so? Er lästert Gott! Wer kann Sünden vergeben als Gott allein? Und Jesus erkannte alsbald in seinem Geist, dass sie so bei sich selbst dachten, und sprach zu ihnen: Was denkt ihr solches in euren Herzen? Was ist leichter, zu dem Gelähmten zu sagen: Dir sind deine Sünden vergeben, oder zu sagen: Steh auf, nimm dein Bett und geh hin? Damit ihr aber wisst, dass der Menschensohn Vollmacht hat, Sünden zu vergeben auf Erdensprach er zu dem Gelähmten: Ich sage dir, steh auf, nimm dein Bett und geh heim! Und er stand auf, nahm sogleich sein Bett und ging hinaus vor aller Augen, sodass sie sich alle entsetzten und Gott priesen und sprachen: Wir haben solches noch nie gesehen.“
Amen.

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater und von dem Herrn Jesus Christus.
Amen.

Liebe Leserinnen und Leser, im Konfirmandenunterricht einer früheren Gruppe, die ich hatte, haben die Konfirmandinnen und Konfirmanden farbiges Papier bekommen. Sie sollten ihre Füße auf das Papier stellen, sie mit einem farbigen Stift umranden und dann ausschneiden. Dann habe ich die Geschichte erzählt, die wir gerade als Predigttext gelesen haben. Viele Menschen kamen zusammen, um Jesus zu sehen. Sie waren neugierig, weil sie schon häufiger etwas von Jesus gehört hatten. Nun war Jesus in ein Haus hineingegangen, in dem sich die Menschen nur so drängelten. Vier Freunde brachten einen gelähmten Mann. Sie wollten unbedingt, dass Jesus ihn heilen sollte. Und weil sie keine Chance sahen, durch die Tür in Haus hineinzukommen, deckten sie das Dach ab und ließen den Gelähmten hinunter. Jesus sah ihren Glauben und vergab dem Gelähmten seine Schuld. Das hielten die Umstehenden für eine Gotteslästerung. Aber Jesus wollte allen zeigen, dass er Kraft von Gott bekam und heilte deswegen den Gelähmten. Daraufhin konnte er wieder laufen. Soweit hatte ich im Unterricht die Geschichte erzählt. Und nun bekamen die Jugendlichen den Auftrag, die Geschichte mit ihren ausgeschnittenen Papierfüßen nachzustellen. Auf ein großes Blatt wurde ein Haus gezeichnet. Dann sollten die Füße aufgeklebt werden. Viele Füße standen also um das Haus herum, weil die Leute Jesus sehen wollten. Im Haus waren dicht an dicht Füße, mittendrin ein Paar Füße aus leuchtend weißem Papier. Das waren Jesu Füße. Vier Paar Füße wurden erst außerhalb des Hauses gelegt, weil die vier Männer ja den Gelähmten trugen. Dann wurden die Füße der vier Männer ins Haus neben Jesus gestellt. Zum Schluss wurden zwei Füße vor das Haus gestellt, deren Richtung vom Haus weg ging. Das waren die Füße des ursprünglich Gelähmten, der dann ja wieder laufen konnte.

Durch das Leben der ausgeschnitten Papierfüße konnten alle die Geschichte besser nachvollziehen. Dass nämlich ohne die vier Paar Füße der Freunde überhaupt nichts geschehen wäre. Der Gelähmte hatte ja keine Füße, die laufen konnten. Er war auf die Freunde angewiesen. Und nachher sieht man die Spuren seiner Füße, praktisch die Spuren davon, dass Jesus gehandelt und geheilt hat.

Liebe Geschwister, wenn wir jetzt das große Plakat der Konfirmanden hier hätten, an welche Stelle würden Sie Ihre Füße kleben? Wo finden Sie sich in der Geschichte wieder? Mit wem können Sie sich identifizieren? Vielleicht geht es Ihnen gerade so wie dem gelähmten Mann. Manchmal fühlen wir uns wie erstarrt, bewegungsunfähig. Manchmal geht im wahrsten Sinne des Wortes nichts mehr. Unsere Sprache ist bildlich: da läuft nichts, sagen wir. In der Schule zum Beispiel, wenn sich nichts zum Guten verändert. Irgendwie geht es nicht weiter. Eine schlechte Note löst die nächste ab. Wenn ein Schüler erst einmal in einer bestimmten Ecke steht, hat er oder sie es schwer, da wieder herauszukommen.

Wie gelähmt sein. So geht es in vielen Partnerschaften. Dabei hatte es einmal so gut angefangen. Keiner will das Scheitern der Beziehung, aber selbst bei gutem Bemühen geht es manchmal nicht weiter. Beide bleiben bei den gegenseitigen Beschuldigungen und enttäuschten Erwartungen. Jeder fühlt sich unverstanden und allein. Manche fühlen sich im Beruflichen wie gelähmt. Sie bewerben sich überall. Immer wieder schicken sie ihre Unterlagen los. Aber nichts passiert. Sie bekommen Absagen: Wir danken Ihnen für das Interesse, aber leider haben wir uns für einen anderen Bewerber entschieden. Deshalb senden wir Ihnen zu unserer Entlastung Ihre Unterlagen zurück. Oder sie hören gar nichts. Sie würden so gerne anfangen zu arbeiten, aber es ergibt sich einfach nichts. Sie haben das Gefühl, dass sie nichts wert sind, dass niemand an dem Interesse hat, was sie an Kenntnissen und Fähigkeiten in eine Firma, einen Betrieb einbringen könnten. Das ist nicht leicht, trotzdem immer weiterzumachen. Vor ein paar Tage, am Montagabend nach dem letzten Friedensgebet, habe ich mich noch mit einigen Personen unterhalten, die dabei mitgewirkt hatten. Wir haben dabei über den Ukrainekrieg gesprochen. Wie gelähmt man sich momentan fühlt, weil man keine Ahnung hat, wie dieser Konflikt in absehbarer Zeit gelöst werden könnte, so festgefahren erscheint alles. Ratlos und sprachlos sind die Menschen, die sich über viele Jahre stets für einen gewaltfreien Umgang der Menschen einsetzten und die sich mit Alternativen beschäftigt haben, wie Konflikte zwischen Staaten oder Volksgruppen ohne Waffen bearbeitet werden können. Liebe Gemeinde, in allen Beispielen, die ich genannt habe oder die Sie selbst finden, da wäre es gut, wenn wir das hätten, was der Gelähmte in der Geschichte hatte: Menschen, die uns begleiten, die uns manchmal sogar ein Stück tragen. Wie wohltuend sind Menschen, die uns nicht allein lassen, wenn wir nicht mehr weiterkönnen, die mit uns durch dick und dünn gehen und vielleicht sogar mal durch die Wand oder durch ein Hausdach wie in der Geschichte. Wie Engel sind Menschen, die erkennen: Da kann jemand gar nicht mehr aus eigener Kraft Hilfe holen, weil er so erstarrt ist, dass keine Bewegung, auch keine innere, kein eigenes Aufraffen mehr möglich ist. Menschen, die mich einfach mitnehmen und die nötigen Schritte mit mir oder besser noch für mich tun.

Die Menschen, die in der Geschichte den Gelähmten auf ein Tuch packen, sind wie Engel. Sie gehen dahin, wo Hilfe ist und lassen sich dann auch nicht von den Umständen, von anderen Menschen, von Schwierigkeiten abhalten. Es sind Menschen, die phantasievoll und erfinderisch sind. Sie klettern Jesus aufs Dach und bringen den Gelähmten an die richtige Adresse.

Vielleicht finden Sie sich ja in diesen helfenden Menschen wieder. Vielleicht fallen Ihnen Situationen ein, wo Sie so gehandelt haben wie die Menschen, die den Gelähmten tragen. Mit Phantasie und Einfühlungsvermögen, mit aller Kraft und Durchsetzungsvermögen haben Sie jemandem geholfen, aus seiner Erstarrung, aus seiner Hilflosigkeit herauszukommen.

Es kann eine große Herausforderung sein, wenn jemand aus der Familie so belastet ist, dass man ihn eine Zeitlang mittragen muss. Wenn einer aus der Familie krank ist oder Probleme hat, leiden alle anderen Familienmitglieder mit. Erwachsene sind manchmal in der Situation, dass sie ihre alten Eltern mittragen müssen, weil die nicht mehr allein zurechtkommen. Und wenn gute Freunde Krankheit oder etwas anderes Schweres erleben, kann man auch in die Situation kommen, dass man den Freunden zur Seite stehen und ihnen helfen will.

Dann geht es uns wie den Menschen, die den Gelähmten tragen. Wo wir uns auch wiederentdecken: bei den Menschen, die andere begleiten und mittragen oder bei den Gelähmten, der getragen werden muss- für alle ist das Handeln Jesu das Zentrale. Als sie den Gelähmten damals Jesus vor die Füße legen, da weiß er sofort, was der Mann braucht. Er sagt zu ihm: Mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben. Im biblischen Sinne ist Sünde das Getrenntsein eines Menschen von Gott. Sünde ist, wenn Menschen versuchen, ohne Gott zu leben.: er vergibt dem Gelähmten seine Sünde, und dieser wird dadurch gesund, das ist das große Wunder. Für uns heißt das: Jesus kann auch unser Leben heil machen. Er kann Krankheiten heilen. Er will auch das ins Gleichgewicht bringen, was in unserem Leben schiefläuft. Wo wir nicht im Einklang sind mit uns und mit Gott, da will Jesus alles wieder ins richtige Verhältnis bringen.

Jesus kann neues heiles erfülltes Leben bringen, nach dem wir uns doch so sehr sehnen. Selbst wenn wir nicht mehr weiterkönnen, kann er scheinbar Unmögliches möglich machen. Wir können wieder gehen, auch wenn wir uns vorher wie gelähmt fühlten. Unsere Fußspuren wären auf dem Bild zu sehen, von dem ich vorher gesprochen habe. Wir bekommen wieder festen Boden unter den Füßen. Und wenn wir so schwer daran zu tragen haben, dass jemand, der uns viel bedeutet, leidet, dann können wir das Vertrauen haben, dass es sich lohnt, nicht aufzugeben, sondern weiterzutragen, weiter für den anderen, für die andere zu glauben und zu hoffen.

Durch unseren Glauben und unser Mittragen kann sich für die, denen wir helfen, alles zum Guten wenden. So, wie Jesus zu dem Gelähmten sagt: Steh auf, nimm dein Bett und geh heim. Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft zu fassen vermag, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.
Amen.

 

Gottesdienst am Sonntag, den 16. Oktober 2022 - 18. Sonntag nach Trinitatis

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde,
herzlichen willkommen zur Lesepredigt für Sonntag, den 16. Oktober.
Im liturgischen Kalender ist es der 18. Sonntag nach Trinitatis.
Der Wochenspruch, der uns durch die neue Woche begleiten wird, steht im 1. Johannesbrief, Kap. 4, Vers 21:
„Das Gebot haben wir von ihm, dass, wer Gott liebt, dass der auch seinen Bruder liebe.“
Amen.
Einen gesegneten Sonntag wünscht Pfarrerin Anke Mühlenberg-Knebel.

Liebe Geschwister!
„Was kann ich für dich tun?“ Was kann ich für Sie tun? Haben Sie diese Frage schon einmal gehört? Wo? Das habe ich schon oft gehört, wenn ich irgendwo anrufe, weil ich eine Auskunft brauche, eine Information, etwas bestellen möchte. Vielleicht einen Termin brauche. Und ich habe diese Frage auch schon selbst gestellt, wenn jemand mit einem Anliegen zu mir kommt und ich erst so gar nicht weiß, worum es gehen könnte. Sie kommt auch schon in der Bibel vor. Das ist die Frage von Jesus an den blinden Bartimäus. „Was kann ich für dich tun?“ Der Blinde sagte: Rabbuni, ich möchte wiedersehen können. Jesus antwortete: „Geh nur, dein Vertrauen hat dir geholfen!“ Im gleichen Augenblick konnte er sehen und folgte Jesus auf seinem Weg. Diese Worte aus dem Markusevangelium gehören zu meinen Lieblingsversen in der Bibel. Darin kommen mehrere Aspekte zum Ausdruck, die menschliche Beziehungen gelingen lassen: Achtsamkeit, Würde, Vertrauen. Achtsamkeit, Würde, Vertrauen, das sind drei Aspekte, die für uns sehr wichtig sind, wenn wir es mit anderen Menschen zu tun haben.

Bartimäus war blind. Ein schweres Schicksal für einen Menschen damals wie heute. Er hatte keine Chance auf ein normales Leben. Konnte keiner Arbeit nachgehen, musste betteln. Ob er wohl eine Familie hatte? Oder alleine lebte? Das erfahren wir nicht. Man kann vermuten: Er wird nicht viele Kontakte gehabt haben. Kaum einer ließ sich herab, mit ihm zu reden. In der damaligen Zeit bedeutete Blindheit, dass so einer von Gott gestraft wurde. Für was? Gott würde es schon wissen, wofür. Mit so einem wollten die anderen nichts zu tun haben, die Anständigen und Frommen. Und nun sollte Jesus nach Jericho kommen, von dem man sich allerhand Geschichten erzählte. Auch, dass er schon Blinde geheilt habe. Und nun sollte er nach Jericho kommen und dann durch das Tor, an dem Bartimäus saß und bettelte. „Das ist meine Chance“, so dachte Bartimäus und so schrie er so laut er konnte um Hilfe, als er hörte, dass Jesus mit seinen Leuten an ihm vorbeikam. Die anderen, Umstehenden, wollten ihn zum Schweigen bringen. Aber er schrie nur umso lauter. Mit Erfolg. Jesus wurde auf ihn aufmerksam. Für Jesus war Blindheit keine Strafe Gottes. Er wandte sich dem blinden und einsamen Menschen zu.

Das ist die Achtsamkeit. Jesus wendet sich dem einzelnen Menschen zu. Der ist ihm in diesem Moment wichtig, wichtiger als alles andere. Ein Mensch mit einem ganz persönlichen Schicksal und einem besonderen Anliegen. Jesus nimmt ihn wahr und schaut ihn an. Nimmt sich Zeit für ihn. Als nächstes stellt Jesus dem Bartimäus eine Frage. Er tut nicht einfach das, was in dieser Situation offensichtlich ist. Jesus würdigt den blinden Mann damit, dass er ihm genau diese Frage stellt. Was willst du? Was soll ich für dich tun? Er will ihm nicht einfach etwas überstülpen. Bartimäus soll selbst sagen, was Jesus für ihn tun soll. Das ist eine Begegnung auf Augenhöhe.

Das ist ein würdevoller Umgang mit einem Menschen, den sonst keiner beachten wollte. Jesus nimmt ihn ernst. „Rabbuni, ich will sehen können!“, ruft er. „Dann geh hin, dein Vertrauen hat dich gerettet“, sagte Jesus zu ihm. Und es fiel ihm wie Schuppen von den Augen. Er konnte sehen!

Wer Menschen so begegnet, wie Jesus dem Bartimäus begegnet, achtsam, die Würde des anderen achtend, der erntet Vertrauen. Die Erfahrung, dass andere uns vertrauen, das ist ein wunderbares Geschenk. Die Menschen öffnen ihre Tür und ihr Herz. Und wieviel Ermutigung und Trost und Lebens- und Glaubenshilfe kann dabei entstehen. Bartimäus hat dieses Vertrauen damals die Augen geöffnet. Es hat ihn gerettet. Bartimäus ist dann bei Jesus geblieben und mit ihm weitergezogen. Achtsamkeit, Würde, Vertrauen, das wünsch ich uns, dass diese drei Aspekte mit uns weiterziehen auf dem Weg zu den Menschen.

Amen.

 

Gottesdienst am Sonntag, den 09. Oktober 2022 - 17. Sonntag nach Trinitatis

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde,
herzlich willkommen zum Lesegottesdienst für Sonntag, den 9. Oktober 2022; im liturgischen Kalender ist es der 17. Sonntag nach Trinitatis.
Der Wochenspruch, der uns durch die nächste Woche begleiten wird, lautet:
„Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat.“
Amen.

Einen gesegneten Sonntag und eine gute neue Woche wünscht Ihnen und Euch Pfarrerin Anke Mühlenberg-Knebel.

Wir beginnen mit dem Lied EG 617, 1-5 „Kommt herbei, singt dem Herrn“

Im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Amen.

Gebet:
Lebendiger Gott, hilf uns, auf dich und dein Wort zu hören.
Alleine oder in der Gemeinschaft deiner Kinder.
Lass uns in guten und in bösen Tagen dir vertrauen,
dem Vater und den Sohn und dem Heiligen Geist.
Amen.

Biblische Lesung aus dem Römerbrief, Kap. 10, V. 9 -10:
„Wenn du mit deinem Munde bekennst, dass Jesus der Herr ist und glaubst in deinem Herzen, dass ihn Gott von den Toten auferweckt hat, so wirst du gerettet. Denn wer mit dem Herzen glaubt, wird gerecht und wer mit dem Munde bekennt, wir selig.“
Amen.

Predigt:

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater und von dem Herrn Jesus Christus.
Amen.

Liebe Geschwister, haben Sie eine Lieblingsgeschichte aus der Bibel? Es gibt solche Texte, die uns schon vielleicht unser ganzes Leben begleitet haben und das noch weiter tun: Jona und der Wal, die Schöpfungsgeschichte, Abraham und Sara, Josef und seine Brüder aus dem Alten Testament z.B.: Oder aus dem Neuen Testament die schönste Geschichte der Welt, wie sie manchmal genannt wird, die Weihnachtsgeschichte. Oder einer der Berichte von Ostern, von der Auferstehung Jesu, der verlorene Sohn oder ein ganz anderer Text. Manchmal ist es auch einer der Psalmen, Psalm 23 oder 139, Weisheiten aus dem Prediger Salomo oder ein Abschnitt aus der Bergpredigt, aus den Seligpreisungen etwa, die sehr tröstlich sind. Die Texte der Bibel erzählen von Erfahrungen, die Menschen mit Gott und mit Jesus gemacht haben. Sie möchten Orientierung bieten für unser Leben und für unseren Glauben, geben Hoffnung Trost, Ermutigung. Sie sagen auch etwas über das Miteinander in der christlichen Gemeinde und über unsere Verantwortung für das Leben in dieser Welt.

Wenn es gut geht, werden uns diese Texte schon durch unsere Familien mit auf den Weg gegeben. Und wir erfahren eine christliche Erziehung. Auch durch unsere Gemeindearbeit, beim Krippenspiel Proben mit Kindern, im Konfirmandenunterricht, bei Besuchen, im Gottesdienst, durch den Religionsunterricht und zu vielen anderen Gelegenheiten, versuchen wir als haupt- und ehrenamtlich Mitarbeitende, den Menschen aller Altersstufen die biblischen Texte mit ihrem Schatz an Erfahrungen nahezubringen. Und das ist eine schöne und wichtige, aber nicht immer einfache Aufgabe.

Mit Erfahrungen ist das nämlich so eine Sache! Es gibt viele Menschen, die nicht an Gott glauben. Die Christinnen und Christen befinden sich zahlenmäßig inzwischen in Deutschland in der Minderheit. Darüber wurde in den letzten Tagen viel berichtet. Viele Menschen kehren den beiden großen christlichen Kirchen den Rücken, aus ganz unterschiedlichen Gründen. Weil sie Missbrauch erfahren haben, auch darüber wird viel berichtet, und das muss aufgeklärt werden und für die Zukunft verändert werden. Andere kritisieren die Strukturen der Kirche, die Kirchensteuer, haben sich über jemanden der Mitarbeitenden geärgert, vermissen es, dass sie als Gemeindemitglieder wahrgenommen und begleitet werden. Oder sie wenden sich von der Kirche ab, weil sie sich von Gott vergessen fühlen, nach einem schweren Schicksalsschlag etwa. Manche sind gleichgültig. Und um die soll es uns heute einmal gehen. Sie sagen: „Ich spüre nichts von Gott. Ich habe in meinem Leben bisher nichts mit ihm zu tun gehabt.“ Wenn ich dann einmal nachfrage, warum das so ist, wird schnell deutlich, dass sie bisher auch nichts dafür getan haben, das zu ändern.

Liebe Geschwister, wenn ich jemanden kennen lernen will, ist es doch der erste Schritt, dass ich ihn oder sie anspreche. Dann versuche ich, Erfahrungen mit diesem Menschen zu machen, etwas über ihn zu erfahren. Ich gehe auf ihn zu, rede und unternehme etwas mit diesem Menschen. Und wenn mein Vertrauen wächst, erzähle ich von mir selbst, von meinen Schwächen und Sorgen, von meinen Wünschen und Hoffnungen. Wir verbringen Zeit miteinander.

Mit Gott ist das ähnlich. Nur, wenn ich mit ihm in Kontakt trete, erlebe ich auch etwas mit ihm. Das ist wie mit einer Speise, die wir nicht kennen und die uns auf einmal serviert wird. Bei unseren Kindern haben wir es früher immer so gemacht, dass sie ein Essen, das sie zum ersten Mal vor sich stehen haben, zunächst probieren sollten. Wenigstens einen Löffel oder eine Gabel voll, damit sie sich ein Urteil erlauben konnten. Am besten zwei Löffel oder zwei Gabeln voll. Wenn sie es nicht mochten, haben wir sie auch nicht gezwungen, mehr zu nehmen. Wenn es ihnen aber schmeckte, durften sie mehr davon haben. Aber. Erst einmal probieren.

Mit dem Glauben scheint mir das ähnlich zu sein. Wer wissen will, wie es ist, an Gott zu glauben, sollte das ausprobieren. Sozusagen einen Löffel oder eine Gabel voll nehmen und eine Zeit lang kauen. Möglicherweise schmeckt es besser, als ich es beschreiben kann. Wer herausfinden will, ob man sich im Leben, im Alltag an den Inhalten der Bibel orientieren kann, der muss losgehen und eigene Erfahrungen mit Gott und mit dem Leben machen. Und wir werden überrascht sein: es lohnt sich!
Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft zu fassen vermag,
der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.
Amen.

Lied EG 434 Shalom Chaverim

Fürbitten:
Barmherziger und liebender Gott!
Wir bitten dich für alle Menschen, denen es schwerfällt, an dich zu glauben und zu dir zu beten.
Hilf uns allen darauf zu vertrauen, dass du, Gott, es gut mit uns meinst
und dass du Großes mit uns vorhast.
Amen.

Wir beten das Gebet, das Jesus Christus uns selbst gelehrt hat:
Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name,…

Segen:
Der Herr segne dich und behüte dich auf all deinen Wegen.
Amen.

 

Gottesdienst am Sonntag, den 02. Oktober 2022 - Erntedankfest

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde,
herzlich willkommen zum Lesegottesdienst für das Erntedankfest am Sonntag, dem 2. Oktober 2022.
Dazu passt das Wort aus dem 145. Psalm (V. 15), der uns durch die neue Woche begleiten wird:
„Aller Augen warten auf dich, Herr, und du gibst ihnen ihre Speise zur rechten Zeit.“
Ein gesegnetes Erntedankfest wünscht Pfarrerin Anke Mühlenberg-Knebel.

Wir beginnen mit dem Lied EG 508, 1-2 „Wir pflügen und wir streuen den Samen auf das Land“

Im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Amen.

Wir beten:
Schöpfer Gott, wir danken dir für das tägliche Brot,
für die reiche Ernte, die uns satt macht,
für Arbeit und Freizeit und Feiertage.
Wir danken dir und preisen deinen Namen.
Dir sei Ehre in Ewigkeit.

Lesungs- und Predigttext ( 5. Buch Mose, Kap. 8, Verse 7ff):
„Mose sprach zum Volk: Der Herr, dein Gott, führt dich in ein gutes Land, ein Land, darin Bäche und Quellen sind und Wasser in der Tiefe, die aus den Bergen und in den Auen fließen, ein Land, darin Weizen, Gerste, Weinstöcke, Feigenbäume und Granatäpfel wachsen, ein Land, darin es Ölbäume und Honig gibt, ein Land, wo du Brot genug zu essen hast, wo dir nichts mangelt…Und wenn du gegessen hast und satt bist, sollst du den Herrn, deinen Gott, loben für das gute Land, das er dir gegeben hat. So hüte dich nun davor, den Herrn, deinen Gott zu vergessen…“
Amen.

Predigt:

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und von dem Herrn Jesus Christus!

Liebe Gemeinde, wir feiern miteinander das Erntedankfest, ein Fest, das dazu da ist, Danke zu sagen für das, was wir haben. Und nicht gedacht, über das zu klagen, was uns fehlt.

Auch, wenn sich in diesem Jahr die Angst vor der Zukunft und vor dem kalten Winter in die Dankbarkeit mischt, leben wir in einem Land, in dem seit Jahrzehnten kaum einer unter Hunger zu leiden hatte. Wir leben in einem reichen Land, in dem „Milch und Honig fließen“, wie die Bibel es ausdrückt. Wer etwas hat, nimmt das oft als selbstverständlich. Auch wer sich sein Geld und seine berufliche und soziale Position selbst erarbeitet hat, brauchte dafür Voraussetzungen, die außerhalb seiner Möglichkeiten lagen: geistige und körperliche Gesundheit zum Beispiel; Beziehungen, in die jemand hineingeboren wurde; Glück, zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen zu sein.

Das Alte Testament bringt all das in Zusammenhang mit dem Auszug aus Ägypten, manchmal noch in die Zeit davor. „Mein Vater war ein heimatloser Aramäer, dem Verhungern nah“ (5. Mose 26, 5) heißt es in einem Glaubensbekenntnis aus der hebräischen Bibel. Dieser Vorfahr, damit ist Jakob gemeint, der auch Israel genannt wird. Während einer Hungersnot im eigenen Land ist er damals mit seinen Kindern nach Ägypten gereist. Dort bleiben sie; dort wachsen sie zu einer starken Volksgruppe heran. Die Ägypter sehen sie mehr und mehr als Bedrohung an, sie werden versklavt und können erst viel später mit Gottes Hilfe und unter Führung des Mannes Mose fliehen. Gott selbst rettet sie am Schilfmeer durch eine Wasserwelle vor der Verfolgung der Ägypter, geleitet sie durch die Wüste, versorgt sie dort mit allem, was sie zum Leben brauchen und führt sie schließlich in das Land, in dem sie leben können; ein Land, in dem Milch und Honig fließen. Die Propheten der Bibel erinnern das Volk immer wieder daran, dass es seinen Anfang in der Wüste hatte, dass fruchtbares Land nicht selbstverständlich ist, sondern ein Geschenk Gottes.

Selbst Mose, der das Volk führt, hat die Kraft dazu nicht allein aus sich selbst. Er ist immer wieder auf andere Menschen angewiesen, die ihn unterstützen und alles Weitere vorbereiten, übrigens überwiegend Frauen darunter. Und Gott fügt es so, dass solche Menschen zur richtigen Zeit am richtigen Ort sind. Die mutigen Hebammen Schifra und Pua, die sich dem Befehl des ägyptischen Pharaos widersetzen, alle neugeborenen männlichen Babies der Hebräer zu töten, die Mutter, die ihn zur Welt bringt und nach der Geburt in einem Weidenkörbchen versteckt, die Tochter des Pharao, die ihn rettet und aufzieht, seine Geschwister Mirjam und Aaron, die ihn immer wieder unterstützen. Als er – viel später- ins Nachbarland Midian fliehen muss, ist es die Familie des Priesters Jithro, besonders dessen sieben Töchter, die ihn retten und aufnehmen. Und weitere Menschen wären zu nennen. Mose war nur durch Gott Führer seines Volkes, nicht aus eigener Kraft. „Mein Vater war ein heimatloser Aramäer“, sagt er den Israeliten.

Liebe Geschwister, wenn ich auf meine Familiengeschichte schaue, kann ich da Anknüpfungspunkte finden. Der 2. Weltkrieg, die Folgen und die Teilung Deutschlands in Ost und West haben meine Familie ziemlich durcheinandergewirbelt und an neue Orte ziehen lassen. Ich selbst bin ja auch nicht in Baden-Württemberg aufgewachsen, sondern erst Ende 2020 hierhergezogen, um die vakante Pfarrstelle in Bühlertal zu übernehmen. Und so ist es vielen Menschen aus unserer Gemeinde ergangen die in unsere Region geflüchtet sind, wegen der Arbeit hierherzogen oder wegen der Liebe zu einem Menschen. Auf jeden Fall war es nicht mein und nicht Ihr Verdienst, dass Sie und ich in Deutschland geboren wurden, zu einer bestimmten Zeit, in einer bestimmten Region, in eine bestimmte Familie hinein. Im heutigen Predigttext heißt es „Und wenn du gegessen hast und satt bist, sollst du den Herrn, deinen Gott loben für das gute Land, das er dir gegeben hat. So hüte dich nun davor, den Herrn, deinen Gott zu vergessen!“ Liebe Gemeinde, darum bemühen wir uns heute, wenn wir das Erntedankfest feiern. Wir vergessen nicht, wir danken Gott. Aber trotzdem sind da so viele Ängste. Die guten Jahre scheinen für viele Menschen jetzt vorbei zu sein.

Da ist die Angst vor dem Herbst und dem Winter, vor einer neuen Coronawelle, die es geben könnte und erneuten starken Einschränkungen und Folgen. Noch mehr beschäftigt uns jedoch die Angst vor den steigenden Energiepreisen. Auch die Preise für Lebensmittel, für die Dinge des täglichen Bedarfs sind enorm angestiegen. Man merkt es bei jedem Einkauf, bei jedem Tanken. Was bis vor kurzem für alle gereicht hat, scheint nun knapp zu werden. Daran ist vor allem der Krieg in der Ukraine schuld. Mir fehlt die Phantasie, wie dieser Krieg bald beendet werden könnte, so festgefahren sind die Fronten. Vielleicht nur durch die völlige Erschöpfung aller Beteiligten. Deshalb hoffen und beten wir und viele Menschen weltweit, dass es doch noch eine Lösung gibt. Jeden Tag sterben mehr Menschen in diesem Krieg oder werden verletzt, traumatisiert. Die Ukraine selbst wird immer unbewohnbarer. Die hohen Preise, unter denen wir stöhnen, sind die Auswirkungen, die bis hierher zu spüren sind.

Eine weitere große Gefahr für unser sicheres Leben hier und an anderen Orten dieser Erde geht vom Klimawandel aus. Das Klima ändert sich, damit ändert sich auch das Leben so, wie wir es kennen. Bei der Hochwasserkatastrophe im letzten Jahr an der Ahr und der Erft wurde uns das deutlich vor Augen geführt. Da sind auch bei uns Menschen durch die Folgen des Klimawandels ums Leben gekommen. Auch in anderen Ländern dieser Erde kommt das immer wieder vor. Gerade erst in Pakistan. Noch gibt es eine Möglichkeit einzugreifen, indem wir unseren Verbrauch an fossilen Brennstoffen senken und nach neuen Möglichkeiten der Energiegewinnung suchen, sie klug anwenden, um das Land, das Gott uns gab zu bebauen und zu bewahren. Liebe Gemeinde, immer wenn in der Bibel von Dankbarkeit die Rede ist, da geht es auch ums Abgeben, Teilen. Wer etwas hat, gibt es ab. Wie schön, dass so viele Menschen etwas für unseren Erntedankaltar gespendet haben. Nächste Woche geben wir es in den Bühler Tafelladen. So teilen wir es mit Bedürftigen, die an der Armutsgrenze leben, auch mit Menschen, die aus der Ukraine und aus anderen Kriegs- und Krisengebieten zu uns geflüchtet sind. Wie lang ist an manchen Tagen, die Schlange derer, die vor dem Tafelladen anstehen, viele Kinder und Jugendliche darunter!

Auch Steuern, auch die Kirchensteuer, ist eine Form des Teilens, der Solidarität und der gegenseitigen Unterstützung. Im Alten Testament wird im Zusammenhang mit Erntefesten schon eine Abgabe aus den Erstlingsfrüchten erwähnt. Aber auch unsere Gesellschaft ist solidarisch. Aus den Erstlingsfrüchten, die im Alten Testament die Priester mal gut und mal weniger gut verwalten, sind Steuern und Sozialabgaben geworden, die gut oder auch mal weniger gut verwaltet werden. Eigentlich ist das Teilen in der Natur des Menschen angelegt. Aber manchmal braucht es einen kleinen Schubs, einen Anstoß, um uns dafür zu motivieren. Deshalb zum Schluss noch eine kleine Geschichte. Ein Rabbi wurde einmal gefragt, wie denn die Hölle aussehe. Er sagte: „Die Hölle, das ist so, als ob alle um einen großen Topf mit dem herrlichsten Brei herumsitzen. Allerdings sind die Löffel, die man braucht, um an den Brei zu gelangen, viel zu lang. Man kann sie nicht zum Mund führen. Und so bleiben alle um diesen großen Topf herum hungrig.“ „Und wie sieht dann der Himmel aus?“, wurde der Rabbi gefragt. „Der Himmel, das ist so, als ob alle um einen großen Topf mit dem herrlichsten Brei herumsitzen. Auch hier sind die Löffel zu lang. Aber im Himmel füttern sich die Leute gegenseitig. Amen Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft zu fassen vermag, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.
Amen.

Lied EG 508, Str. 3 „Wir pflügen und wir streuen“

Fürbitten:
Guter Gott, Dank und Bitte liegen an einem Tag wie heute dicht beieinander:
Dank sei dir für deine Fürsorge und deinen Segen.
Bitte, bewahre uns und deine ganze Schöpfung bis in alle Ewigkeit.
Amen.

Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name,…

Segen:
Gott segne dich und behüte dich auf all deinen Wegen.
Amen.

 

Gottesdienst am Sonntag, den 25. September 2022 - 15. Sonntag nach Trinitatis

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde,
herzlich willkommen zum Lesegottesdienst für Sonntag, den 25. September 2022.
Im Kirchenjahr ist es der 15. Sonntag nach Trinitatis.
Der Wochenspruch aus dem 1. Petrusbrief, Kap. 5, Vers 7 begleitet uns durch die neue Woche.
Er lautet: „All eure Sorge werft auf ihn; denn er sorgt für euch.“ (1. Petrus 5, 7)
Einen gesegneten Sonntag wünscht Pfarrerin Anke Mühlenberg-Knebel.

Wir beginnen mit dem Lied EG 369, Str. 1 u. 3 „Wer nur den lieben Gott lässt walten“

Im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Amen.

Gebet:
Wir kommen heute Morgen zu dir, so, wie wir sind.
Mit dem, was uns freut und mit dem, was uns belastet.
Alles können wir dir anvertrauen.
Bei dir ist es gut aufgehoben.
Dafür danken wir dir.
Amen.

Lesungs- und Predigttext aus dem Galaterbrief, Kap. 5, 25- Kap. 6, 10:
„Wenn wir im Geist leben, so lasst uns auch im Geist wandeln. Lasst uns nicht nach eitler Ehre trachten, einander nicht herausfordern und beneiden. Brüder und Schwestern, wenn ein Mensch etwa von einer Verfehlung ereilt wird, so helft ihm wieder zurecht mit sanftmütigem Geist, ihr, die ihr geistlich seid. Und sieh auf dich selbst, dass du nicht auch versuchet werdest. Einer trage des andern Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen. Denn wenn jemand meint, er sei etwas, obwohl er doch nichts ist, der betrügt sich selbst. Ein jeder aber prüfe sein eigenes Werk; und dann wird er seinen Ruhm bei sich selbst haben und nicht gegenüber einem anderen. Denn ein jeder wird seine eigene Last tragen. Wer aber unterrichtet wird im Wort, der gebe dem, der ihn unterrichtet, Anteil an allen Gütern. Irret euch nicht! Gott lässt sich nicht spotten. Denn was der Mensch sät, wird er ernten. Wer auf sein Fleisch sät, der wird von dem Geist das ewige Leben ernten. Lasst uns aber Gutes tun und nicht müde werden; denn zu seiner Zeit werden wir auch ernten, wenn wir nicht nachlassen. Darum, solange wir noch Zeit haben, lasst uns Gutes tun an jedermann, allermeist aber an des Glaubens Genossen.
Amen.

Predigt:
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und von dem Herrn Jesus Christus. Amen Liebe Geschwister, Anna ist Schülerin der Grundschule. Dort habe ich sie kennengelernt. Morgens bringt sie meistens etwas in die Schule mit: Walnüsse, die sie unterwegs gefunden hat, grünen Klee oder bunte Blumen. Auch mal einen richtig schweren Stein. Ihre Schätze zeigt sie stolz herum; manchmal darf auch eines der Kinder einmal eine Blume festhalten oder den Stein. Manchmal auch nicht, und dann sollte man auch nicht versuchen, ihr etwas aus der Hand zu nehmen. Dann wird Anna aggressiv.  Neulich saß sie ohne Schuhe und Strümpfe in der Klasse, weil sie morgens durch alle Pfützen auf dem Weg gelaufen war und total nass ankam. Die anderen Kinder betrachten sie mit sehr gemischten Gefühlen. Sie kann sehr freundlich und hilfsbereit sein, aber, wenn sie schlecht drauf ist, muss man aufpassen, dass sie nicht schlägt oder herumschreit. Manchmal wirft sie sich auch auf den Boden oder versteckt sich in einer Ecke der Klasse, je nachdem. Einige Kinder versuchen, ihr zu helfen, sie zu integrieren und beruhigend und vorsichtig mit ihr umzugehen. Andere ärgern sie, reizen sie, bis Anna ausflippt. Das ist ihre Art, mit dem schwierigen Kind umzugehen. Eine für alle anstrengende Situation. Kinder sind keine Therapeuten, das brauchen sie auch nicht zu sein. Und ich bin euch keine Therapeutin. Aber Anna bräuchte eine Therapie. Worunter sie leidet, weiß ich nicht.

Ein jeder wird seine eigene Last tragen. Anna merkt, dass sie anders ist als die anderen. Sie möchte dazugehören. Mit den anderen spielen und lachen, einmal nachmittags zu jemandem eingeladen werden. Warum bin ich immer die letzte, die beim Morgenkreis begrüßt wird, hat sie neulich gefragt? Das ist dann der Fall, wenn nicht ich selbst beginne, sondern eines der Kinder und das wählt dann das nächste Kind und so weiter, bis alle einmal begrüßt wurden. Über ihre Familie weiß ich nichts, aber wenn man das Mädchen erlebt, kann man sich vorstellen, dass das für die Familie eine große Aufgabe ist, Anna zu begleiten und für das Leben stark zu machen. Anna spricht schon mal von ihrer Mutter und von der Großmutter, das sind offenbar ihre Hauptbezugspersonen. Einer trage des anderen Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen. Wenn ich Anna im Unterricht habe, dann bin ich immer sehr vorsichtig mit ihr. Weil ich nichts falsch machen will und ihr helfen, dass sie klarkommt und aus ihrer Außenseiterrolle herausfindet. Dass der Unterricht funktioniert und auch die anderen Kinder die Unterstützung haben, die sie brauchen, um etwas zu lernen und sich gut entwickeln zu können.

Nichts falsch machen, alles richtig machen, das wollen die Christinnen und Christen in Galatien auch. Sie wollen gleich sein, wollen sich an die Regeln halten, die es seit jeher für die glaubenden Menschen gab. Beschneidung, Essen, Fasten, alles, was es so gab, um dazu zu gehören. So war es halt. Der Apostel Paulus, der Verfasser des Galaterbriefes, hält das für falsch. Niemand braucht erst diesen Umweg, niemand muss erst zum Judentum konvertieren, um dann Christ zu sein. Die Christen und Christinnen sollen unterschiedlich sein können. Freie Bürger oder Sklaven, Frauen oder Männer, Erwachsene oder Kinder…Niemand ist wichtiger oder besser als die anderen. Die Hierarchien, die sie aus ihrer Umwelt kennen, die soll es in der Gemeinde nicht geben. Die weltlichen Maßstäbe zählen nicht. Was zählt, ist: Wir müssen gar nichts tun, um liebenswert zu sein, um richtig zu sein. Jede und jeder ist ein Geschenk Gottes- wertvoll und von Gott geliebt. Gehört zu Gott. Mit Geist erfüllt. Denn wenn jemand meint, er sei etwas, obwohl er doch nichts ist, der betrügt sich selbst. Wer glaubt, er oder sie müsse alles alleine können, täuscht sich. Und überfordert sich selbst. Wie die Eltern und die Familie von Anna vielleicht. Gefangen in einem Teufelskreis aus heiler Familie sein wollen und alles richtigmachen und Druck von außen und sich nicht helfen lassen wollen. Wie gut kenne ich das von mir!

Gott hat dich lieb, so wie du bist. Sagt Paulus uns zu. Sagt er der Familie von Anna. Sagt er zu Anna. Du bist mir lieb, so, wie du bist. Sagt er zu den Mitschülern und-schülerinnen und zu den Lehrkräften. Seid füreinander da. Ihr braucht euch doch. Niemand muss es alleine schaffen. Niemand kann es alleine schaffen. Zeigt das, sagt Paulus. Zeigt, wie gut ihr euch ergänzt. Zeigt, dass ihr Gottes Kinder seid. Unterstützt euch. Stärkt euch und tragt eure Lasten gemeinsam. Lasst uns aber Gutes tun und nicht müde werden; denn zu seiner Zeit werden wir auch ernten, wenn wir nicht nachlassen. Anna ist ein besonderes Mädchen. Sie hat nicht nur Defizite, sie hat ganz vieles, was sie besonders gut kann. Es ist mir zum Beispiel aufgefallen, dass sie künstlerisch sehr begabt ist. Als wir einmal mit Salzteig gearbeitet haben, hat sie daraus einen wunderschönen, sehr detailliert gestalteten Baum modelliert und anderes, Tiere z.B. Sie hatte gleich viele Ideen dazu. Außerdem ist sie ein sehr poetisch veranlagter Mensch. Sie sieht die kleinen Dinge im Leben und kann sich darüber richtig freuen: ein kleines Blümchen oder Sauerampfer. Sie ist dafür aufmerksam auf ihrem Weg; auf ihrem Weg zur Schule, aber auch überhaupt. Als sie noch nicht zur Schule ging, hat sie offenbar viel mit sehr alten Menschen zu tun gehabt, die verwirrt oder körperlich sehr krank waren. Zu denen hat sie eine besondere Nähe entwickelt. Das sind meine Freunde hat sie gesagt, und die haben sich sehr gefreut, wenn sie sie besucht hat. Wie schön wäre es, wenn wir (Kinder und Erwachsene) diese anderen Seiten von Anna mehr würdigen könnten. Sie schätzen für das, was sie in die Gemeinschaft von Menschen einbringen kann und dadurch ihr Selbstwertgefühl und ihr Vertrauen zu stärken. Dafür will ich alles tun, was ich kann und auch ihre Klasse dazu motivieren. Wenn wir im Geist leben, so lasst uns auch im Geist wandeln. Wir sind Gottes Kinder. Wir, die so unterschiedlichen und besonderen Menschen. Niemand ist perfekt, braucht es auch nicht sein. Wir brauchen nicht stärker oder besser oder normaler sein. Feiern wir unsere Vielfalt. Laden wir die Annas und die Familien mit solchen Annas ein, am Nachmittag nach Hause oder in die Kirche. Besser: Gehen wir raus und laden sie ein. Setzen wir uns gemeinsam mit ihnen an einen Tisch. Und lernen sie kennen. Wir gehören doch zusammen, wir, Gottes Kinder. Tragen wir unsere Lasten gemeinsam. Teilen wir unsere Sorgen. Unterstützen wir uns, damit keiner unter seiner Last zusammenbricht. Am himmlischen Tisch haben wir alle unseren Platz. Da können wir unsere Lasten ablegen und ausruhen. Bei dem, der am oberen Ende sitzt und für uns da ist: Jesus. Amen Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft zu fassen vermag, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.
Amen.

Fürbitten:
Wir beten mit den Worten des Liedes EG 419, 1-5 „Hilf, Herr, meines Lebens“,
Hilf, Herr, meines Lebens, dass ich nicht vergebens, hier auf Erden bin.
Hilf, Herr meiner Tage, dass ich nicht zur Plage meinem Nächsten bin.
Hilf, Herr, meiner Stunden, dass ich nicht gebunden an mich selber bin.
Hilf, Herr, meiner Seele, dass ich dort nicht fehle, wo ich nötig bin.
Hilf, Herr, meines Lebens, dass ich nicht vergebens hier auf Erden bin.

Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name,…

Segen:
Der Herr segne dich und behüte dich auf all deinen Wegen.

Lied EG 170, 1-3 „Komm, Herr, segne uns“

 

Gottesdienst am Sonntag, den 18. September 2022 - 14. Sonntag nach Trinitatis

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde,
herzlich willkommen zum Lesegottesdienst für Sonntag, den 18.9. 2022.
Im Liturgischen Kalender ist es der 14. Sonntag nach Trinitatis.
An diesem Sonntag begrüßen wir die 12 jungen Leute, die vor den Sommerferien mit dem Kirchlichen Unterricht begonnen haben, im Gottesdienst in der Kapelle zum Guten Hirten, Sand. Der heutige Lesegottesdienst lädt dazu ein, daran teilzunehmen und die neue Konfigruppe mit den eigenen Gedanken und Gebeten zu begleiten.
Einen gesegneten Sonntag und eine gute neue Woche wünscht Pfarrerin Anke Mühlenberg-Knebel.

Wir beginnen mit dem Lied EG 617, 1-3 „Kommt herbei, singt dem Herrn“

Wir sind hier zusammen im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Amen.

Wir beten:
Gott, mir gehen so viele Gedanken durch den Kopf.
Als Kind war es so einfach zu glauben.
Ich habe dir alles zugetraut und Wunder waren selbstverständlich.
Das fällt mir heute schwerer.
Wenn ich das Leid in der Welt anschaue, dann frage ich mich,
wo du bist und wieso du das alles zulässt?!
Warum hungern Kinder?
Warum sterben Menschen an Krankheiten?
Wieso herrscht Krieg?
Warum müssen Menschen flüchten?
Wieso passieren Katastrophen?
Wieso spüre ich nicht immer, dass du bei mir bist?  
Ich wünsche mir, dass ich an dich glauben kann!
Wenn du da bist und mich hörst, hilf mir, dass ich es schaffe zu glauben und dir zu vertrauen.
Amen.

Unser heutiger Lesungs- und Predigttext steht im 7. Kapitel des Matthäusevangeliums, Verse 24- 27.
Es ist das Gleichnis vom Hausbau, das Jesus einmal erzählt hat:
„Wer diese meine Worte hört und sich nach ihnen richtet, wird am Ende dastehen wie ein kluger Mensch, der sein Haus auf felsigen Grund baute. Als dann die Regenflut kam, die Flüsse über die Ufer traten und der Sturm tobte und an dem Haus rüttelte, stürzte es nicht ein, weil es auf einen Felsen gebaut war. Wer dagegen meine Worte hört und sich nicht nach ihnen richtet, wird am Ende wie ein Dummkopf dastehen, der sein Haus auf Sand baute. Als dann die Regenflut kam, die Flüsse über die Ufer traten, der Sturm tobte und an dem Haus rüttelte, fiel es in sich zusammen und alles lag in Trümmern.“
Amen.

Gnade sie mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und von dem Herrn Jesus Christus. Amen Liebe neue Konfis, liebe Eltern und Familien, liebe Gemeinde!

Wie schön, dass wir hier zum Gottesdienst versammelt sind in dieser Kirche., der Kapelle zum Guten Hirten. Ich hoffe, dass alle gerne hier sind und sich hier wohlfühlen.

Für manche Menschen ist es eine Überwindung, überhaupt in die Kirche zu gehen. Es fällt ihnen schwer. Für manche ist das ganz anders. Sie fühlen sich in einer Kirche geborgen und zuhause. Dann gibt es die Menschen, die sich von der Kirche abgewendet haben, innerlich, die vielleicht sogar ausgetreten sind. Das mag viele Gründe haben: sie sind vielleicht enttäuscht worden von Menschen, die zur Gemeinde gehören oder von Gott. Für andere ist Kirche zu altmodisch, zu verstaubt, zu unbeweglich. Diejenigen, die Gottesdienste besuchen oder sich in der Gemeinde engagieren, die werden manchmal sogar etwas komisch angeschaut. Was sind das denn für welche? Es gibt viele Gründe, sich von der Kirche zu distanzieren. Es gibt Menschen, die mit dem christlichen Glauben nichts anfangen können. Es gibt Menschen, die sagen: Ich habe meinen Glauben und brauche Kirche dazu nicht. Beten kann ich auch alleine, zuhause.

Nun seid Ihr 12 Jugendlichen aber gekommen, weil Ihr etwas wissen möchtet über den christlichen Glauben, über Gott, über das Leben. Ihr sucht nach Orientierung, nach Antworten auf eure Fragen. Wofür lohnt es sich zu leben? Warum bin ich auf der Welt? Wer bin ich? Wo ist Gott? Was ist er für mich? Und viele andere Fragen bringt Ihr mit. Ihr erwartet etwas von der Kirche, von den Menschen, die zu dieser Gemeinde gehören und die sich mit genau denselben Fragen beschäftigen wie ihr. Ihr habt euch zum Kirchlichen Unterricht angemeldet oder wurdet angemeldet. Einige von euch haben früher schon Kontakt gehabt: durch Familiengottesdienste, durch den evangelischen Religionsunterricht in der Schule, durch den evangelischen Kindergarten, durch das Krippenspiel zu Weihnachten.

Nächste Woche beginnt für euch wieder der Konfiunterricht, da treffen wir uns im Gemeinderaum der Christuskirche. Schon zweimal habt ihr vor den Sommerferien dort Unterricht gehabt. Nächsten Mittwoch werden wir sie einmal ganz genau anzuschauen. Das Äußere der Kirche, den Kirchraum innen, das besondere Kreuz. Wir werden auch zur Orgelempore hochgehen, dort wird uns einer unserer Organisten dieses besondere Instrument erklären.

Da geht es um das Kirchengebäude, das Haus aus Stein. Kirche ist aber noch viel mehr als nur das Gebäude. Kirche besteht vor allem aus Menschen! Menschen, die sich versammeln, um etwas von Gott zu hören. Vorhin in der Lesung haben wir von einem Bild gehört, das Jesus gebraucht: Wer hört und das tut, was ich sage, der ist wie einer, der sein Haus auf einen guten und haltbaren Grund baut. So ist er sicher gegen jedes Hochwasser und jeden Regen, sein Haus bleibt stehen.

Es geht also darum, für unser Leben einen Grund, ein Fundament zu finden, das uns trägt. Um diese Grundlage geht es in den Geschichten und Texten der Bibel. Da steht z.B.: Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeden Wort, das von Gott kommt. Für unser Leben ist nicht nur Essen und Trinken und die Kleidung wichtig, sondern es gibt auch eine geistliche, religiöse Dimension. Die Bibel hat viele Geschichten und Bilder vom Leben für uns aufbewahrt. Die uns tragen, die uns für unser Leben Mut machen und weiterhelfen, wenn es schwierig ist. Die uns sagen, dass jeder Mensch etwas ganz Kostbares und Einzigartiges ist. Kostbar und einzigartig seid auch Ihr, liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden. Es ist super, dass Ihr da seid und dass Ihr Fragen stellt, auch kritische Fragen. Wenn euch die Kirche manchmal etwas zu verstaubt vorkommt, dann pustet einfach mal kräftig und wirbelt den alten Staub auf. Vielleicht fängt ja darunter etwas an zu glänzen, was auch wir Älteren schon lange nicht mehr gesehen haben. Hoffentlich ist etwas für euch dabei, sodass ihr euch mit der Zeit hier in einer unserer drei Kirchen, im Gemeinderaum, wo der Unterricht stattfindet und in der Gemeinde, zu der Ihr gehört, zuhause fühlen könnt. Und dass Ihr Gemeinschaft erfahrt. Eine Gemeinschaft, bei der niemand vor der Tür bleiben muss, sondern mit eingeladen ist. Was in dieser Gemeinschaft passiert, das drückt das nächste Lied, das wir singen werden, so aus: „Brich mit den Hungrigen dein Brot, sprich mit den Sprachlosen ein Wort, sing mit den Traurigen ein Lied, teil mit den Einsamen dein Haus, such mit den Fertigen ein Ziel.“ Andere Menschen in Freud und Leid nicht allein zu lassen, gemeinsam das Leben zu ertragen oder zu feiern. Verantwortung übernehmen für das Leben in dieser Welt. Sich gegenseitig wahrnehmen, sich füreinander interessieren und gemeinsam suchen: was gibt mir Halt in meinem Leben, was sind meine Wünsche und Sehnsüchte, meine Ängste, welche Bilder des Lebens habe ich und haben wir gemeinsam? Darüber weiter nachdenken, am alten Haus des Glaubens weiterbauen, mit immer wieder neuen Menschen, die sich einmischen und engagieren und Fragen stellen. Dazu sind wir alle immer wieder eingeladen. In einer Kirche zum Anfassen. Amen Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft zu fassen vermag, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.
Amen.

Lied EG 420, 1-5 „Brich mit den Hungrigen dein Brot“

Fürbitten:

Herr, verschieden wie wir sind an Alter und Erfahrung, ferner oder näher zu uns selbst, zu anderen Menschen und zu dir: Wir möchten hier ankommen und zuhause sein, wir möchten hören können und beten.

Gott, erbarme dich

Wir bringen unsere Fragen mit, unseren Glauben und unsere Zweifel. Wir bringen unsere Freude mit und unsere Trauer, wir bringen das vor dich, Gott, was uns beschäftigt. Wir bringen unsere Angst und Unsicherheit. Lass uns bei dir ankommen, so, wie wir sind, Gott.

Gott, erbarme dich.

Gott, sei für uns wie ein schützendes Haus. Falls wir die Tür nicht finden oder die Schwelle zu hoch scheint, dann lass uns Menschen treffen, die uns einladen und uns mitnehmen zu dir in dein Haus. Lass uns eine einladende Gemeinde sein und die neuen Konfis mit ihren Familien offen und herzlich in unserer Mitte aufnehmen mit allem, was sie beschäftigt.

Amen.

Vater unser im Himmel, …

Segen:
Der Herr segne dich und behüte dich, der Herr lasse leuchten sein Angesicht über dir und sei dir gnädig.
Der Herr erhebe sein Angesicht auf dich und sei dir gnädig.
Amen.

Lied 610, 1 und 3 „Herr, wir bitten, komm und segne uns“

 

Gottesdienst am Sonntag, den 11. September 2022 - 13. Sonntag nach Trinitatis

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde,
herzlich willkommen zum Lesegottesdienst für den 11. September 2022.
Im liturgischen Kalender ist es der 13. Sonntag nach Trinitatis.
Der Wochenspruch für die neue Woche steht bei Matthäus, Kapitel 25, Vers 40b:
„Christus spricht:
Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Geschwistern, das habt ihr mir getan.“
Einen gesegneten Sonntag und eine gute neue Woche wünscht Pfarrerin Anke Mühlenberg-Knebel.

Wir beginnen mit dem Lied EG 334, 1-4 „Danke“

Im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Amen.

Gebet:
Himmlischer Vater, du schaust uns an mit den Augen der Liebe.
Lass auch uns mit den Augen der Liebe auf unsere Nächsten schauen,
dass wir die Menschen nicht übersehen, die unsere Hilfe brauchen.
Und dass wir andere nicht vorschnell verurteilen.
Dies bitten wir im Namen deines Sohnes Jesus Christus,
der mit dir und dem heiligen Geist lebt und wirkt in Ewigkeit.
Amen.

Der biblische Lesungs- und Predigttext steht im 1. Johannesbrief, Kapitel 4, Verse 7- 12:
„Ihr Lieben, lasst uns einander lieb haben; denn die Liebe ist von Gott, und wer liebt, der ist aus Gott geboren und kennt Gott. Wer nicht liebt, der kennt Gott nicht; denn Gott ist Liebe. Darin ist erschienen die Liebe Gottes unter uns, dass Gott seinen eingeborenen Sohn gesandt hat in die Welt, damit wir durch ihn leben sollen. Darin besteht die Liebe: Nicht dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt hat und gesandt seinen Sohn zur Versöhnung für unsere Sünden. Ihr Lieben, hat uns Gott so geliebt, so sollen wir uns auch untereinander lieben. Niemand hat Gott jemals gesehen. Wenn wir uns untereinander lieben, so bleibt Gott in uns, und seine Liebe ist in uns vollkommen."
Amen.

Predigt:

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater und von dem Herrn Jesus Christus.
Amen.

Liebe Geschwister, fünfzehnmal kommen die Worte „Liebe“ und „lieben“ in unserem Predigttext vor. Fünfzehnmal. In elf Sätzen. Das ist ungewöhnlich. Mir ist kein anderer Text in der Bibel bekannt, in der dieses Wort so oft verwendet wird. Was war das für ein Mensch, der den Bibeltext aus dem 1. Johannesbrief geschrieben hat? Insgesamt sind es drei Briefe, die einem gewissen Briefschreiber Johannes zugeschrieben werden. Wo kommt er her? Wo und wie hat er gelebt? Was hat ihn geprägt? Was wollte er den ursprünglichen Adressaten sagen?

Leider lässt sich nicht mehr feststellen, wer eigentlich dieses Schreiben verfasst hat. Es ist nicht einmal sicher, ob der Autor überhaupt Johannes heißt und an wen sein Brief damals überhaupt gerichtet war. Man hat lediglich feststellen können, dass der Brief etwa 7 Jahrzehnte nach dem Tod Jesu entstanden ist. Was bedeutete es damals, Christ zu sein, unter der Weltherrschaft Roms? Damals galt das Christsein als Verbrechen und wurde mit dem Tode bestraft. Diese Menschen wurden allerdings nicht gezielt verfolgt. Nur wenn sie angezeigt wurden oder durch ihr Verhalten Unmut hervorriefen, sollten sie zur Rechenschaft gezogen und bestraft werden.

Die Christinnen und Christen versuchten also, möglichst nicht aufzufallen. Man traf sich in aller Heimlichkeit zu Gottesdiensten und Abendmahlsfeiern in Privathäusern. Und verhielt sich sonst wie alle anderen BürgerInnen auch. Ein Leben voller Ängste, voller Gefahren und voller Misstrauen. Aber die Gefahren kamen nicht nur von außen, sondern auch von innen. Die Gemeinden der damaligen Zeit waren von Spaltung bedroht, weil es bei ihnen theologische Streitigkeiten gab. War Jesus wirklich Gottes Sohn? An welche der überlieferten Gebote müssen wir uns noch halten? Was ist mit der Behauptung, dass die Menschen Sünder sind und die Vergebung Gottes brauchen? Wie gehe ich mit anderen um, auch mit denen, die mich verfolgen? Wie begegne ich Kranken, Behinderten, Armen, Notleidenden? Wie soll ich mir Gott vorstellen? Solche und ähnliche Fragen waren es, die Unruhe und Unfrieden in die Gemeinden brachten, nicht nur in eine, in viele Gemeinden.

Diesen Gemeinden schreibt der Verfasser des 1. Johannesbriefes:“ Ihr Lieben, wir wollen einander lieben, denn die Liebe kommt von Gott! Wer liebt, hat Gott zum Vater und kennt ihn. Wer nicht liebt, hat Gott nicht erkannt, denn Gott ist Liebe.“ Er will damit sagen: Wer das nicht verstanden hat, der hat Gott nicht verstanden, denn Gott ist Liebe. Gott ist Liebe. Und diese Liebe ist greifbar und sichtbar geworden in Jesus Christus. Er hat in Worten und Taten gezeigt, was wirklich wichtig ist. Nämlich seine Mitmenschen so anzunehmen, wie sie sind, obwohl sie so sind. Johannes hat offenbar den Eindruck, dass dieser respektvolle Umgang in den Auseinandersetzungen um den richtigen Glauben untergegangen ist. Man hat sich darüber ereifert und entzweit, wer oder wie Gott ist. Deshalb formuliert er so prägnant: Gott ist Liebe! Liebe Geschwister, wie ist das bei uns? Dieser eine kurze Satz „Gott ist Liebe“ ist mir im Laufe meines Berufslebens schon oft begegnet. Viele Jugendliche suchen ihn sich zur Konfirmation aus, als den Spruch, der sie im persönlichen und im Glaubensleben begleiten soll. Nicht, weil der Satz kurz ist, sondern weil in diesen drei Worten Gott für sie ein Gesicht bekommen hat. Das Freundlichkeit ausstrahlt, Vertrauen weckt, Liebe zeigt. Brautpaare, die für ihren gemeinsamen Weg den Segen Gottes erbitten. Eltern, die ihr Kind taufen lassen. Auch sie wählen dieses Bibelwort.

Welche Parallelen oder Ähnlichkeiten gibt es zwischen der Situation, in der Johannes seinen Brief geschrieben hat und unserer kirchlichen Situation heute und sicher auch in Zukunft?

Hier die Lehre. Die wichtige, die notwendige, die unverzichtbare Lehre. Theologinnen und Theologen aller Religionen und Konfessionen, die kontrovers über Gott diskutieren und darüber streiten, wie man ihn sich denken soll und was er für die Menschen bedeuten soll. Meist ohne zu einem übereinstimmenden Ergebnis zu kommen.

Und dort das Leben. Das Leben in seinen konkreten, ganz alltäglichen Vollzügen. Jugendliche, Brautpaare, Eltern, die mit dem Glauben und der Kirche manchmal gar nicht viel anfangen können und mit ihnen sicher ganz viele Menschen in unseren Gemeinden, denen es genauso geht und die schlicht und einfach sagen „Gott ist Liebe“. Obwohl sie in einer Zeit leben, in der es wirklich schwierig ist, und in der das Leben so belastet und bedroht ist, durch die vielfältigen Herausforderungen, denen wir gerade alle ausgesetzt sind. Auch bei uns gibt es starke Ängste um uns selbst, um die Zukunft der Menschen in dieser Welt, Gefahren, denen wir ausgesetzt sind. Und doch sagen Menschen: „Gott ist Liebe!“ Vielleicht haben sie mehr von Gott verstanden und so den Schlüssel zu ihm gefunden als wir Theologen und Pfarrerinnen, die wir Gott mit wissenschaftlichen Fragestellungen auf die Spur kommen möchten und ihn verstehen.

„Gott ist Liebe… Niemand hat Gott je gesehen. Aber wenn wir einander lieben, lebt Gott in uns.“ In einem liebevollen, wertschätzenden Umgang miteinander, in einem Lächeln, einem tröstenden oder ermutigenden Wort, in einer herzlichen Umarmung oder auch in einer tatkräftigen Hilfe, im solidarischen Handeln, im Bemühen um Frieden und Gerechtigkeit lässt sich etwas ahnen von Gott, der die Liebe über alles andere gestellt hat, der selbst die Liebe ist. Das ist es, was Johannes, der unbekannte Briefschreiber, den Menschen damals, vor etwa 1900 Jahren, sagen wollte, und was heute immer noch gilt. Was mehr gilt als alle Vernunft. Mit dem Kopf können wir Gott suchen. Mit dem Herzen aber können wir ihn finden. Im Antlitz unseres Nächsten. Wenn uns das gelingt, dann hat Gott, hat seine Liebe bei uns ihr Ziel erreicht. Dann hat Gott uns erreicht. Und wir ihn.
Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft zu fassen vermag,
bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.
Amen.

Wir beten: Vaterunser im Himmel,…

Segen: Der Gott der Liebe segne und behüte euch auf allen Wegen.

Wir schließen mit dem Lied EG 608 „Ubi caritas“

 

Gottesdienst am Sonntag, den 03. September 2022 - 12. Sonntag nach Trinitatis

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde,
herzlich willkommen zum Lesegottesdienst für Sonntag, den 4. September 2022, den 12. Sonntag nach Trinitatis.
Der Wochenspruch, der uns durch die neue Woche begleiten wird, stammt aus dem Buch des Propheten Jesaja:
„Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen.“ (Kap. 42, 3)
Einen gesegneten Sonntag wünscht Pfarrerin Anke Mühlenberg-Knebel.

Wir beginnen mit dem Lied EG 317, 1-3 „Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren“

Im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Unsere Hilfe steht im Namen des Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat.“

In der Predigt denken wir heute nach über einen Vers aus dem Römerbrief, Kapitel 10, 10:
„Denn wenn man von Herzen glaubt, so wird man gerecht;
und wenn man mit dem Munde bekennt, so wird man gerettet.“

Liebe Gemeinde!

Wer von Ihnen geht denn gerne wandern? Dann haben Sie folgende Situation vielleicht auch schon erlebt: man läuft einen wunderbaren Weg entlang, vielleicht durch einen Wald, wie hier im Schwarzwald, aber auf einmal hat man gar keine Ahnung, wo man eigentlich gelandet ist. Die Bäume sehen alle gleich aus, Wegmarkierungen sind nicht zu sehen, die Wegkreuzung, an der man sich gerade befindet sieht aus wie die, an der man doch gerade erst vorbeigekommen ist. Die Wanderkarte hilft auch nicht weiter, denn wenn man keine Ahnung hat, wo man hin will, hilft sie einem auch nicht. Auch das Navi des Handys funktioniert nicht, kein Empfang. Wo ist denn jetzt eigentlich der Wanderparkplatz, wo das eigene Auto steht?

Wer sich orientieren will, wer ein Ziel hat und es erreichen will, der muss wissen, wo er steht, was sein eigener Standpunkt ist. Öffentlich aufgestellte Stadtpläne oder Landkarten haben oft eine rote Markierung. Darauf steht: „Sie befinden sich hier.“Als Mensch brauche ich einen Standpunkt- nicht nur auf der Landkarte. Eine Position, von der ich weiß: das ist meine, meine Heimat, meine Familie, das ist mein Glaube, das ist meine Identität. Und je sicherer ich in meiner eigenen Positionsbestimmung bin, umso leichter kann ich auf Entdeckungsreisen gehen und wieder heimfinden. Mein Glaube hilft mir, meine innere Position zu bestimmen. Als Christinnen und Christen haben wir durch unsere Taufe eine feste Koordinate, wir sind ein Kind Gottes, gehören zu Gott. Der Apostel Paulus hat in seinem Römerbrief diesen Glauben als Vertrauen auf Gott ganz stark betonnt. Er schreibt: „Denn wenn man von Herzen glaubt, so wird man gerecht; und wenn man mit dem Munde bekennt, so wird man gerettet.“ Ein Mensch, der von Herzen glaubt. Einer, dessen Herz sich an Gott festhält, ihm vertraut, sich auf Gott verlässt. Ein Mensch, der sich in seinem Innersten, mit seinem Herzen, an Gott orientieren möchte. So ein Mensch wird gerecht, sagt Paulus. Der wird von Gott anerkannt, dem fällt es leichter, seinen eigenen Weg zu finden, der kann Vertrauen zu Gott entwickeln und wird sich nie verloren vorkommen. Aus dem Glauben, aus seiner Beziehung zu Gott heraus kann ein Mensch Entscheidungen treffen, neue Wege gehen, Krisen durchstehen oder den Tag genießen.

Der Reformator Martin Luther hat einmal gesagt: Dieses Leben ist kein Fromm-sein, sondern ein Fromm-werden. Wir sind es noch nicht, aber wir werden es.

Liebe Geschwister,
Christsein ist ein Weg, eine Entwicklung. Wir sind nie ganz fertig, aber wir wissen, woran wir uns orientieren können; die Lebenskoordinaten sind geklärt, und dann fällt einem der Lebensweg auch leichter. Denn wenn man von Herzen glaubt, so wird man gerecht. Und wenn man mit dem Munde bekennt, so wird man gerettet. Wenn man von Herzen glaubt: der Glaube ist also eine Herzensangelegenheit, ein innerer Vorgang. Und mit dem Munde bekennt: der Glaube ist auch nach außen erkennbar, am Reden und Handeln.

Stehe dazu, dass du getauft bist, dass du glaubst, dass du Gott vertraust. Das ist ein Appell des Apostels Paulus an uns alle.
Amen.

Am Ende steht das Lied EG 170, 1-3 „Komm, Herr, segne uns, dass wir uns nicht trennen.“

 

Gottesdienst am Sonntag, den 28. August 2022 - 11. Sonntag nach Trinitatis

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde,
herzlich willkommen zum Lesegottesdienst für Sonntag, den 28. August 2022; im liturgischen Kalender ist es der 11. Sonntag nach Trinitatis.
„Gott widersteht den Hochmütigen, aber den Demütigen gibt er Gnade.“ (1. Pet. 5, 5b), so heißt es im Wochenspruch. Der Sonntag erinnert uns daran, dass Gottes Gnade und Barmherzigkeit immer das erste Wort haben.
Einen gesegneten Sonntag und eine gute neue Woche wünscht Pfarrerin Anke Mühlenberg-Knebel.

Eingangslied

Im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Amen.

Gebet:
Gütiger Gott, du kennst uns:
Du siehst uns, wenn wir anderen keine Hilfe geben.
Du hörst, wenn wir etwas versprechen und es doch nicht halten.
Du bleibst trotzdem bei uns.
Wir bitten dich:
Schenk uns einen Neuanfang mit dir und miteinander, wenn wir zu deinem Lob singen,
um deine Barmherzigkeit bitten und von deiner Gnade hören.
Amen.

Unser heutiger Predigttext steht im Alten Testament: 2. Sam 12, 1-10. 13-15.
Im Verlauf der Predigt fließt die Geschichte ein und wird deshalb hier nicht extra abgedruckt.

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater und von dem Herrn Jesus Christus.
Amen.

Liebe Geschwister, unser Leben besteht aus einem Geflecht von Beziehungen. Wir sind mit anderen Menschen verbunden. Dabei ist unsere Rolle nicht neutral. Unser Dasein, unsere Einstellungen, Worte und Taten prägen diese Beziehungen. Nicht immer verhalten wir uns aufbauend und konstruktiv, sondern auch verletzend und zerstörend. Es kann sein, dass wir unser Fehlverhalten anderen gegenüber gar bemerken, dass wir blind sind, mit oder ohne Absicht. Solche Probleme sind nicht von heute, sondern sie durchziehen die Menschheitsgeschichte.

Auch in der Bibel kommen sie vor. Zum Beispiel im heutigen Predigttext aus dem 2. Samuelbuch. Auch bei den Autoritäten des Volkes Israel. Auch beim berühmten König David. Denn David begeht Ehebruch und mordet, zumindest indirekt. Er nimmt sich Batseba, die Frau des Urija, der einer seiner Soldaten ist; sie wird schwanger und erwartet ein Kind von David. Um alles zu vertuschen und Batseba für sich zu haben, schickt er Urija durch eine List während der Belagerung einer Stadt in den Tod. Eine schreckliche Tat. Gott gefällt das überhaupt nicht, was David hier tut. Es gefällt Gott so wenig, dass er eingreift und er schickt seinen Propheten Nathan zu David. Dieser bringt David dazu, dass er seine falschen und sündigen Taten einsehen kann.

Nathan erreicht das durch eine indirekte, kluge Vorgehensweise, die man nur bewundern kann. Zunächst erzählt er eine Parabel, die sogenannte Nathansparabel. Darin geht es um die Geschichte zweier Männer; einer ist reich, der andere arm. Der Reiche besitzt viele Schafe und Rinder, der Arme nur ein kleines Lamm. Der reiche Mann beutet den anderen einfach aus. Als er einen Gast bei sich bewirtet, setzt er ihm als Braten das einzige Tier des Armen vor, das hat er ihm einfach weggenommen. Als er diese Geschichte hört, ist David sofort empört, sogar zornig und er verurteilt den Reichen. Der soll mit dem Tod bestraft werden und vorher noch kräftig Schadenersatz leisten.

Nun kommt die entscheidende Wende im Gespräch zwischen dem Prophet und dem König: „Du bist der Mann!“, sagt Nathan. Es ist geschickt und mutig, wie er den Ehebruch und den Mord zur Sprache bringt. Er weiß ja vorher nicht, wie David darauf reagieren wird. Der König Israels! Auf jeden Fall erfährt David auf dem Höhepunkt seiner Macht auch seine größte persönliche Niederlage. Er ist zum Ehebrecher und Mörder geworden. Nathan gelingt es, David die Augen zu öffnen und ihn zur Einsicht seines schlimmen Verhaltens zu bringen. David erkennt seine Sünde: „Ich habe gegen den Herrn gesündigt“, sagt er. Nun hat Nathan ihm noch eine Botschaft Gottes auszurichten: Gott hat ihm vergeben, aber der Sohn aus der Verbindung mit Bathseba wird sterben.

Liebe Gemeinde, hier werden wir wieder einmal mit der unfassbaren Andersartigkeit Gottes konfrontiert. Vieles bleibt für uns an dem Bild von Gott, das Nathan uns zeigt, unverständlich. Wie auch immer: David bereut seine schwerwiegende Sünde zutiefst und Gott vergibt ihm. David darf am Leben bleiben, darf König von Israel bleiben. Sein sündiges Verhalten gegenüber Gott und den Menschen aber wird Konsequenzen haben Er wird sein Kind verlieren. Und so geschieht es. Erst das zweite Kind, das er mit Bathseba hat, Salomo, der später auch ein berühmter und weiser König sein wird, wird am Leben bleiben. Im Namen Gottes nennt Nathan dieses Kind auch Jedidja (Liebling des Herrn).

Liebe Geschwister, Davids Geschichte zeigt uns, wie schwer es uns Menschen doch oft fällt, die eigenen Fehler und Sünden einzusehen, obwohl sie gewaltig und zum Himmel schreiend sind. Da braucht es auch bei uns einen Außenstehenden, jemanden wie Nathan, der uns mutig und offen auf unser Verhalten hinweist, mit dem wir unseren Mitmenschen schaden und uns zugleich gegen Gott versündigen.

Liebe Geschwister, der kluge Prophet Natan erinnert mich in seiner Vorgehensweise an Jesus aus dem Neuen Testament, dem es auch immer wichtig war, Menschen zur Einsicht zu bringen, die für ihr eigenes Fehlverhalten blind sind. Auch Jesus ist dabei sehr beherzt und geschickt,  auch er erzählt manchmal kleine Geschichten, Gleichnisse, um seine Hörerschaft etwas Wichtiges verstehen zu lassen. Oder er verwendet eindrückliche Sätze, Bildworte, die im Gedächtnis bleiben. Wir kennen sicher seine Sätze vom Splitter, den wir sofort im Auge unseres Bruders oder unserer Schwester entdecken, aber den Balken im eigenen Auge nehmen wir nicht wahr. Wie schnell fällt uns auf, was andere falsch gemacht haben, wir kritisieren, weisen sie zurecht, verurteilen sie sogar dafür, aber bei uns selbst sind wir viel unkritischer. Wie schwer fällt uns das, Fehler und Versäumnisse einzugestehen. Zu sagen: das haben wir falsch gemacht. Das war mein Fehler. Oder: ich bin schuld(ig). Und dann die Konsequenzen zu tragen.

An anderer Stelle im Neuen Testament berichtet das Johannesevangelium, wie Jesus eine Frau vor der Steinigung rettet. Sie, eine verheiratete Frau wie Bathseba, hat Ehebruch begangen. Anders als in unserem Predigttext geht es nicht um den Mann, der daran beteiligt war, sondern um die Frau. Mit dieser Straftat hat sie ihr Leben verwirkt und soll sterben. Die Situation ist sehr angespannt. Die Schriftgelehrten und Pharisäer schleppen die Frau herbei, stellen sie in ihre Mitte und wollen nun von Jesus wissen, wie er darüber denkt. Ob er ihnen nicht zustimmt, dass die Frau mit dem Tode bestraft werden muss. So steht es im Gesetz des Mose; wir kennen ja auch das sechste Gebot, in dem es im Namen Gottes heißt: „Du sollst nicht ehebrechen.“ Es ist dann sehr eindrücklich, was weiter geschieht: „Jesus richtete sich auf und sprach zu ihnen: Wer von euch ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein auf sie. Und er bückte sich und schrieb auf die Erde. Als sie seine Antwort gehört hatten, ging einer nach dem anderen fort, zuerst die Ältesten. Jesus bleib allein zurück mit der Frau, die noch in der Mitte stand.“

Liebe Geschwister, Jesus rettet die Frau vor dem Todesurteil. Er verurteilt sie nicht. Sie hat etwas falsch gemacht, trotzdem soll sie ihren Weg weitergehen, aber nicht mehr sündigen. Diese Beispiele aus der Bibel stellen auch uns vor die Frage, ob wir heute uns unserer Grenzen, unseres Fehlverhaltens und unserer Sünden bewusst sind. Wenn wir im Familien- und im Freundeskreis, beim Arbeitsplatz oder in der Öffentlichkeit Konflikte, Streit, Verletzungen erfahren, geben wir die Hauptverantwortung dafür eher anderen oder sehen wir uns als Verantwortliche, zumindest Mitverantwortliche? Gibt es Menschen in unserer Umgebung, die uns die Augen öffnen und zur Einsicht verhelfen? Oder sind wir vielleicht selbst manchmal solche mutigen Leute, die eingreifen und offene Worte sagen, wo andere nicht mehr ihr Fehlverhalten und die zerstörerischen Konsequenzen ihrer Worte und Taten sehen? Gelingt uns, dabei eine gute Art zu finden, die andere Menschen dabei nicht verletzt?

Der Weg zur Einsicht ist nicht leicht. Oft gelingt sie erst durch das Mitwirken anderer. Es ist jedoch der Weg, der die Wende mit sich bringt, die Augen öffnet, den Stachel der Sünde und der Gewalt trifft und uns und anderen neues Leben bringt. Bleiben wir aufmerksam, wo Gott uns durch unsere Mitmenschen anspricht. Seien wir selbst aber auch mutig, im Namen Gottes aufzutreten, wo er uns als seine Botschafter und Botschafterinnen ruft. Denn unser Leben geschieht in Beziehungen, und wir sind dabei nicht neutral.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft zu fassen vermag,
bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.
Amen.

Fürbitten:
Barmherziger Vater im Himmel, deine Gnade kennt keine Grenzen.
Zu dir kommen wir mit unseren Bitten.
Wir bitten dich für alle, die eigene Fehler erkannt haben.
Gib ihnen den Mut, zu sich selbst zu sein und die Verantwortung dafür zu übernehmen.

Barmherziger Vater, wir bitten dich für uns alle:
Hilf uns, wahrhaftig zu leben und deinen Willen zu tun.
Amen.

Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name,…

Segen:
Gott segne dich und behüte dich auf allen deinen Wegen.
Amen.

 

Predigt zum Gottesdienst am Sonntag, den 14. August 2022 - 9. Sonntag nach Trinitatis

Gnade sei mit euch, und Friede, der Shalom, von Gott unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus.

Der Predigttext für den heutigen Sonntag steht im Mt 25, 14-30

GEBET

Liebe Gemeinde,
das ist eine Ansage – das eingesetzte Kapital verdoppeln, aus 5 Zentner Silber - in heutiger Währung 1,75 Millionen Euro - macht man 3,5 Millionen Euro.
Welche Rendite! Unglaublich!
Aber wie geht das?
Selbst wenn man viele Mitarbeitende entlässt, ist das kaum zu schaffen. Es erinnert mich eher an die sog. Geldverdoppler in manchen afrikanischen Ländern.
Da wird mit Zauberei gearbeitet - na ja das ist nicht so unser Ding.

Liebe Gemeinde, da merkte ich: Ich bin in der falschen Schublade. Wir haben ja hier keinen Ökonomieratgeber: „Wie werde ich reich?“, sondern einen biblischen Text.
Da geht es nicht um wirtschaftliche Fragen, sondern um das Leben in Gottes Welt.
Unser Text arbeitet zwar mit dem Bild des investierten Kapitals, aber es geht zu unserem Glück nicht darum, dass man den größten möglichen Profit aus dem Kapital schlagen soll.

Was ist aber das Ziel unserer Geschichte?
Ich lese die Szene nochmal, wie der erste und zweite Sklave dem wiederkommenden Herrn begegnen (Verse 19 – 23) und bleibe hier hängen:
Zweimal sagt der Herr, der Chef, in dieser Begegnung diesen Satz : Geh hinein zu deines Herrn Freude!“
Andere Übersetzungen betonen entweder die Freude des Herrn oder die Freude des Knechts, also: „Du bist eine Freude für deinen Besitzer“ oder „Du kannst dich freuen, was dein Herr für dich bestimmt hat. Geh hinein in Gottes Freuden fest!“
Nun ja vielleicht gehören ja bei der Freude beide zusammen: der Herr und der Knecht.
Gottes Freude und unsere Freude.

Liebe Gemeinde,
ich sehe dies als Ziel der Geschichte.
Die darin vorkommen, der Herr wie die Sklaven, beide sollen sich freuen.
Gehen wir noch mal in die Geschichte hinein:
Der Chef kommt also zurück nach seiner langen Abwesenheit, und die beiden erwarten ihn schon; und dann lässt er sie holen.
Freudig gespannt, ja stolz zeigen sie ihm das Erreichte: „Schau was wir hingekriegt haben! Und welche Mühe haben wir aufgewendet!“ Und sie präsentieren ihre Geldsummen.

Das, was er ihnen damals gegeben hatte und dazu das, was sie draus gemacht haben: Welche Freude!
Und freuen sich nochmals, als sie merken wie glücklich er ist: Ja, ich will dich über viel setzen. Nun geh hinein zu deines Herrn Freude – und jeder bekommt es gesagt: „Geh hinein, freu dich und ich freue mich“.

Ach ja wenn Begegnungen so viel Freude enthalten ist es schon himmlisch. Das denken wir bei manchen Begegnungen ja auch oder? Hier sind es Begegnungen zwischen Gott und seinen Menschen. Wenn Gott und wir uns begegnen…
Pure Freude, und diese Freude soll bleiben.

Nicht wahr, liebe Gemeinde, Evangelium heißt ja freudige Nachricht, bei Evangelium geht es um Freudiges. Ziel des christlichen Lebens soll Freude sein - mitten in all der Freudlosigkeiten unserer Tage - und davon gibt es genug im großen Politischen wie im Persönlichen. Es geht hier um die Freude, die aus der Begegnung Gottes mit uns kommt. Wer sie erlebt hat, weiß was Freude ist.

Liebe Gemeinde,
und dann ist da noch der dritte Mensch. Als ob unsere Geschichte auf ihn hinzielt. Er hat auch sein Zentner Silber, wörtlich sein talentum, sein Talent bekommen – so viel Geld - damals wie heute! Übrigens hat das deutsche Wort Talent, also Begabung, ja seinen Sinn aus unserer Geschichte. Und was ist wohl der wesentliche Unterschied dieses Menschen im Vergleich zu den beiden andern davor? Dieser eine Mensch war nicht frei.

Er hatte nämlich seine Vorstellung wie sein Herr ist. Er hatte ein Bild von ihm: Ein harter Chef. Jemand, der in seinen Ansprüchen unerbittlich fordernd ist. Und dann machte er sich abhängig von seinem Bild, diesem seinem Gottesbild.

Schade, dass er nicht begriffen hat, dass es bei diesem Chef gar nicht um Anspruch auf eigene Leistung geht. Immerhin sagt der Chef ihm nachher: „Auch wenn du selbst gar nichts selbst gemacht hast, du hättest das Geld wenigstens auf die normale Bank bringen können, dann hätte ich wenigstens noch ein klein bisschen Zinsen haben können und alles wäre gut gewesen. Da gab es gerade Zinsen. Mit anderen Worten: das, was ich in die Welt gebracht hatte, hätten andere vermehrt, wenigstens etwas.

Liebe Gemeinde,
dieser Mensch hier hat sein Bild von Gott, das Angst macht. Vor diesem Bild von Gott kann er nur davonlaufen. Zu diesem Chef kann man kein Vertrauen haben. Da muss man sich verstecken. Da kann man sich selbst auch nicht als sein Geschöpf ansehen. Hier kann ich nicht Partner Gottes sein, um hier Gottes Welt mit zu bauen. Dass Gott einfach gut zu einem ist, das hat er nicht geglaubt, vielleicht nie erfahren; dieser Chef war nicht fördernd für ihn, sondern nur fordernd.

Ja wie soll man denn leben, wenn man nicht gefördert wird, sondern nur gefordert wird? Manche Menschen, die von Hartz IV abhängig sind und jetzt noch die Energiekosten tragen müssen, fragen sich das ja schon? Ob das mit dem neuen Bürgergeld besser wird? Gefordert sind wir ja oft genug, aber wer fördert uns, motiviert uns, bringt etwas Gutes in uns hervor?

Liebe Gemeinde,
seltsam, bei den beiden anderen Knechten wird gar nicht von deren Gottesbild geredet. Im Text steht davon nichts - haben sie überhaupt ein Bild ihres Chefs? Sie lassen sich etwas anvertrauen. Und dann sind sie frei zu handeln. Sie haben einfach Vertrauen – ja diese innere Sicherheit: Welche Talente! Vielleicht merken wir die doppelte Bedeutung: welche Gaben haben wir bekommen! Welches Vertrauen setzt er in uns, diese Talente zu entwickeln, sie zu leben!
Nicht wahr, hier bricht das Bild. Aus der Währungseinheit wird meine Begabung.

Das unterscheidet die beiden von dem mit dem einen Talent. Dieser eine hatte Gott festgenagelt auf den übermächtigen Herrn, der nur seinen Profit im Sinn hat. Vor dem kann man nur Angst haben und sich nur verschließen.

Liebe Gemeinde,
und wie ist es bei uns? Welches Bild von Gott haben wir? Vielleicht von der Kindheit an – manche haben es ja von klein auf erlebt: Den Gott, der mich klein macht, der nur fordert, überfordert. Vor dem kann ich nur fortlaufen und zuletzt aus der Kirche austreten.

Es gibt aber auch das andere Bild: Der harmlose Gott der keine Grenzen setzt, lieb und harmlos wie der Weihnachtsmann, ohne Ecken und Kanten, irgendwann überflüssig und nicht ernst zu nehmen.

Liebe Gemeinde,
Jesus erzählt seinen Freunden dieses Gleichnis, um ihnen zu zeigen: Gottes neue Welt wird oft dadurch unmöglich, dass Mensch ihre Talente vergraben, verstecken. Sie vergraben die mögliche Gemeinschaft mit Gott, sie untergraben sie. Dabei ist ja unser Leben - uns von Gott gegeben - dazu da, dass wir die Talente, die wir bekommen haben, wahrnehmen, entdecken, entwickeln und sie einsetzen. Ja, Talente auch denen zu helfen, die in einer Sackgasse gelandet sind, wie unser dritter Mann.

Ich versuche den schrecklichen Schluss der Geschichte von Christi Kreuz her neu zu sagen: denn bisher ist der Mann abgeschrieben, völlig erledigt. Und ein Schluss im Sinne Jesu sollte anders aussehen. Ich stelle mir vor, dass die beiden anderen sehen, was mit dem dritten Mann geschieht. Da erbarmen sie sich seiner und bitten ihren Chef ihn zu begnadigen, ja, sie erinnern ihn an seinen eigenen Weg, den Weg von Jesus Christus. Der ertrug die Schuld des dritten Mannes, der nicht das gelebt hatte, was Gott ihm anvertraut hat. Und das gilt ja auch für uns, wenn wir nicht das leben, was Gott uns anvertraut hat. Ja diese Schuld bleibt Schuld, aber wenn es eine wirklich christliche Geschichte sein soll, muss der dritte doch auch eine Chance bekommen neu anzufangen, seine Chance, seine eigenen Begabungen neu zu entdecken, sie zu leben. Die beiden anderen würden ihn dabei fördern, damit er mit ihnen in der Welt Gottes leben kann mit seiner Freude und zur Freude Gottes.

Und der Friede Gottes, der größer ist als unserer Vernunft, bewahre Eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.
Amen.

(Was geschrieben ist, ist das Eine, was gesagt wurde immer etwas Anderes…)
Ralf Velimsky

 

Predigt zum Gottesdienst am Sonntag, den 07. August 2022 - 8. Sonntag nach Trinitatis

Eingangslied: EG 373 2,3,6 "Jesus hilf siegen....

Der Herr sei mit euch (und mit deinem Geist).

Psalmgebet: EG 728 (Psalm 48)

Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist.
Wie es war im Anfang, jetzt und immerdar und von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Amen.

Bussgebet

Kyrie Eleison (Herr, erbarme dich.)

Gnadenspruch

Ehre sei Gott in der Höhe (und auf Erden Fried und den Menschen ein Wohlgefallen).

Loblied: EG 262 1,2 "Sonne der Gerechtigkeit...."

Kollektengebet

Schriftlesung: Jesaja, Kapitel 2, Verse 1-5.
Selig sind die das Wort Gottes hören und bewahren.

Halleluja (Halleluja, Halleluja).

Lied: EG 320 1-3 "Nun laßt uns Gott dem Herren..."

Kanzelgruß:
Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus.

Heute finden wir den Predigttext in Matthäus 5, Verse 13-16:
" Ihr seid das Salz der Erde. Wenn nun das Salz nicht mehr salzt, womit soll man salzen? Es ist zu nichts mehr nütze, als dass man es wegschüttet und lässt es von den Leuten zertreten. Ihr seid das Licht der Welt. Es kann die Stadt, die auf einem Berge liegt, nicht verborgen sein. Man zündet auch nicht ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter; so leuchtet es allen, die im Hause sind. So lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen."

PREDIGT

Liebe Gemeinde,
Salz und Licht, wie das in der Bergpredigt erwähnt wird. Das sind für heute Morgen die Themen, mit denen wir uns beschäftigen. Die sich in der Bibel auskennen werden wissen: In der Bergpredigt von dem unser Text Teil ist, werden wir oft mit Worten von Jesus konfrontiert, die sich für uns ziemlich radikal anhören. Sehr schnell bekommen wir dann das Gefühl, dass diese Anforderungen für uns einfach eine Nummer zu groß sind, weil wir diese nie erfüllen können. Dann atmen wir bei „Salz und Licht“ vielleicht etwas auf, weil sich das viel einfacher anhört. Vielleicht denken wir, dass wir hier einfacher wegkommen. Nun, es wird sich zeigen, ob das stimmt.

Ich werde der Versuchung widerstehen, sie mit allerhand Wissenswerten über Salz und Licht zu überschütten – sie verstehen meine Ausbildung in der Physikalischen Chemie nötigt mir fast dazu. Trotzdem, es gibt hier in diesem Abschnitt gleich eine Aussage von Jesus die nicht nur Chemiker, sondern sogar auch Theologen zum Stolpern bringt. Wie sollen wir verstehen, dass Salz den Geschmack verliert? Nicht nur Chemiker, auch Theologen wissen, dass Salz an sich sehr stabil ist. Es ändert sich nicht. Auch nicht, wenn man es lange lagert. Es gibt hier grundsätzlich zwei Auslegungen: Eine die behauptet, dass Jesus versucht mit einer Art rhetorischen Trick die Aufmerksamkeit der Menschen zu fixieren – so eine Art von Reaktion hervorzurufen wie: „Aber das geht doch gar nicht – was möchte er eigentlich sagen. Hören wir besser genau zu“. Und dann gibt es die zweite, die sich für mich etwas plausibler anhört: Jesus zielt auf die damalige Praxis Salz aus dem Toten Meer zu verwenden. Das war billig und wurde einfach am Strand eingesammelt und man hat das auch damals schon als Geschmacksstoff und zur Konservierung von Nahrung verwendet. Nur war solches Salz sehr unrein. Kochsalz, die Substanz die wir als Salz verwenden, war vielleicht nur für die Hälfte darin enthalten. Der Rest waren andere Sachen. Aber das Kochsalz war am besten wasserlöslich. Das bedeutete, dass, wenn das unreine Salz über längere Zeit feucht gelagert wurde, das eigentliche Salz sich allmählich auflöste und nur die Verunreinigungen übrigblieben. Sah, wenn man es trocknete, zwar auch weiß und körnig aus, schmeckte aber gar nicht oder ganz furchtbar. Übrigens – nachdem ich vor einigen Monaten in Bühl dieser Predigt gehalten hatte, hat ein befreundetes Ehepaar die nachher im Urlaub in Israel waren, und auch am Toten Meer waren, mir dann gleich mal einige solcher Salzbrocken geschenkt – sieht dann so aus (Päckchen zeigen).
Soweit dann der Chemie Unterricht für heute.

Aber wichtiger als Chemie ist für uns zu lesen, dass Jesus hier nicht einen Kurs „Wie werde ich Salz“ anbietet, sondern einfach behauptet „Ihr seid das Salz der Erde“ Bumm – so geradeaus. Und es geht darum, dass Salz eine Wirkung entfaltet – dass soll unsere Aufmerksamkeit haben, damit sollen wir uns beschäftigen. Um das besser zu verstehen, schauen wir uns das hier mal an. (Flasche 1). So, hier ist es. Salz, schön weiß, schön verpackt, einfach zu handhaben. Wirklich super-salzig. Und, liebe Gemeinde, so sind viele christliche Gemeinden und Gruppen. Super-salzig, super gläubig, wenn sie nur zusammenhocken in der Packung – sagen wir mal in ihren Kirchen an einem Sonntagmorgen im Sommer. Aus der Haushaltpraxis wissen wir: Ja, zum Lagern ist so eine Situation gut, aber das ist nicht das Ziel. Salz, das eingesetzt wird, seine Wirkung entfaltet, sieht dann eher so aus: (Flasche 2). Wo ist dann das Salz geblieben? Nicht mehr zu spüren (wenn man nicht gerade Chemiker ist). Man könnte meinen, dass es ganz verschwunden wäre, nur, man wird spüren, wenn man einen kräftigen Schluck aus dieser Flasche nimmt, das Salz ist noch da, auch wenn wir es nicht sehen, und entfaltet trotzdem seine unverkennbare Wirkung. Wenn man sich überlegt, was das Salz-sein dann für eine christliche Gruppe bedeutet, bekommt man vielleicht schnell ein etwa mulmiges Gefühl. Es geht offensichtlich nicht darum sich nur in der Verpackung – sprich, in einer Kirchengemeinde, wohl zu fühlen, sondern den Mut zu haben sich in die Welt hinaus zu wagen und dort zu wirken und sich bemerkbar zu machen. Vielleicht nicht ganz alleine, aber gelegentlich auch mal weit weg von der Sicherheit einer Gruppe, von der wir oft denken, dass es ohne nicht geht.
Nun könnte man sehr leicht den ganzen Morgen damit verbringen eine lange Liste aufzustellen von Bereichen, in denen wir Salz sein könnten und was das praktisch bedeuten könnte. Die Gefahr ist dann, dass wir in eine Art hektischen Aktionismus hineinrutschen. Nur irgendetwas machen, damit etwas passiert.

Nun, wenn Sie gute Ideen haben – nichts wie los würde ich sagen. Aber wir müssen doch auch noch andere Aspekte im Auge behalten. Die Bergpredigt war in erster Linie an den Jüngern Jesu gerichtet. Da wäre für uns die erste Frage: Sehen wir uns als Nachfolger Jesus, oder nur als außenstehende Zuhörer? Wenn wir uns schon als Jünger Jesus bezeichnen möchten, geht es in erster Linie darum seinen Unterricht in allen Bereichen ernst zu nehmen und unsere Beziehung mit ihm zu vertiefen. Gebet, Bibellesen, und christliche Gemeinschaft ist was mir dabei spontan einfällt. Wenn wir uns dann schon als Salz bezeichnet werden – mit solchen Aktivitäten entwickelt es erst sein Geschmack – in der Beziehung mit Jesus.

Aber dann soll sich das Salz bemerkbar machen – das stimmt. Ohne sich hervorzuwagen, wird das nicht funktionieren. Wichtig ist, dass wir im Blick behalten das eine der Funktionen von Salz nun gerade ist das Verderben von Nahrungsmitteln zu verhindern. Und es gibt eine Menge Bereiche in der Welt in denen Verderb ein Thema ist. Lesen Sie die Zeitung, oder schauen sie mal einen Abend Nachrichten. Nun ist es nicht jedem gegeben gleich eine große Aktion zu starten, um solche Sachen anzusprechen und zu korrigieren. Nicht jeder von uns ist eine Greta Thunberg. Aber jeder der sich als Jünger Jesus betrachtet hat ein persönliches Umfeld, in dem er oder sie sich bemerkbar machen kann und auch soll. Bei der Arbeit, in der Beziehung mit den Nachbarn oder Verwandten, und vieles mehr. Wie treten wir in unserem Umfeld auf? Ist hier etwas von unserem Salz-geschmack zu spüren? Das ist hier die spannende Frage. So gesagt dient ein Gottesdienst wie heute und an jedem Sonntagmorgen dazu „auf dem Geschmack zu kommen“, um mal in den Worten unseres Textes zu bleiben. Nachher sollen andere davon profitieren. Jeder von uns der sich als Jünger Jesus betrachtet hat die Aufgabe das für sich und ihre Möglichkeiten mit Leben zu füllen.

Aber so ganz ohne konkrete Beispiele möchte ich sie natürlich nicht gehen lassen. Darum beispielhaft nur zwei Bereiche.

Zum ersten: Erschreckend aktuell ist die Aussage von Jesus „Selig sind die Friedfertigen“, oder wie andere Übersetzungen sagen „die Friedensstifter“ die man an einer anderen Stelle in der Bergpredigt begegnet. Also, hinaus in die Welt und Frieden stiften. Nur, wir wissen: dazu soll man sich in dieser Zeit warm anziehen.
Es ist leider wohl deutlich, dass diejenigen die solche Aussagen Jesu immer zum Anlass genommen haben, einen, sagen wir mal, naiven christlichen Pazifismus zu propagieren, in den letzten Monaten einen schweren Stand hatten. Das Böse in der Welt spielt da nicht mit. Man muss sich überlegen was wir dann sonst noch für Möglichkeiten haben die Worte von Jesus in die Praxis einzubringen – Salz zu sein, so gesagt. Letztendlich kann eine unlimitierte Aufrüstung von denen vielen offensichtlich jetzt Sicherheit und Ruhe erwarten auch nicht die Lösung unserer Probleme sein.
Wir sind gefragt die Lage realistisch zu betrachten. Einerseits wird das von uns peinliche und, machen wir uns nichts vor, teure, politische Entscheidungen fragen. Andrerseits sind wir immer noch zur „Friedfertigkeit“ aufgerufen. Wie setzt man das dann ein?
Nun, unter sind viele Menschen die ursprünglich aus Russland kommen. Wir sollten uns mit diesen Worten von Jesus einsetzen, um die Beziehungen untereinander nicht abreißen zu lassen, auch wenn wir vielleicht unterschiedliche Ansichten haben. Und als Salz in dieser Gesellschaft sollen wir unermüdlich danach streben die Kräfte zu unterstützen die langfristig wieder Kontakte mit gemäßigten Kräften in Russland suchen. Plumper Kriegsrhetorik, Hass und Hetze müssen wir aktiv ablehnen. Und umso länger diese Krise dauert, umso schwieriger könnte das werden. Im Großen, aber auch im Kleinen. An uns hier in Worten und Beziehungen aufeinander zuzugehen.

Zum zweiten: Wie gehen wir mit Besitz um? Auch im Normalfall haben wir damit zu tun, dazu braucht es nun wahrlich keine Krise. Schaffen wir es mit gutem Beispiel in unserer Gesellschaft voranzugehen und zu zeigen, dass es uns nicht um ein Bankkonto geht, das immer mehr wächst? Keiner von uns wird behaupten, dass das bei ihm oder ihr der Fall ist. Aber Vorsicht – wir sind in unserer Kultur, in der es oft sehr wohl um solche vermeintlichen Sicherheiten geht, eingekapselt. Man braucht hier einen frischen Blick wie man hier anders handeln kann – wenn man nur will.
Ein Beispiel für so einen unverstellten Blick begegnete ich vor einiger Zeit als meine Frau und ich uns mit unserem ältesten Enkelkind unterhielten. Simon – 6 Jahre alt. Auf der Frage die Großeltern immer so stellen: „Was möchtest du später mal werden“, kam die unerwartete Antwort: „Der reichste Mensch“. Das könnte Anlass geben zu denken, dass bei der Erziehung und Wertevermittlung bei unserem Sohn und Schwiegertochter so einiges schief gelaufen ist – aber er legte gleich nach: „Weil ich dann viele arme Menschen helfen kann“. Nun, dann ist man als Großeltern natürlich wieder beruhigt. Man kann das als Geplapper von einem Kind abtun – aber es zeigt auch dass die Welt, wenn man 6 Jahre ist, noch sehr einfach aussieht: Man hat Besitz, um damit Gutes zu tun. Zu dieser Einsicht sind viele Milliardäre in unserer Gesellschaft nie gelangt, und auch wir können viele Gründe nennen, warum das gerade bei uns nicht geht. Trotzdem möchte ich der Gedanke hier mal in der Mitte legen: Salz der Erde zu sein, wenn man mit dem Besitz den wir angehäuft haben Gutes tut. Und ja, unsere Möglichkeiten sind hier unterschiedlich, aber an Möglichkeiten hier aktiv zu werden fehlt es nun doch wirklich nicht, wenn ich zähle wieviel Briefe von Organisationen christlicher oder rein humanitärer Natur flattern wohl nicht nur bei uns regelmäßig in den Briefkasten flattern.

Und liebe Gemeinde, diese Anforderung wie Salz zu wirken ist nicht optional: Jesus verbindet damit die Warnung, dass, wenn wir das nicht tun von unserem Christsein am Ende nur eine leere Hülle übrigbleibt, mit dem niemand mehr etwas anfangen kann und die dann einfach entsorgt wird.

Und dann kommen wir zu dem Aspekt „Licht der Welt sein“.

Auch hier fordert Jesus uns nicht heraus mehr, oder besseres Licht scheinen zu lassen - auch hier behauptet er einfach, dass wir schon Licht sind und gesehen werden, ob wir das nun als angenehm empfinden oder nicht. Ja, dass es sogar ausdrücklich so gedacht ist, dass wir gesehen werden. Genauso wie eine Stadt auf einem Berg nicht verborgen bleiben kann, werden unsere Taten wahrgenommen und zeigen für die Außenwelt wie ernst wir es mit unserer Jesus Nachfolge meinen. Vielleicht fällt Ihnen bei diesem Text auch gleich einen anderen Bibeltext ein: Joh. 8:12, in dem Jesus sagt: „Ich bin das Licht der Welt“. Und jetzt wir – gewissermaßen könnte man sagen: wir leuchten wie der Mond. Wir reflektieren nur was von Jesus abgestrahlt wird. Aber wie dann auch: Es ist so gedacht, dass dieses Licht gesehen wird. Nicht „tue Gutes und schweige“, sondern in aller Öffentlichkeit. Es geht natürlich nicht darum nur sich selbst geschickt darzustellen, sondern es so zu tun, dass was man tut auch von anderen eindeutig mit unserem Glauben, mit Jesus in Verbindung gebracht wird.

Und, liebe Gemeinde, ich muss sagen, diese Perspektive beunruhigt mich. Natürlich es gibt viele Gläubigen, die hier in der Vergangenheit und auch jetzt vorbildhaft gewirkt haben. Menschen die unter Gläubigen und Ungläubigen Respekt erzeugt haben.

Als positives Beispiel möchte ich den damaligen „Wahrheits- und Versöhnungs- Ausschuss“ in Süd-Afrika“ nennen Es hat mich, und ich denke viele Menschen, sehr beeindruckt wie man nach dem Fall des Apartheitsregimes mittels dieses Ausschusses versucht hat ehrlich die Vergangenheit auf zu arbeiten, ohne in unkontrollierte Rache ab zu rutschen. Dabei spielte der damalige anglikanische Bischof Tutu eine führende Rolle. Das alles lief natürlich nicht ohne Probleme ab, und hat Süd Afrika bestimmt nicht zu einem Paradies gewandelt. Aber die Arbeit von Tutu und seinem Einsatz, motiviert von seinem Glauben, wurde weltweit geschätzt.

Aber es gibt auch so viele anderen, die hier wirklich miserabel abgeschnitten haben. Vielleicht gehören wir ab und zu auch mal dazu. Und wenn man schon als Stadt auf einem Berg sichtbar ist – unseren Fehlern sind es auch. Wenn etwas schiefläuft, aus eigenem Verschulden oder nicht, stehen viele Menschen gleich bereit zu behaupten, dass es zeigt, wie scheinheilig Christen doch eigentlich sind. „Die kann man wirklich nicht mehr ernst nehmen, wenn sie morgen wieder fromme Wörter von sich geben“, hört man dann. Leider sehen wir in der heutigen Zeit so einen Ablauf oft in der Aufarbeitung von Missbrauchsfällen. Ich möchte diese nicht nur auf die Katholische Kirche Beschränken – auch bei den Evangelischen ist da so manches falsch gelaufen. Aber gerade die Leitung der katholischen Kirche hat hier in vielen Fällen eine schlechte Figur abgegeben.

Es ist nicht einfach Stadt auf einem Berg zu sein, wenn das auch bedeutet, dass man dauern von Außenstehenden unter die Lupe genommen wird und nicht nur das Gute, das man tut, sondern auch unsere Fehler vor jedem sichtbar sind.

Also, auch wenn die Bilanz unseres Tuns immer sehr durchwachsen war, ist das Erstaunliche, dass Jesus trotzdem von uns erwartet, dass wir unsere Taten gewissermaßen als Werbung für ihn einsetzen. Dabei wusste er bestimmt sehr wohl, wie es um seine Nachfolger gestellt war – auch damals keine Heiligen, sondern eine Gruppe von oft ängstlichen Menschen. Jesus erwartet nicht, dass wir nur in der Verborgenheit guttun, so dass man, wenn es mal nicht so gut auspackt, nicht damit in Verbindung gebracht wird. Nein, er geht davon aus, dass wir in aller Öffentlichkeit zu unseren Taten stehen und diese für sich sprechen lassen. Das fragt Mut von uns, wenn wir so Sachen anpacken und Mut, um deutlich zu machen, dass wir von Jesus motiviert sind und nicht nur irgendwelche „Gutmenschen“ sind. Es bedeutet auch ihm die Ehre zu geben wen es gut geht, aber auch den Mut zu haben selber die Verantwortung zu nehmen, wenn es daneben geht, und zu erkennen, dass wir Mist gebaut haben, auch wenn die Absicht vielleicht gut war.
Auch wenn das mal passiert – wenn man von Außenstehenden als authentisch wahrgenommen wird, kann als Zeugnis für Jesus trotzdem etwas Positives dabei herauskommen.

Liebe Gemeinde, hoffentlich haben Sie im Laufe dieser Predigt bemerkt, dass auch wenn Jesus hier von scheinbar einfachen Sachen wie Salz und Licht redet, und nicht einmal unerreichbare Anforderungen stellt, es nicht bedeutet, dass wir uns ruhig zurücklehnen können. Anstrengungen sind trotzdem gefragt. Nur haben wir die Möglichkeit ganz klein, ganz einfach in unserem Lebensumfeld mit praktischem Einsatz anzufangen, um zu zeigen was Jesus für uns und für die Welt bedeutet.
Amen.

Lied: EG 268 1,5 „Strahlen brechen viele….."

Glaubensbekenntnis

Fürbittengebet

Vater unser

Lied: EG 391 1-4 "Jesus, geh voran...

Abkündigungen

Wochenspruch

Segen

(Aart Rouw)

 

Predigt zum Gottesdienst am Sonntag, den 31. Juli 2022 - 7. Sonntag nach Trinitatis
in der Kapelle zum Guten Hirten, Sand (Bühlertal)

Predigttext: Jona 1,1-12
Thema: Um Gottes willen und um der Menschen willen – nicht davonlaufen!

Da ist eine Mutter von zwei kleinen Kindern. Der Mann ist nicht da. Geld ist auch keines da. Das Essen misslingt. Die Waschmaschine geht kaputt. Da sagt die Frau: Das ist doch zum Davonlaufen! Viele von uns hatten schon einmal den Wunsch davonzulaufen. Wir hören jetzt von einem Menschen, der von Gott einen schweren Auftrag bekommt und versucht davonzulaufen.

Es ist Jona. Er bekommt den Auftrag, nach Ninive, in die große Stadt im Zweistromland, zu gehen und der Stadt wegen ihres bösen Tuns ins Gewissen zu reden. Jona macht sich auf, aber in die andere Richtung. In der Hafenstadt Jafo besteigt er in Schiff in Richtung Tarsis. Aber unterwegs gerät das Schiff in einen schweren Sturm. Die Besatzung kämpft ums Überleben. Jeder Matrose betet zu seinem Gott, nur Jona schläft unter Deck. Das empört die Seeleute. Sie fragen ihn aus nach seinem Woher und Wohin. Als sie später das Los werfen, wer schuld an diesem Sturm hat, fällt das Los auf Jona. Er wird gefragt, was man mit ihm machen solle. „Werft mich ins Meer.“ Nach kurzem Zögern werfen sie ihn ins Meer. Der Sturm hört sofort auf. Jona jedoch wird von einem Walfisch verschluckt, nach drei Tagen an Land ausgespuckt. Er muss dann doch nach Ninive.

Wie viele biblischen Stücke ist das kein Tatsachenbericht, ähnlich wie die Schöpfungsberichte oder das Buch Hiob, das wie das Büchlein Jona eine Lehrerzählung ist. Von Gott kann man nur in Gleichnissen und ähnlichen Stücken reden und versuchen, das Unsagbare zu sagen.

Weglaufen? Um Gottes willen! Wir sind entsetzt, wenn eine Mutter tatsächlich wegläuft. Wir schimpfen leise und freuen uns, wenn sie wieder zurückkommt. Die Probleme verschwinden nicht.

Ich will nicht weiter über Frauen reden, die unter Druck geraten. Sie sind seit Jahrtausenden als Menschen zweiter oder dritter Klasse belastet. Ich spreche eine Weile über uns Männer, die eher davonlaufen. Einer geht schnell zum Briefkasten – und kommt nicht wieder.

  Millionenfach lassen Männer Frauen mit Kind sitzen und ziehen weiter. So stehlen sie sich aus der Verantwortung. Oft kommt ihnen am Ende ihrer Tage, dass das Davonlaufen ein Fehler war.  In einem amerikanischen Film findet deswegen ein Mann am Ende seines Lebens keine Ruhe, bis einer ihm rät, doch noch einmal alle seine Stationen aufzusuchen; was er dann tut. Davongehen war keine Lösung.

   Ach! Die misslungenen Beziehungen zweier Menschen! Und Geld und Besitz! Klaus, Anfang 20, lebt in einer misslungenen Ehe. Es ist ein Berg Schulden da. Er weiß keinen Ausweg, setzt sich in sein Auto, nimmt einem Schlauch und atmet das Abgas ein. Findet er so Frieden? Löst er so Probleme? Die bessere Lösung wäre wohl gewesen, wenn er sich Menschen gesucht hätte, die ihm aus der Patsche helfen.

Ein Mann aus Gaggenau, in einer ähnlichen Situation, fährt in die Berge, wandert in ein Gletschergebiet und verschwindet auf Nimmerwiedersehen. Sein Auto steht im Tal. Davongelaufen. Ein Versuch. Um Gottes willen – was für ein Ende! So können wir keine Probleme lösen und kein ruhiges Ende finden. In dem Morgenlied: „Aus meines Herzen Grunde…“ heißt es: „Bewahre uns vor bösem, schnellen Tod…“

 Das Beenden meines Lebens im Alter, oder gar bei starken Schmerzen, will ich hier nicht besprechen. Das muss an einem anderen Ort geschehen.

Jona jedenfalls kann überhaupt nicht vor Gottes Auftrag fliehen. Er entrinnt nicht – wie viele von uns auch nicht entrinnen. Jona muss seinen Auftrag ausführen.

Und da ist noch eine Person, die nicht davonläuft oder ausweicht: Jesus von Nazaret. Er läuft nicht vor dem Elend der Kranken davon. Und seine Jünger erwarten, dass er mit ihnen ein Gottesreich aufrichtet, indem er Feuer vom Himmel fallen lässt. Nein, Jesus geht einen anderen Weg. Und so ist er mit Gott an der Seite derer, die leiden; an der Seite derer, die sich in Kiew oder in einem Flüchtlingslager durchkämpfen bis zum Gehtnichtmehr;  an der Seite derer, die ausharren, um einen Auftrag zu erfüllen - um Gottes willen und im Sinne Jesu Christi.
Amen.

(Pfarrer Badelt)

Gottesdienst am Sonntag, den 24. Juli 2022 - 6. Sonntag nach Trinitatis

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde,
herzlich willkommen zum Lesegottesdienst für den 24. Juli.
Im liturgischen Kalender ist es der 6. Sonntag nach Trinitatis. Wir denken heute miteinander über Worte aus Psalm 139 nach.
Einen gesegneten Sonntag wünscht Pfarrerin Anke Mühlenberg-Knebel.

Wir beginnen mit dem Lied EG 317, 1-3 „Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren“.

Im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Unsere Hilfe steht im Namen des Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat.
Amen.

Psalm 139:
Herr, du erforschest mich und kennest mich.
Ich sitze oder stehe auf, so weißt du es;
du verstehst meine Gedanken von ferne.
Ich gehe oder liege, so bist du um mich und siehst alle meine Wege.
Denn siehe, es ist kein Wort auf meiner Zunge,
das du, Herr, nicht schon wüsstest.
Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir.
Ich danke dir dafür, dass ich wunderbar gemacht bin,
wunderbar sind deine Werke.
Amen.

Liebe Gemeinde,

bitte, denken Sie/denkt Ihr einmal kurz nach: Was mögen Sie nicht an sich? Was hättet Ihr gerne anders? Sind da ein paar Kilo zu viel auf der Waage? Ich weiß, dass das bei Mädchen, die so jung sind wie unsere Konfirmandinnen eine große Rolle spielt, eine gute Figur zu haben. Aber auch die Jungs legen Wert auf ihr Äußeres. Stehen morgens auch schon ganz schön lange vor dem Spiegel. Wie sehen Sie sich selbst, wenn Sie sich einmal im Spiegel anschauen? Gefällt Ihnen Ihre Haarfarbe nicht? Ist die Nase krumm, der Mund zu dünn, der Bauch zu dick und der Busen zu klein? Belastet es Sie, dass Sie älter geworden sind und nicht mehr so gut laufen können oder auch schlechter hören und sehen?

Jetzt schauen Sie sich einmal den Menschen an, der neben Ihnen sitzt - ganz diskret natürlich. Sollte er sich anders kleiden? Eine andere Frisur ausprobieren? Etwas anderes an sich verändern?

Die meisten Menschen in Deutschland sind unzufrieden mit ihrem Äußeren. Jedes dritte Schulkind fühlt sich gemobbt, weil es nicht die richtigen Klamotten hat oder als zu dick gilt. Und so unterziehen sich inzwischen rund 100.000 Jugendliche unter 20 Jahren pro Jahr einer Schönheitsoperation.

In Fernsehsendungen wie „Endlich schön“ oder „Extrem schön“ werden Frauen so lange operiert, bis sie dem aktuellen Schönheitsideal entsprechen. Der Untertitel lautet: “Endlich ein neues Leben!“ Und wenn die Frauen dann zurück zu ihren Familien kommen, sehen sie fast alle gleich aus: Schlanker als vorher, geliftet an Brust und Bauch, die Falten geglättet mit Botox und Co. Aber ob das gleich ein neues Leben bedeutet, wenn doch die Menschen und ihre Familien, ihr Umfeld dieselben geblieben sind? Und: eigentlich ist so ein Schönheitsideal doch furchtbar langweilig. Wenn alle gleich ausschauen, gibt es keine Überraschungen mehr.

„Herr, ich danke dir, dass ich wunderbar gemacht bin, wunderbar sind deine Werke“, heißt es im Psalm 139, Vers 14. Es tut uns gut, einmal über dieses Bibelwort nachzudenken. Wir glauben als Christinnen und Christen, dass wir Geschöpfe Gottes sind. Und jeder von uns ist ein Einzelexemplar. Das ist selbst bei eineiigen Zwillingen so. Sie haben zwar denselben genetischen Code. Aber wer Zwillinge hat, weiß: Auch sie sind einzigartig je für sich allein.

Wer der Zusage vertraut, einzigartig zu sein, gewinnt einerseits große Freiheit. Ich muss mich nicht anpassen, muss mich nicht uniformieren. Und mit Uniformieren ist zum einen natürlich die Uniform gemeint, hinter der alles Individuelle zurücktreten soll.  Der Soldat, die Soldatin sollen Teil des Ganzen sein und nicht hervorstechen durch allzu viel Persönliches. Deshalb wird immer mal wieder diskutiert, ob ein Soldat oder eine Polizistin ein sichtbares Tattoo haben dürfen. Die enorme Bewegung, sich tätowieren zu lassen, ist ja ein Versuch, ganz individuell zu sein, den eigenen Körper so zu gestalten, dass er unverwechselbar ist. Jetzt im Sommer, wenn die Menschen mehr Haut zeigen als sonst, da habe ich manchmal das Gefühl, es ist inzwischen schon die große Ausnahme, nicht tätowiert zu sein. Da wimmelt es von Vögeln, Federn, bunten Bildern überall auf der Haut…Uniformieren heißt aber auch, ich muss so aussehen, wie es die Norm oder die Medien vorgeben. Möglichst schlank, möglichst Klamotten von angesagten Firmen. Wer sich von Gott als einzigartig geschaffen versteht, kann sich von dem Druck entlasten, sich entweder zu uniformieren oder viel zu investieren, um noch individueller auszusehen. Ja, auch das ist die Freiheit der Kinder Gottes.

Diese Freiheit bringt aber auch eine große Verantwortung mit sich: Wenn Gott mich so wunderbar geschaffen hat, dann will ich auch alles tun, um mein Leben so zu leben, dass meine Gaben zur Geltung kommen. Und wir glauben ja auch, dass jeder Mensch eine Gabe, eine Begabung hat. Das kann Kreativität sein oder Kraft, Intelligenz oder Liebesfähigkeit. Vor Gott ist jeder Mensch gleich viel wert. Da zählt die erfolgreiche Unternehmerin nicht mehr als der sterbende alte Mann und Germanys next Topmodell ist genauso viel wert wie der schwerstbehinderte kleine Junge. Alle sind einzigartig. Und allen sagt Gott Würde und Lebenssinn zu.

Zurück zum Psalm 139. Da ist ein Beter, der weiß: Herr, du erforschest mich und kennest mich. Ich sitze oder stehe auf, so weißt du es; du verstehst meine Gedanken von ferne. Ich gehe oder liege, so bist du um mich und siehst alle meine Wege. Denn siehe, es ist kein Wort auf meiner Zunge, dass du, Herr, nicht schon wüsstest: Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir.

Was Martin Luther als Rechtfertigung allein aus Glauben als befreiend erfuhr, können Menschen so ja auch heute erleben. Gott hat mich einzigartig und wunderbar erschaffen. So kann ich auch andere als wunderbare Geschöpfe Gottes ansehen. Und ich werde frei, mich anzunehmen mit allen Stärken und Schwächen als einzigartig.

Also, schaut euch noch einmal an: Was magst du an dir? Dass du so lachen kannst? Dass du dich in andere gut reinversetzen kannst? Dass deine Beine dich doch ziemlich weit tragen?

Und Sie können sich noch einmal umschauen. Was finden Sie spannend am Nachbarn? Was fällt Ihnen positiv auf an der Nachbarin? Sagen Sie sich das auch einmal. Wie gut, dass wir einzigartig und verschieden sind. Ich möchte nicht in einer Welt leben, in der alle gleich sind. Wir sind kurz oder lang, dick oder dünn, rothaarig oder blond, können gut laufen oder schlecht, haben einen Sprachfehler oder sprechen Dialekt. Wir sind Männer oder Frauen oder rechnen uns dem dritten Geschlecht zu. Jungen oder Mädchen oder wissen es noch gar nicht genau, alt und jung, haben helle oder dunkle Haut. Gott hat Lust an der Vielfalt. Und wir sollten entdecken, dass Vielfalt schön ist. Dann können wir vielleicht auch schmunzeln über das, was abweicht von dem, was normal sein soll und uns freuen an dem, was es so alles gibt. Dann können wir auch über unsere Schwächen lächeln und müssen nicht immer versuchen, stark zu sein. Dann können wir gemeinsam sagen: Ich danke dir, dass ich wunderbar gemacht bin, wunderbar sind deine Werke.
Amen.

Gottesdienst am Sonntag, den 17. Juli 2022 - 5. Sonntag nach Trinitatis

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde,
herzlich willkommen zum Lesegottesdienst für Sonntag, den 17. Juli, es ist der 5. Sonntag nach Trinitatis.
Heute denken wir miteinander nach, was „Segen“ für uns bedeutet.
Der Wochenspruch, der uns durch die neue Woche begleiten kann, steht im Epheserbrief (Kap. 2, V. 8):
„Aus Gnade seid ihr selig geworden durch Glauben; und das nicht aus euch: Gottes Gabe ist es.“
Einen gesegneten Sonntag wünscht Pfarrerin Anke Mühlenberg-Knebel.

Wir beginnen mit dem Lied EG 444, 1-4 „Die güldene Sonne“.

Im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes.
Amen.

Lesungs- und Predigttext stehen im 1. Buch Mose, Kap. 12, 1-4a:
„Der Herr sprach zu Abram: Geh aus deinem Vaterland und von deiner Verwandtschaft und aus deines Vaters Hause in ein Land, das ich dir zeigen will. Und ich will dich zum großen Volk machen und will dich segnen und dir einen großen Namen machen, und du sollst ein Segen sein. Ich will segnen, die dich segnen, und verfluchen, die dich verfluchen; und in dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf Erden. Da zog Abram aus, wie der Herr zu ihm gesagt hatte.“
Amen.

Im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Amen.

Liebe Gemeinde, die Lebensgeschichte des Abraham ist ein wenig die Lebensgeschichte von uns allen. Es geht um Aufbruch und Ankommen, um Vertrauen und Zweifel. Hoffnung und Resignation gibt es, den Ruf Gottes und die Freiheit, ihn umzusetzen., Segen, der empfangen und weitergegeben wird. Von Abraham können wir lernen, was es heißt, auf Gott zu vertrauen. Und an seiner Lebensgeschichte entdecken wir, wie dieses Vertrauen nicht enttäuscht wird. Bei einigen fängt das Leben mit dem Schulabschluss an. „Jetzt geht es für mich richtig los.“ So drückt es die Abiturientin aus, die eben noch auf die Übergabe ihres Zeugnisses wartet. Jetzt erst mal Urlaub machen und dann zum Wintersemester mit dem Studium beginnen. Ein WG-Zimmer suchen, von zuhause ausziehen und ganz auf eigenen Beinen stehen. Abraham ist schon 75 Jahre alt, als es für ihn richtig losgeht, als Gottes Ruf ihn trifft.

Sein tiefes Vertrauen ist beeindruckend. Er ist ja schon ein alter Mann. Seine Frau Sara kaum jünger. Die Heimat in diesem Alter noch zu verlassen, will gut überlegt sein. Und dazu kommt: es wird noch nicht einmal der Name des Landes genannt, in das er ziehen soll. Die gewohnte Sicherheit steht auf dem Spiel. Für Menschen in der Antike ganz besonders. Auch, wenn Abraham sein ganzes bisherigen Leben als Nomade gelebt hat, ständig auf der Suche nach neuen, besseren Weideplätzen für sein Vieh. Aufbrüche hat es in der Menschheitsgeschichte immer wieder gegeben. Unzählige Menschen, die mit einem Mal alles verlassen mussten, was ihnen lieb und wichtig war. Auch sie wussten vorher nicht ganz genau, wo sich ihre Zukunft abspielen würde. Menschen aller Altersstufen: auf der Suche nach einer lebensfreundlicheren Umgebung, auf der Suche nach Arbeit, auf der Flucht vor Armut, Gewalt, Krieg. Und noch weitere Motive mag es gegeben haben, Abenteuerlust, Suche nach Freiheit…

Abraham aus der Bibel soll alles verlassen, was sein Leben ausmacht: die Heimat, den Schutz der Sippe, die Geborgenheit in der Familie. Die Zukunft ist ungewiss. Aber Gott gibt ihm eine Verheißung, einen Segen mit auf den Weg. „Ich will dich zum großen Volk machen und will dich segnen und dir einen großen Namen machen. Ich will segnen, die dich segnen und verfluchen, die dich verfluchen; und in dir sollen gesegnet sein alle Geschlechter auf Erden.“ Und Abraham macht sich auf den Weg, mit Sara, seiner Frau, und seinem Neffen Lot. Mit wenig Gepäck und einer großen Verheißung. Und mit einem unerschütterlichen Vertrauen, dass es so kommen wird, wie Gott es ankündigt. Dass da noch etwas aussteht, dass nicht das Beste schon hinter ihm liegt, dass der Aufbruch gelingen wird… Und dafür steht der Segen. Segen, was für ein vertrautes, gutes Wort. Was ist das eigentlich, wenn wir Segen empfangen und wo können wir ein Segen sein? Für jeden ist Segen etwas anderes. Was bedeutet Segen für Sie?

Segen ist eine Kraft, die immer da ist. So hat es Abraham mit seiner Familie erfahren, auch wenn es für diese Menschen nicht immer leicht war. Und wir alle sind durch Abraham und durch Israel, das Gottesvolk, in diesen Segen einbezogen, dürfen jeden Tag neu Segen in unserem Leben erfahren. „...in dir sollen gesegnet sein alle Geschlechter auf Erden“, so sagt Gott es zu Abraham. Das dürfen wir auch für uns hören, das gilt auch uns. Den Familien, die sich bald auf den Weg in den Urlaub machen werden. Den jungen Menschen, die mit ihrer Ausbildung oder einem Studium beginnen werden. Denen, bei denen es in der Ehe kriselt. Den alten Menschen und den Kranken. Denen, die einen geliebten Menschen verloren haben…

„Ich will dich segnen“, sagt Gott uns zu, wie er es zu Abraham gesagt hat. Segen ist eine Kraft, die immer da ist, haben wir gerade gehört. Nicht so, dass man es sofort wahrnimmt. Auch nicht so, dass uns Schweres immer erspart bliebe. Zwischen dem Aufbruch des Abraham und der Erfüllung von Gottes Verheißung, dem großen Volk und dem großen Namen, liegt ein langer Weg. Mit Abraham sind auch wir gesegnet. Dieser Segen gilt uns, egal, ob wir etwas davon spüren oder ob es gerade in unserem Leben ganz anders aussieht. Und oft wird dieser Segen durch Menschen vermittelt, sie werden selbst anderen zum Segen. Auch hier können wir einmal überlegen, an welchen Stellen wir selbst Segen empfangen haben und wo wir für andere segensreich gewesen sind. Aber auch, wo wir Segen ausgeschlagen haben oder nicht segenreich sein konnten. Liebe Geschwister, Segen wird durch Menschen weitergegeben: einst durch Abraham und die Erzväter und Erzmütter. Durch Israel, das Gottesvolk, aus dem unser Herr und Bruder Jesus Christus stammt. Durch Juden und Christen auf der ganzen Welt bis heute. Durch Sie und mich und durch so viele, die das nie von sich behaupten würden. Und darum, liebe Gemeinde, ist die Lebensgeschichte des Abraham ein wenig die Lebensgeschichte von uns allen.
Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft zu fassen vermag, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.
Amen.

Lied EG 170, 1-3 „Komm, Herr segne uns, dass wir uns nicht trennen“

 

Gottesdienst am Sonntag, den 10. Juli 2022 - 4. Sonntag nach Trinitatis

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde,
herzlich willkommen zur Lesepredigt für Sonntag, den 10. Juli 2022.
Im Kirchenjahr ist es der 4. Sonntag nach Trinitatis. Heute denken wir miteinader über das schöne Gesangbuchlied „Die güldne Sonne“ des Liederdichters Paul Gerhardt nach.
Einen gesegneten Sonntag und eine gute neue Woche wünscht Pfarrerin Anke Mühlenberg-Knebel

Im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Amen.

Lied EG 449, Strophe 1:
“Die güldne Sonne voll Freud und Wonne
bringt unsern Grenzen mit ihrem Glänzen
ein herzerquickendes,  liebliches Licht.
Mein Haupt und Glieder, die lagen darnieder,
aber nun steh ich, bin munter und fröhlich,
schaue den Himmel mit meinem Gesicht.“

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater und von dem Herrn Jesus Christus.
Amen.

Liebe Gemeinde, ein Mann steht aufrecht im Licht des Morgens. Seine Augen sind geschlossen; er reckt seinen Kopf dem Himmel entgegen. Er lässt sich von der Sonne bescheinen. Er lässt sich wärmen durch und durch. Er breitet die Arme aus und saugt das Licht in sich auf, tankt die Strahlen. Das Herz geht ihm auf. Alles, was gewesen ist, kann er hinter sich lassen. Seine bleierne Müdigkeit, die Dunkelheit der Nacht, die schweren Gedanken. Jetzt scheint die Sonne.

Die Gedanken des Liederdichters und Pfarrers Paul Gerhardts gehen zurück: wie oft hat er sich in seinem Leben doch als begrenzt erlebt. So war es schon oft, so ist es auch heute: dass er seine persönlichen Grenzen spürt. Zurzeit steht er gerade mittendrin in einem großen Streit. Mit dem mächtigsten Mann des Landes, mit Kurfürst Friedrich Wilhelm. Vor einigen Jahren hatte der Kurfürst das Toleranzedikt erlassen. Toleranz, das klang so wunderbar großzügig, aber es war eine Mogelpackung. Diese verordnete Toleranz sah vor, dass der reformierte-calvinistische Glaube zwangsweise im Land eingeführt wurde. Und das, obwohl 95 Prozent der Bevölkerung in Berlin-Brandenburg evangelisch waren. Die Pfarrer sollten sich von lutherischen Überzeugungen lösen, Taufpraxis und Bekenntnis ändern. Der Kurfürst wollte allen zeigen, wer der Herr im Haus ist. Es ging mehr um Macht als um Theologie. Da wollte Paul Gerhardt nicht mitmachen. Denn er wusste, wer sein Herr ist und wie er ihm dienen wollte. Gemeinsam mit anderen Kollegen unterzeichnete er ein Protestschreiben und riskierte den Konflikt mit der Staatsmacht. Dafür wurde er unter Druck gesetzt und verlor schließlich sein Amt als Pfarrer, da war er 59 Jahre alt.

All die dunklen Gedanken lässt er zurück, als er sich nach der Morgensonne ausstreckt. Er blinzelt ihr entgegen: Christus, du meine Sonne. So ergeht es ihm oft: wenn er in die Sonne schaut, dann wird er an Christus erinnert. An ihn, der in der dunkelsten Nacht am Rand der Welt in Bethlehem zur Welt kam An ihn, dessen Liebe und Zuneigung die Herzen der Menschen wärmte. An ihn, bei dessen Tod sich der Himmel verdunkelte und dessen Auferstehung alles bisher Gewesene in den Schatten stellte. Die Sonne am Himmel erinnerte ihn so oft an Christus, der scheint und scheint und nicht aufhören kann zu strahlen. Um ihn dreht sich alles in Paul Gerhardts Leben. Das ganze Universum dreht sich um ihn. 1666, in dem Jahr, in dem er des Amtes enthoben wird, dichtet Paul Gerhardt das vorliegende Lied.

Es macht Paul Gerhardt nicht blind, in diese Sonne zu schauen. Er ist kein Schwärmer. Er sieht sehr deutlich, was ist und vor sich geht. Auch das Dunkle und Schwere. Aber in allem und hinter allem leuchtet ihn für die Wirklichkeit Gottes auf. Er schaut den Himmel, und dieser Himmel spricht zu ihm vom himmlischen Jerusalem, vom himmlischen Gastmahl, mit dem Gott uns erwartet. Ein riesiges Fest, zu dem alle eingeladen sind, ohne Ansehen der Person, wunderbarversorgt vom Gastgeber. So ist Gottes Himmel, so wird es sein. Und diese Gewissheit, bei Gott gut aufgehoben zu sein, gibt ihm die Kraft, so viel Schweres zu ertragen. Er kann die Welt sehen und sich an ihr erfreuen. Aber sie ist nicht das letzte, sie ist durchsichtig auf Gott hin.

Str.3: „Lasset uns singen, dem Schöpfer bringen, Güter und Gaben, was wir nur haben, alles sei Gotte zum Opfer gesetzt! Die besten Güter sind unsere Gemüter, dankbare Lieder sind Weihrauch und Widder, an welchen er sich am meisten ergötzt.“ Was könnte Paul Gerhardt Gott geben für all das Gute, das er immer wieder in seinem Leben erfährt? Nichts, weder Zeit noch Geld noch Arbeitskraft. All das ändert nichts daran, dass die Sonne ihn bestrahlt. Immer wieder und umsonst. Aus sich heraus. Jeden Tag aufs Neue. Alle Versuche, Gott etwas zu geben, konnten nur zum Missverständnis führen, dass er mit ihm einen Kuhhandel einginge: Ich bin nett zu dir, Gott, damit du auch gut zu mir bist. Der Liederdichter hatte sich viel zu viel in die Theologie Martin Luthers vertieft und wusste: so ein Tauschhandel, wie er zwischen. Menschen üblich ist, den gibt es bei Gott nicht. Aber Gott um seiner selbst willen zu loben, ohne etwas dafür zu bekommen, das ging. Ihn zu loben, weil Gott so ist wie er ist, das ging. Ihn zu loben, weil er ihn liebt und sich geliebt wusste. Das Beste von allem war: alles, was ihn innerlich beschäftigte, Gott anzuvertrauen, was er fühlte und empfand. Zweifel, Fragen, die schlechte Laune, das Genervt sein, die Unruhe, die Traurigkeit. Das konnte in aller Stille geschehen. Dazu brauchte er gar nicht die Lippen bewegen. Das konnte er, indem er daran dachte. Er spürt, dass er Gottes Gegenwart immer klarer erlebte, wenn er sich ihm ehrlich und natürlich gegenüber verhielt. Dann wuchs seine Freude und die Sonne schien noch intensiver. Ja, das war seltsam. Denn eigentlich gab es viel Dunkels im Leben von Paul Gerhardt. Als er 14 war, starben seine Eltern. Als er noch ein Kind war, begann der große Krieg, der 30jährige, und als er endete, war er 41 Jahre alt. Er hatte bis dahin fast nichts anderes als Krieg erlebt. Und was für ein Krieg! Er sah, wie seine Nachbarstadt in Schutt und Asche gelegt wurde; die Menschen kamen um oder flüchteten. Er erlebte Pest, Hungersnot, Mordlust und Machtgelüste. 30 Jahre lang. Und als endlich alles vorbei war, lebte nur noch jeder zweite in deutschen Landen. Das ganze Land ein einziger Friedhof. Und das alles angeblich im Namen der Religion. Erst nach dem Krieg gründete er eine Familie. Er war schon fast 50. Und auch mit seiner Familie gab es wenig Glück und viel Leid. Nur 1 seiner 5 Kinder überlebte die ersten Jahre, seine Frau starb jung. Trotzdem bleibt er zutiefst davon überzeugt, dass Gott gut ist. Dass er nicht anders kann als die Menschen zu lieben in allem Chaos und Schmerz. So wie die Sonne immer da ist, auch hinter dunklen Wolken. Es ist ihm selbst wie ein Wunder, dass er es so empfindet. Aber es bricht immer wieder aus ihm heraus.

4.Str.:
“Abend und Morgen sind seine Sorgen;
segnen und mehren, Unglück verwehren
sind seine Werke und Taten allein.
Wenn wir uns legen, so ist er zugegen;
wenn wir aufstehen, so lässt er aufgehen
über uns seiner Barmherzigkeit Schein.“

Solche Worte von Herzen singen können, war eine Gnade. Dessen ist sich Paul Gerhardt bewusst. In einer Welt, die vollkommen aus den Fugen gerät, in der alle alles dürfen, mit Waffen übereinander herfallen, einander wegnehmen, wie man will. In einer Welt, wo es nichts mehr gibt, was die Menschen zusammenhält. Wo nur derjenige eine Chance hat, der Macht und Geld besitzt. Wo Werte nichts mehr zählen und jeder gegen jeden kämpft. In einer Welt, wo viele von einer neuen Ordnung sprechen, aber alles immer unübersichtlicher wurde. Da gibt es nur einen Orientierungspunkt für ihn: die Sonne Sie ist der Fixstern, der fest steht, auch wenn die Sonne zu wandern scheint. Wer anfängt, sein Leben nach Christus auszurichten, bekommt immer mehr Orientierung und Klarheit. Die Energie der Sonne ist immer da. Sie wirkt Tag für Tag. Und er erfährt auch: wer sich von dieser Sonne bescheinen lässt, wird geheilt. Vielleicht nicht sofort. Vielleicht für einen selbst kaum wahrnehmbar. Aber wer sich von der Liebe bescheinen lässt, wird gesund. Wer sich der Liebe aussetzt, dessen Wunden werden geheilt. Von innen her. Das geht manchmal nicht ohne Schmerzen. Wunden jucken und nässen, bevor sie zugehen. Es geht auch nicht ohne Narben. Die bleiben, sichtbar und unsichtbar. Aber Gott heilt, er kann nicht andres. Er ist ja das Leben selbst…

Und so blinzelt Paul Gerhardt in die Sonne. Er staunt über ihre Schönheit, über ihre Kraft, ihre Treue, ihre Klarheit und Verlässlichkeit, ihre heilende Energie trotz allen Dunkelheiten des Lebens. Und er summt ein kleines Lied, eine Melodie, die er einmal von einem Freund gehört hatte. Ein beschwingter Dreiviertel-Takt. Ja, das muss es sein. Das perfekte Zeitmaß, Abbild der göttlichen Dreieinigkeit und Harmonie. Eine heitere und frohe Melodie. Leicht von ganz oben sich tief ins Leben hinabbeugend. Und dann hinaufsteigend, alles Dunkle am Schluss auflösend. Str. 12:
„Kreuz und Elende, das nimmt ein Ende,
nach Meeresbrausen und Windessausen
leuchtet der Sonnen gewünschtes Gesicht.
Freude die Fülle und selige Stille
wird mich erwarten im himmlischen Garten,
dahin sind meine Gedanken gericht.“
Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft zu fassen vermag,
bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.
Amen.

 

Gottesdienst am Sonntag, den 12. Juni 2022 - Trinitatis

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde,
herzlich willkommen zum Lesegottesdienst für den Sonntag Trinitatis, dem ersten Sonntag nach Pfingsten (12. Juni 2022). An diesem Sonntag denken wir darüber nach, was es bedeutet, an Gott als den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist zu glauben. Um den dreieinigen Gott geht es auch im Wochenspruch aus 2. Kor. 13, 13:
„Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen.“
Amen.

Einen gesegneten Sonntag und eine gute neue Woche wünscht Pfarrerin Anke Mühlenberg- Knebel.

Am Anfang steht das Lied EG 139, 1-3 „Gelobet sei der Herr“

Im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Amen.

Gebet:
Dreieiniger Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist,
dich wollen wir loben und deinen Namen preisen.
Du gibst uns dein Wort und offenbarst uns darin deinen Willen.
Du beschenkst uns mit deiner Liebe und gehst dafür den  schwersten Weg.
Du umhüllst uns mit deiner Gegenwart, die uns innerlich neu werden lässt.
Hilf uns nun, dein Wort zu hören, deine Liebe zu spüren und uns innerlich zu öffnen.
Amen.

Lesung und Predigttext stehen im Epheserbrief, Kap. 1, Verse 1ff:
„Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns gesegnet hat mit allem geistlichen Segen im Himmel durch Christus. Denn in ihm hat er uns erwählt, ehe der Welt Grund gelegt war, dass wir heilig und untadelig vor ihm sein sollten; in seiner Liebe hat er uns dazu vorherbestimmt, seine Kinder zu sein durch Jesus Christus nach dem Wohlgefallen seines Willens, zum Lob seiner herrlichen Gnade, mit der er uns begnadet hat in dem Geliebten. In ihm haben wir die Erlösung durch sein Blut, die Vergebung der Sünden, nach dem Reichtum seiner Gnade, die er uns reichlich hat widerfahren lassen in aller Weisheit und Klugheit.“
Amen.

Glaubensbekenntnis:
Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen,
den Schöpfer des Himmels und der Erde.
Und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn.
Empfangen durch den Heiligen Geist,
geboren von der Jungfrau Maria,
gelitten unter Pontius Pilatus,
gekreuzigt, gestorben und begraben.
Hinabgestiegen in das Reich des Todes;
am dritten Tage auferstanden von den Toten, aufgefahren in den Himmel.
Er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters.
Von dort wird er kommen zu richten die Lebenden und die Toten.
Ich glaube an den Heiligen Geist,
die Heilige christliche Kirche, Gemeinschaft der Heiligen,
Vergebung der Sünden,
Auferstehung der Toten und das ewige Leben.
Amen.

Lied EG 184, 1-5 „Wir glauben Gott im höchsten Thron“

Predigt:

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und von dem Herrn Jesus Christus.
Amen.

Liebe Gemeinde, wir feiern heute das Trinitatisfest, das Fest des dreieinigen Gottes. Vater, Sohn und Heiliger Geist, so lautet unsere sperrige Formel, mit der wir in den Griff bekommen möchten, was eigentlich gar nicht wirklich zu begreifen ist: dass Gott für uns als Schöpfer, Erlöser und Vollender da ist. Er ist der Ursprung, er ist der Befreier, er ist der zuverlässige Begleiter. Trinitatis ist: Gott für uns, Fülle des Lebendigen. Vor allem Anfang, jeden Moment, für die Ewigkeit. Diesem Gott gibt sich der Verfasser des heutigen Predigttextes hin. Ein Schüler des Apostels Paulus, dessen Namen wir nicht kennen, hat diesen Text verfasst. Er schreibt überschwänglich, überwältigt. Seine Worte perlen, sie sind nicht einfach zu verstehen, deshalb fasse ich seine Worte zusammen: Du Mensch, du Christ, Kind Gottes, du gehörst nicht dir selbst, du gehörst Gott. Du bist erwählt, befreit, geliebt. Du bist sein.

„Ich bin dein, du bist mein“, diese Formulierungen kennen wir aus der Liebeslyrik. Wenn ich mit Brautpaaren spreche und mit ihnen gemeinsam den Traugottesdienst plane, dann frage ich oft: Was ist es denn genau, was Sie an ihm, an ihr lieben? Manchmal dauert es etwas, bis dann etwas verblüfft gesagt wird: Alles! Andere Paare zählen die wunderbaren Eigenschaften auf, die der Partner, die Partnerin hat. Ihr Lachen, seine Ruhe, ihre guten Ideen und ihre Energie, seine Treue und Zuverlässigkeit. Bei einem Brautpaar, das im letzten Jahr bei uns geheiratet hat, habe ich fast eine Seite vollgeschrieben, so viel erzählten die beiden übereinander und zählten staunend auf. So findet auch unser Briefschreiber keinen Halt im Staunen über die Liebe, die ihn mit Gott verbindet und Gott mit ihm. Der heutige Predigttext für Trinitatis ist der längste Satz im griechischen Urtext des Neuen Testamentes. Der ganze Text ist eigentlich nur ein einziger Satz. Da schreibt einer, der so überwältigt und erfüllt ist von der Liebe. Und doch…

Und doch stirbt auch an diesem wunderbaren sonnigen Tag alle 5 Sekunden ein Kind an Hunger. Und doch: wir erfahren aus den Nachrichten erschreckende Informationen über die neuesten Entwicklungen im Ukrainekrieg. Und doch: wir erfahren auch im Alltag Leere und Dunkel und Tod. Da wird eine Schülerin gemobbt. Da trennt sich schon wieder ein Ehepaar, hier bekommt ein enger Freund eine schwerwiegende Diagnose. Soziale Gräben werden breiter… Wir spüren, dass vieles so nicht weitergehen kann und dann doch wieder so weitergeht, in unserer Welt, in unserem Land, unserer Gesellschaft.

Dorothee Sölle, die Theologin und Poetin, sagt in einem Gedicht, dass sie dem Lobpreis Gottes, persönlich betrachtet, das Recht abspricht: „Ich hätte nichts gegen Gott, wenn er sich an seine Versprechen halten würde.“ Die großen Theologen der ersten christlichen Jahrhunderte haben sich den Kopf zerbrochen über die Trinität Gottes. Manchmal gerieten sie darüber in gewaltige und auch gewalttätige Streitereien. Wir heute stellen immer wieder die Frage nach dem Leiden und nehmen, wo es geht, Zuflucht bei dem Gekreuzigten. Er ist für uns gestorben, durch ihn haben wir Erlösung…Die Theologen der ersten christlichen Jahrhunderte suchten immer wieder Antworten auf die Frage: wie geht es in Gott selbst zu? Wie genau ist er nun in sich eins als Vater, Sohn, Heiliger Geist? Die Theologen und Theologinnen der letzten Jahrhunderte suchten immer wieder Antworten auf die Frage: wie ist Gottes Güte und Liebe vereinbar mit dem Leiden seiner Geschöpfe? „Man muss da, wo es schwer wird, beginnen, Gott zu loben.“ So hat einmal jemand gesagt, der es schwer hat. Ein beeindruckender Satz. Da, wo es schwer wird, beginnen, Gott zu loben? Könnte das Lob gerade in schwierigen Zeiten Zuflucht sein? „Ist es etwas Großes, dass die Engel Gott loben?“, hat ein Theologe einmal spöttisch gefragt? „Nein“, antwortet er selbst, „denn wenn wir an ihrer Stelle wären, würden wir es auch tun.“ Und er setzt fort: „Aber dass Hiob auf seinem Misthaufen Gott lobte, das war etwas Großes und dieses Lob gefiel Gott besser als das Lob der Engel.“

Liebe Gemeinde, wer anfängt zu loben, hört auf zu jammern, kreist nicht mehr nur um sich selbst, beginnt Gott als Mitte zu nehmen und ihm zu danken. Der Blick und das Herz weiten sich, gehen vom irdischen Misthaufen zum Himmel. Wie wäre es, wenn wir das in den nächsten Wochen, in der langen Trinitatiszeit, die jetzt beginnt, zumindest immer mal wieder ausprobieren würden? Es gibt Menschen, die haben eine besondere Begabung, andere zu loben. Und zwar ehrlich, weil sie aufmerksam sind und sich über die kleinen oder großen Dinge des Alltags freuen können und nichts selbstverständlich nehmen. Sie loben die Verkäuferin, die gut beraten hat; den Nachbarn, der seinen Garten so schön bepflanzt hat, die eigenen Kinder, wenn sie zum Besuch kommen, wie großartig es ist, Kinder zu haben. Viel verbreiteter sind ja die, die andere herabsetzen möchten mit ihren abfälligen Bemerkungen und einem das Leben schwer machen, leider. Loben tut gut. Auch das Gotteslob. Loben verändert die Wahrnehmung, verbreitet Helligkeit und Freude, die von oben kommt. Wissenschaftler haben erforscht, dass schon beim Singen fröhlicher Lieder Glückshormone ausgeschüttet werden. Loblieder verändern das Leben. Sogar, wenn man vorher bedrückt war oder traurig, man singt und geht ganz auf in der Musik und auf einmal ist man ganz woanders, in einer anderen Welt. Trinitatis, dieses schöne Fest lädt uns ein, das Leben wie ein Loblied anzustimmen, trotz allem immer wieder und darauf zu vertrauen, dass Gottes Weisheit alles umschließt: Glück und Leid, Leben und Sterben, Anfang und Ende. Am Ende sind wir noch immer bei ihm, als Glaubende, als Erlöste, befreit zum Lob seiner Herrlichkeit.
Amen.

Lied NL 68, 1-4 „Lobe den Herrn, meine Seele“

Fürbitten:
Dreieiniger Gott, du bist unser Schöpfer, Vater und Mutter unseres Lebens,
du beschenkst uns täglich neu mit Lebendigkeit.
Du bist uns in Jesus Christus zum Bruder geworden, öffnest uns die Augen für deine Liebe.
Du bist uns nahe im Heiligen Geist,  der uns als Gemeinde zusammenruft.
Wir bitten dich, dass du uns teilhaben lässt an deiner Lebendigkeit,
dass du alles Leblose in uns und um uns überwindest,
dass du uns Kraft und Mut schenkst, uns für das Leben, die Liebe und den Frieden einzusetzen.
Amen.

Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name,…

Segen:

Gott, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist,
segne und behüte dich auf all deinen Wegen.
Amen.

Lied NL 61 „Jesus Christus segne dich“

 

Gottesdienst am Sonntag, den 05. Juni 2022 - Pfingsten

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde, herzlich willkommen zum Lesegottesdienst für das Pfingstfest 2022.
Damals, am ersten Pfingstfest, hat Gott den Jüngern Jesu den Heiligen Geist geschickt. Sie werden von großer Freude erfüllt; sie spüren, dass Gott ihnen nahe ist. Sie erfahren, was in einem alten Gebet so gesagt wird:
„Wo ich gehe, wo ich stehe, bist du, lieber Gott, bei mir. Wenn ich dich auch niemals sehe, weiß ich dennoch, du bist hier.
D as sollen alle Menschen erfahren. Die Jünger gehen auf die Straßen und Plätze der Stadt Jerusalem und predigen. Hier ist der Ursprung unserer christlichen Gemeinden und Kirchen. So feiern wir das Pfingstfest als Geburtstag der Kirche Jesu Christi.
Gesegnete Pfingsten wünscht Pfarrerin Anke Mühlenberg-Knebel.

Wir beginnen mit dem Lied EG 136, 1.2.8 „O komm, du Geist der Wahrheit.“

Im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Amen.

Gebet:
Du, Gott des Himmels, schenkst uns deinen Geist, dass er uns innerlich erneuert.
Wir bitten darum, dass wir deinen Geist noch mehr spüren und wahrnehmen,
dass wir ermutigt werden, wo uns Angst erfüllt,
dass wir zur Freude geführt werden, wo wir uns in unsere Trauer zurückziehen.
Dass wir uns für die Gemeinschaft deiner Kinder begeistern,
statt in uns selbst verschlossen zu bleiben.
Dies bitten wir im Namen deines Sohnes Jesus Christus,
der mit dir und dem Heiligen Geist lebt und wirkt in Ewigkeit.
Amen.

Wir hören die Pfingstgeschichte,
wie sie in der Apostelgeschichte, Kap. 2, Verse 1-12, aufgezeichnet ist:

Und als der Pfingsttag gekommen war, waren sie alle an einem Ort beieinander. Und es geschah plötzlich ein Brausen vom Himmel wie von einem gewaltigen Wind und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen. Und es erschienen ihnen Zungen zerteilt, wie von Feuer; und er setzte sich auf einen jeden von ihnen, und sie wurden alle erfüllt von dem heiligen Geist und fingen an zu predigen in anderen Sprachen, wie der Geist ihnen gab auszusprechen. Es wohnten aber in Jerusalem Juden, die waren gottesfürchtige Männer aus allen Völkern unter dem Himmel. Als nun dieses Brausen geschah, kam die Menge zusammen und wurde bestürzt; denn ein jeder hörte sie in seiner eigenen Sprache reden. Sie entsetzten sich aber, verwunderten sich und sprachen:
Siehe, sind nicht diese alle, die da reden, aus Galiläa? Wie hören wir denn jeder seine eigene Muttersprache? (...) Wir hören sie in unseren Sprachen von den großen Taten Gottes reden. Sie entsetzen sich aber alle und wurden ratlos und sprachen einer zu dem andern:
Was will das werden?
Andere aber hatten ihren Spott und sprachen:
Sie sind voll von süßem Wein.
Amen.

Lied EG 648, 1-3 „Ins Wasser fällt ein Stein“

Predigt:

Gnade sie mit euch und Friede von Gott, unserem Vater und von dem Herrn Jesus Christus.
Amen.

Liebe Gemeinde, wir feiern das Pfingstfest. Genauso wichtig wie Weihnachten und Ostern, aber bei den Menschen viel unbekannter. An Pfingsten kommt kein Christkind, auch kein Osterhase, da kommt der Heilige Geist. Damit man sich darunter etwas vorstellen kann, wird der Heilige Geist oft mit dem Symbol Wind dargestellt. Aus zwei Gründen passt das gut. 1. In der Bibel wird das Kommen des Heiligen Geistes mit einem gewaltigen Wind verglichen. 2. Und an Pfingsten erinnern wir uns, dass Gott durch seinen Heiligen Geist immer wieder frischen Wind in unser Leben bringt und wir nicht allein auf unsere Kraft angewiesen sind. Denken wir an die Jüngerinnen und Jünger, die Pfingsten beieinandersitzen. Sie haben erlebt, dass Jesus lebt, aber sie wagen nicht, es anderen weiterzusagen. Sie sitzen hinter verschlossenen Türen ohne Mut und voll Angst vor Verfolgung. Doch dann schenkt Gott ihnen seinen Geist. Sie verspüren neue Kraft und fangen an zu predigen.

Liebe Gemeinde, wir sitzen zum Glück nicht hinter verschlossenen Türen aus Angst vor Verfolgung. Aber es sind andere Ängste und Erfahrungen, die uns den Mut nehmen und den freien Blick auf den nächsten Tag versperren-gerade so, als würden wir hinter verschlossenen Türen sitzen. Das können bei alten und kranken Menschen die Sorgen sein, wie es bei ihnen weitergeht, wenn sie selbst immer weniger tun können. Bei Jüngeren ist es die Frage, wie sie Familie und Beruf miteinander vereinen können. Und es wird ihnen alles manchmal viel zu viel; sie haben das Gefühl, sie selbst bleiben auf der Strecke. Das kann die Frage sein:
“Was gibt es in meinem Leben, an dem mich noch freuen kann.“ Das kann die Enttäuschung über einen Menschen sein, der unfreundlich mit einem umgegangen ist. Das kann die bohrende Frage sein:
„Hat Gott mich vergessen? Hört er mich mit meinem Gebet und mit meinen Fragen?“ Das ist bei vielen von uns die Sorge um den Frieden in dieser Welt, um das Klima, um die Zukunft unseres Planeten. Doch dann geschieht etwas, mit dem man nicht zu rechnen wagte. Trotz Schmerzen und Sorgen und Ängsten ist Freude da über den neuen Tag, der einem geschenkt wurde; trotz allem, was einen belastet, ist da auf einmal doch Zuversicht und Vertrauen; ein neuer Weg, der sich zeigt. Und wir hoffen und beten, dass auch in die verfahrene Situation des Ukrainekrieges wieder Bewegung kommen wird!

Liebe Gemeinde,
das Pfingstfest will uns erinnern und Mut machen. Wir können in unserem Leben mit mehr rechnen, als es uns unsere Erfahrungen sagen. Wo Gottes Geist am Werk ist, da kommt ein frischer Wind in unser Leben, nicht immer wie ein Sturm, manchmal auch wie ein leises Säuseln- aber trotzdem erfrischend und belebend. Denken Sie an die Wärme der letzten Tage. Selbst ein kleiner Windhauch tut uns da schon gut. Wo Gottes Geist am Werk ist, da kann Neues entstehen, kann Sorge sich in Zuversicht und Missmut sich in Freundlichkeit verwandeln.

Noch ein zweiter Gedanke ist wichtig. Wir können den Heiligen Geist nicht herbeizwingen. Er weht, wo er will und wann er will. Wenn Neues in unserem Leben geschieht und Unerwartetes, dann ist das ein Geschenk Gottes an uns, ein Wunder, das uns geschieht. So sagte einmal eine Frau in einem Gespräch: “Ich glaube an Gott und vertraue ihm. Da müsste ich doch viel fröhlicher und zuversichtlicher sein. “Liebe Gemeinde, von „müssen“ kann keine Rede sein. Vertrauen zu können, wenn die eigene Kraft nicht reicht, fröhlich zu sein auch in der Sorge, dass das sich nicht selbst machen lässt. Sondern auch das ist ein Werk des Heiligen Geistes. Doch eines können wir, immer wieder darum bitten:
„O, komm, du Geist der Wahrheit, und kehre bei uns ein“. Hören wir nicht auf, damit zu rechnen und darauf zu hoffen:
Trost, Rat und Tat, Frieden und Geleit auf dem Weg, all das kann Gott wie einen frischen Wind in unser Leben bringen.
Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft zu fassen vermag,
bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.
Amen.

Lied EG 182, 1.2.9 „Halleluja“

Fürbitten:
Gott, wir feiern Pfingsten, das Fest deines Heiligen Geistes, wir bitten dich:
Schenke uns Gaben deines Geistes, dass wir deine Schöpfung genießen und bewahren.
Schenke uns Gaben deines Geistes, dass wir uns an deiner Nähe freuen und den Tod nicht fürchten. Schenke uns Gaben deines Geistes, dass wir andere Menschen in Freundlichkeit annehmen.
Schenke uns Gaben deines Geistes,
dass wir uns wieder zutrauen, Gerechtigkeit und Frieden herzustellen.
Schenke uns Gaben deines Geistes, dass wir auch loslassen können, was uns Sorgen macht.
Schenke uns Gaben deines Geistes, dass wir die Menschen sehen, die uns stützen und tragen.
Schenke uns und deiner ganzen Kirche auf Erden Gaben deines Geistes,
dass wir in der Welt deinen Namen zu Ehren bringen.
Amen.

Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name, …

Segen:
Der Segen Gottes komme über dich und bleibe bei dir von nun an bis in Ewigkeit.
Amen.

Lied EG 171, 1 und 4 „Bewahre uns, Gott, behüte uns, Gott“

 

Gottesdienst am Sonntag, den 29. Mai 2022 - Exaudi

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde,
herzlich willkommen zum Lesegottesdienst für den Sonntag Exaudi am 29. Mai 2022; es ist der 6. Sonntag nach Ostern.
Der Wochenspruch, der uns in der neuen Woche begleiten wird, steht im Johannesevangelium Kapitel 12, Vers 32:
„Christus spricht: Wenn ich erhöht sein werde von der Erde, so will ich euch alle zu mir ziehen.“
Einen gesegneten Sonntag und eine gute neue Woche wünscht Pfarrerin Anke Mühlenberg-Knebel.

Wir beginnen mit dem Lied EG 447, 1.2.6.7 „Lobet den Herren, alle, die ihn ehren“

Im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Amen.

Gebet:
Herr, unser Gott. Du kennst mich.
Du weißt, was mich freut und was mir Angst macht.
Meine Wünsche, Hoffnungen und meine tiefste Sehnsucht.
Bei dir ist alles gut aufgehoben.
Dafür danke ich dir.
Amen.

Der Lesungs- und zugleich der Predigttext steht im Epheserbrief, Kapitel 3, Verse 14- 21:
„Deshalb beuge ich meine Knie vor dem Vater, der der rechte Vater ist über alles, was da Kinder heißt im Himmel und auf Erden, dass er euch Kraft gebe nach dem Reichtum seiner Herrlichkeit, stark zu  werden durch seinen Geist an dem inwendigen Menschen, dass Christus durch den Glauben in euren Herzen wohne und ihr in der Liebe eingewurzelt und gegründet seid. So könnt ihr nun mit allen Heiligen begreifen, welches die Breite und die Länge und die Höhe und die Tiefe ist, auch die Liebe Christi erkennen, die alle Erkenntnis übertrifft, damit ihr erfüllt werdet mit der ganzen Gottesfülle. Dem aber, der überschwänglich tun kann über alles hinaus, was wir bitten oder verstehen, nach der Kraft, die in uns wirkt, dem sei Ehre in der Gemeinde und in Christus Jesus zu aller Zeit, von Ewigkeit zu Ewigkeit!“
Amen.

Predigt:

Liebe Gemeinde,
„Fürbitte des Apostels für die Gemeinde“, so lautet die Überschrift des heutigen Predigttextes in der Lutherbibel: Paulus oder wahrscheinlicher einer seiner Schüler, der sich auf ihn bezieht, geht in die Knie und betet: für die Christen in Ephesus. Er tut das nicht im stillen Kämmerlein oder in einer der Hauskirchen jener Zeit. Einer betet im Gefängnis, in Ketten, wie es an anderer Stelle im Epheserbrief heißt. Weder Schmerzen noch Angst lassen den Todeskandidaten seine fernen Schwestern und Brüder vergessen: „Fürbitte des Apostels für die Gemeinde.“ Die acht Verse des Sonntags gewähren uns einen Blick in das Herz des Absenders: Lebendig, warm, durchblutet ganz von der Liebe Gottes, klammert er sich nicht an das eigene Leben, sondern betet für seine Geschwister im Herrn, im auferstandenen Herrn. Ist das nicht ein wunderschönes Gebet, mit Worten, die funkeln und leuchten? Ein Gebet, das Gott überschwänglich feiert und zugleich seiner Gemeinde selbstlos dient? Wollen wir mit allen Heiligen der Bewegung dieses Betens jetzt nachgehen? Vielleicht geschieht, was auch dem briefschreibenden Gefangenen geschah: alles, was uns sonst das Leben schwer macht, all unsere Ketten können uns nicht abhalten: von der Freude an Gott und dem Blick auf die anderen.

„Deshalb beuge ich meine Knie vor dem Vater…“

Als Theresia an diesem Sonntag von der Kirche nach Hause kommt, auf ihren Bauernhof in Bayern, kann sie es noch immer nicht fassen. So durcheinander ist sie, dass ihr der gute Sonntagsbraten nicht schmecken mag. Sie beteiligt sich gar nicht am Tischgespräch ihrer Familie. Nur ihrer Enkelin fällt etwas auf: Oma, bist du traurig, fragt sie. Die Gespräche verstummen, alle Blicke richten sich auf sie. Kann ja nicht sein, Theresia ist nicht traurig. Die hat ihre gottgeschenkte Fröhlichkeit und ihren Glauben. Ich bin dann mal weg, so sagt sie gelegentlich, wie bei diesem Buch von Hape Kerkeling. Dann pilgert sie nicht nach Santiago de Compostella, sondern nur herüber in die kleine Kapelle am Berg und nach einer halben Stunde ist sie wieder da.

Die Kapelle wird zugemacht, sagt sie jetzt. Gottesdienste nur noch an Weihnachten, Ostern und Pfingsten. Wir sollen sonntags einfach in die moderne St. Stephanus-Kirche im Tal gehen. Da gibt es nämlich Fußbodenheizung. Aber noch nicht einmal Kniebänke! In einer katholischen Kirche! Ich weiß gar nicht, was ich jetzt machen soll. Während ihre Enkelin sie besorgt anschaut, ist ihr Sohn schon wieder praktisch. Ist doch kein Problem, ich fahr dich runter und hole dich hinterher wieder ab. Auch ihre Schwiegertochter meints sicher gut: Theresia, weißt du, das Knien ist eh nichts mehr für dich. Man kann auch im Sitzen beten. Das ist überhaupt nicht dasselbe, denkt Theresia und schiebt ihren Teller weg. Im Sonntagsblatt hat sie einen Spruch von Papst Johannes dem XXIII. gelesen: „Nie ist der Mensch größer, als wenn er kniet.“

„..der der rechte Vater ist über alles, was da Kinder heißt im Himmel und auf Erden…“ Greifen Sie spontan zu, hatte die Therapeutin mit aufmunterndem Lächeln gesagt und die farbenfrohen Karten einfach in die Mitte gelegt: Das sind Lebenskarten…Suchen Sie sich Ihre Botschaft aus, bei der Sie spüren: Dieser Satz ist wichtig für mich. Der stärkt mein inneres Kind.“ Helmut hatte sich die Reha überhaupt nicht so vorgestellt. Vieles von dem, was die Therapeutin hier in der Gruppe erzählt, ist ihm fremd, eine ganz andere Welt: „mein inneres Kind?“ Was soll das sein? Und doch spürt Helmut: das tut mir gut. Dass ich mir Zeit nehme, über mich nachdenken kann. Allmählich glaubt er sogar, dass er aus der Tretmühle aussteigen kann, die zu seinem Zusammenbruch geführt, zu diesem Burnout geführt hat. Im Einzelgespräch hat er mit seiner Therapeutin lange über seine Eltern gesprochen. Über die großen Erwartungen, die er als einziger Sohn und Ältester erfüllen sollte: Junge, sei stark! Das war so eine gutgemeinte Parole. Streng dich an, dann kannst du alles erreichen. Eigentlich hatte er auch alles erreicht. Nur seine Ehe war auf der Strecke geblieben, seine Frau hatte irgendwann kein Verständnis mehr für seine Verpflichtungen, für sein Nicht-Abschalten-Können, auch wenn er Feierabend hatte. Und obwohl seine Frau ihm das Allerwichtigste war, konnte er den Alltag nicht ändern.

In der wöchentlichen Andacht, die in der Reha angeboten wurde und die er besucht hatte, hatte der Pfarrer darüber gesprochen, dass die Bibel Gott immer wieder als Vater und Mutter beschreibt ähnlich und doch ganz anders als menschliche Eltern. Von bedingungsloser Liebe hatte er gesprochen, das war bei Helmut im Kopf geblieben. Gottes Kinder müssen nicht stark sein. Bei unserem Vater im Himmel dürfen wir uns zeigen wie wir sind: schwach und bedürftig.

Mit den anderen aus seiner Therapiegruppe steht Helmut jetzt auf und greift sich die Karte, die ihn sofort angelacht hat: Ich bin wertvoll, steht darauf,…weil ich wertvoll bin.

Wie, das kostet gar nichts? Die Mutter, die ihre kleine Tochter zum ersten Mal zum Kinderbibeltag in meiner früheren Gemeinde am Sonntagvormittag ins Gemeindezentrum bringt, ist ganz überrascht. Die ganzen Bastelsachen, die ihr hier habt für die Kinder. Und ein Frühstück gibt es heute auch noch. Und das alles umsonst?

Die Mutter staunt, als ich ihr erkläre, dass wir uns freuen über jedes Kind, das den Kinderbibeltag besucht und dass wir extra keine Teilnahmegebühren erheben, damit auch Kinder, deren Eltern wenig Geld haben, teilnehmen können. Dass unsere Gemeinde dafür Gelder bereitstellt.

Das wusste ich gar nicht, dass es das von der Kirche so gibt, sagt sie.

Liebe Geschwister,
die Mutter und ihr Kind beim Kinderbibeltag am Sonntagvormittag. Helmut, der eigentlich beruflich so erfolgreiche Ingenieur und die alte Bäuerin Theresia, deren Spur ich über einen Bericht im Internet fand. Sie standen mir vor Augen, als ich jene Worte aus dem Herzen des unbekannten Briefschreibers zu Herzen nahm.

Theresia, die nicht nur die Hände falten, sondern vor Gott in die Knie gehen will: Beten betrifft den ganzen Menschen. Nicht nur Seele und Geist, sondern meinen Körper. Manche sagen: im Knien betet es sich besser. Zumindest anders. Vielleicht sollte man es einfach mal ausprobieren.

Das kommt bei uns Evangelischen nur noch selten vor, vielleicht noch bei der Hochzeit oder der Konfirmation, vielleicht beim Abendmahl in einer evangelischen Gemeinde in Bayern.

Helmut hat erst durch einen Zusammenbruch erkannt („mit allen Heiligen begriffen“, wie es im Epheserbrief heißt), was es bedeutet, Kind Gottes zu sein…

Eltern geben meistens das Beste - und machen doch Fehler. Gutgemeinte Parolen werden zu inneren Antreibern. Streng dich an, benimm dich, sei lieb, beeil dich…Mitunter bleibt der eigene Mensch da auf der Strecke. Der Mensch, den Gott gemeint hat- in dir und in mir. Einmalig, unverwechselbar, zum Leben befreit. Spielräume des Himmels werden dann nicht mehr erkannt. Das darf nicht sein: Du bist wertvoll, weil du Gott wertvoll bist.

Die Mutter mit ihrem Kind beim Kinderbibeltag. Sie hat das immer so erfahren: nichts ist umsonst, man bekommt nichts geschenkt. Für sie und für ihre kleine Tochter ist dieser Vormittag ein kleines Wunder, ein Wunder für die Sinne: freundliche Gesten, ein leckeres Frühstück, Lieder und Bibelgeschichten, Spiele und Basteln, Kinder und Mitarbeitende, die schöne zweieinhalb Stunden verbringen und ein Gott, der einen einfach so beschenkt…

„Dem aber, der überschwänglich tun kann über alles hinaus, was wir bitten oder verstehen nach der Kraft, die in uns wirkt, dem sei Ehre in der Gemeinde und in Christus Jesus in aller Zeit, von Ewigkeit zu Ewigkeit!“

Darum will ich auch schließen mit einem Lobpreis für ihn, nach einem Gebet von Anton Rotzetter: „Wie munteres Vogelzwitschern am Morgen ist deine Liebe, Gott. Wie Kirchenglocken am Sonntag ist deine Liebe, Gott. Wie gelöstes Singen bei einem Glas Wein ist deine Liebe, Gott. Wie frisches Wasser an einem heißen Tag ist deine Liebe, Gott. Wie ein Brief in einsamer Stunde ist deine Liebe, Gott. Wie gutes Bauernbrot für leeren Magen ist deine Liebe, Gott. Wie Freundlichkeit unter Fremden ist deine Liebe, Gott. Wie ein Spaziergang in den ersten Frühlingstagen ist deine Liebe, Gott. Wie eine zarte Hand nach schwerer Arbeit ist deine Liebe, Gott. Wie Musik von Mozart ist deine Liebe, Gott. Wie Flügel des Himmels ist deine Liebe, Gott.
Amen.

Lied EG 501, 1-3 „Wie lieblich ist der Maien“

Vaterunser im Himmel,…

Segen:
Der Herr segne dich und behüte dich.
Der Herr lasse leuchten sein Angesicht über dir und sei dir gnädig.
Der Herr erhebe sein Angesicht auf dich und schenke dir Frieden.
Amen.

 

Gottesdienst am Sonntag, den 22. Mai 2022 - Rogate

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde, herzlich willkommen zum Lesegottesdienst für den Sonntag Rogate (22. Mai 2022); es ist der 5. Sonntag nach Ostern. Er möchte uns Mut machen zum Beten. Dazu passt der Wochenspruch aus Psalm 66, Vers 20, der uns durch die neue Woche begleiten wird: „Gelobt sei Gott, der mein Gebet nicht verwirft, noch seine Güte von mir wendet.“ Einen gesegneten Sonntag wünscht Pfarrerin Anke Mühlenberg-Knebel.

Am Anfang steht das Lied EG 334, 1-4 „Danke für diesen guten Morgen“.

Im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Amen.

Gebet:
Herr, wir sind zu dir gekommen, damit du uns das Beten lehrst.
Lass uns aus dem Gebet heraus unseren Tag beginnen und mit Gebet unseren Tag beschließen.
Lass dich in unseren Gebeten suchen und finden.
Amen.

Lesungs- und zugleich Predigttext ist heute ein Abschnitt aus dem Kolosserbrief, Kap. 4, V. 2-6:
„Seid beharrlich im Gebet und wacht in ihm mit Danksagung! Betet zugleich auch für uns, auf dass Gott uns eine Tür für das Wort auftue und wir vom Geheimnis Christi reden können, um dessentwillen ich auch in Fesseln bin, auf dass ich es so offenbar mache, wie ich es soll. Verhaltet euch weise denen gegenüber, die draußen sind und kauft die Zeit aus. Eure Rede sei allezeit wohlklingend und mit Salz gewürzt, dass ihr wisst, wie ihr einem jeden antworten sollt.“

Glaubensbekenntnis: „Ich glaube an Gott, den Vater,…

Lied NL 116, 1-4 „Da wohnt ein Sehnen tief in uns“

Predigt:

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und von dem Herrn Jesus Christus.
Amen.

Liebe Geschwister! Ein Text aus den frühen Zeiten des Christentums, ein Ausschnitt aus einem Brief. Vielleicht geht ja vieles einfach nahtlos weiter bis heute. „Seid beharrlich im Gebet und wacht in ihm mit Danksagung! Betet zugleich auch für uns, auf dass Gott uns eine Tür für das Wort auftue…“ Seid beharrlich im Gebet! Viele Menschen sind das. Manchmal bin ich ganz überrascht, wie viele Menschen mir sagen: Ich bin zwar kein Kirchgänger, Sie werden mich kaum im Gottesdienst sehen, aber es vergeht kein Tag, an dem ich nicht die Hände falte und bete. Andere wiederum tun sich schwer damit. Sie meinen, Beten nützt nichts; es ist besser, selbst aktiv zu werden, statt auf die Hilfe Gottes zu warten. Beten ist nicht selbstverständlich, wahrscheinlich war es das nie. Wer betet heute und was hat es mit dem Beten auf sich?

1.Sportler und Sportlerinnen beten. Fußballer. Sie bekreuzigen sich, sie schauen nach einem Torerfolg mit geöffneten Händen zum Himmel. Manche tragen religiöse Tattoos. Sollen so die Siegchancen erhöht werden? Spieler und Fans der Gegenseite beten aber auch, dann stünde Gebet gegen Gebet? Es gibt aber auch Fußballer, die sich ernsthafte Gedanken machen. Einer, „Chicharito“, sagt: „Es tut mir unheimlich gut zu beten, deswegen spreche ich mit Gott, so oft es geht, wie mit einem besten Freund. Kurz vor dem Anpfiff des Spiels knie ich mich hin und bitte Gott um Bewahrung für beide Mannschaften.“ Von Mesut Özil, einem Muslim, ist bekannt, dass er sogar während der Nationalhymne betet. Das gibt ihm Kraft und Zuversicht. David Alaba sagt: „Ein Leben ohne Gott ist wie Fußball ohne Ball. In jeder Minute meines Lebens steht Gott neben mir.“ Auch auf dem Rasen ist Gott ihm nahe: “Ich kommuniziere auch während des Spiels viel mit Gott. Bei Unterbrechungen und kurzen Pausen spreche ich mit Gott und bin mir immer wieder bewusst, dass er für mich da ist und Kraft und Intuition schenkt.“

2. Wir leben in einem modernen, demokratischen, säkularen Staat. Religion wird ermöglicht und geschützt, ist aber nicht vorgeschrieben. Dass wir diese Freiheit haben, ist ein Segen. Aber es gibt auch gläubige und betende Politiker, quer durch alle Parteien. Der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann sagt:“ Das Vaterunser ist für mich das Gebet schlechthin. In diesem Gebet fühle ich mich aufgehoben. Bei Gott, bei Jesus, bei den Menschen, die mir nah und fern sind. Und es passt immer.“ SPD-Ministerpräsidentin Manuela Schwesig ist ohne Bezug zum christlichen Glauben aufgewachsen und hat später durch engagierte Christinnen und Christen zum Beten gefunden: „Beten erdet mich. Beten kann Kraft geben, uns mit anderen Menschen zu verbinden und etwas zu verändern.“ Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen (CDU), hat als Jugendliche erlebt, beim Tod ihrer jüngeren Schwester, wie Gebete geholfen haben, das Unfassbare zu akzeptieren und Halt zu finden. Bodo Ramelow von den Linken, Ministerpräsident von Thüringen, meint: „Ich bete nicht, weil ich den Kinderglauben hätte, dass der liebe Gott herabsteigt und meine Probleme löst. Ich akzeptiere schlicht, dass es mehr gibt als das, was menschlicher Geist allein zu fassen vermag. Daraus will ich Kraft schöpfen.“

Im Glauben begründet zu sein und zugleich eine vernünftige Politik zu machen, das ist kein Widerspruch, im Gegenteil.

3. Wir beten in jedem Gottesdienst. Nicht nur hier, aber auf jeden Fall hier. Alle Gebetsformen kommen im Gottesdienst vor, Danken und Loben, Klagen und Bitten, Für-Bitten. Wir danken dafür, dass wir überhaupt Gottesdienst feiern dürfen. Wir loben Gott in der Liturgie: “Ehre sei Gott in der Höhe.“ Wir klagen Gott den Unfrieden auf der Erde; so viele Friedensgebete gab und gibt es, seit der Krieg in der Ukraine begonnen hat. Wir bitten für uns selbst für inneren Frieden, wir beten für die Welt und für Menschen bei uns. Auch wer gerade nicht betet und selbst der, der niemals betet, benutzt diese verschiedenen Gebetsformen ständig. Überprüfen Sie das einmal bei sich selbst: das Gespräch mit der Nachbarin, das Telefonat mit Kindern oder Freunden. Selbst in kleinen Floskeln kommen sie vor. Der Dank: Danke, mir geht’s gut. Das Lob: Ich bin überwältigt und könnte die ganze Welt umarmen. Oder ganz schlicht: Gut siehst du aus! Die Klage: So ein Mist! Die Bitte: Ich hoffe, das wird wieder! Die Fürbitte: Ich wünsche dir gute Besserung!

Wir Christinnen und Christen bedenken unser Leben vor Gott, unseren Alltag, die Welt, was uns beschäftigt und bewegt, mal laut gesprochen, mal singend, mal im inneren Gespräch. In der Kirche tun wir es mit Worten, bei denen sich möglichst viele wiederfinden können. Deshalb sind Gebete in der Kirche, auch wenn wir PfarrerInnen uns bemühen, meist etwas allgemeiner, formelhafter, „langweiliger“ sagen manche. Richtig ans Eingemachte geht es im persönlichen Gebet: an unterschiedlichen Orten gesprochen. Still für sich in der Kirchenbank, aber auch woanders, beim Radfahren, beim Musikhören, bei der Gartenarbeit, beim ruhigen Sitzen auf der Bank oder in einer schlaflosen Nacht.

Denn:
„Seid beharrlich im Gebet und wacht in ihm mit Danksagung!
Betet zugleich auch für uns, auf dass Gott uns eine Tür für das Wort auftue."
Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft zu fassen vermag,
bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.
Amen.

Lied EG 369, 1.2.3.7 „Wer nur den lieben Gott lässt walten“

Fürbitten: bitte heute einmal selbst überlegen, wofür/für wen man beten möchte…

Alle unsere Bitten fassen wir zusammen im Vaterunsergebet: Vater unser im Himmel,…

Segen:
Gott segne dich und behüte dich auf all deinen Wegen.

Lied EG 610, 1.2 „Herr, wir bitten, komm und segne uns

 

Gottesdienst am Sonntag, den 15. Mai 2022 - Kantate

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde,
herzlich willkommen zum Gottesdienst am Sonntag, dem 15. Mai.
Dieser Sonntag trägt den schönen Namen „Kantate“, das bedeutet „Singt!“.
In unserer Gemeinde werden an diesem Tag zehn junge Leute konfirmiert.
Unser Lesegottesdienst gibt diesmal einen Einblick in dieses wichtige Fest des Glaubens.
Einen gesegneten Sonntag wünscht Pfarrerin Anke Mühlenberg-Knebel.

Wir beginnen mit dem Lied NL 2, 1.2 „Aus den Dörfern und aus Städten“

Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Amen.

Psalm 23:
Derr Herr ist mein Hirte, mir wir nichts mangeln.
Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser.
Er erquickt meine Seele.
Er führt mich auf rechter Straße, um seines Namens willen.
Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal, fürchte ich kein Unglück;
denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich.
Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde.
Du salbest mein Haupt mit Öl und schenkest mir voll ein.
Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang,
und ich werde bleiben im Hause des Herrn immerdar.
Amen.

Gebet:
Herr, wir feiern Konfirmation.
An diesem besonderen Tag suchen wir nach Antwort, was wichtig ist für unseren eigenen Weg.
Darum bitten wir, dass du uns schenkst, was wir brauchen:
Worte, die weiterhelfen,
Vertrauen, das mutig macht,
Liebe, die uns lieben lässt,
Hoffnung für unser Leben und für diese Welt.
Amen.

Lied EG 648, 1-3 „Ins Wasser fällt ein Stein“

Predigt:

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und von dem Herrn Jesus Christus.
Amen.

Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, liebe Festgemeinde!
Der Psalm 23, den wir zu Beginn miteinander gesprochen haben, hat in eurer Konfizeit eine besondere Rolle gespielt. Fast jeden Unterrichtsnachmittag haben wir mit einer Andacht oben im Kirchraum der Christuskirche begonnen. Und haben dabei den Psalm 23 gebetet (An dieser Stelle herzlichen Dank an die Konfirmandin, die so oft die laminierten Texte ausgeteilt und wieder eingesammelt hat.).

An den letzten Nachmittagen haben wir uns mit einer Traumreise, Rätselfragen (z.B.: welche Tiere werden im Psalm genannt? Antwort: keine), selbstgestalteten Bildern und einer eigenen Version sehr intensiv mit diesem schönen Text beschäftigt. Gott ist wie ein zuverlässiger Hirte für die Tiere, die mit ihm in der weiten und unüberschaubaren Bergwelt Israels unterwegs sind. Manchen hat dieser Text gefallen, hat berührt- trotz des Abstands von 3000 Jahren. Ihr könnt ihn mittlerweile sogar auswendig. „Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. Er weidet mich auf einer grünen Aue, führt ans frische Wasser, ist selbst im finstersten Tal mit dabei“.

Auf uns Menschen, auf euch junge Leute übertragen, verstehe ich das Bild von Gott als dem guten Hirten so: Gott kennt euch, manchmal besser als ihr euch selbst. Er weiß, wie es euch geht. Wie selbstbewusst oder wie schüchtern ihr gerade seid, unter welchen Konflikten ihr gerade leidet, auch, was euch aufbaut, guttut, wo es gut läuft bei euch. So, wie der Hirte, der seine Tiere auf immer wieder neue Wege führt, macht er euch Mut: „Traue dir was zu, entdecke deine Möglichkeiten, mach was aus dem, was in dir steckt. Ich steh dir zur Seite. Sei der Mensch, als den ich dich gedacht habe. Ein einzigartiger, wunderbarer Mensch. Auf geheimnisvolle Weise bin ich da in deinem Leben.“ Und manchmal ist das genau wichtig für uns, dass uns das jemand zusagt. Da glaubt man nicht so richtig an sich, ist unsicher. Das kennt ihr. Wie gut, wenn da andere bei uns sind, die uns Mut machen: Eltern, Freundinnen und Freunde, Lehrerinnen, Trainer und: Gott. Gott glaubt an uns.

In den biblischen Geschichten, da machen Menschen oft die Erfahrung, dass Gott auch dann dableibt, wenn alle anderen gegangen sind. Vor wenigen Wochen in der Passionszeit, an Gründonnerstag, Karfreitag und Ostern haben wir die Geschichten von Verrat und Verleugnung, von Gewalt und Mord gehört. Jesus hat das alles durchleben müssen. Da haben wir es wieder gehört und sogar gefeiert: Gott bleibt auch dann an unserer Seite, wenn es eng wird, von ihm geht so viel Kraft und Trost aus. Und das ist nicht einfach eine Floskel, das haben Menschen so erlebt. Solche, von denen die Bibel erzählt, aber auch Leute von heute. Menschen, die vielleicht heute mit in dieser Kirche sind und mit uns Konfirmation feiern. Die haben schon Schweres durchmachen müssen: eine schlimme Krankheit bei sich selbst oder anderen, haben geliebte Menschen verloren, sind bei der Arbeit gescheitert, eine Ehe ist in die Brüche gegangen. Ein finsteres Tal, in dem sie sich dadurch wiederfanden. „Aber im Rückblick“, so sagen manche von ihnen,“ da hat der Glaube mir Kraft gegeben. Gott hat mir Kraft gegeben.

„Wenn ich meinen Glauben nicht gehabt hätte, …“ Das höre ich gar nicht so selten, wenn ich Menschen aus unserer Gemeinde besuche. Und wenn ich das so höre, bewegt mich das, macht mich stolz auf unseren Glauben und auf Gott. Darum geht es doch, wenn wir Konfirmation feiern, die Segenskraft Gottes für euch erbitten. Zugleich habt ihr aber auch die Erfahrung gemacht: Gott ist kein Automat: Gebet oben rein-Hilfe unten raus. Oder wie beim Pizzataxi: man gibt die Bestellung durch und dann kommt das gewünschte Essen. Dass das selbst das beim Pizza-, bzw. Dönertaxi nicht immer so klappt, haben wir beim Konfisamstag erlebt. Eine unserer Essensbestellungen wurde doch falsch geliefert. Und der Konfirmand hatte so viel Geduld und wartete, bis das richtige Essen für ihn kam. Und da gibt es dann doch eine Parallele zu unserem christlichen Glauben. Da brauchen wir manchmal auch ganz schön viel Geduld. Wir denken: Das, was mir das Leben jetzt gerade vorsetzt, hab´ ich nicht bestellt! Das mag ich nicht! Ihr versteht, wie ich das meine. Oder wir fragen: Hat Gott mich vielleicht vergessen? Mit Gott ist es wohl noch etwas anders, hintergründiger. Manchmal merkt man erst im Nachhinein, dass wir in der schwierigsten Situation in Gottes Hand waren.

So ist das also mit unserem Gott, dem guten Hirten, dem Lebensbegleiter, nicht immer einfach oder berechenbar. Nicht der harmlose liebe Gott aus unseren Kindertagen, aber der Gott der Liebe; einer, der da ist, auf seine Weise da ist, der zu euch hält, verlässlich, kraftvoll, ermutigend. Wie schön, das zu ahnen, zu spüren, darauf zu vertrauen.

In wenigen Minuten werdet ihr den Segen dieses Gottes empfangen. „Ja“, sagt Gott, „ich freue mich und bin stolz darauf, dass diese meine 10 Töchter und Söhne jetzt so groß geworden sind, keine Kinder mehr, sondern Jugendliche auf dem Weg ins Erwachsenenleben. Denen gebe ich sehr gerne heute das an Segenskraft weiter, was sie brauchen, um unbeschwert und zuversichtlich ihren Weg zu finden und zu gehen.
Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft zu fassen vermag, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.
Amen.

Lied EG 317, 1-5 „Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren“

Einsegnung der zehn Jugendlichen

Fürbitten:
Herr, wir bitten dich:
Lass die zehn Konfirmierten heute einen unvergesslichen Tag erleben, an dem sie erfahren: wir werden ernst genommen und sind wichtig.
Herr, manchmal gehen wir lieber eigene Wege.
Wir denken, das Leben mit dir sei langweilig.
Oder wir müssten nur Dinge tun, die uns keinen Spaß machen.
Hilf mit, dass wir alle den Weg herausfinden, der für uns gut ist.
Für unsere Gemeinde beten wir, dass junge und alte Menschen einen Platz in ihr haben, dass wir aufeinander hören und miteinander reden und für die da sind, die uns brauchen.
Wie wird es weitergehen mit unserer Welt?
Mit dem Krieg und mit dem Frieden unter Menschen und Völkern, mit deiner Kirche bei uns, in der Welt?
Herr, höre unsere Fragen und Sorgen!
Wir vergessen dich oft, aber du bleibst uns nahe. Gut zu wissen, dass du zu uns hältst.
Lass uns Vertrauen haben zu dir.

Alles, was wir Gott sonst noch sagen möchten, sagen wir mit den Worten des Vaterunsergebetes:
Vater unser im Himmel, …

Segen:
Der Herr segne dich und behüte dich.
Der Herr lasse leuchten sein Angesicht über dir und sei dir gnädig.
Der Herr erhebe sein Angesicht auf dich und schenke dir Frieden.
Amen.

Lied: EG 395, 1-3 „Vertraut den neuen Wegen“

Gottesdienst am Sonntag, den 08. Mai 2022 - Jubilate

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde,
herzlich willkommen zum Lesegottesdienst für den Sonntag Jubilate.
Es ist der 3. Sonntag nach Ostern. An diesem Maisonntag denken wir über das Geschenk der Liebe nach. Ein passendes Thema, denn kein anderer Monat feiert die Liebe so sehr wie der Mai. Der Wochenspruch für die neue Woche steht im 2. Korintherbrief, Kap. 5, Vers 17:
„Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden.“
Einen gesegneten Sonntag und eine gute neue Woche wünscht Pfarrerin Anke Mühlenberg-Knebel

Wir beginnen mit dem Lied EG 510, 1-4 „Freuet euch der schönen Erde“

Im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Amen.

Gebet:
Herr, dir verdanken wir unser Leben.
Meistens denken wir nicht daran, wie kostbar das Leben ist.
Hilf uns, dass wir nicht einfach so in den Tag hineinleben.
Lass uns achtsam und liebevoll leben.
Amen.

Die biblische Lesung und der Predigttext stehen im Johannesevangelium, Kap. 15, Verse 9- 12:
„So, wie der Vater mich liebt, habe ich euch meine Liebe erwiesen. Bleibt in dieser Liebe! Wenn Ihr meine Gebote befolgt, dann bleibt ihr in meiner Liebe, so wie ich die Gebote meines Vaters befolgt habe und in seiner Liebe bleibe. Ich habe euch dies gesagt, damit meine Freude euch erfüllt und an eurer Freude nichts mehr fehlt. Dies ist mein Gebot: Ihr sollt einander so lieben, wie ich euch geliebt habe.“
Amen.

Glaubensbekenntnis: Ich glaube an Gott, den Vater,…

Lied EG 648,1-3 „Ins Wasser fällt ein Stein“

Predigt Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und von dem Herrn Jesus Christus.
Amen.

Liebe Geschwister, wir Menschen sehnen uns nach Liebe. Ich denke an die Traugespräche, die ich führe. Wie schön ist das, wenn zwei Menschen ihre Gefühle zueinander entdecken und beschließen, ihren Weg gemeinsam zu gehen. Oder wenn ich kranke, pflegebedürftige Menschen besuche, die von ihrem Mann, ihrer Frau gepflegt werden. Was hier Menschen füreinander tun, weil sie sich liebhaben. „Ich hätte auch nicht gedacht, dass ich das alles so tun könnte, aber wenn man jemanden wirklich lieb hat…“, so sagen sie dann Im heutigen Predigttext kommt das Wort Liebe“ in diesen wenigen Versen gleich 7mal vor. Dabei geht es nicht nur um die zwischenmenschliche Liebe, sondern auch um die Liebe Jesu Christi zu uns Menschen, die von Gott selbst herkommt. Sie ist wie ein Gottesgeschenk. Durch Jesus haben wir eine Vorstellung von Gottes Liebe zu uns Menschen bekommen. Ich stelle mir vor, wie Jesus damals die Blinden, Lahmen und Tauben, die Außenseiter der Gesellschaft durch Liebe überwältigt hat, wie er ihre Seelen berührte, wie er ihnen Selbstvertrauen und Lebensmut wiedergab und ihnen die Vergebung der Sünden zusprach. Bleibt in dieser Liebe, sagt Jesus, befolgt meine Gebote. Wie sollen wir heute von dieser Liebesdimension erfahren?

Dazu gibt es eine Geschichte, „Das Hochzeitsgeschenk“. Irgendwo sollte eine Hochzeit gefeiert werden. Die Brautleute hatten nicht viel Geld, aber dennoch sollten viele Leute mitfeiern. Geteilte Freude ist doppelte Freude, dachten sie. Sie wünschten sich ein großes Fest mit vielen Gästen. Warum sollte unsere Freude nicht ansteckend sein, fragten sie sich. Unter den Menschen herrscht ohnehin mehr Leid als Freude. So baten sie die Eingeladenen, je eine Flasche Wein mitzubringen. Am Eingang würde ein großes Fass aufgestellt, in das sie den Wein gießen könnten. Jeder sollte auf seine Weise die Gabe des anderen trinken u. jeder mit jedem froh sein. Als nun das Fest eröffnet wurde, liefen die Kellner zu dem großen Fass und schöpften daraus. Doch wie groß war das Erschrecken, als sie merkten: es war nur Wasser darin. Jeder hatte gedacht: Die eine Flasche Wasser, die ich hineingieße, wird niemand merken oder. schmecken. Und so kam es, dass nur Wasser in dem Fass war und kein Wein, als das Fest begann.

Natürlich könnte man die Geschichte so deuten, dass man sagt: „Traue niemandem in deinem Leben“. Ich möchte sie jedoch lieber etwas anders auslegen: Wer ein schönes Fest haben will, muss etwas zum Fest beitragen. Und dann gelingt das Fest. Auf das Leben übertragen: Wer etwas vom Leben erwartet, muss auch etwas einbringen. Der muss sich bemühen, dass er seinen Mitmenschen nicht nur Wasser vorsetzt, sondern auch vollmundigen spritzigen Wein. Der muss spüren lassen: Ich bin den anderen Menschen gegenüber wohlgesonnen. Ich versuche, liebevoll zu leben in allen Bezügen meines Lebens.

Unser Predigttext spricht ja sowohl von der menschlichen als auch von der Liebe Jesu, in der sich Gottes Liebe zeigt. Liebe Gemeinde, was bringt Gott denn in unser Leben ein? Schmecken wir den vollmundigen, spritzigen Gotteswein in unserem Leben? Wir erleben das wohl unterschiedlich. Wenn ich an ein neugeborenes Kind oder an ein glückliches Brautpaar denke, dann fällt es leicht von Gottes Liebe zu reden. Und von der Freude, die einen erfüllt. Bei einem Besuch im Krankenhaus bei einem schwerkranken Menschen, bei  einem einsamen und verzweifelten Menschen im Altenheim oder in einer Trauerfamilie, bei der Begegnung mit traumatisierten Flüchtlingen, dann kommt mir das Wort von der Liebe Gottes nicht so ohne weiteres über die Lippen. Wie kann ich jemandem von Gottes Liebe erzählen, der diesen liebenden und erbarmenden Gott gar nicht spürt? Sind das nicht nur fromme, schnell dahingesagte Trostworte, um das Gewissen zu beruhigen? Wie schwer ist es, bei einem Menschen in Not zu sein und einfach zu schweigen. Und doch gibt uns der Bibeltext einen Hinweis, wie ich auch dort glaubwürdig von Gottes Liebe sprechen kann:“ So, wie der Vater mich liebt, liebe ich euch. Bleibt in dieser Liebe. Ihr sollt einander so lieben, wie ich euch geliebt habe.“

Gerade dort, wo wir einander Liebe zeigen, wird Gott erfahrbar. Das ist Liebe im Alltag, in der Familie, bei der Arbeit, bei einem ehrenamtlichen Engagement, z.B. im Besuchsdienst oder der Flüchtlingshilfe. Diese Liebe wird sichtbar, wenn ich das Unbegreifliche aushalten kann, wenn ich bleiben kann, wenn ich die Hand halte, wenn ich ausharre. Im Bleiben und Ausharren zeigt sich die Liebe, eine Liebe, die göttlich und menschlich zugleich ist. Gerade in extremen Situationen unseres Lebens brauchen wir Menschen, die bleiben, die nicht weglaufen, wenn sich nicht schnell Auswege und Antworten finden lassen. Wir haben das Gefühl, diesen oder jenen Menschen, den schickt uns der Himmel. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass jeder von uns so eine Erfahrung schon einmal gemacht hat. Manchmal trauen wir uns nicht so recht, uns davon zu erzählen, haben es vielleicht auch schon verlernt. Unser Alltag ist eben doch sehr vom Negativen, von schlechten Nachrichten bestimmt. Da kommt uns das Schöne und Gelungene und Frohmachende vielleicht manchmal auch etwas zu banal vor.

Liebe kommt lautlos, wir spüren sie nicht immer. Auch Gottes Liebe spüren wir nicht immer. Und dennoch ist sie da. (Und aus dieser Liebe können wir nicht herausfallen. „Wenn Ihr meine Gebote haltet, dann bleibt ihr in meiner Liebe. Ihr bleibt, seid schon von Anfang an darin.) Gottes Liebe wird erfahrbar, wenn Menschen sich den Krug ihres Lebens mit vollmundigem, spritzigem Wein füllen lassen. Sie wird sichtbar als etwas Schönes, das Gott und unsere Mitmenschen und wir selbst in unser gemeinsames Leben einbringen.

Vielleicht müssen wir dieser Liebe nur etwas mehr vertrauen, so wie der Kabarettist Hans-Dieter Hüsch, er kommt vom Niederrhein wie ich: „Wen der Himmel retten will, dem schenkt er die Liebe. Ich setze auf die Liebe. Schluss.“

Amen

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft zu fassen vermag, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.
Amen.

Lied EG 432, 1-3 „Gott gab uns Atem“

Fürbitten: Herr, du wendest dich uns Menschen zu. Du bist denen nah, die Hilfe und Halt brauchen. Deine Vergebung hilft Menschen, neu anzufangen. Ermutige uns, dass wir uns anderen Menschen zuwenden und einander in Liebe begegnen. Lass uns Verantwortung füreinander und für die schöne Welt, die du uns anvertraut hast, übernehmen und für Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung eintreten.
Amen.

Vater unser im Himmel,…

Segen: Gott segne und behüte dich auf allen deinen Wegen.
Amen.

Lied EG 659, 1-4 „Die Erde ist des Herrn“

 

Gottesdienst am Sonntag, den 01. Mai 2022 - Misericordias Domini

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde,
herzlich willkommen zum Lesegottesdienst für den Sonntag Misericordias Domini (Barmherzigkeit des Herrn); es ist der 2. Sonntag nach Ostern, der auch den Namen „Hirtensonntag“ trägt. Es geht um Jesus Christus als den guten Hirten. Im Wochenspruch kommt er selbst zu Wort: „Christus spricht: Ich bin der gute Hirte. Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie und sie folgen mir; und ich gebe ihnen das ewige Leben.“ (Johannes 10, 11a.27-28a)
Eine gesegnete Woche wünscht Pfarrerin Anke Mühlenberg-Knebel.

Wir beginnen mit dem Lied EG 455, 1-3 „Morgenlicht leuchtet“

Im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Amen.

Psalm 23:
Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.
Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser.
Er erquickt meine Seele.
Er führt mich auf rechter Straße, um seines Namens willen.
Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal, fürchte ich kein Unglück;
denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich.
Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde.
Du salbest mein Haupt mit Öl und schenkest mir voll ein.
Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang,
und ich werde bleiben im Hause des Herrn immerdar.
Amen.

Predigt:

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und von dem Herrn Jesus Christus.
Amen.

Liebe Geschwister, es gibt kaum einen anderen Psalm, kaum einen anderen Bibeltext, der uns so vertraut ist wie der Psalm 23. Für viele Menschen gehört er immer noch zum eisernen Vorrat oder zum Restbestand dessen, was sie aus der Bibel auswendig wissen.

Kranke und sterbende Menschen sind auf diese Worte hin ansprechbar. Manche zeigen, wenn sie diese Worte hören, noch einmal eine Reaktion, obwohl das von ihrem Zustand her gar nicht zu erwarten war.

Die Konfirmandinnen und Konfirmanden unserer Gemeinde sprechen den Psalm 23 in der Andacht, die am Anfang jeder Unterrichtsstunde steht, in Luthers bekannter Übersetzung. Sodass sie ihn schließlich auswendig können. Sie sollen ihn so griffbereit haben für alle Fälle und auch für den letzten Schritt, den ein Mensch in seinem Leben zu gehen hat. Neulich haben sie die Verse des alten Textes einmal in ihrer Sprache ausgedrückt und eigene Formulierungen aufgeschrieben. Diese eigene Version des Psalmes kann man am Ende dieses Lesegottesdienstes einmal anschauen und nachbeten. Die Worte und die Bilder von Psalm 23 wollen Gott nah an den betenden Menschen heranbringen. Als dieser Text vor 3000 Jahren in Israel entstand -er wird König David zugeschrieben-, da wussten die Menschen, was ein Hirt alles zu tun hat. Wie er verantwortungsvoll für die Tiere sorgt. Und wie sie ihm vertrauen und auf seine Stimme hören. Der Hirte kommt in der ersten Hälfte des Textes vor.

In der zweiten Hälfte spielt das Bild von Gott als dem guten Hirten hinüber in das Bild des Wirtes. Auch das war den Menschen bekannt und wichtig: Gastfreundschaft, Aufnahme und Geborgensein, der gedeckte Tisch und der voll eingeschenkte Becher. Und das im Angesicht meiner Feinde, aber doch von Gott geschützt und sicher.

Der Psalm 23 will uns Mut machen, unter allen Umständen mit Gott zu rechnen. Er will in unser Leben hineingezogen werden in guten und in bösen Tagen. Wenn wir an einem reich gedeckten Tisch sitzen und das Leben genießen. Und genauso, wenn wir im finsteren Tal wandern und Angst haben vor dem Leben und vor dem Sterben. Gott ist bei uns, er hält mit uns unser Leben aus. Unser Leben, das zwischen Glück und Unglück hin- und hergeworfen wird.
Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft zu fassen vermag, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.
Amen.

Lied EG 274, 1 und 5 „Der Herr ist mein getreuer Hirt“

Psalm 23 in der Formulierung unserer Konfirmandengruppe:
Gott ist mein Beschützer, mir wird es an nichts fehlen.
Er bringt mich zur Nahrung und stillt meinen Durst.
Gott tut mir gut.
Mit Ihm verirre ich mich nicht.
Und ob ich schon schlechte Tage hatte, fürchte ich mich nicht,
denn du bist bei mir und beschützt mich.
Du nimmst mich gastfreundlich bei dir auf und hältst die Feinde von mir weg.
Gott, du schenkst mir die Fülle des Lebens mit allen Möglichkeiten.
Du lädst mich ein, mich auf das Leben einzulassen.
Gott wird immer bei mir sein, und ich werde immer an ihn glauben.
Amen.

Vater unser im Himmel,…

Segen:
Gott segne dich und behüte dich auf allen deinen Wegen.
Amen.

Lied EG 575, 1-3 „Segne und behüte“

 

Gottesdienst am Sonntag, den 24. April 2022 - Quasimodogeniti

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde!
Herzlich willkommen zum Lesegottesdienst für den 1. Sonntag nach Ostern.
Er trägt den Namen „Quasimodogeniti“; aus dem Lateinischen übersetzt heißt das „wie die neugeborenen Kinder“. Gemeint ist: wie die neugeborenen Kinder nach Milch verlangen, so verlangen Christinnen und Christen nach dem Heil in Christus. Durch die Taufe haben wir Anteil an seinem Tod und an seiner Auferstehung. Darauf weist unser heutiger biblischer Lesungs-Text aus dem Kolosserbrief hin. Bei den ersten Christen fanden die Taufen meist in der Osternacht statt. Die weißen Gewänder, die sie dabei trugen, wurden dann auch am darauffolgenden Sonntag noch einmal angelegt. Deshalb wird unser heutiger Sonntag auch „Weißer Sonntag“ genannt. Wir nehmen ihn zum Anlass, einmal über unsere eigene Taufe nachzudenken.
Herzliche Grüße, Ihre/Eure Pfarrerin Anke Mühlenberg-Knebel

Wir beginnen mit dem Lied EG 99 „Christ ist erstanden von der Marter alle“

Im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes.
Amen.

Gebet:
Herr, wir danken dir, dass du deinen Sohn Jesus Christus auferweckt hast, damit wir leben.
Wir bitten dich: lass uns die Kraft der Auferstehung erfahren.
Amen.

Lesung: Kolosserbrief, Kapitel 2, Vers 12:
„Mit Christus seid ihr begraben worden durch die Taufe; mit ihm seid ihr auch auferstanden durch den Glauben aus der Kraft Gottes, der ihn auferweckt hat von den Toten.“
Amen.

Ansprache:

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und von dem Herrn Jesus Christus.
Amen.

Liebe Schwestern und Brüder, vielleicht denken Sie/denkt ihr jetzt, Taufe, das hat doch vor allem mit kleinen Kindern zu tun und nichts mit mir. Meine eigene Taufe liegt doch schon lange zurück! Das ist richtig. Wissen Sie/wisst ihr denn, wann und wo Sie/ihr getauft worden sind/wurdet? Die meisten von uns wurde als kleine Kinder getauft. Kennen Sie/kennt ihr den Taufspruch, der damals ausgewählt wurde? Wer wurde Taufpate oder Taufpatin? Es ist wichtig, immer wieder einmal über die Taufe nachzudenken, denn sie hat eine Bedeutung für unser ganzes Leben. Die Grundlage für unser Nachdenken ist ein Bibelwort aus dem Buch des Propheten Jesaja, Kapitel 43, 1, der oft bei Taufen gesprochen wird: „So spricht der Herr, der dich geschaffen hat: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst, ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein.“

Liebe Geschwister, was bedeutet das für uns, dass uns ganz am Anfang unseres Lebens von Gott dieses Wort zugesprochen wurde? „Fürchte dich nicht, ich habe dich erlöst.“ Erlöst sein, losgemacht von allem, was uns belastet und beschwert, das wäre schön. Und bestimmt könnte jeder und jede von uns etwas benennen, von dem man erlöst, befreit sein will- von Schmerzen, von Trauer, von einer quälenden Erinnerung, von Sorgen, die wir uns um andere oder um uns selbst machen. Zurzeit ist es bei vielen Menschen die angstvolle Frage, wie es mit unserer Welt weitergehen wird. In unserem Bibeltext sind zwei Dinge gemeint, von denen wir erlöst sind. Zum einen, von dem, was wir in unserem Leben falsch gemacht haben, wo wir schuldig geworden sind. Und wenn wir an die Lebensjahre denken, die hinter uns liegen, was gab es da nicht alles an Schuld und Versäumnissen! Doch schon bei unserer Taufe, als wir ganz jung waren, da wurde uns zugesagt: Nichts kann dich von Gott trennen. Gott liebt dich so sehr, dass er dich niemals aufgibt, du kannst dich ihm immer wieder zuwenden und neu anfangen. Durch das Wasser der Taufe bist du vor Gott immer wieder wie ein neuer Mensch, gereinigt von dem, was zwischen dir und Gott und zwischen dir und deinen Mitmenschen steht. Es ist abgewaschen, und du stehst sauber da Deshalb auch die Tradition des weißen Taufkleides. Ihr Lieben, mit diesem Versprechen kann man manches aus unserem Leben, was einen aus der Vergangenheit plagt und beschäftigt, Gott anvertrauen und dann gut sein lassen. Und noch ein Zweites gilt: Wir sind erlöst von der Macht des Todes. Es ist wahr, dass unser aller Leben einmal zu Ende gehen wird. Und es sind Menschen in unserer Familie, im Freundes- und Bekanntenkreis, die das gerade bei einem lieben Angehörigen erleben mussten Vielleicht haben wir selbst vor kurzem einen geliebten Menschen verloren. Aber schon bei unserer Taufe wurde uns verheißen: Jesus Christus ist uns den Weg durch den Tod in ein neues Leben vorausgegangen. Das haben wir gerade erst zu Ostern gefeiert. Im Vertrauen auf ihn werden auch wir diesen Weg gehen. Wir sollen nicht im Tod bleiben, sondern zu einem neuen Leben bei Gott geführt werden. Als in früheren Zeiten es üblich war, dass der Täufling ganz untergetaucht wurde, da haben das die Menschen sozusagen am eigenen Leib erfahren. Das Untertauchen war wie eine Erfahrung des Todes und das aus dem Wasser Herausgezogenwerden wie der Übergang in ein neues Leben. Und dann ist da der zweite Teil des Satzes aus dem Propheten Jesaja:“ Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein.“ Leider habe ich selbst kein so sehr gutes Namensgedächtnis. Und obwohl ich hier vor Ort schon viele Menschen kennengelernt habe, fällt mir doch manchmal nicht der richtige Name ein.  Das ist mir dann auch ziemlich peinlich, wenn ich auf Anhieb nicht den richtigen Namen weiß. Wir freuen uns ja, wenn sich jemand die Mühe macht und unseren Namen gut behält und uns dann damit auch ansprechen kann. Das tut uns gut, wir fühlen uns wertgeschätzt. Gott sagt zu uns:“ Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein.“ Das heißt doch: Gott kennt uns, und er hat uns Zeit unseres Lebens nicht aus den Augen verloren. Auch, wenn wir kein außergewöhnliches Leben führen, keine Berühmtheit geworden sind, sondern ein ganz normales, einfaches Leben haben, dann gilt doch: Es ist ein Leben aus Gottes Hand, von Gott geachtet, geliebt und wertgeschätzt. Es ist ein Leben, zu dem Gott gesagt hat: Du bist mein. Du gehörst zu mir. Vom Reformator Martin Luther wird berichtet, dass er sich in schweren Zeiten seines Lebens mit Kreide auf den Tisch schrieb: Ich bin getauft. Mit dieser geschriebenen Erinnerung vor Augen, dass er zu Gott gehört und dass niemand ihm diesen Platz bei Gott nehmen kann, damit konnte er Zweifel, Sorgen, Anfechtungen bewältigen. Die meisten von uns, liebe Schwestern und Brüder, wurden bereits als kleine Kinder getauft. Das, was damals versprochen wurde, das gilt für unser ganzes Leben, es gilt im Sterben und über den Tod hinaus. „So spricht der Herr: Fürchte dich nicht, ich habe dich erlöst, ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein.“ Wie ermutigend und tröstlich, wenn wir uns daran immer wieder erinnern. Amen Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft zu fassen vermag, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.

Fürbitten: Wir bitten: hilf uns, dass wir dir vertrauen können. Durch unsere Taufe gehören wir zu dir. Du bist gestorben, damit wir leben können. Wir sind erlöst und befreit. Nichts kann uns mehr von Gottes Liebe trennen.
Amen.

Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name,…

Segen: So segne dich der allmächtige und barmherzige Gott, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist.
Amen.

Lied EG 100, 1-3 „Wir wollen alle fröhlich sein“

 

Gottesdienst am Ostersonntag, den 17. April 2022

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde,
herzlich willkommen beim Lesegottesdienst zum Osterfest 2022.
Der Ostergruß der frühen Christenheit möge uns durch die Osterzeit begleiten:
„Der Herr ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden. Halleluja!“

Gesegnete Feiertage wünscht Pfarrerin Anke Mühlenberg-Knebel.

Lied EG 559, 1-3: O herrlicher Tag, o herrliche Zeit

Im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Amen.

Gebet:
Herr, mein Gott, wir feiern Ostern.
Wir feiern, dass du den Tod besiegt hast.
Dass dein Sohn Jesus Christus auferstanden ist.
Wir wissen: unser Leben hier auf der Erde ist noch gezeichnet von Krankheit und Leid, von Not und Tod.
Aber seit Ostern dürfen wir darauf vertrauen, dass du uns im Leben wie im Sterben zur Seite stehst, dass du unsere Wege und Kreuzwege mit uns gehst.
Dafür danken wir dir.
Amen.

Wir lesen die Ostergeschichte, wie der Evangelist Markus sie überliefert, Kap. 16, 1-8:
Und als der Sabbat vergangen war, kauften Maria von Magdala und Maria, die Mutter des Jakobus, und Salome wohlriechende Öle, um hinzugehen und ihn zu salben. Und sie kamen zum Grab am ersten Tag der Woche, sehr früh, als die Sonne aufging. Und sie sprachen untereinander: Wer wälzt uns den Stein von des Grabes Tür? Und sie sahen hin und wurden gewahr, dass der Stein weggewälzt war; denn er war sehr groß. Und sie gingen hinein in das Grab und sahen einen Jüngling zur rechten Hand sitzen, der hatte ein langes, weißes Gewand an, und sie entsetzten sich. Er aber sprach zu ihnen: Entsetzt euch nicht. Ihr sucht Jesus von Nazareth, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden. Er ist nicht hier. Siehe da die Stätte, wo sie ihn hinlegten. Geht aber hin und sagt seinen Jüngern und Petrus, dass er vor euch hingehen wird nach Galiläa; dort werdet ihr ihn sehen, wie er euch gesagt hat. Und sie gingen hinaus und flohen von dem Grab, denn Zittern und Entsetzen hatte sie ergriffen. Und sie sagten niemandem etwas; denn sie fürchteten sich.
Amen.

Predigt:
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und von dem Herrn Jesus Christus.
Amen.

Liebe Gemeinde, es gibt viele Bräuche, viele Symbole, die wir mit dem Osterfest verbinden. Das Osterfeuer, das Osterbrot oder das gebackene Osterlamm. Die Osterkerze, die in der Osternacht in die dunkle Kirche hineingetragen wird. Die Kerze zeigt uns: Jesus Christus ist das Licht der Welt. Er hat die Dunkelheit des Todes überwunden. Er lebt im Licht Gottes, er ist auferstanden. Zu Ostern hören wir davon in den Ostergottesdiensten.

Heute soll es um noch ein anderes Ostersymbol gehen. Sie alle kennen es. Es ist das bekannteste Ostersymbol überhaupt. Ein gefärbtes buntes Osterei. Den Kindern erzählen wir, dass der Osterhase diese Ostereier ins Nest legt. In meiner früheren Gemeinde hat eine der Konfirmandinnen einmal ein echtes Osterhäschen in den Gottesdienst mitgebracht. Sie hatte es in einem Körbchen dabei und ging damit an den Bankreihen entlang. Das war etwas ganz Besonderes!

Das Ei ist seit alters her ein Symbol für Fruchtbarkeit. Für Leben, für Neuanfang. Aus dem Ei erwächst alles Leben, auch menschliches Leben. Drei Wochen lang brütet die Glucke geduldig über ihrem Ei. Schenkt ihm Wärme. Und dann geschieht das Wunder neuen Lebens. Es kündigt sich an durch ein schwaches Piepsen. Und dann ist es soweit: Das Küken schlüpft.

Auch in unserem christlichen Glauben spielt das Ei eine Rolle.

Es war am Karfreitag, als Jesus sein Kreuz durch die Straßen Jerusalems tragen musste, zur städtischen Hinrichtungsstätte. Zum Hügel Golgatha. Hier wurde er gekreuzigt. Hier gab man ihn den Blicken der Gaffer und Schaulustigen, der Soldaten und Schriftgelehrten preis. Hier unter dem Kreuz standen auch seine Mutter Maria und sein Jünger Johannes. Sie alle wurden Zeugen, als Jesus rief: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Sie alle wurden Zeugen, als Jesus am Kreuz starb.

Am gleichen Abend noch erbat ein angesehener Ratsherr aus Jerusalem, Josef von Arimathäa, den Leichnam Jesu von Pilatus. Der nahm Jesus vom Kreuz, wickelte ihn in ein Leinentuch, legte ihn in ein Felsengrab und wälzte einen Stein vor die Öffnung der Grabeshöhle. Mit dem Leben Jesu schien es nun endgültig vorbei zu sein. Schluss. Ende. Aus. Der Tod- erschien wie immer Sieger über das Leben zu sein, auch über Jesu Leben. Das Grab- es wölbte sich wie ein Tresor, wie ein Safe über dem Leichnam Jesu. Sein gekreuzigtes Leben schien verschlossen, versiegelt, verriegelt. Für immer.

An das Grab Jesu erinnert die Kalkschale des Eis. Sie umschließt, sie verschließt- wie ein Grab- das, was im Ei drin ist. Das Eiweiß und das Eigelb, in dem Leben, neues Leben, eingeschlossen ist.

Zurück zu Jesus. Der Tod konnte Jesus nicht festhalten. Das Grab ist am Sonntag leer. Der Stein vor dem Grab ist weggerollt. Jesus hat den Tod aufs Kreuz gelegt. Er hat den Tod überwunden, er lebt, er ist auferstanden. Der Kirchenvater Ephraim hat das einmal so ausgedrückt: “Gleich einem Ei springt das Grab auf.“ Das heißt: Ähnlich wie Jesus das Grab und damit die Bande des Todes mit seiner Auferstehung durchbricht, so durchbricht auch die Hülle vom Ei und neues Leben wird geboren. Die Schale zerspringt, ein kleines Küken piepst sich in die Welt. Liebe Gemeinde, ich denke, das ist der Kern unseres Glaubens. Das ist die zentrale Botschaft von Ostern. Das ist- um im Bild zu bleiben- das Gelbe vom Ei. Jesus lebt, er hat die Schalen des Todes durchstoßen. Und seither dürfen auch wir mit der frohen Botschaft leben und sterben, dass auch wir nicht im Tod bleiben werden. Dass auch wir- bildlich gesprochen- die Eierschale des Todes durchbrechen. Dass Gott uns neues Leben schenken will. Ewiges Leben, in seiner Nähe, in seiner Liebe.

Und weil wir uns über die Auferstehungsbotschaft freuen dürfen, weil wir seit jenem Ostern sogar über den Tod lachen dürfen, darum färben wir Eier bunt- als Zeichen der Freude, des Glaubens und des Lebens.
Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft zu fassen vermag,
bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.
Amen.

Lied EG 116, 1.2.5 Er ist erstanden, Halleluja

Fürbitten:

Herr, unser Gott, wir feiern Ostern.
Das Fest deiner Auferstehung.
Das Fest der Freude und der Hoffnung.
Wir sind dankbar, dass du deinen Sohn Jesus Christus nicht im Tod gelassen hast.
Dass er auferstanden ist.
Dass er lebt- bei dir und mit dir.

Herr, unser Gott, lass uns darüber freuen und fröhlich sein.
Gib, dass die frohe Botschaft von Ostern auch unser Leben erfüllt.
Lass uns an der Hoffnung festhalten, dass das Leben über den Tod siegt.
Schenk uns die Kraft, dir und deinem Wort zu vertrauen.
Denn du hast uns gesagt: Ich bin die Auferstehung und das Leben.
Lass uns das erfahren- an jedem Tag unseres Lebens, auch an unserem letzten Tag.
Amen.

Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name,…

Segen:
Der österliche Segen Gottes komme über dich und bleibe bei dir, von nun an bis in Ewigkeit.
Amen.

Lied EG 99 Christ ist erstanden, von der Marter alle

 

Gottesdienst am Sonntag, den 10. April 2022

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde,
herzlich willkommen zum Gottesdienst für den Palmsonntag am 10. April 2022.
Die Karwoche beginnt; eine Woche angefüllt mit den vertrauten und immer wieder bewegenden Ereignissen in jenen sieben Tagen in Jerusalem. Vom Hosiannarufen beim Einzug Jesu in Jerusalem geht es über das letzte Abendmahl mit seinen Jüngern am Gründonnerstag, dem Verrat und der Gefangennahme, der Verurteilung, dem Kreuzestod Jesu am Karfreitag bis hin zum österlichen Jubel am Tag seiner Auferstehung. Eine Woche voller Höhen und Tiefen, so bewegt wie ein Menschenleben nur sein kann. Und doch fügt sich bei Gott alles wunderbar zusammen.
Eine besinnliche Karwoche wünscht Pfarrerin Anke Mühlenberg-Knebel

Wir beginnen mit dem Lied EG 87, 1-3 „Du großer Schmerzensmann“

Im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Amen.

Gebet:
Herr, wir warten auf dich, dass du Einzug in unser Leben hältst.
Wir rufen dir unser „Hosianna!“ entgegen, „Herr, hilf uns!“
Erbarme dich unser.
Amen.

Lesung und Predigttext stehen im Matthäusevangelium, Kap. 21, Verse 1-11:
„Kurz vor Jerusalem kamen sie zu der Ortschaft Betfage am Ölberg. Dort schickte Jesus zwei Jünger fort mit dem Auftrag: „Geht in das Dorf da drüben! Gleich am Ortseingang findet ihr eine Eselin und ihr Junges angebunden. Bindet beide los und bringt sie zu mir! Und wenn jemand etwas sagt, dann antwortet: Der Herr braucht sie. Dann wird man sie euch sofort geben.“ Damit sollte in Erfüllung gehen, was der Prophet angekündigt hatte: „Sagt der Zionsstadt: Dein König kommt jetzt zu dir! Er verzichtet auf Gewalt. Er reitet auf einem Esel und auf einem Eselsfohlen, dem Jungen eines Lasttiers.“ Die beiden Jünger gingen hin und taten, was Jesus ihnen befohlen hatte. Sie brachten die Eselin und ihr Junges und legten ihre Kleider darüber, und Jesus setzte sich darauf. Viele Menschen aus der Menge breiteten ihre Kleider als Teppich auf die Straße, andere rissen Zweige von den Bäumen und legten sie auf den Weg. Die Menschenmenge, die Jesus vorauslief und ihm folgte, rief immer wieder:“ Hosianna!  Gepriesen sei der Sohn Davids! Heil dem, der im Auftrag des Herrn kommt! Hosianna! Gepriesen sei Gott in der Höhe!“ Als Jesus in Jerusalem einzog, geriet alles in große Aufregung. „Wer ist dieser Mann?, fragten die Leute in der Stadt. Die Menge, die Jesus begleitete, rief: „Das ist der Prophet Jesus aus Nazareth in Galiläa!“
Amen.

Glaubensbekenntnis:
Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen,
den Schöpfer des Himmels und der Erde.
Und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn.
Empfangen durch den Heiligen Geist,
geboren von der Jungfrau Maria,
gelitten unter Pontius Pilatus,
gekreuzigt, gestorben und begraben.
Hinabgestiegen in das Reich des Todes;
am dritten Tage auferstanden von den Toten, aufgefahren in den Himmel.
Er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters.
Von dort wird er kommen zu richten die Lebenden und die Toten.
Ich glaube an den Heiligen Geist,
die Heilige christliche Kirche, Gemeinschaft der Heiligen,
Vergebung der Sünden,
Auferstehung der Toten und das ewige Leben.
Amen.

Lied EG 98, 1-3 „Korn, das in die Erde“

Predigt Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und von dem  Herrn Jesus Christus.
Amen.

Liebe Geschwister,

der Evangelist Matthäus berichtet uns vom Einzug Jesu in Jerusa lem.
Er kommt im Namen Gottes, Jesus, der Prophet aus Nazareth  in Galiläa.
Matthäus erzählt auch von den Menschen, die dabei sind.

Da sind zum einen die Jünger Jesu. Sie begleiten seinen Weg, nicht erst seit Jerusalem. Sie sind schon länger mit ihm unterwegs, nehmen teil an allem, was er redet u. tut. Sie bereiten seinen Einzug in Jerusalem vor, indem sie für das Reittier sorgen. Zum andern ist da eine Menge, eine sehr große Menge. Von diesen Menschen wird erzählt, dass sie ihre Kleider vor Jesus auf den Boden legen, Zweige von den Bäumen reißen und sie ebenfalls vor ihm auf die Erde streuen. Und sie jubeln: „Hosianna, dem Sohn Davids! Gepriesen sei, der da kommt im Namen des Herrn!“ Warum tun sie das? Was erwarten sie von Jesus? Was ist das eigentlich für ein Ruf: “Hosianna! “Ein Blick ins Wörterbuch hilft weiter. Hosianna bedeutet auf Deutsch übersetzt „Hilf doch!“ Das ist also weniger ein Jubelruf, sondern mehr ein Hilferuf, ein Schrei der Verzweiflung. Einer, der Hosianna ruft, leidet- an seiner Zeit, an seinen Mitmenschen, an sich selbst. Einer, der Hosianna ruft, hofft auf Veränderung. Er setzt seine Hoffnung in den, der da kommt im Namen Gottes, in Jesus von Nazareth.

Es sind hohe Erwartungen. Es sind die Erwartungen all derer, die allein nicht mehr weiterwissen. In ihrem Schrei keimt Hoffnung auf in hoffnungsloser Situation. Ich kann sie richtig hören, die Menschen, wie sie rufen: “Jetzt, jetzt kommt der Retter, der uns frei macht. Er kommt im Namen Gottes. Er wird uns gerecht behandeln. Er wird allen die Augen öffnen. Er wird den Frieden bringen“

Und ich? Auch ich gehe mit Erwartungen und Hoffnungen in die Karwoche. Auch ich brauche ein Licht der Hoffnung. Ich brauche die Botschaft des Friedens. Die gute Nachricht, dass das Leben den Tod besiegt. Ich sehne mich danach, dass Gott mitten unter uns Menschen aufleuchtet, dass ein Hoffnungsstrahl in meine Gedanken einbricht, dass ich keine Angst zu haben brauche. Damals wie heute setzen Menschen ihre Hoffnungen auf den, der da kommt im Namen Gottes, auf Jesus von Nazareth. Wer ist der, so fragt die Stadt Jerusalem beim Einzug Jesu. Wer ist der?, so fragt auch mancher unter uns. Jesus zieht nicht wie ein König in Jerusalem ein. Keiner der Offiziellen Jerusalems heißt ihn willkommen, er bekommt keinen großen Bahnhof bereitet, würden wir heute sagen. Nur eine sehr große Menge Menschen ist da, ganz einfache Leute.

Und Jesus selbst verhält sich auch alles andere als mächtig oder gewaltig oder. pompös. Da kommt einer von unten auf einem Esel, dem Lasttier des einfachen Volks, auf einem Esel, der als geduldig gilt, belastbar und genügsam. Das spricht eine deutliche Sprache: Frieden ist wichtiger als Macht und Gewalt. Jesus beschenkt die Menschen und macht sie reich. Er schenkt Güte und Gerechtigkeit, macht reich an Hoffnung und Lebensperspektiven. Jesus lebt vor, was Versöhnung zwischen den Menschen bedeutet. Und lässt Gemeinschaft erfahren. Jesus lehrt mich, mit den Durststrecken in meinem Leben geduldig zu sein und. gleichzeitig pflanzt er mir die ungebrochene Hoffnung ins Herz, dass ich mit neuer Kraft aufgerichtet werde und dass bei Gott kein Mensch verloren geht, auch ich nicht! Ihm kann ich auch mein „Hosianna“, mein „Herr, hilf doch!“ zurufen. Ich weiß, dass er mich hört. Ich kann ihm meine Ängste und Sorgen anvertrauen und meine Hoffnungen und meine Freude. Das ist eine faszinierende Botschaft. Sie ist wie ein Mantel, in den ich hineinschlüpfen kann, der mich wärmt und mir Geborgenheit gibt.
Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft zu fassen vermag, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.
Amen.

Lied EG 97, 1.2.6 „Holz auf Jesu Schulter“

Fürbitten:
Herr Jesus Christus, du wurdest einst in Jerusalem begeistert empfangen.
Wie begrüßen und empfangen wir dich?
Wie erwarten wir deine Gegenwart, wo rechnen wir mit dir in unserem Leben?
Du kommst den untersten Weg, den Weg, den keiner von uns gehen will.
Doch dein Weg ist der Weg der Liebe und des Friedens.
Lass uns dir auf deinem Wege folgen, lass uns auch den Weg suchen, der zum Leben führt.
Schenke uns Kraft, einander zu lieben und zu achten, aufeinander zuzugehen und aufmerksam zu sein für die Bedürfnisse unserer Mitmenschen.
Gib uns Mut, einander zu unterstützen und zu stärken.
Amen.

Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name,…

Segen:
Der Herr segne dich und behüte dich auf allen deinen Wegen.
Amen.

Lied EG 171, 1-3 Bewahre uns, Gott, behüte uns, Gott

 

Gottesdienst am Sonntag, den 03. April 2022

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde, herzlich willkommen zum Lesegottesdienst für Sonntag, den 3. April 2022. Es ist der 5. Sonntag der Passionszeit, der den Namen Judika trägt. Der Wochenspruch aus Matthäus 20, 28 erinnert uns daran, dass Jesus Christus gestorben ist, damit wir leben können: „Der Menschensohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und gebe sein Leben zu einer Erlösung für viele.“
Amen.

Einen gesegneten Sonntag wünscht Pfarrerin Anke Mühlenberg-Knebel.

Lied EG 98, 1-3 „Korn, das in die Erde“

Im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Amen.

Gebet:
Lebendiger Gott, dein Sohn hat unter uns gelebt.
Er ist zu uns gekommen und hat sein Leben gegeben, damit wir leben.
Wir bitten dich: hilf uns, dass auch wir uns füreinander einsetzen.
Niemand soll sich verlassen fühlen oder vergessen.
Wir sind deine geliebten Kinder.
Amen.

Lesung und Predigttext stehen im Buch des Propheten Jesaja, 54,7-10:
„Ich habe dich einen kleinen Augenblick verlassen, aber mit großer Barmherzigkeit will ich dich sammeln. Ich habe mein Angesicht im Augenblick des Zorns ein wenig vor dir verborgen, aber mit ewiger Gnade will ich mich deiner erbarmen, spricht der Herr, dein Erlöser. Ich halte es wie zur Zeit Noahs, als ich schwor, dass die Wasser Noahs nicht mehr über die Erde gehen sollten. So habe ich geschworen, dass ich nicht mehr über dich zürnen und dich nicht mehr schelten will. Denn es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen, und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht der Herr, dein Erbarmer.“
Amen.

Glaubensbekenntnis:
Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen,
den Schöpfer des Himmels und der Erde.
Und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn.
Empfangen durch den Heiligen Geist,
geboren von der Jungfrau Maria,
gelitten unter Pontius Pilatus,
gekreuzigt, gestorben und begraben.
Hinabgestiegen in das Reich des Todes;
am dritten Tage auferstanden von den Toten, aufgefahren in den Himmel.
Er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters.
Von dort wird er kommen zu richten die Lebenden und die Toten.
Ich glaube an den Heiligen Geist,
die Heilige christliche Kirche, Gemeinschaft der Heiligen,
Vergebung der Sünden,
Auferstehung der Toten und das ewige Leben.
Amen.

Lied EG 382, 1-3 „Ich steh vor dir mit leeren Händen, Herr“

Predigt:

Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater und von dem Herrn Jesus Christus.
Amen.

Liebe Gemeinde, im heutigen Predigttext steckt ein starker Spannungsbogen. Er beginnt mit den Worten: „Ich habe dich einen kleinen Augenblick verlassen“ und zielt in die Zusage Gottes „Ich bin der Herr, dein Erbarmer“. Diese Spannung durchzieht den ganzen Abschnitt und findet sich auch in den einzelnen Versen wieder. Die Worte des Propheten Jesaja sind ursprünglich in einer anderen Situation entstanden als der unseren. Jesaja richtet seine Worte an die Menschen aus Juda, dem Süden Israels, die im 6. Jahrhundert vor Christus nach Babylonien in die Verbannung verschleppt worden waren. Seit Jahrzehnten haben sie vergeblich auf ihre Befreiung und Rückkehr gewartet. Obwohl der Text zeitlich so weit von uns entfernt ist, ist er uns doch inhaltlich nahe. Es steckt die ängstliche Frage darin, wie Menschen schwere Zeiten überstehen können und wie wir die dunklen Stunden unseres Lebens, die Krisen, aushalten und bewältigen können. Grenzsituationen, in denen es nicht mehr damit getan ist, die eigenen Kraftreserven zu mobilisieren. Wo Menschen erfüllt sind von innerer Angst. Wo sie fürchten, dass Gott selbst sie vielleicht verlassen hat. Jeder und jede von uns wird das mit eigenen Beispielen und Erfahrungen füllen können.

„Ich habe mein Angesicht im Augenblick des Zorns ein wenig vor dir verborgen“- darin spiegelt sich genau diese Erfahrung. Deshalb fragen wir Menschen ja auch, wenn wir etwas Schweres erleben müssen, ernsthaft erkranken, uns endgültig von einem lieben Menschen verabschieden müssen, Kriegen und Katastrophen ausgesetzt sind, ob Gott oder irgendeine höhere Macht uns damit bestrafen möchte. Aber für was? Was haben wir getan? Und wir fangen an nachzudenken und in unserer Vergangenheit zu wühlen. Wenn wir vom „Zorn Gottes“ reden, dann ist uns bewusst, dass kein Mensch von sich aus vor Gott bestehen kann. Für den Propheten Jesaja ist der „Zorn Gottes“ so etwas wie die notwendige Rückseite oder Kehrseite der Liebe und Barmherzigkeit Gottes. Was damit gemeint ist, können wir uns klarmachen, wenn wir daran denken, dass wir gerade die Menschen am meisten verletzen können, die wir am meisten lieben. Wer uns gleichgültig begegnet, kein Interesse an uns und unserem Leben hat, den kann man gar nicht so enttäuschen, verärgern oder traurig machen. Die Rede vom „Zorn Gottes“ meint: Gott ist kein abstraktes Prinzip Liebe; sondern seine Liebe, das ist auch sein Gefühl, seine Ehre, seine Verletzlichkeit. Für seine Liebe steht ein unscheinbares Wort in unserem Predigttext. Doch es ist sehr wichtig, und es prägt seine gesamte Struktur, das Wort „aber“. „Ich habe dich einen kleinen Augenblick verlassen, aber mit großer Barmherzigkeit will ich dich sammeln. Ich habe mein Angesicht im Augenblick des Zorns ein wenig vor dir verborgen, aber mit ewiger Gnade will ich mich deiner erbarmen. Denn es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen, und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen.“ Wenn wir uns eine Zeitschiene vorstellen, markiert das Wort „aber“ einen Wendepunkt oder. auch eine längere Phase, auf der sich eine Wende anbahnt. Inhaltlich bringt es zum Ausdruck, dass die positiven Seiten des Lebens die negativen bei weitem überwiegen. Gottes Ja zu uns Menschen ist viel größer und kräftiger als sein Nein. Dem „kleinen Augenblick“ stehen die „große Barmherzigkeit“ und die „ewige Gnade“ gegenüber.

Denn: wir verdanken unser Leben unserem Schöpfer. Wir sind seine Geschöpfe, wir sind nicht mehr, aber auch nicht weniger. Das gibt uns eine unverlierbare Würde, und es macht auch demütig. Der Schöpfer lässt seine Geschöpfe niemals los. So hat jemand gesagt:“ Wenn du fällst, fällst du in Gottes Arme. Wenn du liegst, liegst du in den Händen Gottes. Aber wenn du dich aufrichtest, werden deine Augen den Augen Gottes gegenüber sein.“

Unser Predigtabschnitt aus dem Buch des Propheten Jesaja ist ursprünglich an Menschen gerichtet, die das Schicksal ihres Landes und ihre Gefangenschaft als Folge dessen sahen, dass sie sich als ganzes Volk von Gott entfernt hatten. Dabei fällt auf, dass Jesaja nicht mehr über Schuld, Verfehlungen und Versäumnisse spricht. Es gibt wohl einen Zeitpunkt, von dem ab Schuld nicht mehr zwischen Gott und uns Menschen steht, an dem wir es wagen, ihm einfach zu glauben, dass er in seiner Liebe für uns offen ist- trotz allem, was in der Vergangenheit gewesen sein mag. Was ein Mensch während seines Lebens verpasst hat, auch an Glauben, auch an Erkenntnis, auch an Tiefe, welche Fehler er gemacht und welche Schuld er auf sich geladen hat, das steht nicht für alle Zeit zwischen ihm und Gott. Denn Gott wartet nur darauf, dass sich ein Mensch in seine Arme wirft. Wie zur Zeit Noahs nämlich, so lässt Gott ausrichten, „so habe ich geschworen, dass ich nicht mehr über dich zürnen und dich nicht mehr schelten will.“ Diese Zusage Gottes gewinnt später in Jesus Christus noch viel deutlichere Konturen.

In Jesus Christus sind auch die beiden Enden des Spannungsbogens unseres Textes zusammen. Die Evangelien lassen Jesus am Kreuz ganz unterschiedliche Worte sprechen, aber in einem höheren Sinn gehören sie doch zusammen: „Mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ und „In deine Hände befehle ich meinen Geist!“ Gottverlassenheit und Gottverbundenheit.

Die Verbannten durften aus Babylonien schließlich in ihre Heimat Israel zurückkehren. Aber nicht immer geht es für uns Menschen gut aus. Es gibt beide Erfahrungen. Berge weichen, Hügel fallen. Ganze Lebensgebäude können zusammenbrechen. Aber Gott ist größer, und auch das, was wir nicht verstehen können, führt er zu einem guten Ziel. Auf Karfreitag folgt Ostern. Die Gottverlassenheit ist vorläufig. Aber der Bund, den Gott mit uns geschlossen hat, der bleibt bestehen.
Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft zu fassen vermag,
der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.
Amen.

Lied EG 533, 1-3 „Du kannst nicht tiefer fallen“

Fürbitten:
Heute bitten wir dich vor allem für die Welt, in der wir leben:
lass Frieden einkehren, wo Gewalt herrscht.
Schenk uns Kraft und Mut, damit wir uns für das friedliche Zusammenleben einsetzen.
Amen.

Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name, dein Reich komme…

Segen:
Geh hin im Frieden Gottes auf all deinen Wegen.
Amen.

Lied EG 430, 1-4 „Gib Frieden, Herr, gib Frieden“

 

Gottesdienst am Sonntag, den 13. März 2022

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Geschwister,
herzlich willkommen zum Lesegottesdienst für den 3. Sonntag der Passionszeit, den Sonntag Okuli.
An diesem Sonntag geht es um die Nachfolge Jesu. Die Liebe zu Gott und die Liebe zum Nächsten sind eine lebenslange Aufgabe für alle Menschen, die sich an Jesus Christus orientieren möchten.
Der Wochenspruch für die neue Woche aus Lukas 9, 62 weist uns darauf hin, dass das nicht immer einfach ist und uns herausfordert:
“Wer seine Hand an den Pflug legt und schaut zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes.“
Einen gesegneten Sonntag wünscht Pfarrerin Anke Mühlenberg-Knebel.

Lied EG 97, 1-3 „Holz auf Jesu Schulter“

Im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Amen.

Gebet:

Gott aller Güte, du siehst, wie es den Menschen geht und hörst, wonach sie rufen.
Um dein Wort sind wir versammelt.
Lass uns nun deine Stimme hören und dein Licht sehen,
dass wir für unser Leben Weg und Richtung erkennen.
Das bitten wir durch Christus, deinen Sohn.
Amen.

Der Lesungs- und zugleich Predigttext steht im Johannesevangelium, Kapitel 17, Verse 1-8:

So redete Jesus, und hob seine Augen auf zum Himmel und sprach: Vater, die Stunde ist da: verherrliche deinen  Sohn, damit der Sohn dich verherrliche; denn du hast ihm Macht gegeben über alle Menschen, damit er das ewige Leben gebe allen, die du ihm gegeben hast. Das ist aber das ewige Leben, dass sie dich, der du allein wahrer Gott bist, und den du gesandt hast, Jesus Christus, erkennen. Ich habe dich verherrlicht auf Erden und das Werk vollendet, das du mir gegeben hast, damit ich es tue. Und nun, Vater, verherrliche du mich bei dir mit der Herrlichkeit, die ich bei dir hatte, ehe die Welt war. Ich habe deinen Namen den Menschen offenbart, die du mir aus der Welt gegeben hast. Sie waren dein, und du hast sie mir gegeben, und sie haben dein Wort bewahrt. Nun wissen sie, dass alles, was du mir gegeben hast, von dir kommt. Denn die Worte, die du mir gegeben hast, habe ich ihnen gegeben, und sie haben sie angenommen und wahrhaftig erkannt, dass ich von dir ausgegangen bin, und sie glauben, dass du mich gesandt hast.
Amen.

Wir bekennen unseren christlichen Glauben:
Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen,
den Schöpfer des Himmels und der Erde.
Und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn.
Empfangen durch den Heiligen Geist,
geboren von der Jungfrau Maria,
gelitten unter Pontius Pilatus,
gekreuzigt, gestorben und begraben.
Hinabgestiegen in das Reich des Todes;
am dritten Tage auferstanden von den Toten, aufgefahren in den Himmel.
Er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters.
Von dort wird er kommen zu richten die Lebenden und die Toten.
Ich glaube an den Heiligen Geist,
die Heilige christliche Kirche, Gemeinschaft der Heiligen,
Vergebung der Sünden,
Auferstehung der Toten und das ewige Leben.
Amen.

Lied EG 667, 1-4 „Selig seid ihr“

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und von dem Herrn Jesus Christus.
Amen.

Liebe Geschwister!

„Was muss ich tun, um das ewige Leben zu bekommen“, möchte ein junger Mann einmal von Jesus wissen. Wie kann ich ein sinnvolles Leben führen? Und Jesus antwortet: “Du sollst Gott lieben mit ganzem Herzen, ganzer Seele und all deiner Kraft und deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ Diese Liebe umzusetzen dauert ein Leben lang. Deshalb erzählt die Bibel Lebensgeschichten. Sie erzählt Begegnungen von Menschen mit Gott und welche Wirkung das auf ihr Leben hatte. Sie erzählt von Streit und Versöhnung, von Hoffnungen, vom Scheitern und Neuanfangen, von Schuld und Vergebung und Aufbrüchen. Elia zum Beispiel. Völlig ausgebrannt und überfordert von seiner Aufgabe, Prophet zu sein, legt er sich unter den Wacholderbusch und möchte nur noch sterben. Jeden Tag wird er von einem Engel mit Wasser und geröstetem Brot versorgt. Steh auf und iss, sagt der, denn du hast einen weiten Weg vor dir. So gestärkt und ermutigt war Elia bereit für seine Gotteserkenntnis. Gott zeigte sich ihm am Berg Horeb. Nicht im Sturm, der Felsen zerbrach, nicht im Erdbeben oder im Feuer, sondern in einem leisen Lufthauch, in einem stillen sanften Sausen.  So lernte Elia die sanfte Seite Gottes kennen.

Dem Betrüger Jakob tat sich der Himmel auf, als er vor seinem wütenden Bruder Esau floh und durfte dann gesegnet weitergehen. Hiob, durch viele Schicksalsschläge am Boden zerstört, erhält Einblick in die Größe und Pläne des Schöpfergottes.

Petrus, der so gerne der wichtigste Jünger sein will, erlebt sein komplettes Versagen, als es darauf ankommt, zu Jesus zu stehen. Trotzdem ermöglicht Jesus ihm einen neuen Anfang. Er wird der Grundstein der frühen Kirche, ein wichtiger Missionar der ersten Christenheit. Offensichtlich kann man Augenblicke eines sinnvollen, herrlichen Lebens erfahren, auch, wenn man am Abgrund steht, Rückschläge erfahren hat, Schmerzen oder Leid aushalten muss.

Bei Gott sind ein sinnvolles Leben und Leid kein Widerspruch. Manchmal können wir erst durch solche Lebenskrisen den Sinn und Wert des Lebens richtig verstehen. Wir werden dünnhäutiger und nachdenklicher, die Schwerpunkte in unserem Leben werden neu gewichtet. Das haben wir während der beiden letzten krisenhaften Jahre schon gemerkt, wie sich bei uns Prioritäten verändert haben. Wie wir viel mehr geschaut haben darauf, wie es den anderen Menschen geht. Was wir für sie tun können; haben auch den Wert von Gemeinschaft neu zu schätzen gelernt. Zurzeit wird uns bewusst, dass das friedliche Zusammenleben von uns Menschen in Europa nicht so selbstverständlich ist, wie wir es in den letzten Jahrzehnten erlebt haben. Der Krieg in der Ukraine hat uns aufgeschreckt, schockiert. Das Schicksal der Menschen dort geht uns so nahe. Wir sind mitleidig, wollen helfen. In dieser neuen Sensibilität und dem Umdenken liegt auch eine Chance für unsere Beziehung zu Gott. Jesus sagt im heutigen Text weiter, dass es wichtig für unsere Sinnsuche ist zu erkennen, dass Jesus und Gott eins sind. Sie sind nicht zu trennen. Wie Gott ist, wie er handelt und wirkt, das können wir an Jesus sehen. Er betet im heutigen Predigttext, dem sogenannten „Hohenpriesterlichen Gebet“: „Vater, ich habe dich verherrlicht auf Erden und das Werk vollendet, das du mir gegeben hast, damit ich es tue.“ Jesus Christus ist das Beispiel schlechthin für ein gelingendes, herrliches Leben. Er zeigt uns, was das heißt: Gott lieben mit ganzem Herzen, ganzer Seele und. ganzer Kraft: Er führt es uns immer wieder vor Augen, was es heißt, den Nächsten zu lieben. Die Armen und Benachteiligten stehen im Mittelpunkt seiner Verkündigung und seines Handelns. Er spricht von Gerechtigkeit und macht die satt, die nichts zu essen haben. Er fordert uns auf, auch die zu lieben, die wir nicht mögen und die uns das Leben schwer machen. Uns für den Frieden zwischen den Menschen einzusetzen. Das sind bei ihm nicht nur Worte, er lebt es uns vor in seinen Begegnungen mit Menschen. Am Ende bittet er sogar für die um Vergebung, die ihn am Kreuz foltern. Wir sehen am Leben Jesu auch, was das für einen Preis fordert. Jesus verzichtet auf Heimat und geregeltes Auskommen. Er gründet keine eigene Familie und seine Verwandten verstehen ihn nicht mehr. Die politische und geistliche Elite beäugt ihn misstrauisch und liefert ihn schließlich als politischen Aufrührer aus. Diese bedingungslose Liebe zu Gott wird ihn schließlich das Leben kosten. Das weiß er, als er zu Gott betet und trotzdem sagt: „Vater, ich habe dich verherrlicht auf Erden.“

Unzählige Menschen haben seitdem die Nachfolge Christi als Sinn ihres Lebens gesehen und auch etliche von ihnen haben ihr Engagement mit dem eigenen Leben bezahlen müssen. Viele ihrer Namen sind unvergessen und ihre Lebensgeschichten. Aber die meisten blieben und bleiben uns unbekannt. Und wir? Folgen wir Jesus auch nach? Die Passionszeit ist eine gute Zeit, einmal darüber nachzudenken, wie wir in unserem Leben, wie wir mit unserer Lebensgeschichte auf die Liebe Gottes antworten können. Gelegenheiten dazu gibt es reichlich! Diese Liebe, die uns durch alle Krisen hindurchträgt, die auch dem Tod standhält, die schenkt uns ein sinnerfülltes Leben. „Ich will Gott lieben mit meinem ganzen Herzen, meiner ganzen Seele und all meiner Kraft, und ich will meinen Nächsten lieben, wie mich selbst.“
Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist, als unsere Vernunft zu fassen vermag,
bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.
Amen.

Lied EG 79, 1-4 „Wir danken dir, Herr Jesu Christ“

Fürbitten:
Wir beten mit den Worten des Franz von Assisi z
ugeschriebenen Friedensgebetes; er ist einer der bis heute bekannten und verehrten Nachfolger Jesu:

Oh Herr, mache mich zu einem Werkzeug deines Friedens.
Dass ich Liebe übe, da, wo man mich hasst,
dass ich verzeihe da, wo man mich beleidigt;
dass ich verbinde da, wo Streit ist;
dass ich die Wahrheit sage da, wo Irrtum herrscht;
dass ich den Glauben bringe, wo Zweifel ist;
dass ich Hoffnung wecke, wo Verzweiflung quält;
dass ich dein Licht anzünde, wo die Finsternis regiert,
dass ich Freude bringe, wo der Kummer wohnt.

Ach, Herr, lass mich trachten:
nicht, dass ich getröstet werde, sondern dass ich tröste;
nicht, dass ich verstanden werde, sondern dass ich verstehe;
nicht, dass ich geliebt werde, sondern dass ich liebe.

Denn wer sich hingibt, der empfängt;
wer sich selbst vergisst, der findet;
wer verzeiht, dem wird verziehen;
und wer stirbt, der erwacht zum ewigen Leben.

Amen.

Vaterunser im Himmel, geheiligt werde dein Name,…

Segen:
Gott leite und begleite dich auf all deinen Wegen.
Amen.

Lied EG 171, 1-3 „Bewahre uns, Gott, behüte uns, Gott“

 

Gottesdienst am Sonntag, den 13. März 2022

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde!

Herzlich willkommen zum Lesegottesdienst für den 2. Sonntag der Passionszeit; er trägt den Namen „Reminiszere“. Übersetzt bedeutet das „gedenke!“ und bezieht sich auf Psalm 25, 6 „Gedenke, Herr, an deine Barmherzigkeit!“
In der Predigt steht heute die Gethsemane- Szene im Mittelpunkt. Jesus durchleidet Todesängste; seine Passion beginnt. Er ringt mit Gott, so, wie wir, wenn uns Schweres zugemutet wird. Vielleicht kann sein Beispiel uns weiterhelfen, wenn wir in größten Ängsten sind.
Einen gesegneten Sonntag wünscht Pfarrerin Anke Mühlenberg-Knebel.

Am Anfang steht das Lied EG 91, 1-4 „Herr, stärke mich, dein Leiden zu bedenken“

Im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Amen.

Psalm 25:
Nach dir, Herr, verlanget mich.
Mein Gott, ich hoffe auf dich; lass mich nicht zuschanden werden.
Gedenke, Herr, an deine Barmherzigkeit und an deine Güte, die von Ewigkeit her gewesen sind.
Amen.

Gebet:
Herr, wir danken dir für deine Geduld, die du uns entgegenbringst.
Gib uns mehr Geduld mit anderen und mit uns selbst.
Lass uns anderen vergeben, wie du uns vergeben hast.
Amen.

Die Lesung und zugleich der Predigttext für den heutigen Sonntag steht bei Matthäus 26, 36- 46:
Da kam Jesus mit ihnen zu einem Garten, der da hieß Gethsemane und sprach zu den Jüngern: Setzt euch hierher, solange ich dorthin gehe und bete. Und er nahm mit sich Petrus und die zwei Söhne des Zebedäus und fing an zu trauern und zu zagen.
Da sprach Jesus zu ihnen: Meine Seele ist betrübt bis an den Tod.; bleibt hier und wacht mit mir! Und er ging ein wenig weiter, fiel nieder auf sein Angesicht und betete und sprach: Mein Vater, ists möglich, so gehe dieser Kelch an mir vorüber; doch nicht, wie ich will, sondern wie du willst.
Und er kam zu seinen Jüngern und fand sie schlafend und sprach zu Petrus: Konntet ihr denn nicht eine Stunde mit mir wachen? Wachet und betet, dass ihr nicht in Anfechtung fallt! Der Geist ist willig; aber das Fleisch ist schwach.
Zum zweiten Mal ging er wieder hin, betete und sprach: Mein, Vater, ists nicht möglich, dass dieser Kelch vorübergehe, ohne dass ich ihn trinke, so geschehe dein Wille! Und er kam und fand sie abermals schlafend, und ihre Augen waren voller Schlaf.
Und er ließ sie und ging wieder hin und betete zum dritten Mal und redete abermals dieselben Worte. Dann kam er zu den Jüngern und sprach zu ihnen: Ach, wollt ihr weiter schlafen und ruhen? Siehe, die Stunde ist da, dass der Menschensohn in die Hände der Sünder überantwortet wird. Steht auf, lasst uns gehen! Siehe, er ist da, der mich verrät.
Amen.

Lied EG 430, 1.2.4 „Gib Frieden, Herr, gib Frieden“

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater und von dem Herrn Jesus Christus.
Amen.

Predigt:

Liebe Geschwister! Der Garten Gethsemane liegt am Fuß des Ölbergs in Jerusalem. Seine uralten Olivenbäume ziehen noch heute, abgesehen von den Einschränkungen in der Coronazeit, unzählige Touristen an. Seine uralten Olivenbäume und das, was damals dort geschah- vor fast 2000 Jahren- zieht Menschen aus aller Welt an. Nach dem letzten Abendmahl mit seinen Jüngern zieht Jesus sich dorthin zurück. Bevor sein Leiden, seine Passion beginnt, sucht er noch einmal einen Rückzugsort auf. Einen solchen Ort, an den wir uns zurückziehen können, brauchen wir alle, wenn uns ein schwerer Weg bevorsteht. Keiner von uns wird sich einfach so in die Herausforderungen des Lebens hineinstürzen. Doch haben wir so etwas, so einen Ort, an dem wir zu uns selbst finden können? Hoffentlich!

Jesus geht nicht allein in den Garten Gethsemane. Er nimmt seine Jünger mit, alle außer Judas, der sich vorher schon verabschiedet hat. Er hat noch etwas anderes vor. „Setzt euch hierher, solange ich dorthin gehen und bete“, sagt Jesus zu seinen Vertrauten. Er will beten, und die anderen sollen einfach unter den uralten Bäumen sitzen und warten. Es tut gut, Menschen in seiner Nähe zu wissen, Menschen, die einfach da sind. Die zu einem gehören, denen man nichts erklären muss, die auch nicht fragen. Aber wir wissen: so einfach ist das gar nicht. Es ist nicht so einfach, einfach für einen anderen Menschen da zu sein. Manchmal fehlt uns die Zeit dazu, manchmal die Kraft und manchmal auch das Verständnis, warum es überhaupt notwendig ist, da zu sein.

Menschen, die da sind, wenn man sie braucht- das müssen nicht viele sein. Im Gegenteil: zum Anteilnehmen und Anteilgeben braucht es nur wenige. Bei Jesus waren es, genau genommen, nur drei. Er bittet die 11 Jünger, in seiner Nähe zu bleiben, aber nur drei von ihnen nimmt er noch ein Stückchen weiter mit: Petrus, Jakobus, und Johannes. Wer könnten diese drei für Sie sein? Hätten Sie drei Menschen, die Sie noch ein Stückchen weiter mitnehmen könnten, in Ihren ganz persönlichen Raum der Stille und des Gebets, der totalen Offenheit und des unbedingten Vertrauens? An den Ort, an dem man erkennen kann, wie es einem wirklich geht, an dem man nicht stark, entschlossen, tapfer sein muss, wenn einem etwas Schweres zugemutet wird? Wenn Ihnen jetzt drei Namen einfallen, dann sind Sie gut dran! Es wäre schon ein Glück, wenn es wenigstens einen Menschen geben würde, zu dem man sagen kann: „Bleibe hier und wache mit mir, wache und bete.“

Petrus, Jakobus und Johannes hat Jesus ganz eng an sich herangelassen. Doch dann geht er noch ein Stückchen weiter in den Garten Gethsemane hinein, ganz allein. Dort wirft er sich auf die Erde, betet. Er bittet seinen himmlischen Vater: „Lass diesen Kelch an mir vorübergehen!“. Mit anderen Worten: „Bitte nicht! Nicht ich! Bitte nicht jetzt, nicht so!“ Jesus ist nicht von vornherein einverstanden mit dem, was ihm zugemutet werden soll: Verhaftung und Verhör, Spott und Folter, Kreuz und Leid, Sterben und Tod. „Bitte nicht diesen Kelch!“, sagt Jesus und reagiert damit zunächst einmal genauso, wie wir alle, wenn uns etwas Schweres im Leben zugemutet wird. Jesus ist hier nicht wie ein Held, der vor nichts Angst hat, sondern er bittet darum, dass er verschont wird. Und er zeigt uns damit: So darf es sein. Es ist erlaubt, dass wir aufbegehren gegen das Leid und den Schmerz, der uns zugefügt oder auferlegt wird. Es ist erlaubt, dass wir nicht einverstanden sind mit dem, was uns trifft. Es ist erlaubt, dass wir widersprechen; Gott im Gebet zu widersprechen, das ist kein Unglaube, das ist nicht gottlos. Sondern das gehört zu einem gelebten Glauben dazu. Dafür ist Jesus unser Zeuge. Wir können uns auf ihn berufen. Jesus hat Todesangst. Und was ist mit denen dreien, die er mitgenommen hat, Petrus, Jakobus, Johannes? Sie schlafen ein! Jesu engste Vertraute, sie wachen und beten nicht, sie schlafen ein. Sie sind müde, erschöpft, sind der Anforderung nicht gewachsen. Das muss für Jesus eine sehr bittere Erfahrung gewesen sein. Auch für die drei Jünger selbst war es sicher eine bittere Erfahrung. Das muss man wissen und sich eingestehen: wenn wir einen anderen Menschen in bester Absicht in seiner Not begleiten wollen, dann kann es vorkommen, dass wir daran scheitern, weil wir auf einmal total erschöpft sind. Und wenn wir selbst auf die Nähe und Begleitung eines anderen Menschen hoffen, weil wir um unser Leben Angst haben, dann müssen wir barmherzig sein, wenn sich unsere Hoffnung unter Umständen nicht erfüllt. „Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach.“ Im Garten Gethsemane hat Jesus im Gebet und in Todesangst mit Gott gerungen. Zuerst hat er um Verschonung gebeten, dann um Vertrauen. Zuerst hat er gebetet: „Bitte nicht“, dann „Nicht mein Wille geschehe, sondern deiner!“ Zuerst war Widerstand und Aufbegehren da, dann Ergebung. Merken Sie, liebe Geschwister? Es gibt da zwei Willen: den Willen Jesu und den Willen des Vaters. Und diese beiden wollen noch immer Unterschiedliches. „Nicht mein Wille geschehe, sondern deiner“, das bedeutet: Jesus lässt sich mit seinem eigenen Willen und mit seinen Vorbehalten in den Willen des Vaters hineinfallen. Das ist keine Kapitulation, kein Einverständnis. Vielleicht kommt es darauf an: Dass wir uns am Ende und trotz allem, was wir nicht verstehen und nicht wollen, in den Willen Gottes hineinfallen lassen, mit unserem eigenen Willen und unseren Vorbehalten.

Liebe Geschwister, im Garten Gethsemane kann man nicht übernachten. Es gibt feste Öffnungszeiten für BesucherInnen, irgendwann sind die vorbei. Auch die alten Olivenbäume müssen sich einmal erholen. Auch Jesus hat im Garten Gethsemane nicht übernachtet, sich nicht dort versteckt. Nachdem er sich in den Willen Gottes hat hineinfallen lassen. Er, der eben noch gezittert hat vor Angst, wird stark und selbstbewusst. Er wartet nicht passiv auf sein Leiden, seine Passion. Im Gegenteil. Zu seinen Jüngern sagt er: „Steht auf! Lasst uns gehen! Siehe, er ist da, der mich verrät!“ Es ist ein Unterschied, ob jemand sich kraftlos in sein Schicksal fügt oder ob er aufsteht und aufrecht dem Unvermeidbaren entgegengeht. Selbstbestimmt, entschlossen, bereit. So geht Jesus denen entgegen, die sich von Judas zeigen lassen, wo er ist und wer er ist. Dann wird Jesus abgeführt. Seine Zeit im Garten Gethsemane endet. Sein Leiden, seine Passion beginnt. In einigen Wochen werden wir uns daran ganz besonders erinnern- am Karfreitag. Unter dem Kreuz. Beladen mit unseren ganz eigenen Kreuzen.
Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft zu fassen vermag,
bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.

Lied EG 648, 1-3 Ins Wasser fällt ein Stein“

Fürbitten: heute kann man einmal selbst formulieren, worum wir Gott bitten möchte...

Vater Unser im Himmel, ...

Segen: Der Herr leite und begleite dich mit seinem Segen.
Amen.

 

Gottesdienst am Sonntag, den 06. März 2022

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde,
herzlich willkommen zum Lesegottesdienst für Sonntag, den 6. März.
Es ist der erste Sonntag der Passionszeit und trägt den Namen „Invokavit“.
Der Wochenspruch, der uns durch die neue Woche begleiten wird, scheint wie für unsere vom Krieg in der Ukraine überschattete Zeit ausgewählt:
„Dazu ist erschienen der Sohn Gottes, dass er die Werke des Teufels zerstöre.“ (1. Johannesbrief, Kapitel 3, Vers 8b). Ein Wort, das zum Nachdenken anregt!
Auch heute wollen wir darum beten, dass der Friede, der von Gott herkommt, über alle lebenszerstörenden Mächte siegen wird.
Einen gesegneten Sonntag wünscht Pfarrerin Anke MühlenbergKnebel

Am Anfang steht das Lied EG 430, 1-4 „Gib Frieden, Herr, gib Frieden“

Eingangswort:
Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Amen.

Gebet:
Du Gott des Lebens, du hast deinen Sohn in diese Welt gesandt,
dass er die Macht des Todes besiege und den Menschen das Leben und den Frieden bringe.
Er ist unser Friede. Dafür danken wir dir.
Amen.

Liebe Gemeinde, unser Lesungs- und zugleich Predigttext steht im 2. Korintherbrief, Kapitel 6, Verse 1 bis 10:
Als Mitarbeiter aber ermahnen wir euch, dass ihr die Gnade Gottes nicht vergeblich empfangt. Denn er spricht:
„Ich habe dich zur Zeit der Gnade erhört und habe dir am Tag des Heils geholfen.“
Siehe, jetzt ist die Zeit der Gnade, siehe, jetzt ist der Tag des Heils! Und wir geben in nichts irgendeinen Anstoß, damit unser Amt nicht verlästert werde; sondern in allem erweisen wir uns als Diener Gottes:
in großer Geduld, in Trübsalen, in Nöten, in Ängsten, in Schlägen, in Gefängnissen, in Verfolgungen, in Mühen, im Wachen, im Fasten, in Lauterkeit, in Erkenntnis, in
Langmut, in Freundlichkeit, im heiligen Geist, in ungefärbter Liebe, in dem Wort der Wahrheit, in der Kraft Gottes, mit den Waffen der Gerechtigkeit zur Rechten und zur Linken, in Ehre und Schande; in bösen Gerüchten und guten Gerüchten, als Verführer und doch wahrhaftig; als die Unbekannten, und doch bekannt; als die Sterbenden, und siehe, wir leben; als die Gezüchtigten, und doch nicht getötet; als die Traurigen, aber allezeit fröhlich; als die Armen, aber die doch viele reich machen; als die nichts haben und, und doch alles haben.
Amen.

Glaubensbekenntnis:
Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen,
den Schöpfer des Himmels und der Erde.
Und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn.
Empfangen durch den Heiligen Geist,
geboren von der Jungfrau Maria,
gelitten unter Pontius Pilatus,
gekreuzigt, gestorben und begraben.
Hinabgestiegen in das Reich des Todes;
am dritten Tage auferstanden von den Toten, aufgefahren in den Himmel.
Er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters.
Von dort wird er kommen zu richten die Lebenden und die Toten.
Ich glaube an den Heiligen Geist,
die Heilige christliche Kirche, Gemeinschaft der Heiligen,
Vergebung der Sünden,
Auferstehung der Toten und das ewige Leben.
Amen.

Lied EG 382, 1-3 „Ich steh vor dir mit leeren Händen, Herr“

Predigt:

Gnade sei mit euch und Friede, von Gott, unserem Vater, und von dem Herrn Jesus Christus.
Amen.

Liebe Geschwister, „unsere Mutter war in den letzten Monaten doch ziemlich dement geworden“, erzählen die Kinder der alten Dame, die verstorben war und deren Trauerfeier ich vorzubereiten hatte. Sie war sehr alt geworden, fast 90 Jahre; und auch die beiden Kinder, die da vor mir saßen, waren schon im Rentenalter. Zuletzt war es kaum noch machbar gewesen, dass sie in ihrer kleinen Wohnung alleine lebte. Ihr Mann war schon einige Jahre zuvor verstorben. Keinesfalls wollte sie ins Heim, obwohl sie körperlich und auch geistig sehr abgebaut hatte. „Überall hatte sie diese kleinen gelben Zettel, diese post it- Zettel hingehängt“, berichtet die Tochter. „Telefon“ steht am Telefonhörer, „Waschmaschine“ an der Waschmaschine“, „Schlüssel“ mitnehmen“ und „Nachbarn grüßen“ neben der Haustüre, wo auch ihr Rollator abgestellt war. Auf dem stand übrigens ihr Name und ihre Adresse, für alle Fälle. Diese kluge Frau, über Jahrzehnte das Gedächtnis ihrer Familie, vertraute ihr nachlassendes Gedächtnis den kleinen Zetteln an. Neben dem Spiegel war „Lächeln“ zu lesen und am Radio „Musik“ und „Mitsingen“. „Wichtig“ klebt an den Fotoalben und auf der Schachtel mit alten Briefen. Jeder Zettel wirkt wie ein Widerstand gegen die schwindende Erinnerung, wie ein Überlebenszeichen im Meer des Vergessens.

Die Mutter wollte nicht in der Gedankenleere versinken, sondern in ihrem Leben, das ihr vertraut war, bleiben. In unserem heutigen Predigttext aus dem 2. Korintherbrief schreibt der Apostel fast etwas trotzig „In Nöten, in Ängsten,…und siehe, wir leben.“
Die alte Dame behauptete sich ebenso trotzig gegen den Verlust ihrer Lebensgeschichte, der Namen und des freundlichen Umgangs.
Das beharrliche und doch mehr und mehr mühsamer werdende Festhalten an allem, was Alltag und Erinnerung ist, lebt von der Einsicht:
„Und siehe, wir leben.“
Wie ein gelbes post-it-Zettelchen, das auf allem, was untergehen könnte, wie ein gelbes Fähnchen flattert:
„Und siehe, wir leben.“

So schreibt Paulus:
„als die Sterbenden, und siehe, wir leben“, und das gleichzeitig in Angst und mit Mut, in Schuld und doch durch Vergebung, zugleich sterben und leben dürfen. In diesen Tagen, liebe Geschwister, sollten solche gut sichtbaren Zettelchen an jeder Ecke im Wind hängen:
Es ist Krieg, es herrscht Gewalt, es zieht Untergang auf, und auch unsere Gedanken verwirren sich, auch wir haben das Gefühl, dass wir die Kontrolle verlieren, aber trotzdem, gerade deswegen heftet Paulus ein „in Nöten, in Ängsten,…und siehe, wir leben“ an unseren Tag.

Während die Kinder der Verstorbenen mir von ihrer Mutter erzählen, legen sie mir verschiedene Erinnerungsstücke aus der Wohnung vor. Ein altes Kochbuch, mit Rezepten aus der Kriegszeit: wie man Graupensuppe, Kaffee-Ersatz , Steckrübensuppe und anderes zubereitet. Das stammt noch von der Mutter ihrer Mutter, die damals zusehen musste, wie sie ihre Familie ernähren konnte in der schlechten Zeit. Da musste man sich schon etwas einfallen lassen. Davon hatte die Mutter ihnen auch manchmal erzählt; das alte Kochbuch hatte sie aufgehoben, um sich daran zu erinnern, dass es gar nicht selbstverständlich ist, wenn man sich sattessen kann.

Das Fotoalbum schauen wir uns gemeinsam an. Fotos in schwarz-weiß, ein Mann in Uniform. Der Vater ihrer Mutter, der in Russland gefallen war. Wenn er auf Urlaub kam, hatte er von dem vielen Schnee im Osten erzählt, von der armen Bevölkerung in den Dörfern, die selbst kaum etwas zu essen hatten. Einige Briefe, die er geschrieben hatte, sind dazwischen gelegt. Lebenszeichen, lange ersehnt. Was hatte er dort gesehen, was erlebt? Woran war er beteiligt? „Wichtig“ hatte die Verstorbene dem Fotoalbum angeheftet. “Seid froh, dass ihr in Friedenszeiten aufgewachsen seid“, hatte sie ihren Kindern immer wieder gesagt.

„Nie wieder Krieg“, so haben es die Menschen, die den zweiten Weltkrieg überstanden hatten, formuliert. Und heute? Doch wieder Krieg, ganz in unserer Nähe! Und mit einer
eigenartigen Selbstverständlichkeit wird jetzt auf einmal von höheren Militärausgaben bei uns gesprochen, Waffenlieferungen genehmigt, usw.. Vielleicht haben wir die lange Friedenszeit bei uns gar nicht richtig zu schätzen gewusst. Immer weniger Menschen leben unter uns, die davon erzählen können, wie schrecklich dieser zweite Weltkrieg war. Und die Berichte der heutigen Bundeswehrsoldaten, die schwer traumatisiert aus ihren Auslandseinsätzen zurückkamen, haben wir vielleicht gar nicht so genau hören wollen. Es schien ja auch alles so weit weg von uns.

Die verstorbene alte Dame hatte sich gegen das Vergessen gewahrt. Überall hatte sie in ihrer Wohnung ihre Erinnerungszettelchen angeheftet. Sie hatte sich für Frieden und Versöhnung eingesetzt, nahm mit ihrer ganzen Familie an den Ostermärschen teilte, gings zu Demos gegen den ersten Golfkrieg, initiierte zusammen mit anderen in ihrer Heimatgemeinde ein regelmäßiges Friedensgebet . Hätte auch gerne 2015 mitgeholfen, als so viele Menschen nach Deutschland geflüchtet waren, aber da war sie schon hinfälliger geworden Und jetzt hätte sie vermutlich auch Geld für die Menschen in der Ukraine gespendet und für den Frieden gebetet. Nie wieder Krieg! Sie lebte in zwei Welten. So, wie der Apostel Paulus es beschreibt:
„und siehe, wir leben; als die Gezüchtigten und doch nicht getötet; als die Traurigen, aber allezeit fröhlich; als die Armen, aber die doch viele reich machen.“
Ihre engagierte Mutter war den beiden Kindern und deren Familien ein Vorbild, das kann man merken, als sie von ihr erzählen. Dass die Enkel auch immer gefragt hätten, wie das denn damals im Krieg war.

Liebe Geschwister, mit dem Aschermittwoch hat die Passionszeit begonnen. Heute ist der erste Sonntag der Passionszeit. In diesen 7 Wochen bis Ostern erinnern wir uns an das Leben, Leiden und Sterben Jesu. Eine stille und nachdenkliche Zeit. Zugleich rückt die Vorfreude auf Ostern in den Blick. Jetzt ist vieles gleichzeitig. Dieser Krieg am Rande Europas, all die Not der Menschen, die Ängste, die Gewalt, die Ungewissheit, die Mühen, das lange Wachen. Alles lebt gleichzeitig in uns auf:
Angst, Entsetzen, Hoffen, Suchen und all die Gebete. Die Ohren sind hellwach und dankbar für das „Und siehe, wir leben“- Wort aus der Bibel. Und siehe, wir leben! Diese christliche Botschaft klebt in unseren Zeiten auf kleinen, oft unsichtbaren post-it-Zettelchen überall.

Der Schatten des Kriegs hat sich über uns gelegt, und doch bringt das „Und siehe, wir leben“ Licht in die Finsternis. Der Tag des Heils scheint von den Nöten und der Bedrängnis vielleicht gebremst, aber er wird nicht ausgebremst. Und mit der Passion kommt die Auferstehung in den Blick. Manchmal wirkt es so, als lebten wir gleichzeitig in unterschiedlichen Zeitzonen. Wir erleben Krieg, Leid, Geschrei und ein kraftvolles „Und siehe, wir leben“.

Ob die beiden Kinder wohl das Kochbuch, die Fotos, die alten Briefe auch nach der Beerdigung der Mutter weiter aufgehoben haben? Wenn der innere Halt sich auflöst, die Zusammenhänge des Lebens auseinanderfallen, dann gewinnt alles, was die Erinnerung aufhellt, an Bedeutung. Jedes Zettelchen ist dann wichtig. Jede Hoffnung, die ein Mensch wachhält, hilft den anderen. Und da kleben diese biblischen post-it- Zettelchen und flattern gelb im Wind:
„Dienerin Gottes: in großer Geduld;
Diener Gottes: in Trübsalen;
Dienerin Gottes: in Ängsten“
Dienerin und Diener: und siehe, wir leben.
Und die alte Dame würde, wenn sie noch am Leben wäre, ein „Lächeln“, ein „wichtig“, ein „Nicht vergessen“ dazu kleben.
Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft zu fassen vermag,
bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.
Amen.“

Lied EG 432, 1-3 „Gott gab uns Atem, damit wir leben“

Fürbitten:
Es ist Krieg. In der Ukraine, in Europa.
Ein Gebet für uns und für alle Menschen, die in Gewalt und Hass versinken.
Gott, dein Frieden ist höher als Macht und Hass und alles, was verletzt.
Deine Liebe ist größer als Grenzen und Konflikte und alles, was trennt.
Ach, Herr. Was können wir tun? Wir bitten dich um Frieden.
Wir bitten dich für die, die um ihr Leben bangen.
Für die, die das Kriegsgeschrei in den Ohren haben und die Angst im Herzen.
Für die Menschen in der Ukraine bitten wir und für die in Russland.
Für die, die Verantwortung tragen.
Wir bitten dich um Vernunft und Liebe, um Frieden.
Dein Frieden soll in den Herzen wohnen und herrschen auf deiner Welt.
Das ist meine Sehnsucht und meine Hoffnung.
Deine Liebe soll in mir wohnen und in dem neben mir und in allen Menschen.
Drum bitten wir dich.
Für die Ukraine, für Russland, für alle Länder, wo Krieg und Not herrschen. Für die Welt.
Amen.

Vaterunser im Himmel, geheiligt werde dein Name,…

Segen:
Der Segen Gottes komme über dich und bleibe bei dir von nun an bis in Ewigkeit.
Amen.

Lied EG 421 „Verleih uns Frieden gnädiglich“

 

Gottesdienst am Sonntag, den 27. Februar 2022

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde,

herzlich willkommen zum Lesegottesdienst für Sonntag, den 27. Februar 2022.
Im liturgischen Kalender ist es der Sonntag vor der Passionszeit; er trägt den Namen „Estomihi“.
Was ein unbeschwerter Faschingssonntag sein sollte - soweit das unter Corona-Bedingungen möglich ist - ist nun überschattet vom russischen Einmarsch in der Ukraine. Wir haben Angst um die Menschen, die unmittelbar von diesem Krieg betroffen sind.
Wir fühlen uns hilflos; fragen: was können wir tun? Aber wir machen sich auch große Sorgen, wie es weitergehen wird. Wird vielleicht ganz Europa nach und nach in diesen Krieg mit einbezogen? Da ist es gut, wenn wir alles, was uns bewegt, im Gottesdienst vor Gott tragen können. Und auf das hören, was er uns sagen kann.

 Einen gesegneten Sonntag wünscht Pfarrerin Anke Mühlenberg- Knebel.

 Lied EG 617, 1-3 „Kommt herbei, singt dem Herrn“

Wir sind hier zusammen im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Amen.

Eingangspsalm 139 I (NL 966.1):
Herr, du erforschest mich und kennest mich.
Ich sitze oder stehe auf, so weißt du es;
du verstehst meine Gedanken von ferne.
Ich gehe oder liege, so bist du um mich und siehst alle meine Wege.
Denn siehe, es ist kein Wort auf meiner Zunge,
dass du, Herr, nicht schon wüsstest.
Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir.
Diese Erkenntnis ist mir zu wunderbar und zu hoch,
ich kann sie nicht begreifen.
Wohin soll ich gehen vor deinem Geist,
und wohin soll ich fliehen vor deinem Angesicht?
Führe ich gen Himmel, so bist du da;
bettete ich mich bei den Toten, siehe, so bist du auch da.
Nähme ich Flügel der Morgenröte und bliebe am äußersten Meer,
so würde auch dort deine Hand mich führen und deine Rechte mich halten.
Spräche ich: Finsternis möge mich decken und Nacht statt Licht um mich sein -
so wäre auch Finsternis nicht finster bei dir und die Nacht leuchtete wie der Tag.
Amen.

 Gebet:
Gott, du weißt, was uns in diesen Tagen bewegt.
Erbarme dich unserer Ängste und Sorgen.
Hilf mit, dass wir Menschen unsere Masken und Verkleidungen ablegen können
und offen miteinander umgehen.
Amen.

Biblische Lesung (1. Buch Mose, Kapitel 41, Verse 47-50. 53 bis 57):
Und das Land trug in den sieben reichen Jahren die Fülle. Und Josef sammelte die ganze Ernte der sieben Jahre, da Überfluss im Lande Ägypten war, und tat sie in die Städte. Was an Getreide auf dem Felde rings um eine jede Stadt wuchs, das tat er hinein. So schüttete Josef das Getreide auf, über die Maßen viel wie Sand am Meer, so dass er aufhörte zu zählen; denn man konnte es nicht zählen. Als nun die sieben reichen Jahre um waren im Lande Ägypten, da fingen an die sieben Hungerjahre zu kommen, wie Josef gesagt hatte. Und es ward eine Hungersnot in allen Landen, aber in ganz Ägyptenland war Brot. Als nun ganz Ägyptenland auch Hunger litt, schrie das Volk zum Pharao um Brot. Aber der Pharao sprach zu allen Ägyptern: Geht hin zu Josef; was der euch sagt, tut. Als nun im ganzen Lande Hungersnot war, tat Josef alle Kornhäuser auf und verkaufte den Ägyptern; denn der Hunger ward je länger je größer im Lande. Und alle Welt kam nach Ägypten, um bei Josef zu kaufen; denn der Hunger war groß in allen Landen.
Amen.

 Lied EG 628, 1-3 „Ich lobe meinen Gott“

Predigt:

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und von dem Herrn Jesus Christus.
Amen.

Liebe Gemeinde, die Faschingszeit ist die Zeit der Kostümierungen aus Schminke, besonderen Verkleidungen und Masken. Um die FFP-2-Masken, mit denen wir einen Großteil unseres Gesichtes bedecken, soll es heute aber nicht gehen. In diesem Jahr wird ja nur ganz verhalten Fasching gefeiert, wegen Corona und jetzt auch wegen der furchtbaren Ereignisse des russischen Einmarsches in der Ukraine. Wir fragen uns, wie wird es weitergehen? Aber trotzdem begegnet man hier und da Kostümierten. Manchmal ist die Verkleidung so gut, dass man gar nicht erkennen kann, wer darunter steckt. War auch Putins Verkleidung so perfekt, dass wir jetzt erst merken, wer dahinter steckt?

Die anderen anschauen, ohne das eigene Gesicht zu zeigen, sich hinter etwas verstecken, das machen wir alle, wenn auch auf einer anderen Ebene. Wenn auch nicht mit so bösen Absichten, hoffentlich nicht.

Wir verbergen unsere wahren Gedanken. Wir schirmen uns ab. Wir lassen uns nicht in unser Inneres blicken. Wir alle tragen Masken, oft mehrere auf einmal. Manchmal nehmen wir eine unserer Masken ab, aber dann kommt eine neue Maske zum Vorschein. Wir machen die größten Anstrengungen, um zu verbergen, was wir in Wahrheit sind. Ja, wir sind nicht bereit, uns dem anderen wirklich zu öffnen. Dabei verlangen wir gleichzeitig gerade von den anderen Menschen, dass sie uns entgegenkommen, dass sie uns ihr Herz öffnen, dass sie uns sagen, was sie bewegt und dass sie Vertrauen zu uns haben. Wir wollen das Gesicht der anderen sehen, unser eigenes Gesicht dabei aber nicht preisgeben. Wir wollen ihnen in die Augen schauen - ohne die Maske von den eigenen Augen abzureißen.

Aber das geht nicht. Wenn wir uns hinter Masken verstecken, können wir nicht erwarten, dass andere ihre ablegen. Wie soll ein anderer als Mensch mit uns reden, wenn wir ihm unser wahres Gesicht nicht zeigen. Aber vielleicht zeigen die Masken doch mehr von unserem wirklichen Selbst, als wir vermuten würden.

Davon erzählt der Schriftsteller Siegfried Lenz in seinem Buch „Die Maske“. Er erzählt darin von einem Studenten, der seine Semesterferien beim Großvater, dem Inselwirt, verbringt. Es ist Sommer geworden. Auf der kleinen Insel in der Elbmündung sind die ersten Feriengäste angekommen, die Saison hat begonnen. Da peitscht ein Unwetter von der Nordsee über die Insel, und als die Menschen sich wieder an den Strand trauen, liegt dort eine große Kiste, die im Sturm über Bord gegangen ist von einem Schiff der China Shipping Container Lines.

Darin befinden sich Masken, die für das Völkerkundemuseum in Hamburg bestimmt sind. Die Menschen probieren die Masken an, sind plötzlich Drache, Tiger oder Puma. Die vermeintliche Kostümierung bringt das wahre Gesicht zum Vorschein. Und da geschieht etwas ganz Besonderes. Unter dem Schutz der Masken werden Feindschaften beigelegt, Vorurteile vergessen, Menschen verlieben sich ineinander. Die Masken verleihen ihren Trägern neue Identitäten und neue Möglichkeiten.

 „Die Dorfbevölkerung stellt fest, dass die Maske ihnen eine bestimmte Freiheit verschafft“, erzählt Siegfried Lenz. „Eine Freiheit des Sagens, des Anvertrauens, aber auch eine Freiheit des Zorns, der Wut, der Empörung, die man loswerden kann unter der Maske.“ Hinter den Masken verändern sich auch die Menschen. Sie verstecken sich nicht dahinter, sondern ihr wahres Wesen kommt zum Vorschein.

Es ist, als wolle Lenz uns sagen: „Gib dem Menschen eine Maske und er wird dir zeigen, wer er wirklich ist.“

Welche Maske bräuchte ich, um mein wahres Gesicht zu zeigen, um die zu sein, die ich bin, um so zu sein, wie Gott mich gedacht hat?

Manchmal denken wir ja auch von Gott, dass sich eine Maske vorhält. Er ist uns verborgen, er lässt uns sein Angesicht nicht sehen. Er möchte, dass wir mit ihm sprechen, aber er bleibt uns unsichtbar. Wir können ihm unser Herz öffnen, aber wir bekommen ihn selbst nicht zu Gesicht. Wie soll man mit einer Maske reden?

Solche Gedanken kommen uns manchmal. Und vielleicht überspielen wir auch mit einem Lächeln unsere Zweifel, wenn wir einmal ein Gespräch über den Glauben und Gott mit anderen Menschen führen. Ich sage dann zum Beispiel, dass wir auf Jesus Christus schauen können, wenn wir wissen möchten, wer Gott ist. Wer ihn sieht, sieht den Vater. In Jesus haben wir ein wunderbares Anschauungsmaterial, wie Gott ist und wie er sich verhält. Von ihm her dürften wir eigentlich wissen, dass wir so angenommen sind wie wir sind. Dass wir uns nicht verbergen und verstecken müssen. Im Hinblick auf Gott geht das auch gar nicht.

Zurück zur Lesung aus der Josephsgeschichte. Da wird von den 7 fetten und den 7 mageren Jahren erzählt. Vielleicht haben Sie sich darüber gewundert. Aber das ist doch genau unsere Erfahrung: Nicht nur, dass es vom schmutzigen Donnerstag bis Aschermittwoch 7 Tage sind, und dann ist alles vorbei. Sondern auch, dass es in unserem Leben Freudenstrecken- und Durststrecken gibt. Unser ganzes Leben ist ja ein Wechsel von guten und schlechten Zeiten, manchmal sogar ein Nebeneinander von frohmachenden und erschütternden Erfahrungen, so wie jetzt gerade. Gerade bei den schweren Strecken möchten wir uns lieber verbergen.

Joseph nutzt die fruchtbaren Jahre, um Lebensmittel einzulagern. Wenn die Zeiten der Dürre kommen, sind genügend Vorräte da, dass man von ihnen zehren kann. Die Faschingszeit erinnert uns daran, ausgelassene und fröhliche Stimmungen für die Zeiten im Herzen zu bewahren, wo das Leben schwer und traurig wird.

Also, liebe Gemeinde, wer möchte und wem das hilft, der soll, so denke ich, die Zeit hinter Masken, Schminke und Verkleidungen genießen. Aber wir merken, dass es für unser Miteinander- vom ganz eigenen privaten Bereich bis zu den internationalen Beziehungen, bis zur Weltpolitik- wichtig ist, sich offen und ehrlich zu begegnen. Damit nicht nur Gott, sondern auch die anderen Menschen wissen, woran sie mit mir sind: So, wie es im Psalm 139 am Ende heißt:
„Erforsche mich, Gott, und erkenne mein Herz;
prüfe mich und erkenne, wie ich`s meine.
Und sieh, ob ich auf bösem Wege bin,
und leite mich auf ewigem Wege.“
Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft zu fassen vermag,
der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.
Amen.

Fürbitten:

Gott, wir erleben gerade, wie zerbrechlich unsere Sicherheiten sind, wie gefährdet unsere Ordnungen.
Wir müssen erleben, wie Machthaber die Freiheit und das Leben vieler Menschen gefährden.
Wie am Rand Europas ein Krieg beginnt.
Wir sind wütend und fassungslos.
Sieh du die Not, sieh unsere Angst.
Wir suchen Zuflucht bei dir und einen Grund unserer Hoffnung.
Wir bringen dir unsere Sorgen.
Wir bitten dich für die, die um ihr leben fürchten.
Und für die, die sich weiterhin für friedliche Lösungen einsetzen.
Verleih uns Frieden gnädiglich, Herr Gott, zu unsern Zeiten.
Es ist ja doch kein andrer nicht, der für uns könnte streiten, denn du, unser Gott, alleine.
Amen.

Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name,…

Segen:
Der Segen Gottes komme über dich und bleibe bei dir von nun an bis in Ewigkeit.
Amen.

Lied EG 610, 1-3 „ Herr, wir bitten, komm und segne uns“

 

Gottesdienst am Sonntag, den 20. Februar 2022

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde,herzlich willkommen zum Lesegottesdienst für Sonntag, den 20. Februar 2022.
Im liturgischen Kalender hat dieser Sonntag den Namen „Sexagesimae“; das bedeutet „60“. Ungefähr 60 Tage sind es noch bis Ostern. Der Wochenspruch aus dem Hebräerbrief für die neue Woche ermuntert uns, offen zu sein für das Wort Gottes:
„Heute, wenn ihr seine Stimme hört, so verstockt eure Herzen nicht.“ (Heb 3, 15).
Ein gesegnetes Wochenende und eine gute neue Woche wünscht Pfarrerin Anke Mühlenberg- Knebel.

Wir beginnen mit dem Lied „Herr, öffne mir die Herzenstür“ (EG 197, 1-3).

Im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Amen.

Gebet:
Guter Gott, du hörst nicht auf, mit uns zu sprechen.
Du rufst uns in deinen Dienst und begleitest uns auf unseren Wegen.
Sprich du auch in unser Leben und in unsere Herzen hinein.
Gib uns Freude an deinem Wort.
Amen.

Der Lesungs- und zugleich Predigttext steht im Hebräerbrief, Kapitel 4, Verse 12 und 13:
„Denn das Wort Gottes ist lebendig und kräftig und schärfer als jedes zweischneidige Schwert und dringt durch, bis es scheidet Seele und Geist, auch Mark und Bein, und ist ein Richter der Gedanken und Sinne des Herzens. Und kein Geschöpf ist vor ihm verborgen, sondern es ist alles bloß und aufgedeckt vor den Augen dessen, dem wir Rechenschaft geben müssen."
Amen.

Wir bekennen unseren christlichen Glauben:
Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen,
den Schöpfer des Himmels und der Erde.
Und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn.
Empfangen durch den Heiligen Geist,
geboren von der Jungfrau Maria,
gelitten unter Pontius Pilatus,
gekreuzigt, gestorben und begraben.
Hinabgestiegen in das Reich des Todes;
am dritten Tage auferstanden von den Toten, aufgefahren in den Himmel.
Er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters.
Von dort wird er kommen zu richten die Lebenden und die Toten.
Ich glaube an den Heiligen Geist,
die Heilige christliche Kirche, Gemeinschaft der Heiligen,
Vergebung der Sünden,
Auferstehung der Toten und das ewige Leben.
Amen.

Lied „Gottes Wort ist wie Licht in der Nacht“ (NL 147)

Predigt:

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und von dem Herrn Jesus Christus.
Amen.

Liebe Geschwister, um das Wort Gottes geht es im heutigen Gottesdienst. In unserem Predigttext wird es mit einem starken und auch etwas überraschenden Bild beschrieben: es ist schärfer als ein zweischneidiges Schwert. Das meint: Die Sache mit dem Glauben ist nichts Einfaches, etwas nur Nettes, Harmloses. Das Wort Gottes kann scharf sein, schneiden, verletzen und trennen.

Wir Pfarrerinnen und Pfarrer reden aber nicht so gerne davon. Viel lieber stellen wir das Tröstliche, Mutmachende, Warm- herzige und Freundliche seiner Botschaft in den Vordergrund. Und es fällt uns allen ja auch leichter, es so zu hören. Wir möchten ja gar nicht so gerne, dass Gott uns scharf und schonungslos betrachtet. Dass Gott alles sieht und nichts vor ihm verborgen bleibt. Mit so einem Bild von Gott wurde den Menschen in früheren Zeiten oft Angst gemacht und Gott pädagogisiert: „Der liebe Gott sieht alles.“ Gott als eine Art Aufpasser! Das kann Menschen ängstigen und zu schaffen machen, besonders wenn man sie in diesem Sinn von Kindheit anerzogen hat. Es ist dann sehr schwer, eine vertrauensvolle Gottesbeziehung zu entwickeln.

Zum Glück wurde diese Pädagogik kritisiert und in den letzten Jahrzehnten die liebevolle Seite Gottes hervorgehoben. „Gottes Wort ist lebendig“, sagt der Hebräerbrief. Und es hat Kraft. Es wirkt, wenn es ausgesprochen wird. Das kennen wir auch von unseren Worten her. Das, was wir sagen, kann befreien und ermutigen: „Du schaffst das schon!“ Worte können uns in unserem Inneren erreichen und bewegen. Wie gut tut uns ein Lob! Eine Anerkennung unserer Leistung oder unserer Persönlichkeit. Eine Liebeserklärung stellt mein Leben auf den Kopf und verzaubert die Welt. Manche Worte werden lange herbeigesehnt und verändern alles, wenn sie endlich ausgesprochen werden. Worte entfalten ihre Wirkung.

Das lässt sich auch auf Gottes Botschaft beziehen: sein Wort geschieht, wirkt, tut, was es verspricht. Gott sprach: „Es werde Licht! Und es ward Licht.“ Gott spricht und ermöglicht mit seinem Wort neues Leben. Jesus sagt zu dem Taubstummen „Hephata!- Tu dich auf!“ Und er hört und findet Worte. Gottes Wort ist lebendig. Es eröffnet Zukunft, macht Mut, fordert heraus, gibt Halt. Ist Gott also immer der liebe Gott? Da müssen wir unterscheiden, liebe Schwestern und Brüder. Die Bibel redet von Gottes Liebe, nicht vom lieben Gott. Und das ist gut so. Denn Gottes Liebe, sein grundsätzliches Ja zum Menschen, kann uns auch als Nein begegnen, uns mit ganzer Schärfe treffen und herausfordern.

Die Propheten des Alten Testamentes sagen zum Beispiel im Namen Gottes Nein! zur Unterdrückung der Armen. Sie kritisieren Wucher und Geldgier. Sie entlarven einen religiösen Kult, der zum sozialen Unrecht schweigt, mit dem kein entsprechendes Handeln verbunden ist. Gottes Wort ist eben nicht immer lieb und harmlos, es kann uns treffen, uns erschüttern. Gott schaut ganz genau hin; er weiß, was bei uns los ist, auch wenn wir meinen, vieles überspielen und verheimlichen zu können. Gott sieht das alles, und er schweigt nicht dazu. Gottes Wort ist lebendig und kräftig und scharf. Es stellt uns und unser Denken und Handeln in Frage, deckt auf, was unbequem und peinlich ist, was so nicht sein soll und sein darf. Gott bringt zur Sprache, was gesagt werden muss, auch, wenn es weh tut. Nur so ermöglicht es uns eine neue Perspektive, einen neuen Weg. Gottes Wort ist kann auch scharf und direkt sein. Und das ist gut so. Unrecht und Missachtung, Hass und Gewalt werden nicht einfach hingenommen. Gott will klare Verhältnisse schaffen. Zurechtbringen, was aus der Spur geraten ist.

“Es liegt alles nackt und aufgedeckt vor den Augen Gottes“, hören wir aus dem Hebräerbrief. Wenn wir das positiv verstehen, heißt das doch: Gott sieht alles und erträgt alles. Gott hält das auch aus, hinzuschauen. Auf unsere Nöte, unser Versagen, auf unsere kleinen und großen Gemeinheiten. Er allein schafft das, alles zu sehen und alles zu sehen. Alles Schreckliche, was auf dieser Welt geschieht, was Menschen einander und der Schöpfung antun: Machtkämpfe und Kriegsnöte, Waffengeschäfte, eine ausgebeutete Erde, verschmutzte Meere, verpestete Luft. Das unsägliche Leid, Krankheit, Armut, Hunger. Gott sieht und erträgt das, aber nicht wie Big Brother, Er ist nicht der Kontrolleur. Gott ist darin Gott, dass er sieht und aushält, trägt und nicht schweigt. So, wie es ist, soll es nicht bleiben!

Ein Obstbauer besaß eine ansehnliche Apfelplantage. Zur Zeit der Ernte inspiziert er sie ganz genau und er freut sich auf die zu erwartenden Früchte. Aber immer, wenn er durch die Plantage geht, muss er feststellen, dass die schönsten Früchte, die gestern noch an den Bäumen hingen, über Nacht gestohlen worden waren. In seiner Not wendet er eine List an. Er schreibt auf ein Plakat „Gott sieht alles“ und hängt es an einen der Apfelbäume. Als er am nächsten Morgen wieder auf die Plantage kommt, um zu sehen, ob seine Drohung etwas gewirkt hat, findet er auf dem Schild folgenden Zusatz: „Gott sieht alles, aber er verrät uns nicht.“ So, liebe Geschwister, ist es gerade nicht. Gott ist nicht der harmlose Gott, der sich zu unserem „Kumpel“ oder sogar „Komplizen“ macht. .Er schweigt nicht!.Gott sei Dank! Gott sieht, sieht mehr als uns lieb ist. Er sagt, was gesagt werden muss, scharf und direkt. Damit wir leben können, trotz allem. Weil er uns liebt.
Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist, als unsere Vernunft zu fassen vermag, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.
Amen.

Lied „Danke für diesen guten Morgen“ (EG 334, 1-3 und 5)

Fürbitten:

Herr, unser Gott, voll Vertrauen kommen wir zu dir und bitten dich: Schenke uns offene Ohren, dass wir dein Wort hören. Schenke uns offene Herzen, dass wir annehmen, was du uns zu sagen hast.

Jesus Christus, du hast zu denen gesprochen, mit denen sonst niemand geredet hat. Wir bitten dich für die, die außen vor sind, die nicht dazugehören, die niemanden haben, der sich für sie einsetzt. Sei du an ihrer Seite.

Heiliger Geist, du gibst Kraft und Mut. Stärke uns, dass wir unsere Stimme erheben, wo Unrecht geschieht. Hilf uns, dass wir nicht aufhören, uns für den Frieden einzu- setzen und dass wir dein Wort frohen Mutes weitertragen. Hinein in diese schöne und oft so schwierige Welt.
Amen.

Vater unser in Himmel, geheiligt werde dein Name, dein Reich komme...

Segen: Gott segne dich und behüte dich auf all deinen Wegen.
Amen.

Lied „Komm, Herr, segne uns“ EG 170, 1-3

Gottesdienst am Sonntag, den 16. Januar 2022

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde,

herzlich willkommen zum Lesegottesdienst für den 16. Januar 2022; es ist der zweite Sonntag nach Epiphanias. Der Wochenspruch für die neue Woche stammt aus dem Johannesevangelium, Kapitel 1, Vers 17:
„Das Gesetz ist durch Mose gegeben; die Gnade und Wahrheit durch Jesus Christus geworden.“
Amen.
Einen gesegneten Sonntag und eine gute neue Woche wünscht Pfarrerin Anke Mühlenberg- Knebel.

Wir beginnen mit dem Lied EG 66, 1-3 „Jesus ist kommen“

Im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Amen.

Gebet:
Barmherziger und gnädiger Gott, wir sind heute Morgen zu dir gekommen,
um neue Kraft zu bekommen für unser Leben und für unseren Glauben.
Lass uns erfahren, dass du uns nahe bist.
Mach unseren Glauben stark.
Dies bitten wir durch Jesus Christus, unseren Herrn und Bruder,
der mit dir und dem heiligen Geist lebt und wirkt in Ewigkeit.
Amen.

Die Lesung und zugleich der Predigttext für den heutigen Sonntag steht im 1. Korintherbrief, Kapitel 2, Verse 1-10:

Auch ich, liebe Geschwister, als ich zu euch kam, kam nicht mit hohen Worten und hoher Weisheit, euch das Geheimnis Gottes zu verkündigen.
Denn ich hielt es für richtig, unter euch nichts zu wissen als allein Jesus Christus, den Gekreuzigten. Und ich war bei euch in Schwach heit und in Furcht und mit großem Zittern; und mein Wort und meine Predigt geschahen nicht mit überredenden Worten menschlicher Weisheit, sondern in Erweisung des Geistes und der Kraft, damit euer Glaube nicht stehe auf Menschenweisheit, sondern auf Gottes Kraft. Wovon wir aber reden, das ist dennoch Weisheit bei den Vollkommenen; nicht eine Weisheit dieser Welt, auch nicht der Herrscher dieser Welt, die vergehen. Sondern wir reden von der Weisheit Gottes, die im Geheimnis verborgen ist, die Gott vorher bestimmt hat vor aller Zeit zu unserer Herrlichkeit, die keiner von den Herrschern dieser Welt erkannt hat; denn wenn sie die erkannt hätten, so hätten sie den Herrn der Herrlichkeit nicht gekreuzigt. Sondern es ist gekommen, wie geschrieben steht (Jesaja 64,3): „Was kein Auge gesehen hat und kein Ohr gehört hat und in keines Menschen Herz gekommen ist, was Gott bereitet hat denen, die ihn lieben.“ Uns aber hat Gott es offenbart durch seinen Geist; denn der Geist erforscht alle Dinge, auch die Tiefen der Gottheit.
Amen.

Wir bekennen unseren christlichen Glauben:

Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen,
den Schöpfer des Himmels und der Erde.
Und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn.
Empfangen durch den Heiligen Geist,
geboren von der Jungfrau Maria,
gelitten unter Pontius Pilatus,
gekreuzigt, gestorben und begraben.
Hinabgestiegen in das Reich des Todes;
am dritten Tage auferstanden von den Toten, aufgefahren in den Himmel.
Er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters.
Von dort wird er kommen zu richten die Lebenden und die Toten.
Ich glaube an den Heiligen Geist,
die Heilige christliche Kirche, Gemeinschaft der Heiligen,
Vergebung der Sünden,
Auferstehung der Toten und das ewige Leben.
Amen.

Lied EG 398, 1 und 2 „In dir ist Freude in allem Leide“

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und von dem Herrn Jesus Christus.
Amen.

Liebe Geschwister,

der Apostel Paulus schreibt an seine Gemeinden in Rom, in Philippi, in Thessaloniki und dieses Mal in Korinth. Diese Gemeinden liegen weit auseinander; sie haben ihre je eigenen Fragen und Probleme. In schriftlicher Form berichten sie dem Apostel davon, und er versucht, sie in seinen Briefen zu beraten und zu unterstützen. Das Internet gab es damals noch nicht, das Reisen war beschwerlich und zeitaufwändig; auch gefährlich. Aber so geht es eben auch. Die Gemeinden sind lebendig; sie können auch ohne dass der Apostel in Präsenzform bei ihnen ist, ihrem Auftrag nachkommen: von Jesus Christus erzählen und in seinem Sinn handeln. Das ist möglich, weil viele Menschen mithelfen. Wenn Paulus darauf bestanden hätte, dass er ja der Gemeindeleiter ist (und oft auch der Gründer dieser Gemeinden) und deshalb zu bestimmen hätte, wo es langgehen soll, wäre die Sache gründlich schiefgegangen. Stattdessen hat er sich auf seine Mitarbeitenden verlassen. In seinen Briefen grüßt er sie ausdrücklich in den Schlussworten und nennt dabei manchmal auch ihre Namen. In unserem vorliegenden 1. Korintherbrief schreibt er zum Beispiel: „Darum, liebe Geschwister, seid fest, unerschütterlich und nehmt immer zu im Werk des Herrn, weil ihr wisst, dass eure Arbeit nicht vergeblich ist.“

Wir haben in den christlichen Kirchen in den vergangenen Jahrhunderten oft anders gearbeitet. Der Mann und später auch die Frau auf der Kanzel, das waren in den Gemeinden oft die Alleinherrschenden, manchmal so von ihnen gewollt oder von ihnen erwartet; manches Mal werden sie auch darunter gelitten haben, konnten oder wollten die vorgegeben Strukturen aber kaum ändern: Pfarrer und Pfarrerinnen hatten Einzelkämpfer zu sein und wurden so auch ausgebildet. Ein Blick in die Bibel hätte uns da eines Besseren belehren können. „Ich war bei euch in Schwachheit, in Furcht und mit großem Zittern“, schreibt der berühmte und in seiner Mission so erfolgreiche Paulus. Dabei hatte Paulus bereits in seinem ersten Leben als jüdischer Schriftgelehrter gelernt, den Ton anzugeben. Später ist er dann Jesus begegnet (oder besser gesagt: Jesus begegnete ihm) und erfährt sich von ihm persönlich berufen. Auf seinen Missionsreisen kommt er in der damals ganzen bekannten Welt herum. Er erlebt Wunder, er gründet christliche Gemeinden, viele Menschen setzen auf ihn ihre Hoffnung. Aber dieser Paulus hat offenbar auch seine schwachen Momente. Zahlreiche Theologen haben aufgrund seiner Texte vermutet, dass er an einer Krankheit litt, die ihm zu schaffen machte und die diese Schwäche, von der er selbst schreibt, begründet hätte. Aber es ist ja auch nicht ungewöhnlich, dass jemand, der so unermüdlich arbeitet, auch einmal krank wird. Dass jemand sich persönlich als schwach erlebt und dabei umso mehr auf die Stärke Jesu Christi baut. Wir wissen es nicht genau, das sind nur Vermutungen. Schwache Zeiten erlebt jeder Mensch einmal. Bei Paulus ist das Besondere, dass er in seinem Brief davon schreibt. Er hätte es ja auch verschweigen können und am eigenen Mythos weiterstricken: Paulus als der Mann, dem alles aus eigener Kraft gelingt. Aber an einem solchen Mythos ist er gar nicht interessiert, hat ihn auch nicht nötig. Denn es gibt Menschen, die für ihn einspringen. Mit ihm gemeinsam an der Sache Jesu arbeiten und sich berufen fühlen. Und es gibt Jesus, der mit Paulus unterwegs ist.

Liebe Geschwister, vielen Gemeinden und den Pfarrerinnen und Pfarrern geht es in unserer Zeit ähnlich. Das Personal wird knapp, das Geld auch. Arbeitsbereiche und Gebäude werden aufgegeben. Die Strukturen von Kirche und Gemeinde sind im Umbruch. Das soll aber nun gerade nicht dazu führen, in Schockstarre zu verfallen. Das kann man doch sehr positiv nutzen. In den Gemeinden ganz neu überlegen, was möglich ist. Wer hat welche Gaben und kann sie auch für andere übernehmen? Glücklicherweise gibt es ja auch heute, wie zu Zeiten des Paulus, viele Menschen, die ehrenamtlich oder auch gegen Bezahlung ihre Kräfte und Fähigkeiten einbringen. Im Kirchengemeinderat, bei Besuchen, im Konfirmandenunterricht, als Sekretär oder Organistin, im Kirchendienst oder bei der Gartenarbeit.

Viele treten aus in der heutigen Zeit, das erleben wir auch. Aber etwas anderes soll auch nicht übersehen werden: viele arbeiten mit, lassen sich beauftragen von Gott und den Menschen. Anders als noch vor 40, 50 Jahren gehört man heute nicht mehr der Kirche an, weil es immer schon so war. Es ist viel mehr zu einer bewussten Entscheidung geworden, weil man sich dazu berufen fühlt, weil man sich für andere engagieren möchte, weil einem die christliche Botschaft ganz persönlich wichtig geworden ist, und das möchte man weitergeben. Weil man zu einer Gemeinschaft gehören möchte. „Ich möchte der christlichen Kirche angehören, weil ich mit anderen zusammen unterwegs sein möchte auf den Spuren Jesu in dieser Welt.“ So könnte man übersetzen, was Paulus im heutigen Predigttext schreibt: „Ich bin zu euch gekommen, weil ich es für richtig hielt, unter euch nichts zu wissen als Jesus Christus…“

Paulus möchte seinen Gemeinden, die ihm so sehr am Herzen liegen, erzählen von dem, was ihn bewegt und antreibt: Gottes guter Geist, seine Kraft, seine Weisheit. Der Apostel ist nicht der Alleinherrscher auf der Kanzel, der allen sagt, wo es langgeht und wie es funktioniert. Er sagt von sich selbst, dass er immer wieder schwach ist und dass vieles an Gott ihm Geheimnis ist und gerade deshalb wertvoll. Wüsste man alles über Gott, wäre er gewissermaßen vollkommen erforscht und in theologische Formeln gefasst, dann würde ihm das Wunderbare fehlen, würden uns keine Wunder geschehen. So aber begegnet uns Gott immer wieder neu, überraschend, bewegend.

Liebe Geschwister, freue mich schon sehr darauf, im gerade begonnen Jahr 2022 mit Ihnen gemeinsam auf dem Weg zu sein, als Menschen, die sich nahe sind und sich gegenseitig unterstützen. Weil wir alle gerne miteinander in der Gemeinde unterwegs sind. Weil wir uns gemeinsam von Gottes gutem Geist bewegen lassen möchten. Weil es auch in Zukunft noch so viel zu tun gibt mit Gott und zu erzählen von Gott, der uns leben lässt. Weil wir mit Paulus darauf vertrauen, dass Gott uns am Ende das bereitet, was noch kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat. Und uns mit offenen Armen begegnet.
Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist, als unsere Vernunft zu fassen vermag,
bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.
Amen.

Lied EG 395, 1-3 „Vertraut den neuen Wegen“

Wir beten:

Wir bitten dich für uns und alle, die in dieser Welt leben, als ob es Gott nicht gäbe,
die lieber ihr Vertrauen in sich selbst setzen.
Lass sie uns und uns immer wieder erfahren,
wie wichtig und wegweisend deine Botschaft auch in der heutigen Zeit ist.

Wir bitten dich für unsere Gemeinde, für unsere Kirchen und die ganze Christenheit.
Sei du mitten unter uns, damit wir den Menschen deine Liebe mit Worten und Taten vorleben.
Schenke uns Mut und Freude, gute Ideen und ein harmonisches Miteinander,
wenn wir uns gemeinsam auf den Weg des Glaubens machen.

Steh allen Menschen bei in unserer krisenhaften Zeit.
Du kennst unsere Nöte und Sorgen ganz genau und weißt, wonach wir uns sehnen.
Lass uns erkennen, wie wir in allen Lebensbereichen füreinander verantwortlich sind
und leite uns auch hier durch deinen guten Geist.
Amen.

Alles, um was wir Gott sonst noch bitten möchten, sagen wir mit den Worten des Vaterunsergebetes: Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name,…

Segen: Gott segne dich und behüte dich auf all deinen Wegen

Lied EG 170, 1-3 „Komm, Herr, segne uns“

 

Gottesdienst am Freitag, den 31. Dezember 2021 - Sylvestertag

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde,
herzlich willkommen zum Lesegottesdienst für den Sylvestertag 2021. Heute, am letzten Tag des Jahres, ist für uns das Vergehen der Zeit, das Vergehen unseres eigenen Lebens besonders spürbar. Wir dürfen Gott alles in die Hände legen, was wir aus dem zu Ende gehenden Jahr mitbringen. Auch unser Leben selbst dürfen wir ihm anvertrauen. Er ist der Herr der Zeit und der Ewigkeit. So sagt es der Tagesspruch für den 31. Dezember: „Meine Zeit steht in deinen Händen.“ (Psalm 31, 16a)
Einen gesegneten Jahresabschluss wünscht Pfarrerin Anke Mühlenberg-Knebel.

Wir beginnen mit dem Lied EG 30, 1-3 „Es ist ein Ros entsprungen“

Im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Amen.

Psalm 121:
Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen.
Woher kommt mir Hilfe?
Meine Hilfe kommt vom Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat.
Er wird deinen Fuß nicht gleiten lassen,
und der dich behütet, schläft nicht.
Siehe, der Hüter Israels schläft noch schlummert nicht.
Der Herr behütet dich;
der Herr ist dein Schatten überdeiner rechten Hand,
dass dich des Tages die Sonne nicht steche noch der Mond des Nachts.
Der Herr behüte dich vor allem Übel, er behüte deine Seele.
Der Herr behüte deinen Ausgang und Eingang von nun an bis in Ewigkeit.
Amen.

Wir beten:
Am Ende dieses Jahres kommen wir zu dir, du Gott mit dem großen Herzen.
Wir legen in deine Hände, was uns bewegt, was uns traurig macht, wofür wir dankbar sind.
Und wir bitten dich: Sei bei uns im neuen Jahr.
Sei du gegenwärtig bei dem, was wir tun, und bei dem, was wir lassen.
Hilf uns neu anfangen, mit dir, mit allen, die wir lieben, und mit allen, mit denen es schwer ist.
Amen.

Lesung aus Römer 8, 35 a bis 39:
Wer will uns scheiden von der Liebe Christi? Trübsal oder Angst oder Verfolgung oder Hunger oder Blöße oder Gefahr oder Schwert? Wie geschrieben steht:
„Um deinetwillen werden wir getötet den ganzen Tag; wir sind geachtet wie Schlachtschafe.“
Aber in dem allen überwinden wir weit durch den, der uns geliebt hat. Denn ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch eine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn.
Amen.

Lied EG 58, 1-3.7 „Nun lasst uns gehn und treten“

Predigt

Gnade sie mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und von dem Herrn Jesus Christus.
Amen.

Liebe Schwestern und Brüder,
es ist dunkel geworden, wir sind aufgebrochen, um hier in unserer  Kirche zu bedenken, was uns bewegt, wenn dieses Jahr 2021 zu Ende geht und ein neues Jahr beginnt. Bald liegt es hinter uns, dieses Jahr mit seinen Tagen voller schöner und reicher Erfahrungen. Aber auch mit den Stunden der Angst, des Schmerzes und der Trauer, die nicht vorübergehen wollten und die auf uns lagen wie eine schwere Last. Beides gab es in diesem Jahr.

Da sind zum einen die vielen guten Erfahrungen, wo wir uns glücklich fühlten, wo unser Leben erfüllt schien. Zufriedenheit stellt sich ein, wenn wir daran denken. Da ist vieles, was im zu Ende gehenden Jahr unser Leben bereichert hat. Da sind Besuche, Begegnungen, Erlebnisse.

Kontakte mit Menschen, die uns nahe sind, aus der Familie oder dem Freundeskreis oder auch mit vorher Fremden, die in unser Leben getreten sind. Alles war da, was wir brauchten: wir konnten essen, was wir uns wünschten. Unsere Wohnung war warm.

Da gab es auch die beruflichen Erfolge. Wir haben gute Arbeit abgeliefert, und unser Chef, unsere Kolleginnen und Kollegen habendas anerkannt. Wir haben einen wichtigen Beitrag geleistet in der Firma, in dem Bereich, in dem wir tätig sind.

Vielleicht war es auch ein ehrenamtliches Engagement, das uns und andere bereichert hat und wir hatten das Gefühl: hier werden wir gebraucht, das ist wichtig.

Da gab es die Momente der Ruhe, der Entspannung, der Besinnung, in denen wir zu uns selbst zurückfanden.
Gespräche, die uns halfen. Sie zeigten uns neue Wege, wenn wir nicht weiterwussten. Sie halfen uns über die Langeweile eines Tages hinweg, und wir erfuhren, dass wir für andere Menschen etwas bedeuten.

Ja, auch das gab es: Die Freude an einer Tasse Kaffee, die Freude an einem guten Buch oder einem Film, die Freude über einen schönen und gelungenen Tag.

Wenn wir zurückdenken an die Tage und Stunden, die nun hinter unsliegen: sie sind vergangen und doch sind sie noch lebendig. Und manchmal tut die Erinnerung weh. Da sind viele schmerzhafte Erfahrungen, wir haben etwas verloren, was uns unwiderbringlich ist. Es gab Tage und Stunden, wo die Trauer uns beherrschte, wo wir Angst hatten, in Selbstmitleid gefangen .Da ging etwas von der Zuversicht verloren, die uns so optimistisch in die nächsten Jahre schauen lies. Da sind wir innerlich verletzt worden, da hat etwas weh getan und kann nicht vergessen werden. Da sind die Dunkelheiten in uns selbst, dort, wo es in uns nicht hell wird. Erinnerungen, die sich nicht verdrängen lassen. Gemachte Fehler, die uns heute noch belasten, Schuldgefühle, die immer wiederkehren, die ganzen unerledigten Dinge…
Und zusätzlich zu all dem die Pandemie, die mit einer vierten und fünften Welle über uns hinwegrollt. Die Auseinandersetzungen über die Impfpflicht, die unsere Gesellschaft zu spalten scheint. Die Ängste von behinderten Menschen, im Fall einer Triage schlechtere Chancen zu haben, behandelt zu werden. Wie gut, dass das jetzt gerichtlich geklärt wurde.

Da sind die furchtbaren Ereignisse in der Welt, oft ganz weit weg von uns, Naturkatastrophen, Kriege, Hungersnöte, die himmelschreiende Situation der Flüchtlinge, von denen wir erfahren. Manches Schlimme geschieht auch ganz in unserer Nähe, wie im Sommer das Hochwasser an der Ahr und der Erft, 180 Menschen sind gestorben, viele haben ihre Existenz verloren. Wir sind angerührt vom Schicksal der jeweils betroffenen Menschen und überlegen, wie unsere ganz persönliche Hilfe aussehen könnte. Wir fragen: wie passt das zusammen? Wir möchten glauben an einen Gott der Liebe, der für die Menschen da ist; und wir erfahren doch immer wieder die Gottverlassenheit und Gottvergessenheit der Menschen. Wir sind fassungslos angesichts des Handelns von Politikern wie Putin und Lukaschenko. Wohin führt das?

Liebe Gemeinde,
die Erinnerung wird lebendig heute Abend, an die vielen schönen Tage und Stunden des zu Ende gehenden Jahres, für die wir danken dürfen, aber auch an das, was schwer war. Beides gehört zusammen und eines ist ohne das andere nicht zu haben. Was wird das neue Jahr für uns und für die anderen Menschen in der Welt bereithalten? Schade, dass wir nicht in die Zukunft schauen und uns schon etwas vorbereiten auf das neue Jahr 2022.

Was kann uns Mut und Zuversicht geben für jeden neuen Tag, der vor uns liegt? Aus uns selbst heraus schaffen wir das nicht, denke ich.

Zu sagen: „Es wird schon werden!“, „Alles wird gut“ ist mir zu wenig. Ich weiß, dass es nicht trägt. Seine Kraft ist bald verbraucht. Wie wird das neue Jahr für uns werden? In der Familie, im Freundeskreis? Am Arbeitsplatz? In der Gemeinde? Wie wird es werden für die Menschen in der Welt? Was soll aus ihnen und aus uns werden im nächsten Jahr? Wo ist das Licht, das uns den Weg weist, wenn es in uns und bei uns dunkel wird? Wer macht uns Mut für unsere nächsten Schritte, woher bekommen wir die Kraft dazu und die Hoffnung, die nötig ist?

Ich möchte suchen, weiter suchen nach diesem Gott, der mir Geborgenheit geben kann, wenn die Unzufriedenheit in mir wächst, wenn ich an meine Grenzen stoße, über Gleichgültigkeit und Lieblosigkeit bei mir und anderen nicht hinwegkomme. Ich möchte glauben können an einen Gott, der für mich da ist, wenn ich nicht weiterweiß, der mich annimmt wie ich bin, mit allen Ängsten und Zweifeln, mit meinen Fehlern und meiner Schuld, mit meinen Stärken und Begabungen.

Ich möchte mit einem Gott durchs Leben gehen können, der an meiner Seite ist, der mir Wege zeigt, die ich gehen kann, der mich auffängt, wenn ich falle, der mir ein ewiges Leben schenkt, wenn mein Leben in dieser Welt zu Ende geht.

Ich möchte Vertrauen haben zu diesem Gott, der uns in einem kleinen Kind in der Krippe nahegekommen ist.
Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft zu fassen vermag, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.
Amen.

Lied EG 552, 1.2.6 „Helft mir, Gottes Güte preisen“

Wir beten:

Du Gott des Lebens, ein Jahr geht zu Ende. Was wir an Schönem und an Schwerem erlebt haben, lassen wir los und legen es in deine Hände.

Du Gott des Lebens, am Ende des Jahres bedenken wir auch, was wir versäumt haben, wo wir Menschen durch Worte und Taten verletzt haben.

Du Gott des Lebens, wir blicken mit Sorge auf das neue Jahr und bitten dich: Befreie uns und alle Welt aus den Fängen der Pandemie. Zeige uns deinen Weg und führe uns durch das neue Jahr.

Wir bitten dich, dass wir uns wieder unbeschwert begegnen können, dass wir wieder gemeinsam dein lob singen und uns an deinem Tisch versammeln.

Amen.

Und alles, was wir sonst noch sagen möchten, sagen wir mit den Worten des Vaterunsergebetes:
Vater unser im Himmel,…

Segen:
Der Herr segne uns und behüte uns.
Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über uns und sei uns gnädig.
Der Herr erhebe sein Angesicht auf uns und schenke uns Frieden.

Lied EG 44,1-3 „O, du fröhliche“

 

Gottesdienst am Freitag, den 24. Dezember 2021 - Heiligabend

Liebe Leserinnen und Leser,
herzlich willkommen zu unserem Lesegottesdienst für Weihnachten.
Wir haben uns dazu entschieden, die beiden Heiligabendgottesdienste mit Krippenspiel, die in Ottersweier und Bühlertal stattfinden, hier mit den dazugehörigen Liedern und Texten zu veröffentlichen. Wahrscheinlich werden in diesem Jahr viele GottesdienstbesucherInnen wegen der gegenwärtigen sehr angespannten Coronasituation lieber zuhause bleiben. Da ist es gut, wenn man lesend doch noch den Gottesdienst verfolgen kann und ihn für sich allein oder mit der Familie feiern kann.
Allen ein gesegnetes und trotz allem mutmachendes Weihnachtsfest 2021!
Es grüßt herzlich Pfarrerin Anke Mühlenberg- Knebel.

Eröffnung des Gottesdienstes:
Herzlich willkommen euch allen zu unserem Gottesdienst. Weihnachten steht in jedem Jahr wieder im Kalender. Aber ob Weihnachten auch wirklich Weihnachten wird, liegt ganz bei uns. Gott will bei uns sein, nicht nur zu Weihnachten. Heute feiern wir die Ankunft, die Geburt seines Sohnes Jesus.
Wir feiern diesen Gottesdienst im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Amen.

Lied: Alle Jahre wieder, Strophen 1 bis 3

Wir beten:
Guter Gott, heute ist ein ganz besonderer Tag.
Wir feiern gemeinsam die Geburt deines Sohnes Jesus, der zu uns auf die Welt gekommen ist.
Schenke uns offene Augen, Ohren und liebende Herzen, damit wir dich willkommen heißen.
Amen.

Lesung der Weihnachtsgeschichte: Lukas 2, 1-14
Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde. Und diese Schätzung war die allererste und geschah zu der Zeit, da Quirinus Statthalter in Syrien war. Und jedermann ging, dass er sich schätzen ließe, ein jeder in seine Stadt. Da machte sich auch auf Josef aus Galiläa, aus der Stadt Nazareth, in das judäische Land zur Stadt Davids, die da heißt Bethlehem, weil er aus dem Hause und Geschlechte Davids war, damit er sich schätzen ließe mit Maria, seinem vertrauten Weibe, die war schwanger. Und als sie dort waren, kam die Zeit, dass sie gebären sollte. Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge.
Und es waren Hirten in derselben Gegend auf dem Felde bei den Hürden, die hüteten des Nachts ihre Herde. Und der Engel des Herrn trat zu ihnen, und die Klarheit des Herrn leuchtete um sie; und sie fürchteten sich sehr.
Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids. Und das habt zum Zeichen: ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen. Und alsbald war da bei dem Engel die Menge der himmlischen Heerscharen, die lobten Gott und sprachen: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens.
Amen.

Lied EG 43, 1-3 Ihr Kinderlein, kommet

Krippenspiel „Was hat wohl der Esel gedacht“
(nach Clemens  Bieger)

Erzählerin: Ihr wisst ja alle und habt es gerade gehört, dass Jesus in einem Stall auf die Welt gekommen ist. Schaut mal her, dort steht er. Seht ihr?

Esel: Iaaah!

Erz.: Was war das denn?

Esel: Iaaaah!

Erz.: Ja, tatsächlich. Da wohnt schon einer drin.

Esel: Natürlich wohnt hier einer drin. Ich, der Esel. Das ist mein Stall!

Erz.: Ist ja gut. Es will dir auch keiner deinen Stall wegnehmen!

Esel: Und was wollen die vielen Leute hier? Warum gucken die mich alle an so an?

Erz.: Ist ja gut. Es will dir ja auch keiner deinen Stall wegnehmen!

Esel: Und was wollen die hier?

Erz.: Die wollen Weihnachten feiern.

Esel: In meinem Stall?

Erz.: Nein, die bleiben bestimmt draußen.

Esel: Da bin ich ja beruhigt.

Erz.: Na, das war ein Schreck. Dass der Esel da wohnt, hätte ich ja fast vergessen. Du, Esel, wollen wir den Kindern und den Erwachse nen erzählen, was damals geschah?

Esel: Au ja!

Erz.: Maria und Josef wohnten in Nazareth. Josef war ein Zimmer mann. Seine Braut Maria war schwanger. Jetzt machten sie sich auf nach Bethlehem. Die Nacht war dunkel. Und der Weg war weit. Endlich kamen Maria und Josef an. Sie waren müde und suchten eine Unterkunft. Sie klopften an alle Türen. Doch solange Josef auch suchte, niemand wollte die beiden aufnehmen. Endlich zeigte einer ihnen den Stall. Josef dachte sich, das ist immerhin besser als nichts. Und die beiden gingen hinein. Als sie in dem Stall angekommen waren, kam für Maria die Zeit der Geburt. Sie brachte ihren Sohn Jesus zur Welt. Und weil sie keinen anderen Platz fand, nahm sie als Bettchen für ihr Kind die Krippe.

Lasst uns nun dem Jesuskind ein Lied singen.

Lied EG 32, 1 und 3 „Zu Bethlehem geboren“

Erz.: Na, Esel, das war eine Überraschung für dich. Das ist doch schön, oder? In deinem Stall wurde Jesus geboren. Deine Futter krippe war sein Bettchen. Du hast dich doch sicher gefreut?

Esel: Nichts da, im Gegenteil!! Geärgert habe ich mich! Ihr habt dem Kind gerade ein Lied gesungen. Ich hab ihm auch ein Lied gesungen, aber ein ärgerliches. Ich habe mich nämlich fürchterlich geärgert, dass die gerade so…

Erz.: (unterbricht) Aber Esel, wusstest du nicht, wer das war, der da geboren wurde?

Esel: Nein, wie sollte ich auch? Niemand hat mir ja was gesagt. Die kommen einfach rein, kriegen ein Kind und legen es in meine Krippe! Da wärst du sicher auch sauer geworden. Aber dann ging es ganz komisch weiter. Plötzlich leuchtete ein heller Stern über meinem Stall auf-so, wie dieser da! (Stern)
Und dann höre ich Engel singen. Stellt euch das vor: Engel. Sie singen: Freut euch, ihr Menschen, Jesus ist geboren. Und Hirten kommen in meinen Stall, kommen hinein und knien sich nieder und beten und sagen: Ja, Jesus, du bist Gottes Sohn. Endlich bist du zu uns auf die Erde gekommen. So lange haben wir schon auf dich gewartet.
So dankbare Menschen habe ich noch nie gesehen. Und plötzlich bin ich richtig rot geworden. Der große Gott ist in meinem Stall ein kleiner Mensch geworden, und ich- ich ärgere mich, motze sie an… Oh je, bin ich ein Esel!!! Ein richtiger Esel!!!
Am Anfang hätte ich die drei am liebsten rausgeschmissen. Aber jetzt- jetzt bin ich richtig stolz. Jesus ist in meinem Stall geboren, und Maria hat ihn in meine Krippe gelegt. Dann bin ich ganz schüchtern zu dem Kind hingegangen und habe es angeschaut. Und stellt euch vor, es hat mich angelächelt. Und Maria und Josef haben mich hinter den Ohren gekrault. Da war der ganze Ärger vergessen. Und als die Engel wieder gesungen haben, haben die Hirten mitgesungen und ich natürlich auch.

Lied EG 48, 1 und 2 Hört der Engel helle Lieder

Esel: Ja, und dann, dann haben sich die Hirten wieder hingekniet und haben Jesus erzählt, was sie auf dem Herzen haben. Sie haben ihm ihre Bitten gesagt.

Erz.: Das wollen wir jetzt auch tun. Ich spreche es euch vor, und ihr wiederholt es. Das soll heute unser Gebet sein:
Jesus, pass auf unsere Welt auf! Jesus beschütze die Kinder! Jesus, beschütze die Eltern! Jesus, beschütze die Armen! Jesus, beschütze alle Menschen! Und dann sind sie ganz still geworden und haben Jesus ihre ganz persönliche Bitte gesagt. Und auch ihr könnt ihm eure Bitten aufschreiben und am Ausgang dann in die Krippe legen. Jesus ist in einem Stall zur Welt gekommen. Klein und arm kam er auf die Welt und hat dennoch so viel für uns getan.

Lied: „Hört der Engel helle Lieder“, Str. 3

Ansprache:

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und von dem Herrn Jesus Christus!
Liebe kleine und große Geschwister am Heiligen Abend,
das ist ja eine ziemliche Eselei von diesem Esel! Er sagt: Das ist mein Stall, hier wohne ich schon drin! Und will keinen Platz machen, keinen Platz für Jesus? Wie kann er nur, denken wir!

Aber, stellt euch mal vor: Heute Abend, mitten in der Bescherung oder beim Weihnachtsessen, klingt es bei dir oder bei dir oder bei mir an der Tür. Ein Mann und seine hochschwangere Frau stehen davor und fragen, ob sie bei euch übernachten dürfen. Würdet ihr euer Schlafzimmer für die beiden hergeben? Heute Nacht woanders schlafen, bei der Schwester oder dem Bruder mit im Zimmer oder bei den Eltern? Also, ich weiß nicht. Für wildfremde Menschen, die da plötzlich an der Tür stehen?

Klar, wir wissen jetzt, wer die waren, die da zum Esel kamen. Und am Ende wusste es der Esel auch und hat sich mit den anderen gefreut. Aber am Anfang? Und dann nehmen sie ihm auch noch die Krippe weg und legen ein Baby rein. Also, nein!

Ich frage mich das ernsthaft: Was würde ich tun? Könnte ich dieses Paar mit ihrem Kind, das bald geboren wird, wegschicken? Ich weiß nicht! Andererseits laufe ich an den Menschen, die mich anbetteln möchten, oft einfach vorbei, bin misstrauisch ihnen gegenüber. Oder lege nur ganz wenig in die Hand, die Sie mir entgegenstrecken.Hättet ihr, hätten Sie, die Erwachsenen, die Eltern von Jesus ins Haus gelassen? Ganz ehrlich? Viele Jahre später wird dieses süße Jesuskind erwachsen sein und dann wird es den Satz sagen:“ Was ihr getan habt einem von meinen geringsten Geschwistern, das habt ihr mir getan. Er meint: Wenn ihr einem Menschen in Not begegnet und ihm helft, dann tut ihr das für mich. In diesen Menschen begegne ich euch.

Aber wir Esel erkennen ihn so oft nicht. Wir sind blind. Wir schauen zuerst auf unsere eigenen Bedürfnisse. Und dann fragen wir uns, warum die Welt so ein schlechter Ort ist und schimpfen auf Gott, weil er`s nicht besser macht. Im letzten Frühjahr, als das mit Corona anfing, da hatte ich den Eindruck, wir kümmern uns viel mehr umeinander. Schauen, wer einsam ist, wem wir bei den Einkäufen helfen können, wer einmal unsere Aufmunterung braucht. Aber jetzt ist es wieder anders. Da schauen wir wieder sehr auf uns selbst: wo bekommen wir jetzt möglichst schnell die erste, zweite o. dritte Impfung her. Oder wir protestieren lautstark gegen Einschränkungen, die uns auferlegt werden. Es geht nicht mehr darum, füreinander verantwortlich zu sein. Und auch an die zu denken, die in Ländern leben, wo es eh schon schwierig ist, wo Krieg herrscht, Hunger. Was könnten wir für die tun?

Es gibt weit über 2 Milliarden Christinnen und Christen auf der Welt. Stellt euch vor, die nehmen alle diese Erfahrung des Esels ernst. Stellt euch vor. Diese mehr als 2 Milliarden fangen an, in jedem Menschen Jesus zu sehen. Stellt euch vor, diese vielen Menschen leben alle nur ein kleines bisschen mehr so, wie Jesus es uns in seinem Leben vorgemacht hat: Liebevoll den Menschen zugewandt. Weniger auf den eignen Vorteil bedacht. Ohne zu verurteilen oder zu verletzen.

Was wäre das auf einmal für eine Welt, in der wir leben würden? Wenn zwei Milliarden Menschen ihr Leben ändern, neu aufeinander zugehen, ihre Streitereien beilegen, einander helfen. Den Armen, die uns in der Fußgängerzone anbetteln, nicht einfach ein paar Cent hinwerfen und gut ists, sondern sich einen Moment dazusetzen, sich unterhalten? Kann sein, dass sich das jetzt etwas naiv anhört. Aber ich denke, dann wäre vom Reich Gottes auf dieser Welt schon viel mehr zu sehen und zu spüren.

Jetzt, zu Weihnachten, da feiern wir, dass Gott in die Welt gekommen ist. Wir bestaunen das kleine Jesuskind im Stall. Wir hören die Botschaft der Engel vom Frieden auf Erden. Spüren das Wunder: Die Rettung der Welt fängt ganz klein an. Nicht groß, stark und mächtig. Nicht mit Gewalt, Stärke oder Macht. Sondern klein, arm und schwach. In einem Kind. Die Rettung der Welt fängt klein an. Staunend, vielleicht manchmal skeptisch und zweifelnd stehen wir an dieser Krippe. Vielleicht berührt es heute unser Herz, dieses Jesuskind. Vielleicht verändert und rettet es auch unser Leben.
Amen.

Lied EG 551, 1 und 2 Stern über Bethlehem

Wir sprechen das Vaterunsergebet: Vater unser in Himmel,…

Segen:
Der weihnachtliche Segen Gottes komme über dich und bleibe bei dir von nun an bis in Ewigkeit.
Amen.

Lied EG 44,1-3 O, du fröhliche

 

Gottesdienst am Sonntag, den 19. Dezember 2021 - 4. Advent

Lied: EG 18, Vers 1+2 "Seht, die gute Zeit ist nah...."

Psalm 102: EG 754.2

Evangelium: Lukas Kapitel 1, Verse 39-56

Selig sind die das Wort Gottes hören und bewahren.
Amen.

Lied: EG 9, Verse 1+6 "Nun jauchzet all ihr frommen..."

Predigt:

Liebe Gemeinde,

heute ist der vierte Advent. Ein Moment, um noch mal kurz innezuhalten, bevor wir uns in die Hektik rundum Weihnachten stürzen. Und ein Moment, um an diesem Sonntag mal die Frage zu stellen, warum wir uns das eigentlich alles antun.

Wenn Sie jetzt meinen, dass dieser Anfang doch wohl nicht sehr passend ist für eine Predigt am 4. Advent, dann haben sie vielleicht recht. Ich möchte mich heute dann auch hier, am Anfang dieser Predigt, erst mal als Advents- und Weihnachtsmuffel outen. Außerdem habe ich einen Text gewählt der eigentlich gar nicht als Adventstext vorgesehen ist, obwohl wir diesen Text wahrscheinlich alle kennen, gerade aus der Adventszeit. Wenn Sie jetzt neugierig sind welcher Text – Geduld, das kommt erst später.

Aller erst mal die Frage, warum wir eigentlich in Dezember Weihnachten feiern. In der Kirchengeschichte hat man das schon vor langer Zeit so organisiert. Mit dem wirklichen Geburtstag von Jesus hat das wenig zu tun. Man hat auf geschickter Weise ein schon existierendes heidnisches Fest mit christlichem Inhalt gefüllt – so dass wir bis auf heute immer noch Traditionen pflegen die, wenn man sie nur genau analysiert, ihren Ursprung in heidnisches Brauchtum aus Römischer oder Germanischer Zeit haben.

Aber heute ist eine Entwicklung im Gange die etwa umgekehrt verläuft wie damals im vierten Jahrhundert – wir verlieren christliche Inhalte und verwandeln das Fest in ein unbestimmtes Fest von Liebe und Freundlichkeit, was zunehmend a-religiöse Züge bekommt. Viele reden gar nicht mehr von Weihnachten, sondern nur von Endjahreszeit oder von Ferienzeit. Nur bitte nichts was an Christus erinnert.  Es könnte sich jemand daran ärgern! Feiern ja – Christus, bitte draußen vorlassen.

Liebe Gemeinde, wenn wir so weiter machen, dann sieht es düster aus, trotz unzähligen Kerzen die wir in dieser Jahreszeit in unserem Haus oder in der Kirche entzünden. Wir spielen dann ein Spiel, wo wir alle in der Woche nach Weihnachten wieder ernüchtert aufwachen und bemerken sehen, dass die Welt immer noch die gleiche ist, und dass trotz unzähligen „Stille Nacht, Heilige Nacht“ Gesänge Trump, Putin, Xi und Corona noch immer da sind.

Wir Christen werden dann eine Rand-Erscheinung. Vielleicht noch einigermaßen respektiert – aber ohne Ausstrahlung, geschweige Einfluss in unserem Umfeld.

Wenn Sie allmählich den Eindruck bekommen, dass diese Predigt darauf hinausläuft, dass ich gleich dafür plädieren werde Weihnachten dieses Jahr mal ganz ausfallen zu lassen und mich gleich verabschiede um mich griesgrämig einfach eine Weile zu isolieren - dann liegen Sie falsch.

Es wird Zeit für eine Wende, und ich habe mich für diesen Adventssonntag mal neu von den Worten des Propheten Jesajas inspirieren lassen. Er verbreitete Erwartung, Advent, in einer Zeit die viel bedrohlicher war als unsere. Er hilft uns, uns neu zu besinnen was hier eigentlich vorgeht – und welche Konsequenzen das für uns hat.

Wir lesen Jesaja 60, die Verse 1-5:
1 Mache dich auf, werde licht; denn dein Licht kommt, und die Herrlichkeit des HERRN geht auf über dir!
2 Denn siehe, Finsternis bedeckt das Erdreich und Dunkel die Völker;
aber über dir geht auf der HERR, und seine Herrlichkeit erscheint über dir.
3 Und die Heiden werden zu deinem Lichte ziehen und die Könige zum Glanz, der über dir aufgeht.
4 Hebe deine Augen auf und sieh umher: Diese alle sind versammelt und kommen zu dir. 
Deine Söhne werden von ferne kommen und deine Töchter auf dem Arme hergetragen werden.
5 Dann wirst du deine Lust sehen und vor Freude strahlen, und dein Herz wird erbeben und weit werden, wenn sich die Schätze der Völker am Meer zu dir kehren und der Reichtum der Völker zu dir kommt.

Wie schon gesagt – diesen Text, auf jedem Fall den ersten Vers, kennen Sie bestimmt alle von dem bekannten Lied.  Wir werden das nach der Predigt dann auch singen. Als ich grübelte über alle diese unechte Weihnachtserwartungen in unserer Gesellschaft kam mir diesen Text im Sinne. Hier wird genau vermittelt, warum es und in dieser Adventszeit gehen soll. Und das hat zwei Kernpunkte - Was Gott tut: Er schickt sein Licht. Und was wir tun: Uns aufmachen und Licht werden. Das soll man erst mal auf sich wirken lassen.

In dem Rest dieser Predigt werden wir besprechen was diese beiden Kernpunkte für uns bedeuten. Dann können sich alle Weihnachtsmuffel unter uns, mich inklusive, trotzdem auf Weihnachten freuen, Corona hin oder her. 

Erst mal was Gott tut - er schickt Sein Licht – und sein Licht kommt, unaufhaltsam.  Wir sind uns das viel zu wenig bewusst – aber hier liegt eine der zentralen Themen von unserem Glauben, was uns unterscheidet von vielen anderen religiös interessierten. Gott bemüht sich eine Beziehung mit den Menschen, mit uns, aufzubauen. Nicht weil wir es uns verdienen, obwohl wir meinen das immer wieder versuchen zu müssen, aber weil er uns in Liebe begegnen möchte – in einem kleinen Kind in einer Krippe in Bethlehem. Liebe Gemeinde, das ist der Kern unserer frohen Botschaft, unseres Evangeliums. Gerade in der Advents- und Weihnachtszeit sollten wir uns nicht schämen dies hervorzuheben. Deshalb tut es mir wirklich weh, wenn ich solche Geschichten höre, wenn man versucht Weihnachten zu einem Wohlfühlfest zu transformieren, wo alle froh sind und wir niemanden, wenn er kein Christ ist, mit dem wirklichen Inhalt konfrontieren möchten. Die Welt wird nicht besser, wenn wir nur ein paar Wochen im Jahr unser Bestes tun, freundlich zu einander zu sein. Natürlich, freundlich und lieb zueinander sein ist nicht etwas, wovon man sagen kann, dass es falsch ist. Nur die ungemütliche Botschaft der Bibel ist, dass das letztendlich nichts bewirkt. Nur weil Gott da ist und die Initiative nimmt, passiert etwas in der Welt. Es ist manchmal schwer das festzuhalten und dafür zu danken. Weil was Gott in dieser Welt tut, entspricht nicht immer unsere Vorstellungen was zu tun wäre. Aber ohne Gott bliebe an vielen Momenten nur noch eine Depression, wie viele Weihnachtskerzen wir auch entzünden, und wie viel gekünstelte Weihnachtsfreude wir auch organisieren.

Also nehmen wir diese Zeit von Advent und Weihnachten zum Anlass unseren Nachbarn, unseren Kollegen zu erzählen was dieses Fest für uns, als Christen, bedeutet. Eine Pfarrerin hat mal erzählt, dass sie Heiligabendgottesdienste als die Gelegenheit sah eine missionarische Predigt zu halten. Ich denke, dass trifft es genau. Wir haben die Möglichkeiten uns als Christ in dieser Zeit zu outen – nutzen wir es.

Das ist das eine Kernpunkt in unserem Text – wir erzählen, dass Gottes Licht kommt. Das kann ohne Weiteres viele althergebrachte Traditionen miteinschließen.

Das wird anders als wir uns den anderen Kernpunkt zuwenden – Mache dich auf und werde Licht! Wenn ich ehrlich bin - das ist für mich auch der spannendste Teil in unserem Text. Wir werden aufgerufen aus unserer Kruste von Traditionen auszubrechen und etwas ganz anderes anzufangen. Offensichtlich ist Advent und Weihnachten nicht etwas von besinnlicher Ruhe und Erholung um in seligem Nichts-tun zurücklehnen zu können und zu warten auf dem was kommt. Mache dich auf  - sagt Jesaja. Offensichtlich ist Aktivität angesagt.

Uns aufzumachen ist eine wichtige Voraussetzung um als Christ in dieser Welt wahrgenommen zu werden. Offensichtlich fehlt uns das. Wenn man die Nachrichten liest, bekommt man den Eindruck, dass 4 Millionen Muslims und ihre Probleme und Idealen in Deutschland mehr wahrgenommen werden als die 50 Millionen Christen. Das Problem in diesen Diskussionen liegt meines Erachtens hauptsächlich bei uns. Machen wir uns auf? Verbreiten wir Licht in unserer Welt? Oder warten wir ab, strengen uns nicht an und verbreiten deshalb auch nichts?

Jesaja gibt da etwas anderes vor. „Mache dich auf und werde Licht“ ist sein Spruch.

Wenn wir seine Adventsbotschaft in unserer Zeit umsetzen möchten, ist es also notwendig uns zu besinnen wie wir das hinkriegen. Wenn wir das schaffen, wie unvollständig vielleicht auch, dann haben wir eine Zukunft die die Welt verändert. Und das nicht nur während ein paar Tagen in Dezember, aber während eines ganzen Jahres. Lesen Sie nur unseren Text und was nachher folgt. Es zeugt von einem großen Optimismus und Erwartung.

Damit wir nicht in allgemeinen Behauptungen hängen bleiben, möchte ich einige Bereiche ansprechen wo wir dieses aktiv werden und Licht verbreiten praktizieren können. Ich bin mir bewusst, dass es noch viele andere Möglichkeiten gibt – aber Sie sind bestimmt kreativ genug, um diese selbst zu entdecken.

Zuerst mal der Weihnachtsklassiker der Liebe untereinander. Wir besingen das gerne, tun aber bei weitem nicht genug dafür. Es ist sehr fraglich, ob wir als Christen hier wirklich so beispielhaft sind als wir gerne vorgeben. Liebe Gemeinde, es ist unser Auftrag in unserer Gemeinschaft diese Liebe hinauszutragen, in der Form von guter Zusammenarbeit, gegenseitige Unterstützung, mildtätiges Spenden an Projekten wie Brot für die Welt, oder auch sozialer Einsatz in Dorf oder Stadt, wo wir wohnen. Nicht als anonymer Tu-Gut Menschen, sondern als Zeugen Jesu. So gesehen ist es wichtiger auch während des Jahres mal lobend in der Zeitung erwähnt zu werden als nur wegen eines gelungenen Heiligabend-gottesdienstes. Das Licht, das wir entzünden soll gerade nach 26. Dezember scheinen. Wir sind dabei – wir haben die Wahl wie es aussieht.

Mache dich auf – auch in unseren Familien. Zeigen wir Liebe und gegenseitiger Akzeptanz für unsere Ehepartner, unsere Kinder, unsere Eltern? Wenn es etwas ist, das unsere Gesellschaft braucht, dann wäre es das: liebevolle Familien. Sind wir ein Beispiel? Die Zahl der Ehescheidungen, auch in kirchlichen Kreisen, deutet an, dass hier wohl oft einiges schiefläuft. Und dann rede ich noch mal nicht von der nicht Welle an Missbrauchs-geschichten die offensichtlich nicht enden will.  Wenn wir hier wirklich Licht werden möchten, liegt noch ein langer Weg vor uns.

Zu „Licht werden“, hat auch Konsequenzen, für wie wir unsere Gesellschaft einrichten möchten – sprich für unsere politische Überzeugung. Ich möchte hier keine politische Partei als besonders christlich hervorheben – ich denke, bei den meisten lassen sich Ansätze finden die man als Christ voll bejahen kann, aber wenn man sich entscheidet hier aktiv zu werden kann man seinen Glauben, sein Licht, das man verbreiten sollte, nicht einfach bei der Garderobe abgeben. Es gibt viele Beispiele von Menschen, auch heutzutage, die hier ein gutes Beispiel abgegeben haben – halten wir sie in Ehren!

Und dann gibt es natürlich das Feld der Welt-Mission. Wenn sie meinen, dass die Zeit von Missionaren die begeistert nach Afrika abreisen, um dort die Armen Einheimischen das Licht des Evangeliums zu bringen doch wohl endgültig vorbei ist – dann haben sie recht. Aber hauptsächlich, weil die Ungläubigen heutzutage in deutschen Städten und Dörfern wohnen. Etwa 30% der Einwohner Deutschlands behaupten überhaupt nicht gläubig zu sein. Also, wenn wir als Christ Licht verbreiten möchten, können wir gleich bei unserer Haustür anfangen. Gott braucht uns, um sein Licht zu verbreiten. Jesaja 60: 3 das wir in unserem Textabschnitt gelesen haben macht hier fast unglaubliche Aussagen:

3 Und die Heiden werden zu deinem Lichte ziehen und die Könige zum Glanz, der über dir aufgeht.

Wenn das kein Optimismus ist!

Liebe Gemeinde,
vielleicht finden Sie alles was ich angesprochen habe zu aktivistisch – zu stressig, und das alles noch oben auf der Weihnachtshektik, die uns ohnehin schon belastet. Aber, wenn wir nur unsere Ruhe suchen, und in Ruhe gelassen werden möchten, besteht die Gefahr, dass uns das Weihnachtsfest immer mehr abhandenkommt, weil Anderen sich deren Inhalt zueignen. Wir können dann zwar weiter von Licht in einer dunklen Zeit reden und singen, aber wir werden dabei das wirkliche Licht Gottes verfehlen. Jesaja versuchte die Menschen in seiner Zeit wach zu rütteln. Es war eine Zeit, in der die Welt rundum voller Bedrohung war. Wir machen uns vielleicht Sorgen was passieren könnte, wenn die Corona Infektionszahlen noch weiter zunehmen, wenn die neue Ampelkoalition verrücktspielt – in Jesajas Zeit sah es schlimmer aus, viel schlimmer. Der nationale Untergang in einem Umfeld von Krieg und Gewalt war Realität. Trotzdem bringt er eine Botschaft von Hoffnung und Aufbruch. Er ist nicht von der Katastrophe gelähmt – er macht weiter, mit Gott, mit dem Volk Israel. Und das gilt auch für unsere Zeit. Gottes Werk geht weiter – auch bei uns – wenn wir uns an die Arbeit machen und uns von Gottes Licht begeistern lassen. Weil, sein Licht ist schon längst da.

Amen.

Lied: EG 545 "Mache dich auf und werde Licht......." (2x)

Vaterunser

Lied EG 30, Verse 1-4 „Es ist ein Ros entsprungen…..“

Wochenspruch:
Freut euch im Herren allezeit, und abermals sage ich: Freut euch. Der Herr ist nahe.
(Phil. 4: 4,5b)

Segen

 

Gottesdienst am Sonntag, den 12. Dezember 2021 - 3. Advent

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde,
herzlich willkommen zum Lesegottesdienst für den dritten Adventssonntag, den 12. Dezember 2021.
Nur noch kurze Zeit bis zum Weihnachtsfest, von dem wir alle noch nicht wissen, unter welchen Umständen wir es feiern werden. Da ist es gut, auf den Wochenspruch für die neue Woche zu hören. Er erinnert uns daran, dass trotz aller Ängste und Unsicherheiten dieser Wochen eines feststeht:
Gott kommt uns nahe.
„Bereitet dem Herrn den Weg; denn siehe, der Herr kommt gewaltig.“ (Jesaja 40, 3.10).

Einen gesegneten dritten Advent und eine behütete neue Woche
wünscht Pfarrerin Anke Mühlenberg- Knebel.

Wir beginnen mit dem Lied EG 17, 1-3 „Wir sagen euch an den lieben Advent“
Im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Amen.

Gebet:
Komm du uns nahe, guter Gott.
Komm mit deinem Frieden in unsere unheile Welt.
Komm in unsere Herzen, uns zu erlösen und zu heilen.
Mach es hell, dass wir von deinem Licht ergriffen werden
und es weitertragen in die Dunkelheiten dieser Welt.
Amen.

Lesungs- und zugleich Predigttext sind heute Worte aus dem 1.Korintherbrief des Apostels Paulus, Kapitel 4, Verse 1-5:
„Dafür halte uns jedermann: für Diener Christi und Haushalter über Gottes Geheimnisse. Nun fordert man nicht mehr von den Haushaltern, als dass sie für treu befunden werden. Mir aber ist`s für ein Geringes, dass ich von euch gerichtet werde oder von einem menschlichen Gericht; auch richte ich mich nicht selbst. Ich bin mir zwar keiner Schuld bewusst, aber darin bin ich nicht gerechtfertigt; der Herr ist`s aber, der mich richtet. Darum richtet nicht vor der Zeit, bis der Herr kommt, der auch ans Licht bringen wird, was im Finstern verborgen ist, und das Trachten der Herzen offenbar machen wird. Dann wird auch einem jeden von Gott Lob zu teil werden.“
Amen.

Lied EG 4, 1-5 „Nun komm der Heiden Heiland“

Predigt:

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und von dem Herrn Jesus Christus.
Amen.

Liebe Gemeinde,
jetzt, im Advent, backe ich an den langen und dunklen Abenden gerne Plätzchen: Vanillekipferl oder Zimtwaffeln oder einfach Ausstechplätzchen mit Streuseln drauf. Die Rezepte stammen meist noch von meiner Mutter.
Außerdem habe ich den Karton mit der Weihnachtsdeko aus dem Keller geholt und die Lichterketten und die selbstgebastelten Sterne, Tannenbäume und Herzen aus der Kindergartenzeit unserer Kinder in der Wohnung im Pfarrhaus verteilt.
Zum 3. Advent, wird es auch Zeit für die Weihnachtspost. Einmal im Jahr, da werden Karten geschrieben. Das habe ich von meinem Vater so übernommen. Von Hand und mit Füller natürlich. Die Motive der Karten kommen mir -besonders in diesem Jahr- vor wie aus einer anderen Welt. Tannenbäume mit Schnee, Weihnachtsmänner im Rentierschlitten, Goldene Glitzersterne, …

Einmal im Jahr bin ich richtig gerne Hausfrau, kaufe große Vorräte ein für die Feiertage, mache das Gästezimmer bereit, räume gründlich auf, mache sauber, auch in den Ecken und unter der Heizung. Einmal etwas mehr Hausfrau oder Hausmann sein, so ist der Advent.
Der Predigttext aus dem 1. Korintherbrief spricht von einem guten Haushalter. Katholische Pfarrer haben meist eine Haushälterin, evangelische nicht. In Jugendherbergen, in Freizeitheimen, da habe ich Haushälterinnen getroffen. Die Haushälterin, das war die, die das Sagen hatte. Die ein Machtwort sprach, wenn alles durcheinander war, die sich um alles kümmerte und auch am Wochenende oder späten Abend immer noch einen heißen Tee und etwas zu essen hatte. So einen Hausstand zu haben, das ist schon etwas Besonderes. Der erste eigene Haushalt, das eigene Reich, das eigene Geld. Ein Zimmer oder eine kleine Wohnung ganz für mich. Die meisten von uns haben diesen Schritt irgendwann gemacht, sind von zuhause ausgezogen, woanders hin und haben gemerkt: jetzt entscheide ich selbst. Wie ich mich einrichte. Wer kommen darf und wer gehen muss, wie lange das Licht brennt und ob diese Wand weiß bleibt oder bunt gestrichen wird. Wofür ich mein Geld ausgebe. Selbst entscheiden heißt: ich übernehme Verantwortung. In meinem eigenen kleinen Bereich und vielleicht auch darüber hinaus. Ein guter Haushalter, eine gute Haushalterin zu sein, das bedeutet: ich passe gut auf das auf, was mir anvertraut ist. Ich lege mir einen Vorrat an. Ich achte darauf, dass immer genug da ist und nichts verloren geht. Das gilt für kleines Geld wie für großes Vermögen. Aufmerksam, umsichtig, vorausschauend, das sind die Eigenschaften, die es braucht, wenn man ein guter Haushalter sein will. Redlichkeit. Treue. Großzügigkeit im richtigen Moment.

Zuverlässig und treu. Das gilt nicht nur im materiellen Sinn. Das gilt für die Liebe, das Vertrauen und für die Geheimnisse, die wir bewahren. Als Kinder und Jugendliche hatten wir viele davon. Kästchen oder Schachteln, im Schrank oder unter dem Bett versteckt. Später ein Tagebuch mit kleinem Vorhängeschloss, ein erster Liebesbrief, gut verwahrt.
Geheimnisse sind eine wunderbare Sache. Ich hoffe, Sie haben welche im Advent. Eine kleine oder größere Überraschung für die Menschen, die ich liebe. Ein besonderes Geschenk, mit dem nicht zu rechnen war. Eine Neuigkeit, die noch warten muss, bis sie geteilt werden darf. Manchmal kann es ziemlich anstrengend sein, nicht einfach damit herauszuplatzen. Auch bei Gott gibt es Geheimnisse. Mir gefällt der Gedanke, dass Gott sie mit uns teilt. Davon schreibt der Apostel Paulus an die Gemeinde in Korinth: Wir sind es, denen Gott seine Geheimnisse anvertraut. Damit wir sie hüten wie einen Schatz und damit wir sie sorgsam weiterverbreiten. Im richtigen Moment. Damit wir erzählen, da, wo es wichtig ist. Vom Geheimnis seiner Liebe. Von seiner Nähe zu den Menschen, die sich in Christus zeigt. Vom Geheimnis einer Lebenskraft, die stärker ist als der Tod. Vom Geheimnis, dass wir Menschen miteinander verbunden sind, auch wenn wir verschieden sind. Dass wir als Kinder des himmlischen Vaters zusammengehören. Ja, und auch davon dürfen wir erzählen: Von dem Geheimnis, dass wir stark sind, wenn wir vertrauen. Da ist das Geheimnis der Taufe, ein unsichtbares Band zwischen Gott und mir. Das Geheimnis von Brot und Wein, das Abendmahl, das uns zu einer großen Gemeinschaft macht. Wie schön wäre es, wieder regel- mäßig Abendmahl feiern zu können! Das Geheimnis des göttlichen Geistes, der in uns wirkt. Das sind so große Dinge, die Gott uns anvertraut, nicht leicht mit Worten zu beschreiben. „Ein Schatz in irdenen Gefäßen“, so schreibt Paulus einmal. Wunderbar und zerbrechlich. Irgendwann ist der Moment da, dann kommt das Geheimnis ans Licht. Mit großer Freude und mit Staunen. Mit Überraschung und mit großem Knall. Da wird der Haushalter gelobt: das hast du gut gemacht. Oft ist aber auch nur ein kleiner, leiser Moment. Da blitzt etwas auf von der Schönheit und Wahrheit. Gott ist in der Welt. Ein kleines Kind in einem Stall in Bethlehem. Ein Bote des Höchsten, der bezeugt, was er glaubt. Einer, der den Menschen sagt: Komm mit, lass dich anstecken von meiner Liebe. Hör auf mein Wort und tu es mir gleich.

Wir Christinnen und Christen sind die, die diese gute Nachricht haben und gut verwalten sollen, damit es hell wird in dunkler Zeit. Gott liebt diese Welt und gibt sie nicht verloren. Gott ist bei uns. Ein Schatz, den wir hüten wie alles, was uns wertvoll ist: Die Plätzchenrezepte der Mutter. Die selbstgebastelte Weihnachtsdeko der Kinder, als sie noch ganz klein waren, Erinnerungen und Gedanken, die Liebeserklärung des Partners. Und allem voran: das große Ja, das Gott zu mir sagt und zu dir. Einen Schatz, den wir teilen, weil er die Welt heller macht.
Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft zu fassen vermag,
bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.
Amen.

Lied EG 10, 1.2.4 „Mit Ernst, o Menschenkinder“

Fürbitten:
Vater im Himmel,
wenn wir nur Dunkel sehen, dann lass uns dein Licht aufgehen.
Wenn wir in Angst und Sorge sind, dann lass uns nicht verzweifeln.
Wenn wir nicht mehr die Kraft haben zu glauben, dann wecke du uns wieder auf,
der du uns in diesen Tagen des Advent nahe kommst.
Wenn wir uns nur noch um uns selbst drehen, dann mache unsere Sinne wieder wach,
dass wir die Not des Nächsten erkennen, dass wir uns von ihr anrühren lassen.
Mache uns bereit, auf andere zuzugehen und uns anderen zuzuwenden.
Amen.

Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name,
dein Reich komme,…

Segen:
Gott segne dich und behüte dich,
er erfülle dich mit seinem hellen und wärmenden Lichtund schenke dir Hoffnung und Trost.
Amen.

Lied EG 18, 1.2 „Seht, die gute Zeit ist nah“

 

Gottesdienst am Sonntag, den 05. Dezember 2021 - 2. Advent

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde,
herzlich willkommen zum Lesegottesdienst für den 2. Adventssonntag, den 5. Dezember.
Auch in diesem Jahr ist die Adventszeit wieder voller Spannungen und Unsicherheiten.
Da tut es gut, mit der Botschaft des Wochenspruchs in die neue Woche zu gehen:
„Seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht.“ (Lukas 21, 28).
Einen gesegneten Sonntag wünscht Pfarrerin Anke Mühlenberg- Knebel.

Wir beginnen mit dem Lied EG 17,1 und 2 „Wir sagen euch an den lieben Advent“.

Im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Amen.

Wir beten:
Herr Jesus Christus,
wir kommen heute zu dir,
damit wir in diesen Tagen des Advents bereit werden für deine Ankunft.
Komm in unsere Welt, um uns zu erlösen.
Tritt ein in unser Leben, damit es hell werde.
Befreie uns von den Mächten der Dunkelheit und lass uns wieder Hoffnung haben.
Amen.

In der Predigt denken wir heute über das Lied EG 7 nach:
„O Heiland, reiß die Himmel auf“, dessen Text zugleich unser Lesungstext sein soll:
„O Heiland, reiß die Himmel auf, herab, herab vom Himmel lauf,
reiß ab vom Himmel Tor und Tür, reiß ab, wo Schloss und Riegel für. (Str. 1)
O Gott, ein Tau´vom Himmel gieß, im Tau herab, o Heiland, fließ.
Ihr Wolken, brecht und regnet aus den König über Jakobs Haus. (Str. 2)
O Erd, schlag aus, schlag aus, o Erd, dass Berg und Tal grün alles wird.
O Erd, herfür dies Blümlein bring, o Heiland aus der Erden spring. (Str. 3)
Wo bleibst du, Trost der ganzen Welt, darauf sie all ihr Hoffnung stellt?
O komm, ach komm vom höchsten Saal, komm, tröst uns hier im Jammertal. (Str. 4)
O klare Sonn, du schöner Stern, dich wollten wir anschauen gern;
o Sonn, geh auf, ohn deinen Schein in Finsternis wir alle sein. (Str. 5)
Hier leiden wir die größte Not, vor Augen steht der ewig Tod.
Ach komm, führ uns mit starker Hand vom Elend zu dem Vaterland. (Str. 6)
Da wollen wir all danken dir, unserm Erlöser, für und für;
da wollen wir all loben dich zu aller Zeit und ewiglich. (Str. 7)

Lied EG 7, 1-5

Predigt:
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und von dem Herrn Jesus Christus.
Amen.

Liebe Gemeinde,
heute haben wir den 2. Advent. Die Adventszeit ist eine nachdenkliche und gefühlsbetonte Zeit. Das ist auch den Adventsliedern anzumerken, die wir in diesen Tagen gerne singen. Etliche von ihnen wurden in schwierigen, bedrückenden Zeiten geschrieben: in den Jahren des Bauernkrieges, während des 30jährigen Krieges, in der Zeit des Nationalsozialismus…Manche sind Lieder aus der Tiefe. Aber eines enthalten sie alle: Erwartung; Erwartung, die auf einer begründeten Hoffnung beruht.

Heute schauen wir uns einmal das Lied, das wir gerade gesungen haben, daraufhin an: „O Heiland, reiß die Himmel auf“. Gedichtet wurde es von Graf Friedrich Spee von Langenfeld, 1591 als Sohn eines Burgvogtes in Kaiserswerth bei Düsseldorf geboren. Mit 19 Jahren trat er dem Jesuitenorden bei, studierte Theologie und Philosophie, arbeitete als Lehrer, wurde Theologieprofessor. Unser Lied dichtete er im Jahr 1622, vor fast genau 400 Jahren. Damals wussten die Menschen nicht, dass der grausame Krieg noch weitere 26 Jahre dauern würde. Als Beichtvater lernte er die Nöte und Qualen der Frauen bekennen, die man der Hexerei beschuldigte. Schmerzliche Erfahrungen musste er machen, wurde immer kritischer seiner Kirche gegenüber. Es kam zu Spannungen. Spee wurde strafversetzt, man schickte ihn zur Pflege von Kranken und Verletzten ins Kriegsgebiet. Dort steckte er sich mit einer Seuche an und starb im Alter von 44 Jahren.

Sein Lied „O Heiland, reiß die Himmel auf“ wurde zunächst nach der Melodie eines alten lateinischen Adventshymnus gesungen. 1666 komponierte ein unbekannter Meister die Melodie, die wir auch in unserem Gesangbuch finden. Sie legt Spees Text auf geniale Weise aus: Sehnsucht, Erwartung, Bedrängnis finden Ausdruck in der sich von Zeile zu Zeile steigernden Melodie. Auf ihrem Höhepunkt in der 3. Zeile leuchten die Worte auf, mit denen jeweils die Hoffnung verknüpft ist. Die Melodie wird dann wieder zum Grundton zurück- geführt, so, als sollte die Hoffnung von oben auf die Erde geholt werden.

Wie eine Bildergalerie erscheinen die Verse des Liedes. Eines steht neben dem anderen. In der 1. Strophe sehen wir eine Tür, sie ist verschlossen, extra noch mit einem Riegel gesichert. Unmöglich, einfach so einzudringen. Jemand muss sie von innen öffnen. Vielleicht haben manche schon angeklopft. Aber niemand hat reagiert. Bei jedem Windstoß wirbelt Staub auf. Gras und Blumen sind längst verwelkt. Hier kann nichts mehr wachsen. Kein Mensch kann hier leben. Und wer doch durch diese Wüste muss, ist müde und gelähmt. Düster, schwermütig und starr erscheinen die Bilder auf den ersten Blick. Oder doch nicht? Der Liederdichter Spee von Langenfeld hat alte Motive aus dem Buch des Propheten Jesaja aufgegriffen, um seine Situation zu schildern. Aber die Bilder sind noch nicht fertig. Der Heiland/Gott wird aufgefordert, mit seinen Farben einzugreifen und sie zu verändern. Reiß ab! Gieß aus! Spring! Egal, was. Jedes Mittel ist recht, damit die Bilder nicht so düster bleiben! Mit einem Mal geschieht es, dass man sich vorstellen kann, wie das Schloss aufspringt und der Riegel mit Wucht zurückgeschoben wird. Das Tor öffnet sich. Einer tritt heraus, macht sich auf den Weg zu dem, der draußen wartete. Es wird noch bewegter in den Strophen 2 und 3: Der Himmel öffnet sich, Tau und Regen fallen auf die Erde, wecken das Leben in ihr. Frühling überzieht das Land. Und da ist wieder Hoffnung.

In der 4. bis 6. Strophe verwendet Spee von Langenfeld ein noch stärkeres Bild. Das Jammertal, das finstere Tal, das in denen, die da durchmüssen, tiefe Furcht erweckt. Denn es ist voller Not. Ist elend, ein altes Wort für Ausland, für Fremdsein. Elend ist da, wo keine Orientierung mehr möglich ist, wo man keinen Ausweg mehr findet. Das einzige, das man in dieser bedrohlichen Nacht wahrnimmt, ist der Tod. Es ist ein furchtbares Bild, gäbe es da nicht den Kontrast der Sonne (Str. 5). Sie ist klar, schön, wärmend, lebendig. Ihr Licht tröstet, weist neue Orientierung. Noch leuchtet das Licht der Sonne die dunklen Seiten nicht restlos aus. Aber es ist hoffnungsvoll zu spüren, dass es die Kraft dazu hat.

Liebe Geschwister, es sind spannungsvolle Bilder. Diese Spannung lässt sich nicht auflösen. Während wir sie betrachten, kann es passieren, dass sich bei dem verschlossenen Tor, der Wüste, dem finsteren Tal andere Bilder davor schieben: Gesichter von Menschen, die verschlossen sind von Hass und Fanatismus, Flüchtlinge, deren Weg ungewiss ist, Opfer von Katastrophen und Kriegen, die nicht begreifen können, was ihnen zugestoßen ist. Gesichter von erschöpften Pflegern und Ärzten auf Intensivstationen, angstvolle Menschen, die nicht wissen, wie es weitergehen soll. Dunkles Leid und massive Sorgen, die Menschen bei uns und anderswo plagen… Aber da ist auch unser Adventslied, mit seiner Melodie, die uns erfasst. Sie machen uns aufmerksam: Schaut genau hin. Die Bilder haben nicht nur Schattenseiten. Die anderen gehören dazu. Sonst sind sie nicht realistisch und wären kaum zu ertragen. Neue Assoziationen stellen sich ein: das Taufkind und seine Familie von letzter Woche. Musik, die wärmend und tröstlich ins Herz vordringt. Die vielen Menschen, die sich Gedanken machen, wie sie denen eine Freude machen können, die einsam sind oder es aus anderen Gründen gerade besonders schwer haben. Verantwortliche aus Politik und Wissenschaft, die nach dem besten Weg suchen, wie Menschenleben während der 4. Coronawelle geschützt werden kann. Durch all das werden die verheißungsvollen Bilder des Liedes mit Gegenwart und Leben erfüllt: von dem, der Tor und Tür durchbricht und den höchsten Saal verlässt. Von dem, der unscheinbar ist wie eine einzelne Blume und der doch zugleich der König ist. Von dem Licht, in dessen Schein unsere Dunkelheiten nicht standhalten, auch nicht die tiefste Dunkelheit des Todes. Von dem, der uns führen und leiten kann- nicht immer bequem und nach unseren Vorstellungen, aber so, dass wir uns nicht mehr selbst fremd vorkommen. Eben zum Ziel. Wenn ich die Bilder unseres Liedes betrachte, möchte ich es schon zu den „Liedern aus der Tiefe“ zählen. Und doch lebt es von Erwartung. Der Erwartung, die auf begründeter Hoffnung beruht. Deshalb dürfen wir mit dem Text der 7. Str. sagen: „Da wollen wir all danken dir, unserm Erlöser, für und für; da wollen wir all loben dich zu aller Zeit und ewiglich.
Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft zu fassen vermag,
bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.
Amen.

Lied NL 82, 1-3 „Suchen und Fragen“

Fürbitten:
Gott, du kommst und bringst Heil und Leben.
Wir bitten dich:
Lass das Adventslicht denen scheinen,
die im Schatten von Krankheit und Tod leiden.
Lass dein Licht in die dunklen Täler dringen,
in denen Krieg und Unterdrückung herrschen.
Lass dein Licht die finsteren Winkel ausleuchten,
in denen Missbrauch und Gewalt geschehen.
Wir sagen dir jetzt, was uns ganz persönlich bewegt:…
Sende dein Licht und verwandle unsere Welt.
Amen.

Vater unser im Himmel,…

Segen:
Gott, segne uns und behüte uns, lass dein Licht leuchten über uns und sei uns gnädig.
Erhebe dein Angesicht auf uns und schenke uns Frieden.
Amen.

Lied EG 545 „Mache dich auf und werde Licht“

 

Gottesdienst am Sonntag, den 28. November 2021 - 1. Advent

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde,
herzlich willkommen zum Lesegottesdienst für den 1. Advent 2021. Mit dem ersten Adventssonntag beginnt ein neues Kirchenjahr.
Der Wochenspruch lenkt unseren Blick auf den, dessen Kommen wir erwarten: „Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer.“ (Sacharja 9, 9a).
Einen gesegneten Advent wünscht Pfarrerin Anke Mühlenberg- Knebel

Wir beginnen mit dem bekannten Adventslied „Macht hoch die Tür“ (EG 1, Str.1.2.5)

Im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Amen.

Psalm 24 II (EG 711.2)
Machet die Tore weit und die Türen in der Welt hoch, dass der König der Ehre einziehe!
Wer ist der König der Ehre?
Es ist der Herr, stark und mächtig, der Herr, mächtig im Streit.
Macht die Tore weit und die Türen in der Welt hoch, dass der König der Ehre einziehe!
Wer ist der König der Ehre?
Es ist der Herr Zebaoth; er ist der König der Ehre.
Amen.

Gebet:
Komm uns nahe, guter Gott.
Komm mit deiner Gerechtigkeit in unsere unheile Welt.
Komm in unsere Herzen, uns zu erlösen und zu heilen.
Mach unsere Gesichter hell, dass sie von innen her strahlen, dass wir aus uns herausgehen können und einander gerecht werden.
Amen.

Wir lesen einen Abschnitt aus dem Buch des Propheten Jeremia. Es ist zugleich der Predigttext für den 1. Advent (Jeremia 23, 5-8):
„Siehe, es kommt die Zeit, spricht der Herr, dass ich dem David einen gerechten Spross erwecken will. Der soll ein König sein, der wohl regieren und Recht und Gerechtigkeit im Lande üben wird. Zu seiner Zeit soll Juda geholfen werden und Israel sicher wohnen. Und dies wird sein Name sein, mit dem man ihn nennen wird: „Der Herr ist unsere Gerechtigkeit.“
Amen.

Lied EG 314, 1.2.5 „Jesus zieht in Jerusalem ein“

Predigt:

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater und von dem Herrn Jesus Christus.
Amen.

Liebe Gemeinde,
die Tücher hier vorne an der Kanzel und am Altar (man nennt sie Paramente oder Antependien) sind heute in Violett, es ist die Farbe des Advents. Violett ist die Morgendämmerung, der Übergang zwischen Dunkel und Hell. Manchmal sind wir zu dieser Zeit wach, haben schlecht geschlafen, weil in der Nacht die Sorgen in uns aufgestiegen sind. Aber wenn dann allmählich das Licht des neuen Tages heranbricht, erscheint uns das, was uns in der Nacht beschäftigt hat, auf einmal gar nicht mehr so schlimm. Vielleicht haben wir schon eine Ahnung, wie es für uns weitergehen kann, neue Hoffnung…

Vor einer Woche haben wir unserer Verstorbenen gedacht und das Trostwort aus der Offenbarung des Johannes vom neuen Himmel und der neuen Erde gehört. Auch so ein Übergang vom Dunkel zum Licht…

Und heute das große „Siehe“ aus dem Buch des Propheten Jeremia. „Siehe, es kommt die Zeit für mehr Recht und Gerechtigkeit.“ Das ist das Thema unserer Zeit. Einer Zeit, die wir als krisenhaft erleben. Was darf man noch, was nicht? Alles wird zu viel und ist doch zu wenig. Und irgendwie reicht es jetzt auch. Wer unterdrückt hier wen eigentlich, fragen sich viele. Angesichts der Spannung zwischen denen, die sich für andere aufopfern und denen, die auf ihre persönlichen Freiheitsrechte pochen. Ist es die Minderheit der Ungeimpften, die die Mehrheit der Geimpften unterdrückt? Oder ist es vielleicht genau umgekehrt? Darüber gehen die Meinungen bei uns weit auseinander. Wir erleben eine Spannung, die sich kaum aushalten lässt. Was ist gerecht? Was darf rechtlich sein? Und nicht nur um Corona geht es, auch in anderen Bereichen fragen wir nach Recht und Gerechtigkeit.

Siehe, es kommt die Zeit, hören wir heute von dem Propheten Jeremia. Siehe, es kommt die Zeit von Recht und Gerechtigkeit. Nicht eine strafende Gerechtigkeit ist gemeint. Gott setzt sich ein für die Armen, die Schwachen, die Verlierer, die ein Recht auf ein würdiges Leben haben und deren Lebensrechte bedroht sind. Es kommt die Zeit einer verantwortungsvollen Regierung, die Verheißung, dass Israel endlich sicher wohnen kann. Während der Prophet Jeremia diese kräftigen Worte spricht, steht er inmitten des zerstörten Jerusalems. Schwarze, verbrannte Erde.
Die Menschen ermordet, versklavt, vertrieben. Zerstört der Traum vom herrlichen Reich Davids. Der hoffnungsvolle Spross am Stamm Davids verkohlt. Und der Tempel: in Rauch aufgegangen. Schwarze Rauchsäulen im Violett des Morgengrauens. Der siebenarmige Leuchter, die Schriftrollen, die Bundeslade geplündert. Und Gott hat längst die Stadt und den Tempel und die Menschen verlassen. Der Glaube der Menschen ist verstummt angesichts der Macht der Siegermächte. Die eigenen Könige, die haben in Israel fast immer versagt. Sie stürzten das Land und die Menschen in den Abgrund. Sie bestimmten, was gerecht ist, nämlich das, was ihnen selbst nützte. „Meine Gerechtigkeit“, so lautete der Name des letzten Königs Zedekia übersetzt. Und Jeremia sagt: Der Herr ist unsere Gerechtigkeit. Gott- und kein anderer. Gott war es, der uns aus der Sklaverei in Ägypten befreit hat. Er wird uns auch aus der Fremde zurückbringen, wo wir sicher wohnen können. Und Gott mitten unter uns.

Liebe Geschwister! Und wir Christinnen und Christen? Allzu schnell sehen wir in dem erhofften Spross Davids, von dem Jeremia spricht, Jesus. Wir nennen ihn Christus, Gesalbter, Messias. Aber König?
Er selbst tut alles dafür, dieses Bild nicht aufkommen zu lassen.
Auf einem kleinen, trippelnden Esel kommt er angeritten. Er ist kein Macher, der alle Probleme dieser Welt einfach so wegwischt.
Eigentlich ist Violett ja gar keine richtige Farbe. Es setzt sich zusammen aus dem Blau des Himmels, des Göttlichen und dem Rot des Blutes, des Menschlichen. Himmel und Erde, Göttliches und Menschliches- in Christus verbunden. Auch Jesus Christus hat die Verheißung Jeremias nicht erfüllt. Noch immer gibt es ungerechte Machthaber, leiden Menschen unter unwürdigen Bedingungen, sind Millionen weltweit auf der Flucht. Und doch öffnet die Verheißung des Propheten ganz leise die Tür zum Advent, fangen seine Worte an zu leuchten- so voller Trost und Hoffnung, dass einem die Augen und das Herz aufgehen. Dieser König kommt aus einfachen Verhältnissen. David, der Hirtenjunge, und Jesus, der Sohn des Zimmermanns, kommen von ganz unten. Und doch sind sie es, die die Verheißung des Propheten Jeremia offenhalten und sie stark machen.
Lehren mich auf immer neue Weise staunen, dass Gott seine Verheißungen immer wieder erfüllt. Mitten in der Welt, mitten unter uns, der König hinterlasst seine Spuren. Wir müssen nur genau hin- schauen.
Die Menschen, die in unserer krisenhaften Zeit genau wissen, wo ihr Platz ist, nah bei denen, die immer zu kurz kommen. Ärztinnen und Ärzte, Pflegepersonal, die mit großer Professionalität den Kranken beistehen. Alle die, die neue Miet- und Genossenschaftsmodelle entwickeln, damit auch Arme sicher wohnen können, weil sie ein Recht darauf haben. Die sich um die Geflüchteten kümmern, die an der EU-Grenze zwischen die Fronten geraten sind. Und das sind nur einige Beispiele. Sie alle machen mir Mut, lassen mich das Licht erahnen, das in die Dunkelheit hineinscheint und sie vertreiben wird.

Liebe Geschwister, Violett ist die Farbe des Advents, der Sehnsucht, der brennenden Erwartung. Alle sollen sicher wohnen in ihrem Lande. Gott steht zu seinem Wort. Da kommt noch was. „Siehe, es kommt die Zeit,…“
Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft zu fassen vermag, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.
Amen.

Lied EG 12, 1-4 „Gott sei Dank durch alle Welt“

Fürbitten:
Barmherziger und gerechter Gott, du bist das Licht der Welt und willst die Welt hell machen.
Darum bitten wir dich: Leuchte in unsere Dunkelheiten.
Und du weißt genau, welche das sind.
Stell alles in dein freundliches, tröstendes Licht.
Sende dein Licht und erleuchte die, die in Staat und Stadt, in Wissenschaft und Wirtschaft Verantwortung tragen.
Zünde ein Feuer an und wärme die, die an Körper und Seele frieren.
Lass ein Licht aufgehen denen, die keinen Ausweg mehr wissen.
Zeige einen Funken Hoffnung denen, die trauern und kaum Trost finden.
Lass uns im Licht der Adventskerzen deine Nähe spüren.
Amen.

Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name,…

Segen:
Gott segne dich und behüte dich auf allen deinen Wegen.
Amen.

Lied EG 13, 1-3 „Tochter Zion“

 

Gottesdienst am Sonntag, den 21. November 2021 - Ewigkeitssonntag

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde,
herzlich willkommen zum Lesegottesdienst für den diesjährigen Ewigkeitssonntag. Heute denken wir besonders an die Menschen aus unserer Gemeinde, die im zu Ende gehenden Kirchenjahr verstorben sind und an ihre Angehörigen. Auch unser Leben wird eines Tages zu Ende gehen. Niemand weiß, wann und wie das sein wird. Worte aus der Offenbarung des Johannes (Kapitel 21, Verse 1-7) sollen uns Trost und Hoffnung geben:
„Und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid, noch Geschrei, noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen.“
Amen.

Einen gesegneten Sonntag und eine gute neue Woche wünscht Pfarrerin Anke Mühlenberg- Knebel.

Wir beginnen mit dem Lied „Morgenglanz der Ewigkeit“ (EG 450, 1.2.5)

Im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Amen.

Gebet:
Herr, unser Gott,
du hast unser irdisches Dasein begrenzt.
Es fällt uns schwer zu begreifen,
dass unser Leben ein Ende haben muss.
Lehre uns, was es heißt zu sterben,
damit uns das Leben nicht entgleitet.
Bewahre unsere Zeit in deiner Hand.
Halte uns durch das Sterben
und den Tod hindurch
und geleite uns einst in dein ewiges Reich.
Amen.

Der Lesungs- und zugleich der Predigttext stehen in der Offenbarung des Johannes, Kapitel 21, 1-7:
„Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen, und das Meer ist nicht mehr. Und ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabgekommen, bereitet wie eine geschmückte Braut für ihren Mann. Und ich hörte eine große Stimme von dem Thron her, die sprach: Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden sein Volk sein, und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein; und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das erste ist vergangen. Und der auf dem Thron saß, sprach: Siehe, ich mache alles neu! Und er spricht: Schreibe, denn diese Worte sind wahrhaftig und gewiss! Und er sprach zu mir: Es ist geschehen. Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende. Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst. Wer überwindet, der wird es alles ererben, und ich werde sein Gott sein, und er wird mein Sohn sein.“
Amen.

Wir bekennen unseren christlichen Glauben:
IIch glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen,
den Schöpfer des Himmels und der Erde.
Und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn.
Empfangen durch den Heiligen Geist,
geboren von der Jungfrau Maria,
gelitten unter Pontius Pilatus,
gekreuzigt, gestorben und begraben.
Hinabgestiegen in das Reich des Todes;
am dritten Tage auferstanden von den Toten, aufgefahren in den Himmel.
Er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters.
Von dort wird er kommen zu richten die Lebenden und die Toten.
Ich glaube an den Heiligen Geist,
die Heilige christliche Kirche, Gemeinschaft der Heiligen,
Vergebung der Sünden,
Auferstehung der Toten und das ewige Leben.
Amen.

Lied „Der Himmel, der ist“ (EG 153, 1-3)

Predigt

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und von dem Herrn Jesus Christus.
Amen.

Liebe Trauerfamilien, liebe Gemeinde,
in dem jetzt zu Ende gehenden Kirchenjahr habe ich so viel Trauer gesehen und gespürt. Kinder, die um ihren Vater trauern, um ihre Mutter, eine Frau um ihren Mann, ein Mann um seine Partnerin. Enkel um die Großmutter, ein Patenkind um den Patenonkel. Menschen, die um ihren Freund und guten Bekannten trauern. Der Schmerz war oft so groß. Denn die Liebe war so groß. Manche waren voller Tränen,
manche wie erstarrt. Viele konnten nachts nicht schlafen, und viele mochten nichts essen. Manche versuchten zu fliehen. Manche waren voller Wut. So viel Trauer.

Manche Angehörigen haben den Tod aber auch als Erlösung ihres Angehörigen gesehen, oft nach schwerer Krankheit, nicht zu lindernden Schmerzen und Unglück. Dass sie jetzt ruhen können und ausruhen wünschen sie ihnen, und das ist ein tröstlicher Gedanke.
Und manchmal haben sie sehen können, dass das Gesicht des verstorbenen Menschen ganz entspannt aussah, fast den Anflug eines Lächelns hatte, dass der ganze Körper entkrampft und gelöst dalag.

Das ist immer die eine Seite der Trauer. Wir wissen, dass es gut so ist. Ruhe für den verstorbenen Menschen. Wir sagen: er hat es jetzt besser. Jetzt tut ihm nichts mehr weh, er oder sie hat keine Angst mehr. Jetzt geht es ihm oder ihr gut.

Aber das ist nur die eine Seite. Die andere Seite ist, dass in uns alles durcheinander ist. Dass das Leben der Hinterbliebenen nicht mehr so ist wie vorher. Ein tiefes Loch, ein dunkler Abgrund.
Die Höllenqualen, von denen die Generationen in früheren Jahrhunderten gesprochen haben, die man früher für die Verstorbenen fürchtete, diese Qualen leiden die Zurückgebliebenen. Die Dunkelheit, den Schmerz, die Unruhe, das Suchen, das Gefühl: er kommt jeden Moment wieder, sie ist gar nicht gestorben, er ist nur für einen Moment gegangen, der geliebte Mensch ist nur wie verreist, gleich wird er wieder da sein.

„Jeder Tod ist für den, der damit leben muss, wie eine Lawine, ein Erdbeben, ein Zusammenbruch bestehender Lebensvorstellungen“, schreibt der Bestatter und Trauerbegleiter Fritz Roth. “Der Tod bricht in die alltägliche Welt ein. Der Trauernde muss seinen Weg durch ein Trümmerfeld finden. Und wenn er versucht, die Bruchstücke zu sortieren, entdeckt er die Spuren, die von der Lebensbahn des Verstorbenen zurückgeblieben sind.“

Den Weg durch das Trümmerfeld gehen, die Bruchstücke sortieren, sich erinnern, die Sehnsucht spüren, immer wieder. Den Tod zulassen, annehmen; akzeptieren, dass der, den ich geliebt habe, gegangen ist. Sehen, was mir geblieben ist, wer neben mir geht, ich bin nicht allein. Über allem das Wort aus dem Trostbuch der frühen verfolgten Christen, der Offenbarung des Johannes: “Und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid, noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen.“

Gott wird abwischen alle Tränen. Hat dir schon einmal jemand die Tränen abgewischt? Das ist anders, als ein Taschentuch gereicht bekommen. Das ist viel näher, intimer. Eine Nähe, die ich sicher nicht von allen Menschen haben möchte. Aber wenn es möglich, ist es etwas ganz Besonderes. Wie eine Mutter ihr Kind tröstet, ein Mann die Frau, die er liebt, so tröstet Gott uns. Und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein, denn das erste ist vergangen.

Ein neues Leben. Ja, nach dieser Trauer ist ein neues Leben möglich. Auch, wenn es jetzt so weit weg scheint. Gar nicht zu erreichen. Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen.

Einmal wird ein Neues sein. Und manchmal ist es jetzt schon. In einem Moment. Wenn du lachst, wenn du Freude spürst, wenn es dir gut geht. Wenn du erlebst, dass Menschen neben dir sind, mit denen du gern zusammen bist, dass du nicht allein bist, dass einer mit dir spricht.

„Alles beginnt mit der Sehnsucht“, sagt die Dichterin Nelly Sachs. Die Trauer beginnt mit der Sehnsucht nach dem Verstorbenen. Und das neue Leben beginnt mit der Sehnsucht nach neuer Freude, neuem Glück, neuem Leben. Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen.

Gott sagt: Ich will deine Sehnsucht stillen. Ich will dir ein Neues geben. Weißt du eigentlich, wonach du dich sehnst? Weißt du eigentlich, was du brauchst, weißt du eigentlich, was dir fehlt, wonach du dürstest? Gott verheißt: Ich will deinen Durst stillen. Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst.

Wie früher wird es nicht mehr sein. Anders. Ein Stück der Trauer, des Schmerzes, der Sehnsucht nach dem Verstorbenen wird bleiben.
Da ist eine Stelle in deinem Inneren, da blüht nichts mehr. Eine Leerstelle.

Ein Platz in deinem Herzen, wo der Mensch ist, den du einmal geliebt hast. Die Stelle soll bleiben. Doch während du sortierst, während du die Bruchstücke deines bisherigen Lebens sortierst, wirst du auch merken, was wichtig war, was groß war und was schön, und was du davon in deinem Herzen und in deinem künftigen Leben bewahren willst. Es ist vielleicht die Erinnerung an das warme Gefühle, wie schön es war, mit den Eltern zu kuscheln. Es ist die Erinnerung an einen zärtlichen Kuss, an ein umwerfendes Lächeln. Und wie wir die Liebe und die Lebensfreude des anderen spüren durften. Es ist vielleicht die Erinnerung an gemeinsame Gespräche, wo wir auf ei- ner Wellenlänge waren. Es ist vielleicht die Erinnerung an einen gemeinsamen Tanz, ein Lied, ein Blick. Tief in deinem Herzen wird das bleiben. Wird dich wärmen. Du wirst es suchen bei anderen Menschen und in anderen Situationen. „Und Gott sagt: Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst.“

Gott sagt: Ich will deinen Durst stillen. Ich wünsche dir den Mut, den, den du geliebt hast, zu lassen, ihn loszulassen, gehen zu lassen in Gottes ewiges Licht. Ich wünsche dir, dass andere Menschen dich begleiten und ermutigen auf deinem Weg durch die Trauer.
Ich wünsche dir, dass du begreifen kannst, was du erlebst, dass du siehst, was du verloren hast; aber dass du auch siehst, wie reich dein Leben auch nach diesem Verlust ist. Ich wünsche dir, dass du eines Tages sehen kannst, dass nach jedem Abend ein neuer Morgen kommt, dass jedem Abstieg ein neuer Aufstieg folgt, dass auch aus der größten Tiefe die Auferstehung folgt.
Ich wünsche dir, dass du auch einmal aus tiefstem Herzen sagen kannst: „Und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen.“
Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft zu fassen vermag,
bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.
Amen.

Lied „Du kannst nicht tiefer fallen“ (EG 533, 1-3)

Fürbitten:

Du Gott, unser Vater und unsere Mutter,
wir denken heute daran, dass wir und die Menschen,
die wir lieben, sterben müssen.
Wir leiden unter dieser Grenze und unter der Macht,
die der Tod in unserem Leben und in unserer Welt hat.

Du hast uns aber auch die Hoffnung geschenkt,
dass dein Sohn den Tod überwunden und begrenzt hat.
Und wir hoffen, dass wir durch das Sterben hindurch
zum Leben gelangen.

Wir bitten dich für die Menschen, die uns vorausgegangen sind
auf dem Weg in die Ewigkeit, die wir loslassen mussten.
Halte du sie weiterhin in deiner Hand und lass sie dereinst auferstehen, damit sie bei dir leben.

Wir bitten dich für die Menschen,
die alt und hochbetagt sind
oder durch Krankheit gezeichnet.
Hilf ihnen, die wenige Zeit, die ihnen bleibt,
zu nutzen, dass sie ihr Leben versöhnt beschließen können und Frieden finden.

Wir bitten dich für die Schmerzen,
die unter Schmerzen leiden und
die ein Ende ihrer Qual herbeisehnen.
Sei bei ihnen in ihrem Leiden,
und lass sie Hilfe finden.
Stelle ihnen Menschen zur Seite,
die bei ihnen wachen.

Wir bitten dich für uns selbst,
die wir oft ohne Ziel vor uns hin leben.
Öffne unsere Augen, dass wir erkennen,
was wirklich zählt in unserem Leben,
dass wir die Zeit, die uns gegeben ist,
nicht verschwenden, sondern zu deiner Ehre
und zum Wohl der Menschen einsetzen.

Amen.

Alles, was wir Gott sonst noch sagen möchten, sagen wir mit den Worten des Vaterunsergebetes:
Vater unser im Himmel,…

Segen:
Gott segne dich und behüte dich, von nun an bis in Ewigkeit.
Amen.

Lied „Komm, Herr, segne uns“ (EG 170, 1-3)

 

Gottesdienst am Sonntag, den 14. November 2021 - Volkstrauertag

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde,
herzlich willkommen zum Lesegottesdienst für Sonntag, den 14. November 2021.
An diesem Tag, dem Volkstrauertag, gedenken wir der Opfer der vergangenen und gegenwärtigen Kriege. Wir sehnen uns nach Frieden in unserer friedlosen und unerlösten Welt.
Der Wochenspruch für die neue Woche erinnert uns daran, dass wir als Christinnen und Christen nicht nachlassen im Bemühen um den Frieden:
„Selig sind, die Frieden stiften, denn sie werden Gottes Kinder heißen.“ (Matthäus 5, 9)
Einen gesegneten, friedlichen Sonntag wünscht Ihre/eure Pfarrerin Anke Mühlenberg- Knebel

Wir beginnen mit dem Lied EG 295,1.3.4 „Wohl denen, die da wandeln“ 

Im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Amen.

Gebet:

Herr, wir danken dir, dass du uns nicht uns selbst überlässt, sondern uns immer wieder in dein Haus rufst. So kommen wir heute zu dir und bitten dich, dass wir dein Wort nicht nur hören, sondern auch tun.  Heute hören wir auf dein Wort, das uns zum Frieden ruft. 
„Selig sind, die Frieden stiften, denn sie werden Gottes Kinder heißen.“
Amen. 

Die Lesung und zugleich der Predigttext für den heutigen Volkstrauertag steht im Römerbrief des Apostels Paulus, im 8. Kapitel, Verse 18- 25: „Denn ich bin überzeugt, dass dieser Zeit Leiden nicht ins Gewicht fallen gegenüber der Herrlichkeit, die an uns offenbart werden soll. Denn das ängstliche Harren der Kreatur wartet darauf, dass die Kinder Gottes offenbar werden. Die Schöpfung ist ja unterwerfen der Vergänglichkeit, ohne ihren Willen, sondern durch den, der sie unterworfen hat-doch auf Hoffnung; denn auch die Schöpfung wird frei werden von der Vergänglichkeit zu der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes. Denn wir wissen, dass die ganze Schöpfung bis zu diesem Augenblick mit uns seufzt und sich ängstet. Nicht allein aber sie, sondern auch wir selbst, die wir den Geist als Erstlingsgabe haben, seufzen wir in uns und sehnen uns nach der Kindschaft, der Erlösung unseres Leibes. Denn wir sind zwar gerettet, doch auf Hoffnung. Die Hoffnung aber, die man sieht, ist nicht Hoffnung; denn wie kann man auf das hoffen, was man sieht? Wenn wir aber auf das hoffen, was wir nicht sehen, so warten wir darauf in Geduld.“
Amen.

Lied NL 116, 1-4 „Freunde, dass der Mandelzweig“ 

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und von dem Herrn Jesus Christus.
Amen.

Liebe Geschwister!
„So schön wie hier kann´s im Himmel gar nicht sein“, so lautet der Titel eines Buches von Christoph Schlingensief. Er war Regisseur, inszenierte Theater- und Opernaufführungen, war Autor, hatte eine Professur. In der Öffentlichkeit trat er meist ziemlich provokant auf. Dann erkrankte er an Krebs. Und schrieb darüber ein Buch. Wie die Krankheit sein Leben verändert hat. Dass er eine Riesenangst vor dem Sterben hat. Er liebt das Leben. „Ich hab kein Bock auf Himmel“, formuliert er. Vor 11 Jahren verstarb er, im Alter von 49 Jahren.

„So schön wie hier kann´s im Himmel gar nicht sein.“, schreibt Schlingensief. „Denn ich bin überzeugt, dass dieser Zeit Leiden nicht ins Gewicht fallen gegenüber der Herrlichkeit, die an uns offenbart werden soll.“ Schreibt der Apostel Paulus. Christoph Schlingensief hatte keinen Bock auf diese Herrlichkeit. Und doch erwartete er sie. Auf seine ganz eigene Art. Er war katholisch, 12 Jahre lang Messdiener. Und er hatte eine Beziehung zu Gott. Auf seine Weise. In seinen Arbeiten befasst er sich immer wieder mit der Frage nach Gott, der Erlösung. „Der Himmel jedenfalls kann sich auf einen unbequemen Neuzugang gefasst machen.“ Meinte er augenzwinkernd. Zuletzt schaute aus seinen Augen das Leiden.  „Dieser Zeit Leiden fallen nicht ins Gewicht gegenüber der Herrlichkeit, die an uns offenbart werden soll.“ Das Leben so lieben, dass man es sich im Himmel nicht schöner vorstellen kann. So würde ich auch gerne leben. Manchmal gelingt es, dann wieder nicht. Und wenn Paulus sich nach der künftigen Herrlichkeit Gottes sehnt, dann in solchen Momenten, in denen sich das Leben nicht so leicht lieben lässt. Weil das Leiden sich davorschiebt. Weil das Seufzen lauter wird als das Lachen. Uns Christen wurde manchmal vorgeworfen, dass wir die Nöte und Probleme, das Leiden in dieser Welt gar nicht so ernstnehmen und stattdessen die Menschen auf ein besseres Jenseits vertrösten. Oder, dass die Kirchen sich dem Leiden und dem Bösen nicht entgegenstellen, weil sie ja auf die Ewigkeit hoffen. Ja, das stimmt. Das ist passiert. Gerade in den beiden letzten Weltkriegen. Wo viele Christinnen und Christen meinten, sie dürften sich nicht in weltliche Angelegenheiten einmischen. Sie nahmen es hin, dass Menschen unmenschlich und ungerecht behandelt wurden, verfolgt und auf grausamste Weise getötet wurden. Und sie gehörten sogar selbst zu den Tätern.

Heute ist Volkstrauertag. Ein Tag zum Seufzen. Zum Seufzen darüber, dass Menschen Menschen töten. Dass es Kriege gab und gibt. Seufzen über die vielen Toten der Weltkriege. 17 Millionen im 1. Weltkrieg. 60 Millionen im 2. Weltkrieg. Russen, Amerikaner, Engländer, Franzosen, Italiener, Deutsche und viele andere Völker. Soldaten und Zivilisten. Kinder, Frauen, Männer. Dazu noch in den Vernichtungslagern: Menschen jüdischen Glaubens, Sinti und Roma, Homosexuelle, Kommunisten, bekennende Christen. Auch Behinderte, die als lebensunwertes Leben bezeichnet wurden, wurden systematisch umgebracht.

„Wir wissen“, schreibt Paulus. „Wir wissen, dass die ganze Schöpfung bis zu diesem Augenblick mit uns seufzt und sich ängstet. Nicht al -lein aber sie, sondern auch wir selbst seufzen in uns und sehnen uns nach der Erlösung.“ Seufzen bis heute, denn das Kriegführen nimmt kein Ende. Im Gegenteil. Im Internet kann man es nachlesen: aktuell gibt es weltweit zurzeit 30 Kriege und Bürgerkriege. Es sind auch Konflikte dabei, über die man nur wenig erfährt. Sie sind wohl für die Nachrichten zu unwichtig.

Die ganze Schöpfung seufzt und ängstigt sich und mit ihr die Männer und Frauen und Kinder in: Afghanistan, Syrien, Myanmar, im Südsudan, Somalia, in der Ostukraine…

Und in all den anderen Ländern. Der Genfer Journalist Andreas Zumach hat einmal einen Vortrag gehalten zum Thema, warum es so schwer ist, Gewalt zu überwinden. Er beschreibt die Welt, wie sie ist. Spricht in seinem Vortrag von Starrsinn, Egoismus und Hass, von der Gewalt, die daraus entsteht. Zum Seufzen. Ziemlich niederschmetternd. Wie soll man da das Leben lieben? Aber dann bringt er doch noch Beispiele der Hoffnung. Er sagt:
„Es gibt ja durchaus positive, Hoffnung machende Beispiele aus den letzten Jahrzehnten, wo dies gelungen ist. Gerade auch dank des Engagements von Christinnen und Christen oder von Angehörigen anderer Religionen. Das erfährt man nicht oder nur viel zu selten aus den Medien. Schlagen Sie die Zeitung auf, so springt Ihnen entgegen, wo religiöse Akteure wieder einmal Gewalt anwenden und Konflikte verschärfen. Mord und Totschlag im christlichen Ruanda oder Kenia; islamistische Terroranschläge in Afghanistan und Irak; Gewaltakte von Hindu-Nationalisten in Indien oder von buddhistischen Extremisten aus Sri Lanka, …
Jede Religion dieser Erde hat Blut an den Händen, keine kann sie in Unschuld waschen.“

Aber es gibt sie, diese positiven Beispiele erfolgreicher Gewalteindämmung und -überwindung durch Menschen, die sich von ihrem religiösen Hintergrund her einsetzen. Es gibt sogar zahlreiche Beispiele, die zeigen, wie Religionen ihr Friedenspotential in politischen Gewaltkonflikten segensreich und wirksam einsetzen konnten.

Hier nur eine kleine Auswahl: Im afrikanischen Staat Mosambik vermittelte die katholische Laienbewegung Sant Egidio zusammen mit einem Bischof 1992 ein dauerhaft stabiles Friedensabkommen.

Die Protestbewegung in der ehemaligen DDR hätte sich ohne die Hilfe der evangelischen Kirche kaum entwickeln können. Die friedliche Revolution wäre nicht lange gewaltfrei geblieben.

Während des Genozids in Ruanda 1994, als christliche Hutus etwa eine Million christliche Tutsis niedermetzelten, gab es nur eine Bevölkerungsgruppe, die sich der Gewalt widersetzte. Das waren die Muslime in Ruanda, die es unter den Hutus wie auch unter den Tutsis gab. Sie leisteten passiven Widerstand, und halfen Flüchtlingen, egal welcher Religion oder Ethnie, den Todesschwadronen zu entkommen.

Liebe Geschwister, wenn wir diese oder andere Beispiele lesen, dann können wir innerlich aufatmen. Wir müssen nicht auf den Himmel warten, um Frieden zu erwarten. Einen Vorgeschmack davon kann es heute schon geben. Wenn Menschen das Leiden in der Welt sehen und sich für die gequälte Schöpfung einsetzen, damit sie sich nicht mehr seufzen und ängsten muss. Aber was stimmt denn nun? Der Satz von Christoph Schlingensief, dass es so schön wie hier im Himmel gar nicht sein kann? Oder der von Paulus, der von der Herrlichkeit spricht, die uns von Gott her, erwartet. Ich denke, beide Sätze stimmen. Es kommt auf die Perspektive an. In der völlig ausweglosen Zeit, wo Krieg und Gewalt, Krankheit oder Verzweiflung uns überrennen, wo das Seufzen dem Lachen keinen Platz lässt, da bleibt einfach nur die Hoffnung auf Erlösung bei Gott, eben auf den Himmel. Aber dazwischen, zwischen Seufzen und Angst, da sollten wir alles tun, was in unserer Macht steht, damit es hier, auf der Erde, schön ist. An dem Ort, an dem wir leben und überall.
Amen 

„Und der Friede Gottes, der höher ist, als unsere Vernunft zu fassen vermag, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn. Amen“

Lied NL 39, 1-4 „Freunde, dass der Mandelzweig“  Friedensgebet (nach der franziskanischen Tradition):  O Herr, mach mich zu einem Werkzeug deines Friedens,  dass ich Liebe übe, wo man sich hasst,  dass ich verzeihe, wo man sich beleidigt,  dass ich verbinde da, wo Streit ist,  dass ich die Wahrheit sage, wo der Irrtum herrscht,  dass ich den Glauben bringe, wo der Zweifel drückt,  dass ich Hoffnung wecke, wo Verzweiflung quält,  dass ich ein Licht anzünde, wo die Finsternis regiert,  dass ich Freude mache, wo der Kummer wohnt.  Ach, Herr, lass du mich trachten:  nicht, dass ich getröstet werde, sondern dass ich tröste;  nicht, dass ich verstanden werde, sondern dass ich verstehe;  nicht, dass ich geliebt werde, sondern dass ich liebe.  Denn wer da hingibt, der empfängt;  wer sich selbst vergisst, der findet;  wer verzeiht, dem wird verziehen;  und wer stirbt, erwacht zum ewigen Leben.  Amen.

Alles, was wir sonst noch sagen wollen, sagen wir mit dem Vaterunsergebet: Vater Unser im Himmel,… 

Segen:
„Selig sind, die Frieden stiften, denn sie werden Gottes Kinder heißen.“
Dazu segne euch Gott, der Vater, der Sohne und der Heilige Geist.
Amen.

Lied EG 421 „Verleih uns Frieden gnädiglich“ 


Gottesdienst am Sonntag, den 31. Oktober 2021 - Reformationstag

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde,
zum Lesegottesdienst für den 31. Oktober 2021, den Reformationstag, grüße ich Sie/euch mit einem Wort aus dem Hebräerbrief, Kapitel 13, Vers 8:
„Jesus Christus, gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit."
Amen.

Mit diesem Bibelwort wurde unsere Christuskirche in der Hindenburgstraße am 12. November 1961 eingeweiht. Jetzt am Wochenende feiern wir ihr 60jähriges Jubiläum. Wir dürfen dankbar sein, dass wir hier ein so schönes Gotteshaus haben, in dem wir zusammen- kommen dürfen.
Ein gesegnetes Wochenende und eine gute neue Woche wünscht Pfarrerin Anke Mühlenberg- Knebel.

Am Anfang steht das Lied EG 317, 1-3 „Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren“.

Im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Amen.

Psalm 84: Wie lieb sind mir deine Wohnungen, Herr Zebaoth! Meine Seele verlangt und sehnt sich nach den Vorhöfen des Herrn; mein Leib und Seele freuen sich in dem lebendigen Gott. Der Vogel hat ein Haus gefunden und die Schwalbe ein Nest für ihre Jungen- deine Altäre, Herr Zebaoth, mein König und mein Gott. Wohl denen, die in deinem Hause wohnen; die loben dich immerdar.“
Amen.

Gebet: Lieber himmlischer Vater, schenke uns nun deinen heiligen Geist, der uns dein Wort in unsere Herzen schreibe, so dass wir es annehmen und glauben und uns seiner in Ewigkeit freuen und trösten.
Amen.

Als biblische Lesung habe ich einen Vers aus dem 1. Korinther -brief, Kapitel 3, Vers 11 ausgewählt: „Einen andern Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus.“
Amen.

Lied EG 362, 1-4 „Ein feste Burg ist unser Gott“

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und von dem Herrn Jesus Christus.
Amen.

Liebe Geschwister,
wo wohnt Gott? Im Psalm 84 spricht der Beter von den „Wohnungen Gottes“. Für ihn steht fest: So, wie der Vogel ein Nest für seine Jungen hat, so wie wir alle ein Dach über dem Kopf haben, so hat auch Gott eine Wohnung. Unsere Kirchen und Kapellen werden Gotteshäuser genannt, aber heißt das, dass Gott tatsächlich hier wohnt? Für unsere evangelische Kirchengemeinde Bühlertal war es auf jeden Fall sehr wichtig, dass die evangelischen Christen einen eigenen Ort bekommen, eine eigene Kirche, an dem sie zusammen- kommen und Gottesdienste feiern können. Wo es auch einen Gemeinderaum gibt, für weitere Angebote. Ein Zuhause. Wir feiern an diesem Wochenende, dass unsere Christuskirche schon seit 60 Jahren hier in der Hindenburgstraße steht; ein wichtiges Zeichen, so eine evangelische Kirche in einem stark katholisch geprägten Umfeld. Diaspora nennt man das ja. Nur 10 Prozent der Bevölkerung sind evangelisch. Und wenn man sich vor Augen führt, dass unsere Evangelische Landeskirche in Baden in diesem Jahr ihr zweihundert- jähriges Bestehen feiert, dann hat unsere Kirche und unsere evangelische Gemeinde daran doch einen ziemlich großen zeitlichen Anteil. Am 12. November 1961 wurde unsere Christuskirche feierlich eingeweiht. Das war ein ganz großes Ereignis damals, für unserer Gemeinde, für den ganzen Ort Bühlertal. Im Beisein des Landesbischofs, des Dekans, des Ortspfarrers Joecks und des Kirchengemeinderates, mit 19 weiteren Pfarrern, vielen geladenen Gästen, evangelischen und katholischen Christen, etwa 1000 Menschen insgesamt. Bei der Einweihung wurde sie unter ein Wort aus dem Hebräerbrief gestellt, Kap. 13, Vers 8. „Jesus Christus, gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit.“ Eingeweiht wurde sie, aber nicht besonders geweiht, das ist nicht üblich, anders als bei katholischen Kirchen zum Beispiel.

Trotzdem sind auch evangelische Kirchen besondere Orte. Schon durch ihr Aussehen unterscheiden sie sich von anderen Gebäuden wie z.B. einem Wohnhaus, einer Schule oder Sporthalle. Kirchen haben meistens einen Turm, von dem die Glocken läuten und uns die Zeit angeben und so hörbar auf sich aufmerksam zu machen.
Einen Glockenturm haben sonst nur wenige andere Gebäude, vielleicht noch ein Rathaus. Martin Luther sagte bei der Eröffnung einer neu-gebauten evangelischen Kirche im Jahr 1544, dass das Kirchengebäude nicht durch Weihe zu einem besonderen Gebäude wird, das ist nicht notwendig. Besonders wird ein Kirchengebäude dadurch, dass sich die christliche Gemeinde darin zum Gottesdienst versammelt: „Dass nichts anderes darin geschehe, als dass unser lieber Herr selbst mit uns rede durch sein heiliges Wort und wir wiederum mit ihm reden durch Gebet und Lobgesang“, so Martin Luther. Das Kirchengebäude wird also besonders, weil Gott hier zu uns spricht und wir ihm antworten können durch unser Gebet oder durch unseren Gesang. Deutlich wird das auch, wenn man in eine Kirche hineingeht und sie von innen betrachtet. Heute, beim Jubiläum, nehmen wir unsere Christuskirche einmal ganz besonders in den Blick. Da gibt es eine große Kanzel. Von hier aus wird das Wort Gottes verkündigt und ausgelegt. Von hier aus redet also Gott mit uns. Dann gibt es den Altar, mit dem Kruzifix. Christus erhebt segnend seine Hände über uns. Vor dem Altar steht der Pfarrer/die Pfarrerin, um zu beten im Namen der Gemeinde oder mit der Gemeinde- das Vaterunsergebet zum Beispiel. Hier reden also wir mit Gott. Außerdem feiern wir am Altar oder vom Altar aus auch das Heilige Abendmahl. Beim Abend -mahl haben wir miteinander Gemeinschaft, mit Gott, und wir bekommen jetzt schon Anteil an Gottes ewiger Herrlichkeit und Güte. Deshalb sind Kirchen auch ein Abbild des Himmlischen auf Erden.
Im Altarraum steht auch unser schönes Taufbecken. Auf dem Deckel sind drei Bilder zu erkennen: Die Arche Noah, die Taufe Jesu, die Ausgießung des Heiligen Geistes. Durch die Taufe werden Kinder, Jugendliche oder Erwachse ne in die Gemeinde aufgenommen. Das ist für uns immer ein besonderes Ereignis. Gerade in einer Zeit, wo Kirche und Glaube eine immer geringer werdende Rolle spielen im Leben der Menschen, ist eine Taufe ein hoffnungsvolles Zeichen. Unser gesamter Altarbereich mit allem, was hier zu sehen ist, stammt übrigens aus der Hand eines einzigen Künstlers: Emil Homolka aus Königstein. Verwendet wurde bei der Umsetzung seiner Pläne Bühlertäler Granit und Bronze. Auch die Entwürfe für die Paramente hat er gefertigt. Das Bild hier vorne ist viel später erst dazugekommen und wurde uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt. Es stammt von einer Künstlerin aus der Region und bezieht sich auf das Vaterunsergebet, passt also sehr gut hier hinein. In unsere Kirche gehört auch eine Orgel. Sie begleitet die Gemeinde beim Singen und Singen ist auch eine Art von Gebet oder eine Art „Reden mit Gott“.

Das ist das eine, was Kirchengebäuden zu besonderen Gotteshäusern macht: Das Aussehen innen und außen und das, was darin geschieht.

Darüber hinaus hat jeder ganz persönliche Erinnerungen an unsere Christuskirche, die prägend waren und die dieses Gotteshaus zu seiner oder ihrer Kirche gemacht hat. Wenn ich mit Menschen aus unserer Gemeinde spreche, dann erzählen sie mir oft davon, was sie besonders mit diesem Ort verbinden. Und sicher werden wir uns auch heute, im Anschluss an diesen Gottesdienst, beim Empfang, darüber austauschen.

Unsere Christuskirche ist deshalb ein Gotteshaus, weil sich Menschen hier im Namen Gottes zum Gottesdienst versammeln. Im Matthäusevangelium sagt Jesus zu seinen Jüngern: „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.“ Dieses Wort ist besonders in den letzten Coronamonaten tröstlich gewesen, wenn sich nur wenige zum Gottesdienst hier eingefunden haben. Wo zwei oder drei…, das reicht schon aus. Umso schöner aber, wenn noch viel mehr Menschen in unserer Christuskirche zusammenkommen.

Gott wohnt aber nicht nur in so einer Kirche, er wohnt auch sonst überall, wo Menschen in seinem Namen zusammenkommen. Also wohnt er auch im Altenheim, in der Schule, im Kindergarten, in jedem Haus, in jedem Raum, wenn Menschen zusammen Gottesdienst feiern, gemeinsam Gottes Wort hören, gemeinsam singen und beten. So kann jedes Haus zum Haus Gottes werden, und Gott ist dann in Jesus Christus mitten unter uns. Amen

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft zu fassen vermag, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.
Amen.

Lied EG 182, 1.2.5 Halleluja

Fürbitten:
In deinem Haus bin ich gern, Vater, wo du mein Denken füllst; da kann ich dich hören, Vater, sehn, was du willst. In deinem Haus will ich bleiben, Vater, du weist mich nicht hinaus, und nichts soll mich vertreiben, Vater, aus deinem Haus.
Amen.

(nach einem Liedtext von Manfred Siebald)

Wir beten das Vaterunsergebet: Vater unser im Himmel,…

Segen:
Der Segen Gottes komme über dich und bleibe bei dir von nun an bis in Ewigkeit.
Amen.

Lied EG 610, 1-3 „Herr, wir bitten, komm und segne uns“

 

Gottesdienst am Sonntag, den 24. Oktober 2021 - 21. Sonntag nach Trinitatis

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde,
herzlich willkommen zum Lesegottesdienst für Sonntag, den 24. Oktober 2021; es ist der 21. Sonntag nach Trinitatis.
Die Worte des Bibelspruchs, der uns in die neue Woche begleiten soll, erinnern uns, verantwortlich mit unserer Welt und unseren Mitgeschöpfen umzugehen:
„Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem.“
(Römerbrief, Kapitel 12, Vers 21)
In diesem Sinne eine gesegnete neue Woche wünscht Pfarrerin Anke Mühlenberg- Knebel.

Wir beginnen mit dem Lied EG 432, 1-3 „Gott gab uns Atem, damit wir leben“

Im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Amen.

Psalm 19b, 8.9:
„Das Gesetz des Herrn ist vollkommen und erquickt die Seele. Das Zeugnis des Herrn ist gewiss und macht die Unverständigen weise. Die Befehle des Herrn sind richtig und erfreuen das Herz. Die Gebote des Herrn sind lauter und erleuchten die Augen. Amen“

Gebet:
Himmlischer Vater,
wir reden und hören uns manchmal selbst kaum zu.
Wir spüren, was wir gesagt haben, verletzt andere Menschen, bringt Unfrieden. Es ist so schwer, Frieden zu bringen, wo Streit herrscht.
Hilf, dass du das letzte Wort behältst.
Stärke uns, wenn wir nun auf deine Worte hören.
Amen.

Die Lesung und zugleich der Predigttext für den heutigen Sonntag steht im Matthäus-Evangelium,
Kapitel 10, Verse 34 bis 39:
„Ihr sollt nicht meinen, dass ich gekommen bin, Frieden zu bringen auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert. Denn ich bin gekommen, den Menschen zu entzweien mit seinem Vater und die Tochter mit ihrer Mutter und die Schwiegertochter mit ihrer Schwiegermutter. Und des Menschen Feinde werden seine eigenen Hausgenossen sein. Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, der ist meiner nicht wert; und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, der ist meiner nicht wert. Und wer sich sein Kreuz auf sich nimmt und folgt mir nach, der ist meiner nicht wert. Wer sein Leben findet, der wird’s verlieren; und wer sein Leben verliert um meinetwillen, der wird’s finden.“
Amen.

Lied EG 378, 1.2.5 „Es mag sein, dass alles fällt“

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und von dem Herrn Jesus Christus!
Amen.

Liebe Schwestern und Brüder,
die Tage sind deutlich kürzer geworden. Abends wird es früh dunkel, und wenn man nicht gerade noch etwas zu arbeiten hat, dann ist es wunderbar entspannend, sich einfach vor den Bildschirm zu setzen und einzuschalten. Besonders beliebt sind bei vielen Menschen Serien, ganz egal, ob im Fernsehen oder bei Netflix. Da weiß man immer schon ein wenig, was, bzw. wer einen da erwartet: die Rollenfiguren sind vertraut, fast wie gute Bekannte oder sogar Familienmitglieder. Man kennt auch schon die Rahmenhandlung, hat schon einiges miterlebt, was da an Themen und Konflikten vorkommen kann. Und es ist sogar möglich, im Internet mehrere Folgen hintereinander zu schauen. Welches ist Ihre Lieblingsserie?

Und dann muss ich Folgendes erleben: schon in der ersten Szene tritt der Hauptdarsteller ganz anders auf. Er ist gar nicht mehr so freundlich oder charmant oder medizinisch kompetent oder witzig, sondern er spricht mit den anderen Darstellerinnen und Darstellern auf einmal fordernd, schroff, hart. Ich erkenne ihn nicht mehr wie- der? Hab ich was verpasst? Bin ich beim letzten Mal eingeschlafen und hab das Ende der Folge verpasst? Bin ich aus Versehen in eine neue Staffel hineingeraten? Bin ich im falschen Film gelandet?
So ähnlich, liebe Gemeinde, ist es vielleicht auch Ihnen ergangen, als Sie den heutigen Predigttext gelesen haben. Aber auch diese Worte Jesu sind ja im Neuen Testament überliefert worden. Die biblischen Texte erschließen sich uns nicht immer sofort, es gibt Brüche. Jesus und die anderen Menschen, von denen die Bibel erzählt, haben ganz unterschiedliche Seiten, manches bleibt unverständlich oder sogar ärgerlich. Im Laufe der Überlieferung ist das auch in den Texten nicht geglättet und weichgespült worden.

Und doch spüre ich, wie ich mich mit den heutigen Worten Jesu schwertue. Er hört sich so kriegerisch, so militärisch an; aber er ist doch der Friedensbringer! Und er hat in der Bergpredigt die seliggepriesen, die Frieden stiften! Nur wenige Kapitel vor unserem heutigen Text steht diese berühmte Rede Jesu. Auf der anderen Seite haben wir selbst schon erlebt oder davon gehört, dass Familien, Freundes- und Bekanntenkreise auseinandergebrochen sind. Auch am Arbeitsplatz, in Vereinen, christlichen Gemeinden, aber auch in Parteien, Gesellschaften, auch zwischen Ländern, wie wir es gerade in der EU erleben, kann es äußerst heftige Auseinandersetzungen geben. Da werden auf einmal Vertrauen und langjährige Verbindungen zerstört. In den letzten Monaten war es oft das Thema Corona, das die Menschen gegen- einander aufgebracht hat. Aber es gibt auch viele andere Themen und Fragen, bei denen Menschen zu Feinden werden können: im großen politisch-gesellschaftlichen Bereich bis hin zu den privaten und persönlichen Themen, die uns beschäftigen. Da werden manchmal Eltern und Kinder, Vereins- oder Hausgenossen einander zu Feinden. So, wie Jesus es beschreibt.

Deshalb lassen seine Sätze mich auch nicht los. So, wie ich mir Gedanken mache um Streit oder Spannungen bei Bekannten, im Freundeskreis oder in der Familie, versuche ich zu verstehen.
Wie kommt es, dass Jesus hier so anders erscheint? Warum redet
er so? Hab ich da was verpasst?

Deshalb blättere ich im Matthäusevangelium erst einmal zurück, so, wie ich auch bei meiner Lieblingsserie in der Mediathek oder im Internet noch einmal zurückgehen kann und nachschauen, was da vorher passiert ist. Ja, im fünften Kapitel bei Matthäus, da steht Jesus auf dem Berg und ruft den Menschen zu: „Selig sind, die Frieden stiften, denn sie werden Gottes Kinder heißen!“ Aber gleich die nächsten Sätze lauten: „Selig sind, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn ihrer ist das Himmelreich. Selig seid ihr, wenn euch die Menschen um meinetwillen schmähen und verfolgen und Böses gegen euch reden.“ Auch, als er einige Verse weiter zur Feindesliebe aufruft, steht dann da: „ Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und bittet für die, die euch verfolgen, auf dass ihr Kinder seid eures Vaters im Himmel.“

Von seinen ersten Zuhörerinnen und Zuhörern, damals am Fuß des Berges, ist auch nicht überliefert, dass sie dann frohen Mutes in ihren Alltag zurückgekehrt sind, und alles war für sie klar.

Für die erste Zuhörerschaft waren die Worte der Bergpredigt Jesu, die bei Matthäus in den Kapiteln 5- 7 überliefert sind, keine Frei -zeit- oder Kirchentagserfahrung. Ganz im Gegenteil: am Ende des
7. Kapitels wird beschrieben, dass die Menschen entsetzt waren über die Lehre Jesu. Denn sie war ganz anders, als sie es von den Schrift- gelehrten gewohnt waren. Jesus spricht mit Vollmacht, mit göttlicher Autorität. Sie werden durch seine Worte herausgerissen aus ihren Hör-, Denk- und Glaubensgewohnheiten. Diese Art zu sprechen und auf andere zu wirken, wird sein Markenzeichen, auch bei anderen Begebenheiten, von denen das Matthäusevangelium erzählt.

Es hängt, vermute ich, mit unserem Bild von Jesus zusammen, das uns seit unserer frühen Kindheit vor Augen gestellt wurde: der Liebe und Freundliche, der Versöhner. Aber diese andere Seite und diese anderen, harten Worte gibt es eben auch. Die verdrängen wir lieber! Aus dem Kreis der vielen Menschen, die ihm nachgefolgt sind, hatte Jesus sich gerade 12 Personen ausgesucht, seinen engsten Jüngerkreis, dem er eine besondere Verantwortung und Vollmacht mit auf den Weg gab. Die Jünger sollen wie Jesus selbst das Kommen den Reiches Gottes verkündigen mit dem, was sie sagen und was sie tun.
Er will ihnen klarmachen, dass sie nicht überall mit Zustimmung rechnen können, dass es Widerstände und Auseinandersetzungen geben wird. Die neue Welt Gottes ist nahe, sollen sie den Menschen weitersagen. Für Kompromisse um eines lieben Friedens willen ist da keine Zeit!
Für die Leserinnen und Leser des Matthäusevangeliums war das eine eigene Lebenserfahrung. Als sie sich der neuen Glaubensbewegung anschlossen, wurden sie oft zu Außenseitern in ihrer Familie. Wenn nur sie selbst sich taufen ließen und nicht gleich alle anderen Familienmitglieder dazu, brachten sie Unfrieden. Aber der Zusammenhalt in der Familie war wichtig für die Menschen damals, es gab sonst keine anderen Möglichkeiten der Absicherung und der Fürsorge. Und auch bei uns heute hat die Familie nach wie vor einen ganz hohen Stellenwert. Sich damals in die Nachfolge Jesu zu begeben, war weder familienfreundlich noch friedenbringend. Es konnte sogar bedeuten, das Kreuz auf sich zu nehmen, wie Jesus sagt.

Liebe Geschwister,
nach diesen Verständnishilfen können wir uns den letzten Satz aus dem heutigen Predigttext noch einmal anschauen: „Wer sein Leben findet, der wird’s verlieren und wer sein Leben verliert um meinet- willen, der wird’s finden.“ Es geht nicht nur um Familienstreitigkeiten um Jesu willen. Am Ende geht es um uns selbst. Um die Frage: Worauf kommt es mir an im Leben? Bin ich für mich selbst mein einziges Lebensziel oder bin ich bereit, mich an Jesus zu orientieren, auch, wenn ich mich mit manchen seiner Worte schwertue?
So geht es mir am Ende meiner Beschäftigung mit dem Predigttext für heute wie mit einem Film, bei dem ich eigentlich erst umschalten wollte, ihn aber doch zu Ende geschaut habe. Er regt mich an zum Nachdenken über etwas, womit ich mich sonst wahrscheinlich nicht auseinandergesetzt hätte. Ich bleibe irgendwie dankbar zurück.

Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft zu fassen vermag, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.

Amen.

Lied EG 433 „Wir bringen Frieden für alle“

Fürbitten:
Herr, unser Vater,
wir bitten dich für die Menschen, die sich gerade in einer Sinnkrise befinden, die ihr Lebensziel aus den Augen verloren haben:
Sei du ihnen ein treuer Begleiter in ihrer schweren Zeit.

Stärkender Gott,
wir bitten dich für die, die vor schweren Entscheidungen stehen:
Stehe du ihnen als Ratgeber zur Seite.

Barmherziger Bruder,
wir bitten dich für Familien, in denen das Gespräch abgebrochen ist, wo es schwerfällt, einander zu akzeptieren:
Zeige du ihnen neue Wege aufeinander zu.

Mächtiger Gott,
wir bitten dich für die Menschen, die in Gesellschaft und Politik Verantwortung tragen und die so mit ihrem Tun und Lassen über Krieg und Frieden entscheiden:
Schenke du Weisheit und Besonnenheit.

Allmächtiger Gott,
wir bitten dich für unsere Geschwister, die gefährdet sind,
weil sie an ihrem Glauben an dich festhalten:
Sei du ihnen Schutz und Schild.

Gnädiger Gott,
wir bitten dich für uns, dass wir spüren, wo wir mit unserem Reden mutiger sein müssen und mit unserem Handeln deutlicher, damit wir glaubwürdig von deiner neuen Welt weitersagen und dafür einstehen.

Amen.

Alles, was wir Gott sonst noch sagen möchten, sagen wir mit den Worten des Vaterunsergebetes:
„Vater unser im Himmel,…“

Segen:
Gott segne dich und behüte dich auf all deinen Wegen.
Amen.

Lied EG 171, 1-3 „Herr, wir bitten, komm und segne uns“

 

Gottesdienst am Sonntag, den 10. Oktober 2021 - 19. Sonntag nach Trinitatis

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde,
herzlich willkommen zum Lesegottesdienst für Sonntag, den 10. Oktober 2021. Es ist der 19. Sonntag nach Trinitatis.
Dazu grüße ich Sie/euch mit einem Vers aus dem Johannesevangelium Kapitel 15, Vers 5: „Christus spricht: Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht, denn ohne mich könnt ihr nichts tun."
Amen.

Einen gesegneten Sonntag und eine gute neue Woche wünscht
Pfarrerin Anke Mühlenberg- Knebel

Wir beginnen mit dem Lied „Kommt herbei, singt dem Herrn“ (EG 617, 1-3)

Eingangswort:
Im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Unsere Hilfe steht im Namen des Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat.
Amen.

Gebet:
Herr, wir danken dir, dass wir in deinem Namen versammelt sein dürfen.
Wir denken heute besonders an die 10 jungen Menschen,
die in unserer Gemeinde mit dem Kirchlichen Unterricht begonnen haben.
Nun bitten wir dich um dein gutes Wort und deinen reichen Segen,
wenn wir beten, singen und auf dich hören.
Amen.

Die biblische Lesung und zugleich der Predigttext stehen im Johannesevangelium,
Kapitel 15, Verse 1 bis 5:
„Christus spricht: Ich bin der wahre Weinstock, und mein Vater der Weingärtner. Eine jede Rebe an mir, die keine Frucht bringt, wird er wegnehmen; und eine jede, die Frucht bringt, wird er reinigen, dass sie mehr Frucht bringe. Ihr seid schon rein um des Wortes willen, das ich zu euch geredet habe. Bleibt in mir und ich in euch. Wie die Rebe keine Frucht bringen kann aus sich selbst, wenn sie nicht am Weinstock bleibt, so auch ihr nicht, wenn ihr nicht in mir bleibt.
Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht; denn ohne mich könnt ihr nichts tun."
Amen.

Wir bekennen unseren christlichen Glauben:
Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen,
den Schöpfer des Himmels und der Erde.
Und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn.
Empfangen durch den Heiligen Geist,
geboren von der Jungfrau Maria,
gelitten unter Pontius Pilatus,
gekreuzigt, gestorben und begraben.
Hinabgestiegen in das Reich des Todes;
am dritten Tage auferstanden von den Toten, aufgefahren in den Himmel.
Er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters.
Von dort wird er kommen zu richten die Lebenden und die Toten.
Ich glaube an den Heiligen Geist,
die Heilige christliche Kirche, Gemeinschaft der Heiligen,
Vergebung der Sünden,
Auferstehung der Toten und das ewige Leben.
Amen.

Lied „Ich möcht, dass einer mit mir geht“ (EG 209, 1-4)

Predigt:

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und von dem Herrn Jesus Christus.
Amen.

Liebe Gemeinde,
an einem sonnigen Herbsttag segelte eine junge Spinne durch die milde Luft. Sie landete schließlich in einer Hecke. Zappelnd und tastend ließ sie sich weit hinab und baute sich ein wundervolles Netz, in das sie sich behaglich setzte. Die Zeiten waren gut, es flog ihr viel kleines Getier in die feinen Maschen, und die Spinne wurde davon dick und schwerfällig. Eines Morgens wollte die Spinne ihre Wohnung inspizieren. Sie lief auf den engen Straßen ihrer Netzfäden herum wie eine Seiltänzerin und guckte überallhin, um festzustellen, ob alles in Ordnung sei. Da entdeckte sie einen Faden, der gerade in die Höhe lief und bei dem sie nicht erkennen konnte, wo er eigentlich endete. Sie starrte in die Höhe, aber sie entdeckte kein Ende. Sie schüttelte darüber den Kopf und fand diesen Faden einfach sinnlos. Verärgert biss sie ihn durch- und im nächsten Augenblick klappte das Netz wie ein feuchter Lappen über ihr zusammen und tötete sie. Der Faden, den sie durchgebissen hatte, war der Faden von oben gewesen, an dem sie seinerzeit angesegelt kam.

Heute und am vergangenen Sonntag wurde die neue Konfirmanden- gruppe vorgestellt: 10 Mädchen und Jungen, die in unserer Gemeinde mit dem Konfirmandenunterricht begonnen haben. Mit ihren 13 oder 14 Jahren sind sie keine Kinder mehr, sondern junge Leute auf dem Weg zum Erwachsensein. Sie sind- bildlich gesprochen- wie die Spin- ne dabei, ihr eigenes Netz zu knüpfen und sich einzurichten in ihrer Welt. Sie entscheiden, welchen Schulabschluss sie anstreben, welchen Beruf sie einmal ergreifen wollen. Sie bilden sich über viele Fragen eine eigene Meinung und vertreten sie auch gegenüber den Erwachsenen. Sie vertrauen nicht mehr blindlings jedem Menschen wie Kinder, sondern werden wählerischer und anspruchsvoller in ihren Freundschaften. All das: Schullaufbahn, Berufswahl, Freundschaften und Beziehungen, Interessen und Standpunkte sind die Fäden, aus denen das Netz ihres Lebens geknüpft ist. Wir hoffen für sie, dass es ein gutes Netz wird, ein Stück Heimat, das sie trägt und in dem sie sich geborgen fühlen.

Die Spinne in der kleinen Geschichte fühlt sich jedenfalls sehr wohl in ihrem Netz und damit das so bleibt, macht sie sich eines Tages auf und untersucht ihr Zuhause sehr gründlich. Sie betrachtet ihre Lebensgrundlage in allen Einzelheiten und schaut nach, ob alles in Ordnung ist, ob das Fundament Bestand hat oder ob sie künftig etwas ändern muss. Das ist ein sehr guter Einfall der Spinne, und wir Menschen tun gut daran, es auch so zu machen.

Es ist lebenswichtig, dass wir uns von Zeit zu Zeit hinsetzen und Bilanz ziehen; uns Rechenschaft ablegen über unser Leben. Was ist mir gelungen? Was habe ich versäumt? Was möchte ich gerne anders machen? Das sind Fragen, die zu stellen und zu beantworten sich lohnt. Und die meisten von uns haben auch solche Haltepunkte in ihrem Leben, wo Bilanz gezogen wird. Für die einen ist das der Jahreswechsel oder der Geburtstag, von dem aus man mit guten Vorsätzen ins neue Jahr geht. Für andere ist es der Sonntagsgottesdienst, in dem man zur Besinnung kommt über die vergangene Woche und Kraft schöpft für die kommende Zeit. Für wieder andere sind es Lebenseinschnitte wie die Geburt der Kinder, die Einschulung oder ein besonderes Jubiläum, eine überstandene schwere Erkrankung oder der Eintritt in den Ruhestand, wo man über sein Leben nachdenkt.

Bei ihrer Lebensbilanz macht die Spinne in unserer Geschichte allerdings eine merkwürdige Entdeckung. Da ist ein Faden, der über ihr Netz hinausgeht, sie kann gar nicht erkennen, wo er eigentlich hinführt. Er scheint überhaupt nicht zu ihrem Netz dazuzugehören, ein überflüssiges und störendes Anhängsel. Kurz entschlossen beißt sie den Faden durch- und im nächsten Augenblick klappt das Netz über ihr zusammen! Denn der scheinbar sinnlose Faden war in Wirklichkeit der Faden, in dem das ganze Netz seinen Ursprung und seinen Halt hatte.

Der Spinne ist also bei ihrer Lebensbilanz ein folgenschwerer Irrtum unterlaufen: was sie für unnützen Ballast hielt, war in Wirklichkeit das Fundament ihres Lebens. Wie konnte das passieren? Ich denke, sie hat etwas sehr Wichtiges vergessen, als sie ihre kleine Welt überprüfte. Sie hat vergessen zu fragen: woher komme ich eigentlich? Wem verdanke ich mein Dasein? Wer oder was hält die Linien meines Lebens zusammen? Denn, wenn sie so gefragt hätte, hätte sie ganz von selbst erkannt, dass die scheinbar überflüssige Verbindung nach oben in Wirklichkeit der Dreh- und Angelpunkt ihres Lebens ist. So aber zerstört sie sich ihre Lebensgrundlage.

Ein trauriges Ende für eine Geschichte, denken Sie jetzt vielleicht. Ich meine dagegen: wir können uns freuen, denn wo diese Geschichte aufhört, fängt unser Leben erst an. Wir können es nämlich besser machen als die Spinne. Wir können fragen: woher kommt mein Leben und wer hält es? Zu allen Zeiten haben Menschen so gefragt, und jede Zeit, jede Religion, jede Weltanschauung hat versucht, darauf zu antworten. Als Christen sagen wir: Gottes Liebe ist der Faden von oben, der unser Lebensnetz hält. Gottes Liebe ist es, der wir unser Leben verdanken und die unser Leben trägt bis auf den heutigen Tag. In Jesus Christus hat er uns einen guten Begleiter an die Seite gestellt; so, wie wir es gerade gesungen haben:“ Ich möcht, dass einer mit mir geht, der´s Leben kennt, der mich versteht, der mich zu allen Zeiten kann geleiten.“ Mit ihm und untereinander sind wir zu einer engen Gemeinschaft verbunden. Jesus hat diese Verbindung einmal mit folgenden Worten ausgedrückt: Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht, denn ohne mich könnt ihr nichts tun. Ohne den Geist Jesu würden wir vertrocknen wie Trauben, die vom Weinstock abgerissen sind. Ohne Gottes Liebe fiele das Netz unseres Lebens zusammen wie ein nasser Lappen. Deshalb: Lasst uns diese Liebe nie vergessen! Wir dürfen auf sie vertrauen. Sie ist der Lebensfaden, der uns hält. Amen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft zu fassen vermag, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.
Amen.

Lied „Ins Wasser fällt ein Stein“ (EG 648, 1-3)

Fürbitten:
Herr, heute beten wir für unsere Gemeinde, dass junge und alte Menschen einen Platz in ihr haben, dass wir aufeinander hören und miteinander reden und für die da sind, die uns brauchen.

Wie wird es weitergehen mit unserer Welt? Mit den Gesunden und den Kranken, mit dem Frieden unter Menschen und Völkern, mit deiner evangelischen Kirchengemeinde bei uns und deinen christlichen Kirchen weltweit?

Herr, höre unsere Fragen und Sorgen!
Wir vergessen dich oft, aber du bleibst uns nahe.
Gut zu wissen, dass du immer zu uns hältst.
Lass uns Vertrauen haben zu dir.

Amen.

Alles, was wir Gott sonst noch sagen möchten, sagen wir mit den Worten des Vaterunsergebetes:
Vater unser im Himmel,…

Segen:
Der Herr segne dich und behüte dich.
Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig.
Der Herr erhebe sein Angesicht auf dich und schenke dir Frieden.
Amen.

 

Gottesdienst am Sonntag, den 03. Oktober 2021 - Erntedank

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde
herzlich willkommen zum Lesegottesdienst für den kommenden Sonntag, den 3. Oktober 2021. Wir feiern das Erntedankfest, wir danken Gott, dass wir alles haben, was wir zum Leben brauchen. Und das ist ja noch viel mehr als Essen und Trinken! Das Erntedankfest erinnert uns zugleich daran, mit denen zu teilen, denen es nicht so gut geht wie uns. Deshalb: lasst uns dankbar sein und großzügig teilen, „denn einen fröhlichen Geber hat Gott lieb.“ (2. Kor 9, 7).

Ein gesegnetes Erntedankfest und eine gute neue Woche wünscht
Pfarrerin Anke Mühlenberg- Knebel.

Am Anfang steht das Lied „Morgenlicht leuchtet“ (EG 455, 1-3).

Im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Amen.

Als Eingangspsalm sprechen wir Worte aus Psalm 145:
Aller Augen warten auf dich, Herr,
und du gibst ihnen Speise zur rechten Zeit.
Du tust deine Hand auf und sättigst alles,
was lebt, nach deinem Wohlgefallen.
Der Herr ist nahe allen, die ihn anrufen.
Er tut, was die Gottesfürchtigen begehren
und hört ihr Schreien und hilft ihnen.
Amen.

Gebet:
Himmlischer Gott,
du hast die ganze Welt geschaffen,
Himmel und Erde, Wasser und Land.
Du machst die Erde fruchtbar,
lässt sie erblühen und Frucht bringen zur Zeit der Ernte.
Öffne unsere Herzen, dass wir die Erde als deine Gabe erkennen,
die du uns anvertraut hast, damit wir sie bewahren.
Lass uns teilen, was die Erde hervorbringt,
damit alle Welt daran teilhat.
Dies bitten wir im Namen deines Sohnes Jesus Christus,
der mit dir und dem Heiligen Geist lebt und Leben schafft in Ewigkeit.
Amen.

Als Lesungs- und zugleich als Predigttext haben wir heute einen Abschnitt aus dem 2. Korintherbrief des Apostels Paulus, Kapitel 9, Verse 6- 15:
„Wer da kärglich sät, der wird auch kärglich ernten; und wer da sät im Segen, der wird auch ernten im Segen. Ein jeder, wie er`s sich im Herzen vorgenommen hat, nicht mit Unwillen oder aus Zwang; denn einen fröhlichen Geber hat Gott lieb. Gott aber kann machen, dass alle Gnade unter euch reichlich sei, damit ihr in allen Dingen allezeit volle Genüge habt und noch reich seid zu jedem guten Werk; wie geschrieben steht (Psalm 112,9): „Er hat ausgestreut und den Armen gegeben; seine Gerechtigkeit bleibt in Ewigkeit.“ Der aber Samen gibt dem Sämann und Brot zur Speise, der wird auch euch Samen geben und ihn mehren und wachsen lassen die Früchte eurer Gerechtigkeit. So werdet ihr reich sein in allen Dingen, zu geben in aller Einfalt, die durch uns wirkt Danksagung an Gott. Denn der Dienst dieser Sammlung hilft nicht allein dem Mangel der Heiligen ab, sondern wirkt auch überschwänglich darin, dass viele Gott danken. Denn für diesen treuen Dienst preisen sie Gott über eurem Gehorsam im Bekenntnis zum Evangelium Christi und über der Einfalt eurer Gemeinschaft mit ihnen und allen. Und in ihrem Gebet für euch sehnen sie sich nach euch wegen der überschwänglichen Gnade Gottes bei euch. Gott aber sei Dank für seine unaussprechliche Gabe!“
Amen.

Lied „Wir pflügen und wir streuen“ (EG 508,1.2)

Predigt:

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater und von dem Herrn Jesus Christus!

Liebe Geschwister,
zuerst möchte ich heute am Erntedankfest einmal Danke! sagen. Danke, Herr, dass wir alles haben, was wir zum Leben brauchen und noch mehr, als wir brauchen. Danke auch, dass du uns dieses Leben geschenkt hast, Herr. Danke, dass du uns bisher begleitest und bewahrt hast, auch in den zurückliegenden schweren Zeiten.

Das Danken kann man nicht befehlen. Es stellt sich selbst ein, wenn wir erkennen, dass es auch ganz anders sein könnte, dass nichts selbstverständlich ist. Dankbarkeit kann man nicht anordnen, aber die Haltung, die man dafür braucht, die kann man einüben. Dass man das sehen kann, das kann man einüben.

Ich fange mal bei mir selbst an. Da ist der Traktor vor mir auf der Straße, versuche, ihn zu überholen, weil ich es eilig habe, aber ich komme einfach nicht vorbei, zuviel Gegenverkehr.

Dann ärgere ich mich beim Einkaufen darüber, dass gerade meine Lieblingssorte Äpfel nicht zu bekommen sind. Und die Milch, die ich sonst immer bekomme, war die neulich nicht deutlich preiswerter? Und dann ärgere ich mich noch über die Mitarbeiterin, die mich an der Kasse genervt anschaut, weil ich die Waren nicht schnell genug auf das Laufband lege. Warum lächelt sie nicht freundlich und geduldig, schließlich wird sie dafür doch bezahlt?

Und jetzt setze ich einmal die Dankes-Brille auf und versuche, anders zu sehen:

Danke, du Landwirt vor mir auf der Straße. Du stehst jeden Tag früh auf und gehst spät ins Bett, verbringst deinen ganzen Tag auf dem Acker und auf dem Feld, damit ich Brot zu essen habe. Oder du schuftest im Stall, damit ich Fleisch essen kann, obwohl du immer wieder um deine Existenz bangen musst und nicht weißt, wie lange du deinen Betrieb noch weiterführen kannst.

Danke, Mitarbeiterin im Supermarkt, dass du dort arbeitest, die Regale immer wieder auffüllst mit dem, was ich dort kaufen möchte und wofür du viel zu schlecht bezahlt wirst. Danke, Kassiererin, dass du Stunde um Stunde an der Kasse sitzt, dich mit unfreundlichen Kunden auseinandersetzen musst und dabei in der Corona-Krise besonderer Gefahr ausgesetzt gewesen bist.

Liebe Geschwister, macht mal mit. Schaut einmal das an, was euch stört, was euch ärgert, auf das, worüber ihr euch heute schon geärgert habt oder immer wieder aufregt.

Die Politiker und Politikerinnen, die auf dich den Eindruck machen, dass es ihnen vor allem um Machterwerb und Machterhalt geht und die sich nicht um das kümmern, was die Menschen in ihrem Land bewegt.

Die anderen, die immer alles besser wissen und dir vorschreiben wollen, was du tun sollst.

Die Lehrerinnen und Lehrer, die von dir im neuen Schuljahr volle Leistung verlangen und sich nicht dafür interessieren, wie schlecht du eigentlich durch die Zeit des homeschoolings gekommen bist.

Die Unfreundlichkeit, mit der dir andere begegnen und du weißt nicht, wieso man dich so behandelt.

Die fehlende Wertschätzung für das, was du Tag für Tag in deinem Beruf, in der Familie oder bei deinem ehrenamtlichen Engagement leistest.

Und ganz bestimmt vieles mehr.

Und nun, tu das alles einmal zur Seite, auch wenn dein Ärger und deine Frustration groß sind.

Und schau einmal hier nach vorne zum Altar. Die vielen Gaben, die hier versammelt sind. Ein Ausschnitt von dem, was ist und was auch nicht sein könnte. Symbol für so vieles, für das du danken könntest: Danke. Symbol für ein reiches Leben, das dir geschenkt ist- in, mit und durch alle Arbeit und alle Anstrengung hindurch, die du selbst hineingesteckt hast.

„Es geht durch unsere Hände, kommt aber her von Gott“, so haben wir es gerade in dem bekannten Erntedanklied „Wir pflügen und wir streuen“ gehört.
Zum Danken, zum Erntedankfest gehört dazu, auch an jede zu denken, die nicht so viel haben wie wir. An jene, für die das tägliche Brot keine Selbstverständlichkeit ist, sondern die morgens mit Sorgen aufstehen und die abends mit Hunger ins Bett gehen. An alle, die nicht wissen, ob sie den Tag überleben werden. Menschen in unserer Nähe oder Menschen, die weit weg von uns leben.

Sie sind Menschen wie wir. Sie brauchen unsere Gedanken, unsere Gebete, sie brauchen unser Mitgefühl. Sie brauchen vor allem: Ihr täglich Brot. Deshalb ist es gut, wenn wir in der nächsten Woche die Erntegaben hier auf dem Altar zur Tafel bringen, wo es an Bedürftige abgegeben werden kann. Deshalb ist auch das Einsammeln der Kollekte in jedem Gottesdienst (zurzeit nur am Ausgang) ein wichtiger Bestandteil, denn dadurch wird unser Glaube praktisch und konkret. Hier wird real, was wir im Glaubensbekenntnis aussprechen: die Gemeinschaft der Heiligen, die wir Christinnen und Christen sind oder besser gesagt: sein sollen. Darum geht es auch dem Apostel Paulus, der den heutigen Bibeltext verfasst hat. Er innert die Menschen in Korinth daran, weil er sie für die Kollekte begeistern möchte, die er an vielen Orten rund ums Mittelmeer für die Christen in Jerusalem einsammeln möchte, die in Not geraten sind.

Christinnen und Christen bilden weltweit eine Gemeinschaft, die solidarisch ist und für die das Miteinander-Teilen und Abgeben elementar ist. Und dabei machen wir oft die erstaunliche Erfahrung, dass das Abgeben uns genauso froh macht oder sogar noch mehr wie das Bekommen. Diese Gemeinschaft, diese gegenseitige Verbundenheit, diese Dankbarkeit, die strahlt aus, in unsere Herzen und in unser Leben, in unsere Kirchen, in unsere Welt.
Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft zu fassen vermag, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.
Amen.

Lied „Danke“ (EG 334, 1-4)

Wir beten:

Wir haben viele Gründe, dir zu danken, du großzügiger Gott.
Danke für die Schönheit der Erde und die Weite des Meeres, für Berge und Hügel, Flüsse und Bäche, für die Vielfalt der Tiere, die Vögel des Himmels und die Fische im Meer.

Wir danken dir für Sonne und Regen, für das Wachsen der Saat und das Reifen der Früchte, für die Blumen auf dem Feld und den Schatten der Bäume.
Du beschenkst uns reichlich und füllst unsere Hände mit Gaben, damit wir uns freuen, damit wir in Fülle leben und mit anderen Menschen teilen.

Wir bitten dich, dass du uns die Augen öffnest, damit wir hinter dem Reichtum der Gaben dich erkennen als den Schöpfer und Erhalter allen Lebens.

Wir bitten dich, dass du unsere Herzen öffnest, damit wir die Not sehen, die es in der Welt gibt, damit wir unsere Hände öffnen und von dem abgeben, was du uns schenkst.
Amen.

Alles, was wir Gott sonst noch sagen möchten, sagen wir mit den Worten des Vaterunsergebetes: Vater unser im Himmel,…

Segen:
Der Herr segne dich und behüte dich, der Herr lasse leuchten sein Angesicht über dir und sei dir gnädig, der Herr erhebe sein Angesicht auf dich und schenke dir Frieden.
Amen.

Lied „Laudate omnes gentes“ (EG 181.6)

 

Gottesdienst am Sonntag, den 26. September 2021 - 17. Sonntag nach Trinitatis

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde!
Herzlich willkommen zum Lesegottesdienst für Sonntag, den 26. September 2021. Es ist der Tag der Bundestagswahlen, ein wichtiger Tag für uns alle. Der Bundestagswahlkampf hat in den letzten Monaten das öffentliche Leben, die Berichterstattung in den Medien und manchmal auch unsere privaten Gespräche geprägt. Die meisten von uns sind gespannt, wer am Ende als Sieger, als Siegerin daraus her- vorgehen wird. Da tut es gut, wenn wir uns durch den Wochenspruch für die neue Woche daran erinnern lassen, dass der wichtigste Sieg durch Jesus Christus ja schon längst errungen ist. „Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat.“ (1. Johannesbrief, Kapitel 5, Vers 4). Was für ein Glück!
Einen gesegneten Sonntag wünscht Pfarrerin Anke Mühlenberg- Knebel.

Am Anfang steht das Lied „Kommt herbei, singt dem Herrn“ (EG 617, 1-3).

Im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Amen.

Wir lesen als Eingangspsalm Worte aus Psalm 73 (Verse 23- 28) in der ökumenischen Einheitsübersetzung:
„Ich aber bleibe immer bei dir, du hältst mich an meiner Rechten. Du leitest mich nach deinem Ratschluss und nimmst mich am Ende auf in Herrlichkeit. Was habe ich im Himmel außer dir! Neben dir erfreut mich nichts auf der Erde. Auch wenn mein Leib und meine Seele verschmachten, Gott ist der Fels meines Herzens und mein Anteil auf ewig. Ja, wer dir fern ist, geht zugrunde; du vernichtest alle, die dich treulos verlassen. Ich aber- Gott nahe zu sein ist mein Glück. Ich setze auf Gott, den Herrn, mein Vertrauen. Ich will all deine Taten verkünden."
Amen.

Gebet:
Himmlischer Vater, du bist in Jesus Christus unser Bruder geworden.
Mache unseren Glauben stark.
Lass uns mutig und begeistert auch anderen Menschen davon erzählen, was wir glauben und hoffen.
Damit wir erkennbar werden als deine Kinder, Geschwister Christi.
Das bitten wir im Heiligen Geist.
Amen.

Die biblische Lesung für den heutigen Sonntag steht im 10. Kapitel des Römerbriefes, Verse 9-15a.17: „Denn wenn du mit deinem Munde bekennst, dass Jesus der Herr ist und in deinem Herzen glaubst, dass Gott ihn von den Toten auferweckt hat, so wirst du gerettet. Denn wenn man von Herzen glaubt, so wird man gerecht; und wenn man mit dem Munde bekennt, so wird man gerettet. Denn die Schrift spricht (Jesaja 28, 16):“Wer an ihn glaubt, wird nicht zuschanden werden.“ Es ist hier kein Unterschied zwischen Juden und Griechen; es ist über alle derselbe Herr, reich für alle, die ihn anrufen. Denn „wer den Namen des Herrn anrufen wird, soll gerettet werden“ (Joel 3, 5). Wie sollen sie aber den anrufen, an den sie nicht glauben? Wie sollen sie aber an den glauben, von dem sie nichts gehört haben? Wie sollen sie aber hören ohne Prediger? Wie sollen sie aber predigen, wenn sie nicht gesandt werden? So kommt der Glaube aus der Predigt, das Predigen aber durch das Wort Christi."
Amen.

Lied „Such, wer da will“ EG 346, 1-3

Predigt:

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater und von dem Herrn Jesus Christus.
Amen.

Liebe Schwestern und Brüder,
sind Sie glücklich? Wenn ja- warum? Oder warum nicht? Was fehlt Ihnen zum Glück? Was ist eigentlich Glück für Sie? Gesundheit? Das wird für viele jetzt im Vordergrund stehen. Erfolg? Die Personen und Parteien, die bei der heutigen Bundestagswahl kandidieren, würden bestimmt den Wahlsieg, den Erfolg nennen. Geld? Gute Beziehungen? Oder einfach einmal Ruhe zu haben? Was bedeutet für Sie Glück?
Glück ist in den letzten Jahren- vor Corona- bei uns ein Modethema geworden. Und selbst jetzt kommt es vor. Da haben wir es als Glück bezeichnet, wenn wir einen Impftermin ergattern konnten. Oder wenn der Coronatest negativ ausfiel. Oder dass wir uns doch wieder mit anderen Menschen treffen durften, sogar feiern. Dass die Schulen wieder zum Regelbetrieb übergehen konnten. So ein Glück! Früher hießen die Leitwörter anders: Pflicht, Ehre, Zucht, Leistung. Aber nach und nach hat sich „Glück“ in den Vordergrund geschoben.
Das Glück hat offenbar schon die Menschen der Bibel vor 2000 bis 3000 Jahren bewegt. So auch den Beter von Psalm 73, den wir als Eingangspsalm gelesen haben. „Gott nahe zu sein ist mein Glück“, formuliert er.

3 Beobachtungen über das Glück sind mir im Hinblick auf Psalm 73 wichtig geworden.

1.Glück ist kein Zustand, sondern eine Beziehung.
Der Psalmbeter stellt nicht fest, dass er das Glück hat und dass nun alles gut ist. Glück habe ich niemals in der Tasche. Glück ist kein Zustand.
Glück ist ein Beziehungswort. Gott nahe zu sein ist mein Glück. Es ist wie bei zwei Menschen, die sich lieben. Es ist ein fundamentaler Unterschied, ob der geliebte Mensch irgendwo weit weg und unerreichbar ist, oder ob er im Nebenzimmer sitzt und ein Buch liest. Auch, wenn ich im Augenblick gar nicht mit ihm kommuniziere- er ist doch ganz nahe und schon das ist Glück. Genauso ist es mit Gott. Ihn in der Nähe zu wissen, ist wirkliches Glück. Das ganze Leben erhält dadurch eine andere Färbung. Gott nahe zu sein ist mein Glück. Und das Beste ist daran, dass dieses Glück nicht einmal von meiner augenblicklichen Entfernung zu Gott abhängt. Der Kern unseres christlichen Glaubens ist ja, dass Gott sich zu uns auf den Weg gemacht hat. Er ist Mensch geworden, er kam in unsere Dunkelheiten. Er hat die Distanz überwunden und ist uns nahegekommen. Das Glück der Nähe Gottes ist also nicht davon abhängig, wie stark mein Glaube gerade ist.
Unser heutiger Lesungstext aus dem Römerbrief, Kapitel 10, verwendet statt des Wortes Glück die Wörter Heil und Rettung.
Der Apostel Paulus weist im Römerbrief darauf hin: wir sind schon gerettet, das Heil ist ja schon in der Welt. Was für ein Geschenk von Gott. Sogar, wenn Zweifel und Fragen da sind, ist Gott mir nahe. Sogar, wenn ich mich von ihm entferne. Ja, das ist Glück. Ein Glück, das ewig gilt. Denn die Nähe Gottes greift über die Spanne unseres Lebens hinaus. Sie gilt uns im Leben und im Sterben.

2. Dieses Glück der Nähe Gottes ist nicht zu verwechseln mit einem bequemen und leichten Leben. In dieser Beziehung gibt es keine Glücksgarantie, in keiner Beziehung gibt es das. Der Beter von Psalm 73, ein Mensch, den wir als fromm bezeichnen würden, der erlebt viel Dunkelheit, Anfechtung, Ärger. Es geht ihm- von außen betrachtet- nicht gut. Auch fromme Menschen haben schwierige Lebensumstände, auch sie erleiden Schicksalsschläge. Auch ihr Leben wird immer wieder durchgerüttelt. Glück ist nicht gleich Sorgenfreiheit, heile Welt, Wohlstand, Gesundheit. Glück ist, wenn ich auch dann noch voller Zuversicht bin, wenn mein Leben schwer wird.

3. Für den Beter von Psalm 73 gibt es eine entscheidende Schalt- stelle. Zunächst ist er tief gekränkt und verbittert, weil für ihn alles verkehrt läuft. Die Wende tritt ein, als er nachdenkt und das, was er erlebt hat, genau reflektiert. “Dann sann ich nach, um das zu begreifen“, steht in seinem Text einige Zeilen vor unserem Abschnitt. Und durch dieses Nachdenken wird der Schalter umgelegt. Ganz am Ende dieses Nachdenkens stehen bewegende Worte: Und ich lese sie jetzt noch einmal – diesmal in der vertrauteren Übersetzung von Martin Luther: “Dennoch bleibe ich stets an dir, denn du hältst mich bei meiner rechten Hand. Du leitest mich nach deinem Rat und nimmst mich am Ende in Ehren an. Wenn ich nur dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde. Wenn mir gleich Leib und Seele verschmachten, so bist du doch, Gott, allezeit meines Herzens Trost
und mein Teil…Das ist meine Freude, dass ich mich zu Gott halte und meine Zuversicht setze auf Gott den Herrn…“

Liebe Geschwister!
Gott nahe zu sein ist mein Glück. Zu dieser wunderbaren Einsicht kommt der Beter, indem er nachdenkt und hinter die Fassaden dessen schaut, was sich als erster Eindruck aufdrängt. Diese Arbeit steht allen bevor, die dem Glück auf der Spur sind. Es fällt nicht vom Himmel, es ist schon da. Aber wir müssen es entdecken. Das ist
manchmal schwere Arbeit, weil wir von Natur aus dazu neigen, eher das Negative in unserem Leben zu sehen. Wir suchen Argumente, die belegen, dass wir eigentlich unglücklich sein müssten. Die Kunst des Glücks besteht nun darin, diesen Mechanismus zu unterbrechen. Insofern ist jeder seines Glückes Schmied. Denn ich entscheide, wie ich mein Leben und Erleben deute und bewerte. Ob ich mich von trüben Gedanken nach unten ziehen lasse oder ob ich das sehen will, was in meinem Leben schön ist und was gelingt. Jemand erzählte mir, dass er sich immer dann, wenn dunkle Gedanken nach ihm greifen, hinsetzt und aufschreibt, was in seinem Leben alles auf der Haben-Seite steht. Und diese Liste füllt sich schnell, und sie wirkt wie eine Programmierung. Ich bin nicht mehr fixiert auf das, was mich nach unten zieht, sondern ich richte mich auf an dem, was gut ist. Nicht die Defizite bestimmen meine Gedankengänge, sondern die Ressourcen, die Schätze, das Erhebende.

Und ganz oben auf die Glücksliste gehört, dass ich wissen darf, dass Gott mir nahe ist- in der Freude und im Leid.

-an geruhsamen Tagen und genauso, wenn Stress und Hektik mich auffressen.

-wenn ich vor Kraft Bäume ausreißen könnte und auch, wenn ich kleinlaut am Boden liege.

-wenn ich gesund und munter bin, und genauso, wenn ich Krankheit und Leid ertragen muss.

Gott nahe zu sein ist mein Glück.
Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft zu fassen vermag, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.
Amen.

Lied „Vertraut den neuen Wegen“ (EG 395, 1-3)

Fürbitten:
Herr, dir nahe zu sein ist unser Glück.
Wir bitten dich für unsere Kirchen und die Gemeinden:
Mach sie sprachfähig und wortgewandt, wenn es darum geht, deine gute Botschaft weiterzusagen.

Wir bitten dich für alle, die öffentlich reden in den Medien und den Parlamenten:
Lass sie ehrliche und einfühlsame Worte finden und lass sie auch tun, was sie sagen.

Wir bitten dich für die Menschen, die in der Seelsorge tätig sind: Gib ihnen Worte, die trösten und Glauben wecken und einen Weg weisen durch das Leben und durch den Tod.

Wir bitten dich für die Lehrerinnen und Lehrer:
Stärke sie, dass ihre Worte die Kinder und Jugendlichen erreichen, die ihnen anvertraut sind, und die sie klug und selbstbewusst machen.

Wir bitten dich für uns selbst und unsere Nächsten:
Nimm dich unserer Sorgen, Zweifel und Hoffnungen an und mach uns gewiss, dass du uns nicht verlässt.
Denn dir nahe zu sein ist unser Glück.
Amen.

Alles, was wir Gott sonst noch sagen möchten, sagen wir mit den Worten des Vaterunsergebetes: Vater unser im Himmel,…

Segen:
Gott segne dich und behüte dich auf all deinen Wegen.
Amen.

Lied „Erd und Himmel sollen singen“ (EG 499, 1-3)

 

Gottesdienst am Sonntag, den 19. September 2021 - 16. Sonntag nach Trinitatis

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde,
herzlich willkommen zum Lesegottesdienst für Sonntag, den 19. September Es ist der 16. Sonntag nach Trinitatis. Der Wochenspruch aus dem 2. Timotheusbrief, Kapitel 1, Vers 10b wird uns in die neue Woche begleiten: „Christus Jesus hat dem Tode die Macht genommen und das Leben und ein unvergängliches Wesen ans Licht gebracht durch das Evangelium."
Amen.
Einen gesegneten Sonntag wünscht Pfarrerin Anke Mühlenberg- Knebel.

Wir beginnen mit dem Lied EG 440, 1-4 „All Morgen ist ganz frisch und neu“

Im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Amen.

Gebet:

Herr, da sind wir!
Du kennst uns besser als wir uns selbst kennen.
Du weißt, was uns freut und was uns Angst macht.
Du weißt, welche Wünsche, Sehnsüchte und Sorgen wir haben.
Bei dir ist alles gut aufgehoben.
Wir bitten: lass uns spüren, dass du jetzt nah bei uns bist.
Erbarm dich über uns.
Amen.

Als Lesung und als Predigttext hören wir einen Abschnitt aus den Klageliedern des Jeremia,
Kapitel 3, Verse 22-26. 31- 32:
„Die Güte des Herrn ist`s, dass wir nicht gar aus sind, seine Barmherzigkeit hat noch kein Ende, sondern sie ist alle Morgen neu, und deine Treue ist groß. Der Herr ist mein Teil, spricht meine Seele; darum will ich auf ihn hoffen. Denn der Herr ist freundlich dem, der auf ihn harrt und dem Menschen, der nach ihm fragt. Es ist ein köstlich Ding, geduldig sein und auf die Hilfe des Herrn hoffen. Denn der Herr verstößt nicht ewig; sondern er betrübt wohl und erbarmt sich wieder nach seiner großen Güte."
Amen.

Glaubensbekenntnis:
Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen,
den Schöpfer des Himmels und der Erde.
Und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn.
Empfangen durch den Heiligen Geist,
geboren von der Jungfrau Maria,
gelitten unter Pontius Pilatus,
gekreuzigt, gestorben und begraben.
Hinabgestiegen in das Reich des Todes;
am dritten Tage auferstanden von den Toten, aufgefahren in den Himmel.
Er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters.
Von dort wird er kommen zu richten die Lebenden und die Toten.
Ich glaube an den Heiligen Geist,
die Heilige christliche Kirche, Gemeinschaft der Heiligen,
Vergebung der Sünden,
Auferstehung der Toten und das ewige Leben.
Amen.

Lied EG 434 „Shalom Chaverim“

Predigt:

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und von dem Herrn Jesus Christus!
Amen.

Liebe Geschwister,
„ich darf nicht klagen“ oder „ich kann nicht klagen“, so antworten manche Menschen, wenn man sie fragt, wie es ihnen geht. Auf Trauerkarten und in Todesanzeigen fällt mir immer wieder auf, dass von „stiller Trauer“ die Rede ist. Und wenn man an einer Trauerfeier teilnimmt, ist man ja auch fast etwas erleichtert, wenn die Angehörigen sich zusammenreißen, eben nicht laut weinen, schreien oder anders ihren Gefühlen freien Lauf lassen. In anderen Kulturen, z.B. in mehr südlich oder östlich geprägten Ländern, gehen die Menschen mit der Klage anders um, sie hat ihre Berechtigung und ihren Platz. Auch in der Zeit der Bibel waren Klagen laut und gehörten dazu. Wir alle erleben Schmerz in unserem Leben. Und doch fällt es uns schwer, darüber zu sprechen. Wir erlauben uns nicht, ihm eine Stimme zu geben. Es kommt sogar vor, dass Menschen ihren Schmerz und ihre Trauer vollkommen verdrängen, bis es ihnen ganz aus dem Gedächtnis verschwunden ist. Manchmal kommt alles viel später in ihrem Leben wieder hoch, Erfahrungen aus der Kindheit etwa, die ihnen als Erwachsene oder im Alter erst wieder bewusstwerden und ihnen zu schaffen machen. Manchmal werden sie darüber krank, weil sie schlimme Lebenssituationen nicht bewältigen konnten, sondern sie übergangen haben. Uns fällt es wahrscheinlich überhaupt schwer, unsere Gefühle auszudrücken, ganz besonders die negativen. Klagen kennen wir bei uns nur als juristischen Begriff, nicht als Ausdruckmöglichkeit. Dabei tut es so gut, wenn wir uns einmal alles von der Seele weinen, schreien, klagen können, was uns belastet. Wie ein noch kleines Kind, das sich nicht verstellt, sondern direkt ausdrückt, was es gerade empfindet. Das haben wir verlernt. Stattdessen haben wir Sätze wie: „Ein Junge weint nicht!“ „Jetzt reiß dich mal zusammen!“ „Muss denn jeder mitkriegen, was in dir vorgeht?“, verinnerlicht und orientieren uns daran. Die Klagelieder des Jeremia und die Klagepsalmen des AT, die geben dem menschlichen Schmerz eine Stimme. Und das tut gut.

Ohne Klagelieder wären auch unsere Liebeslieder ganz oberflächlich. Schmerz und Trauer sind tiefempfundene und wichtige Gefühle, sie können uns ganz genau so ergreifen wie die Liebe. Es kommt aber auch vor, dass jemand nur so tut als ob, vorspielt, als wäre er von etwas tief betroffen. Unsere Gesellschaft erwartet angemessene Verhaltensweisen und dazu gehört auch, in bestimmten Situationen bestimmte Gefühle zu zeigen. Als vor wenigen Wochen sich die Hochwasserkatastrophe an der Ahr und der Erft ereignete, eilten sofort die Politiker und Politikerinnen hin und zeigten demonstrativ Betroffenheit und Anteilnahme. Es gab entsprechende Reden, Besuche bei Menschen, die besonders zu leiden hatten unter dem, was geschehen war. Die ihre ganze Existenz verloren hatten und am schlimmsten: geliebte Menschen verloren hatten. Natürlich lief die Kamera immer mit, wurden die Bilder, Aufnahmen und Reden öffentlichkeitswirksam gezeigt. Ob das immer echte Gefühle sind, das kann man bezweifeln. Besonders in Wahlkampfzeiten.

Aber das betrifft auch nicht nur die Menschen, die in der Politik tätig sind. Ich denke, wir alle lernen im Laufe unseres Erwachsen -werdens, dass es bestimmte Erwartungen gibt, die man an uns richtet und die wir erfüllen sollen. Z.B., dass man sich für ein Geschenk freudig bedankt, auch wenn es einem gar nicht gefällt, etwas aufzuessen, auch wenn es einem nicht wirklich schmeckt, Anteilnahme zu zeigen, auch wenn man gar nicht wirklich mit anderen mittrauert, mitleidet. Da mag es vorkommen, dass wir uns angewöhnt haben, Gefühle zu zeigen, die gar nicht aus der Tiefe unseres Herzens stammen. Wir erlernen sie nur, um den Erwartungen zu entsprechen.

„Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“, dieses Gebot nennt Jesus das höchste und wichtigste. Sich für den Mitmenschen einzusetzen, das ist für uns als Christinnen und Christen selbstverständlich. Nur die andere Hälfte des Wortes Jesu, auch uns selbst zu lieben, das müssen wir noch üben. Wir achten gar nicht darauf, dass es auch uns gut gehen soll. Bedürfnisse werden verdrängt, Empfindungen nicht mehr richtig wahrgenommen. Es dringt nichts mehr wirklich zu uns durch, auch nicht die echten, wahren Gefühle. Weder Schmerz noch Trauer noch Liebe. Ja, auch die Liebe kann zu einer angelernten Pose werden, die nicht im eigenen Herzen ihren Ursprung hat.

Liebe Geschwister,
Klagelieder bringen uns in Berührung mit uns selbst und mit Gott. So hören wir von Menschen, die aus einer schweren Krise ihres Lebens gestärkt hervorgegangen sind. Es gelingt ihnen, ihr Leben bewusster und intensiver wahrzunehmen als vorher. Sie suchen nicht nach einem Schuldigen für das, was sie durchmachen mussten; Gott oder das Schicksal oder irgendein anderer Mensch. Sie können das, was sie durchmachen mussten beklagen, sie trauern darüber, aber sie finden auch in einer neuen Weise zu sich selbst und zu Gott. So wird aus dem Klagelied ein Klagepsalm und daraus vielleicht sogar ein Loblied.

So höre ich nun auch der Text aus den Klageliedern Jeremias. Fast heiter klingen nun die Worte in unseren Ohren: „Die Güte des Herrn ists, dass wir nicht gar aus sind, seine Barmherzigkeit hat noch kein Ende, sondern sie ist alle morgen neu, und deine Treue ist groß."

Der Verfasser dieses Liedes muss ein Mensch gewesen sein, der den Kontakt zu sich selbst nicht verloren hatte, der Schmerz wahrnehmen konnte und auch darüber trauern. Der den Kontakt zu Gott nicht verloren hatte; so konnte er seinen Schmerz vor Gott tragen in seinen Gebeten. Der seine Hoffnung nicht verloren hatte. Aus seinen Gebeten und der Nähe zu Gott konnte er Kraft schöpfen für jeden neuen Tag. Er hat den Kontakt zu seinen Mitmenschen nicht verloren hatte, denn sonst wüssten wir nichts von diesem Lied. Er hat es nicht für sich behalten.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft zu fassen vermag,
bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.
Amen.

Lied EG 613, 1-4 „Freunde, dass der Mandelzweig“

Fürbitten:
Herr, wir bitten dich: Schenke uns Vertrauen in deine Verheißungen.
Und einen langen Atem auch dort, wo wir keinen Sinn mehr sehen oder ihn noch nicht erkennen können.
Eines Tages werden die Tränen, das Weinen, der Schmerz vorbei sind.
Himmel und Erde werden ganz frei davon sein, ganz neu.
Deine Güte ist es, dass wir nicht gar aus sind, und deine Barmherzigkeit hat noch kein Ende,
sondern sie ist alle Morgen neu, und deine Treue ist groß.
Amen.

Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name,…

Segen:
Der Herr segne dich und behüte dich,
der Herr lasse leuchten sein Angesicht über dir und sei dir gnädig.
Der Herr erhebe sein Angesicht auf dich und schenke dir Frieden.
Amen.

Lied EG 347, 1-4 „Ach, bleib mit deiner Gnade“

Gottesdienst am Sonntag, den 12. September 2021 - 15. Sonntag nach Trinitatis

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde,
herzlich willkommen zum Lesegottesdienst für kommenden Sonntag, den 12. September. Nach der Einteilung des Kirchenjahres ist das der 15. Sonntag nach Trinitatis. Wir merken, wie wir - langsam, aber sicher - auf den Herbst zugehen. Auch, wenn es in dieser Woche noch sommerlich warm gewesen ist, werden die Tage deutlich kürzer. Die Natur ist schon in den Spätsommer übergegangen. Wie schnell vergeht doch so ein Jahr! Wie schnell verfliegt die Zeit, auch unsere Menschenzeit. Wie gut, dass Gott alle Zeit in seinen Händen hält.
Einen gesegneten Sonntag wünscht Pfarrerin Anke Mühlenberg- Knebel.

Wir beginnen mit dem Lied EG 454, 1-6 „Auf und macht die Herzen weit“

Eingangswort:
Im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Amen.

Wir beten:
Gott, wir danken dir für die vielen Früchte des Jahres,
die uns ernähren, die uns schmecken, die wir gerne anschauen.
Ganz besonders für die schönen Blumen wollen wir dir einmal danken.
Wie fruchtbar hast du die Erde gemacht und wie gut.
Lass uns dankbar und hoffnungsvoll sein, dass du noch immer so gut für uns sorgst.
Amen.

Die biblische Lesung steht im Matthäus-Evangelium, Kapitel 6, Verse 25 bis 34. Es sind Worte Jesu:
„Darum sage ich euch: Sorgt nicht um euer Leben, was ihr essen und trinken werdet; auch nicht um euren Leib, was ihr anziehen werdet. Ist nicht das Leben mehr als die Nahrung und der Leib mehr als die Kleidung? Seht die Vögel unter dem Himmel an: sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen; und euer himmlischer Vater ernährt sie doch. Seid ihr denn nicht viel mehr als sie? Wer ist unter euch, der seines Lebens Länge eine Spanne zusetzen könnte, wie sehr er sich auch darum sorgt? Und warum sorgt ihr euch um die Kleidung? Schaut die Lilien auf dem Feld an, wie sie wachsen: sie arbeiten nicht, auch spinnen sie nicht. Ich sage euch, dass auch Salomo in aller seiner Herrlichkeit nicht gekleidet gewesen ist wie eine von ihnen. Wenn nun Gott das Gras auf dem Feld so kleidet, das doch heute steht und morgen in den Ofen geworfen wird: sollte er das nicht viel mehr für euch tun, ihr Kleingläubigen? Darum sollt ihr nicht sorgen und sagen: Was werden wir essen? Was werden wir trinken? Womit werden wir uns kleiden? Nach dem allen trachten die Heiden. Denn euer himmlischer Vater weiß, dass ihr all dessen bedürft. Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen. Darum sorgt nicht für morgen, denn der morgige Tag wird für das Seine sorgen. Es ist genug, dass jeder Tag seine eigene Plage hat.“
Amen.

Wir loben Gott, indem wir unseren christlichen Glauben bekennen:
Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen,
den Schöpfer des Himmels und der Erde.
Und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn.
Empfangen durch den Heiligen Geist,
geboren von der Jungfrau Maria,
gelitten unter Pontius Pilatus,
gekreuzigt, gestorben und begraben.
Hinabgestiegen in das Reich des Todes;
am dritten Tage auferstanden von den Toten, aufgefahren in den Himmel.
Er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters.
Von dort wird er kommen zu richten die Lebenden und die Toten.
Ich glaube an den Heiligen Geist,
die Heilige christliche Kirche, Gemeinschaft der Heiligen,
Vergebung der Sünden,
Auferstehung der Toten und das ewige Leben.
Amen.

Lied EG 503, 1.2. und 8 „Geh aus, mein Herz und suche Freud“

Predigt:

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und von dem Herrn Jesus Christus.
Amen.

Liebe Gemeinde,
einen sehr schönen Blumenstrauß haben wir heute wieder auf dem Altar stehen, er leuchtet in wunderbaren, kräftigen Farben. Es ist ein Genuss, ihn anzuschauen. Das ist ja etwas Besonderes in unserer Gemeinde, dass jemand von Ihnen für jeden Sonntag Blumen bereitstellt, aus dem eigenen Garten. Schon seit vielen Jahren sogar. Herzlichen Dank dafür!!!
Wenn ich die Blumen so anschaue und Ihnen geht das sicher ähnlich, dann empfinde ich: So schön ist die Natur, so Herrliches bringt der Sommer hervor, so schön kann das Leben sein. Wenn so ein bunter Strauß bei uns in der Kirche oder auch zuhause auf dem Tisch steht, dann geht es uns gleich viel besser. Mit seinem Strahlen bringt er auch uns ein wenig zum Strahlen, mit seiner Buntheit wird auch unser Leben bunter. Es ist, als erzählte er auf seine Weise von der Schönheit des Lebens, von der Vielfalt der Ereignisse, die das Leben bereichern. Blumen haben ja auch immer wieder unser Leben bereichert. Denken wir einmal zurück: Vielleicht hat schon der Vater zum Glückwunsch für unsere Geburt einen Blumenstrauß ans Bett der Mutter gebracht! Letzten Sonntag hatte die Tauffamilie schöne Sonnenblumen um die Taufschale herumgelegt. Die ältere Generation kennt es, dass man bei Konfirmation oder Kommunion ein kleines Sträußchen auf dem Gesangbuch getragen hat. Und die ganze Kirche war mit Blumen geschmückt, auch an den Bänken. Welche Blumen haben wir für unsere Hochzeit ausgesucht? Was für prächtige Sträuße kommen an runden Geburtstagen oder Jubiläen in unser Haus! Die Blumen haben die Botschaft gebracht, dass wir anderen lieb und wichtig sind und dass sie unsere Arbeit geschätzt haben und uns dankbar sind und dass sie uns Glück wünschen für die Zeit, die kommt. Und jeden Sonn- und Feiertag steht auf dem Altar in der Kirche ein Blumenstrauß, wenn wir Gottesdienst feiern. Ach, sogar bei traurigen Anlässen sind die Blumen für uns wichtig, die Kränze und Gestecke in der Trauerhalle und am Grab. Der Strauß, den wir jemandem bringen, wenn wir einen Kondolenzbesuch machen. Doch Sie wissen auch, was dann kommt: leider hält so ein frischer Strauß nur ein paar Tage. Denn die Blumen wurden ja abgeschnitten aus dem Boden, in dem sie wuchsen, von der Wurzel abgetrennt, aus der sie Kraft geholt haben. Es ist eine Blume, die noch zehrt von der Nahrung, die sie hatte, aber sie wird keine Nahrung mehr aufnehmen können. Ihr Ende ist schon abzusehen.

Noch schneller geht das beim Gras: wenn das Gras am Morgen gemäht wurde, so wird es schon am Mittag welk am Boden liegen, und am Abend kann es schon getrocknet sein - Heu für den Winter. Aber alles Leben ist daraus gewichen. Eigentlich ist das schon bedrückend, wie schnell das gehen kann, dass etwas Lebendiges leblos wird.
Im Psalm 103 wird dieses Bild vom Gras auch auf den Menschen bezogen:
“Ein Mensch ist in seinem Leben wie Gras, er blüht wie eine Blume auf dem Felde.“

In dieser Beobachtung steckt der Schrecken, wie vergänglich doch alles ist, auch der Mensch. Sind wir denn nicht gerade so vergänglich wie Gras und Blume? Im Nu gemäht, im Nu verwelkt, im Nu vergangen? Ja, das ist wohl so. Und wer schon einmal dem Tod begegnet ist, einen lieben Menschen verloren hat, der weiß, wie unbegreiflich dieses Verschwinden aus dem Leben ist. Aber das ist nur die eine Seite. Und es ist wichtig, dass wir genauer hinschauen. Sicher, das Gras ist am Morgen frisch und am Abend dürr. Aber es wird im Winter den Tieren als Nahrung dienen und behält darum seinen Wert. Sicher, die Blume ist im Nu verwelkt, und ihre Schönheit ist dahin. Aber hat sie nicht für diese Zeit die Menschen erfreut? Sind wir nicht alle froh, dass wir diesen schönen Blumenstrauß sehen können? Macht er uns nicht das Herz weit? Erkennen wir nicht in ihm die Schönheit von Gottes Welt? Und auch, wenn er in einigen Tagen verwelkt sein sollte: sein Bild werden wir weiterhin in uns tragen. Wir werden uns weiter erinnern und uns freuen, dass wir ihn gesehen haben. Wir werden ihn schweren Herzens in den Kompost geben. Aber wir wissen auch, dass der Same der Blume neue Blumen hervorbringen wird. Und wir werden auch weiter anderen gerne Blumen schenken, weil wir genau wissen, wieviel Freude sie machen.

Und der Mensch? Ist unser Menschenleben sinnlos oder traurig, weil es vergänglich ist? Nein!!!

Vielleicht erkennen wir erst daran, wie kostbar die Zeit ist, die wir miteinander haben. Wir bemerken das Geschenk der Zeit nur darum, weil sie begrenzt ist. So, wie wir die Zeit des Urlaubs an einem schönen Ort genießen, weil wir wissen, dass sie kurz ist. Wenn wir immer dort leben würden, würden wir seine Schönheit kaum noch bemerken. Das Leben ist geschenkte Zeit. Wir können sie nicht festhalten. Das Miteinander ist geschenkte Liebe. Wir können sie nicht einfordern. Ein Mensch ist uns gegeben auf Zeit, wie besitzen ihn nicht. Wir alle kommen aus Gottes Hand und gehen in Gottes Hand. Gott allein ist ewig. Wir sind aufgehoben in ihm. Das Kommen und Gehen des Lebens ist aufgehoben in Gottes Ewigkeit. Das ist nicht traurig; es ist eine große Würde in dem Wissen um die geschenkte Zeit des Lebens. Nehmen wir sie dankbar aus Gottes Hand und geben sie getrost an ihn zurück. Wir sind in ihm. Das ist unser Glück.
Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft zu fassen vermag, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.
Amen.

Lied (blaues Gesangbuch) NL 75 Schenk uns Zeit

Gebet:
Gott, wir danken dir für die geschenkte Zeit.
Wir danken dir für das geliehene Leben.
Es ist wunderbar, die Schönheit deiner Schöpfung zu sehen, auch wenn sie vergänglich ist.
Es ist erfüllend, die Liebe untereinander zu erleben, auch, wenn sie ein Ende hat.
Es ist tröstlich, dass gelebtes Leben nicht spurlos verschwindet,
sondern auch weiterwirken kann, anderen zum Nutzen, anderen zur Freude.
Wir danken dir für schöne Erinnerungen an Menschen, Tiere und Pflanzen, die uns lieb waren.
Wir danken dir für Lebendiges, das wir pflegen und lieben dürfen.
Wir nehmen unser Leben dankbar aus deiner Hand.
Amen.

Alles, was wir Gott sonst noch sagen möchten, sagen wir mit den Worten des Vaterunsergebetes:
Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name, …

Lied EG 170, 1-3 Komm, Herr, segne uns

Segen:
Komm, Herr, segne uns, dass wir uns nicht trennen, sondern überall uns zu dir bekennen.
Nie sind wir allein, stets sind wir die Deinen, Lachen oder Weinen wird gesegnet sein.
So segne uns Gott, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist.
Amen.

Gottesdienst am Sonntag, den 05. September 2021 - 14. Sonntag nach Trinitatis

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde,

herzlich willkommen beim Lesegottesdienst für Sonntag, den 5. September 2021.
Im liturgischen Kalender ist es der 14. Sonntag nach Trinitatis.
Als Wochenspruch begleitet uns ein Wort aus Psalm 103, Vers 2, in die neue Woche:
„Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat.“
Einen gesegneten Sonntag wünscht Pfarrerin Anke Mühlenberg- Knebel.

Am Anfang steht das Lied „Danke für diesen guten Morgen“
(EG 334, 1.2.5.)

Eingangswort:
Im Namen Gottes, des Vaters, und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Amen.

Gebet:
Herr, es tut uns so gut, auf dein Wort zu hören,
die Lieder zu singen, die von dir erzählen und dann gestärkt in unseren Alltag zurückzukehren.
Lass uns aus der Kraft der Dankbarkeit verwandelt werden und uns verändern, hin zu dir.
Amen.

Lesung und zugleich Predigttext stehen im 1. Thessalonicherbrief, Kap. 5, Verse 14- 24:
„Wir ermahnen euch aber, liebe Geschwister: Weist die Unordentlichen zurecht, tröstet die Kleinmütigen, tragt die Schwachen, seid geduldig gegen jedermann. Seht zu, dass keiner dem anderen Böses mit Bösem vergelte, sondern jagt allezeit dem Guten nach untereinander und gegen jedermann. Seid allezeit fröhlich, betet ohne Unter- lass, seid dankbar in allen Dingen; denn das ist der Wille Gottes in Christus Jesus in euch. Den Geist dämpft nicht. Prophetische Rede verachtet nicht. Prüft aber alles, und das Gute behaltet. Meidet das Böse in jeder Gestalt. Er aber, der Gott des Friedens, heilige euch durch und durch und bewahre euren Geist samt Seele und Leib unversehrt, untadelig für die Ankunft unseres Herrn Jesus Christus. Treu ist er, der euch ruft; er wird’s auch tun."
Amen.

Glaubensbekenntnis:
Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen,
den Schöpfer des Himmels und der Erde.
Und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn.
Empfangen durch den Heiligen Geist,
geboren von der Jungfrau Maria,
gelitten unter Pontius Pilatus,
gekreuzigt, gestorben und begraben.
Hinabgestiegen in das Reich des Todes;
am dritten Tage auferstanden von den Toten, aufgefahren in den Himmel.
Er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters.
Von dort wird er kommen zu richten die Lebenden und die Toten.
Ich glaube an den Heiligen Geist,
die Heilige christliche Kirche, Gemeinschaft der Heiligen,
Vergebung der Sünden,
Auferstehung der Toten und das ewige Leben.
Amen.

Lied EG 365, 1.2.4 „Von Gott will ich nicht lassen“

Predigt:

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und von dem Herrn Jesus Christus!

Liebe Schwestern und Brüder!
„Seid allezeit fröhlich, betet ohne Unterlass, seid dankbar in allen Dingen.“
Dieses schöne Wort stammt von dem Apostel Paulus; wir haben es gerade schon im Zusammenhang mit der Lesung gehört. Eine Aufforderung, die wie ein Motto über dem heutigen Sonntag steht: „Seid allezeit fröhlich, betet ohne Unterlass, seid dankbar in allen Dingen.“
Das lassen wir uns heute von Paulus zurufen und können uns hoffentlich in seinen Worten wiederfinden. Wir sind fröhlich, dass wir hier zum Gottesdienst zusammengekommen sind, trotz steigender Inzidenzzahlen, draußen ein wunderbares, spätsommerliches Wetter. Wir beten in der Gemeinschaft, mit neuer Kraft und vertrauen darauf, dass Gott unser Beten hört. Und wir dürfen dankbar sein, dass Gott unser Leben bis hierher begleitet hat.

Paulus war ursprünglich jüdischen Glaubens. Er stammt aus der Stadt Tarsus in Kleinasien, in der heutigen Türkei. In seinen jungen Jahren war er ein scharfer Gegner des neu entstehenden Christentums, bis er durch ein besonderes Erlebnis, eine Christuserscheinung, zum Apostel der Heiden wurde. Er macht es sich von da an zur Aufgabe, durch die Lande zu reisen und christliche Gemeinden zu gründen. Leidenschaftlich und enthusiastisch spricht er von Jesus Christus; wie kaum ein anderer begeistert er seine Mitmenschen für ein Leben als Christ/Christin.

Der 1. Thessalonicherbrief, aus dem unser Predigttext stammt, ist der älteste erhaltene Brief des Paulus; zugleich ist es der älteste Text im ganzen Neuen Testament. Vermutlich hat Paulus ihn um das Jahr 50 n. Chr. von Korinth aus verfasst. Korinth und Thessaloniki, das heutige Saloniki, sind beides griechische Städte. Wir merken, wie sich hier der Übergang des christlichen Glaubens von Kleinasien nach Europa vollzieht. Ohne diesen Übergang hätte auch uns der christliche Glaube nie erreicht. Ohne den Apostel Paulus gäbe es auch in Deutschland, auch in Baden keine christlichen Gemeinden, würden wir Heute Morgen keinen Gottesdienst feiern. Könnten auch nicht im Herbst das 60jährige Jubiläum unserer Christuskirche begehen. Da wird es in der letzten Oktoberwoche einiges an Feierlichkeiten geben. Dabei fällt mir ein, dass es gar nicht mehr lange bis dahin ist und wir jetzt umgehend an die Vorbereitung gehen werden.

Paulus lobt die Christinnen und Christen in Korinth für ihren vorbildlichen Glauben. Er dankt Gott, dass die gute Nachricht in dieser Stadt so offen aufgenommen wurde. Im 5. und letzten Kapitel des Briefes empfiehlt der Apostel, dass sich die Christen mit dem „Brustpanzer des Glaubens und der Liebe“ und mit dem „Helm der Hoffnung“ ausstatten sollen. Damit sie auf die kommenden Dinge genauso gut vorbereitet sind, wie sie es schon in der Vergangenheit waren. Denn auch in Zukunft sollen sie ihrem Glauben treu bleiben. Der Tag des Herrn kommt bald, schreibt Paulus. Damit haben die Menschen fest gerechnet, dass Jesus Christus noch zu ihren Lebzeiten zurück auf die Erde kommt. Es wird nicht mehr lange dauern, glaubten sie.

Und dann im letzten Teil des 5. Kapitels unser Predigttext, viele gutgemeinte Ermahnungen, als Imperative, also in der Befehlsform, formuliert: weist zurecht, tröstet, tragt, seid geduldig, jagt dem Guten nach, seid fröhlich und so weiter. Genau 14 Aufforderungen, vierzehn gutgemeinte Handlungsideen sollen die Menschen in Thessaloniki stärken und unterstützen. Eigentlich nicht die beliebteste Form, in der wir angesprochen werden möchten. Wir lassen uns nicht gerne etwas befehlen. Gerade in unserer Zeit hören wir so oft Imperative: Haltet Abstand, tragt die Maske, vermeidet große Menschenansammlungen, lasst euch impfen. Wir bekommen mit, wie sich bei vielen Menschen Widerstand regt, sie möchten sich nicht vorschreiben lassen, was sie tun sollen, wollen sich nicht einschränken lassen. Zurzeit wird besonders viel über die Impfgegner berichtet, die sich unter Druck gesetzt fühlen. Manchmal ist man ganz überrascht, wenn man auch aus dem eigenen Bekanntenkreis hört, wer sich aus welchen Gründen nicht impfen lassen möchte. Mit der Theatergruppe meiner früheren Gemeinde bin ich noch über Whatsapp verbunden. Unter den SpielerInnen ist eine junge Frau, die große Angst vor der Corona- Impfung hat. Vor kurzem hat sie einmal einen allergischen Schock erlebt, musste auf die Intensivstation. Sie ist emboliegefährdet. Ein anderer in der Gruppe ist so ein Freigeist, der sich nicht einfach etwas vorschreiben lässt. Er ärgert sich, dass hier Menschen zu etwas gezwungen werden sollen. Dass diejenigen, die uns jetzt zu allem Möglichen drängen, sich an anderer Stelle als inkompetent erwiesen haben. Als Beispiele nennt er das Hochwasser an der Ahr und Afghanistan. Da gehen natürlich die Whatsapp- Kommentare der Theatergruppe hin und her, aber die Bedenken werden ernstgenommen, nicht einfach abgetan. Die Mitglieder der Gruppe versuchen, sich zu helfen, liefern Argumente, suchen nach Lösungen. Das ist wohltuend und ganz im Sinne des 1. Thessalonicherbriefes.

Ehrlich gesagt, lasse ich mir auch nicht so gerne etwas befehlen, aber mit den Imperativen des Apostels Paulus kann ich sehr gut leben:
„Seid allezeit fröhlich, betet ohne Unterlass, seid dankbar in allen Dingen.“
Auch die anderen Aufforderungen vor und nach diesem Vers sind hilfreich: Tragt die Schwachen, seid geduldig, jagt dem Guten nach, prüfet alles und das Gute behaltet.

Das ist keine Bevormundung, liebe Schwestern und Brüder.
Paulus will uns die Liebe und Güte Gottes als Fundament für unser Leben so nahe bringen, dass das unseren Alltag prägt. Dafür ist der kurze Imperativ die klarste Form. Sagt als christliche Leute euren Mitmenschen, wie ihr die Dinge seht. Wenn ihr das nicht tut, haltet ihr ihnen etwas Wichtiges vor. Habt Verständnis für die ängstlichen FreundInnen und Bekannten und schenkt ihnen Rückenwind. Tragt die Schwachen in der Gesellschaft, in der Familie, im Kollegenkreis mit. Seid geduldig. Legt die Waffen ab und verletzt euch nicht mit harten Worten. Jagt dem Guten nach, jederzeit und gegen jedermann.
Hier im christlichen Glauben findet ihr eine Lebensperspektive, die trägt, die selbst im finsteren Tal der Krankheit, der Trauer, der Verzweiflung da ist, so, wie wir Menschen das ersehnen. Darum geht es dem Apostel. Um gegenseitigen Beistand, leidenschaftliche Gespräche, aufrichtige Freundesbriefe. Damit die Güte und die Liebe und der Friede Gottes in unserem Leben Gestalt annehmen können.
Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft zu fassen vermag,
bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.
Amen.

Lied EG 182, 1- 4 „Suchet zuerst Gottes Reich in dieser Welt“

Wir beten:

Herr, wir bitten dich:
Komm mit deiner Weite in unsere Enge, komm mit deiner Erlaubnis in unsere Verbote,
komm mit deiner Liebe in unsere Angst, damit wir leben und du in uns.
Komm in unser Leben und halte uns in Bewegung, dass sich uns der Grund der Freude auftut,
dass wir der Liebe Raum schaffen und den Möglichkeiten des Friedens nachgehen.
Komm in unser Leben, dass unser Danken nicht aufhört, nicht unser Glaube und nicht unsere Hoffnung.
Amen.

Und alles, was wir Gott sonst noch sagen möchten, sagen wir mit den Worten, die Jesus Christus uns selbst gelehrt hat:
Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name,…

Lied EG 608 „Ubi caritas“

Segen:
Wo die Liebe wohnt und Güte, wo die Liebe wohnt, da ist unser Gott.
Dieser Gott der Liebe und der Güte segne und behüte uns auf all unseren Wegen.
Amen.

Gottesdienst am Sonntag, den 29. August 2021 - 13. Sonntag nach Trinitatis

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde,
herzliche Grüße zum Sonntag, dem 29. August (13. Sonntag nach Trinitatis). In dem vorliegenden Lesegottesdienst geht es um unseren Glauben, der uns manchmal so klein und unscheinbar erscheint und doch eine gewaltige Kraft entfalten kann. Ein sehr schönes passendes Lied ist z.B. das vom „Kleinen Senfkorn Hoffnung“, aber vom Glauben sprechen ja auch all die anderen geistlichen Lieder, die Sie/ihr kennen/kennt. Da darf man heute einmal selbst auswählen und für sich singen.
Einen gesegneten Sonntag wünscht Pfarrerin Anke Mühlenberg- Knebel

Im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Amen.
Unsere Hilfe steht im Namen des Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat.

Im Psalm 18 lesen wir:
Herzlich lieb habe ich dich, Herr, meine Stärke!
Herr, mein Fels, meine Burg, mein Erretter;
mein Gott, mein Hort, auf den ich traue,
mein Schild und Berg meines Heiles und mein Schutz.
Mit meinem Gott kann ich über Mauern springen.
Amen.

Wir beten:
Herr, wir bitten dich, stärke unseren Glauben.
Hilf, dass wir die Hoffnung nicht verlieren und für jeden Tag unseres Lebens neue Kraft von dir bekommen.
Amen.

Als Lesung und zugleich als Predigttext lesen wir aus dem Lukas-Evangelium, Kapitel 17, Verse 5 und 6:

Lukas 17, 5-6: „Und die Apostel sprachen zu dem Herrn: Stärke uns den Glauben! Der Herr aber sprach: Wenn Ihr Glauben hättet, so groß wie ein Senfkorn, dann könntet Ihr zu diesem Maulbeerbaum sagen: Reiß dich aus und versetze dich ins Meer! Und er würde euch gehorchen.“

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und von dem Herrn Jesus Christus.
Amen.

Wir bekennen unseren christlichen Glauben:
Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen,
den Schöpfer des Himmels und der Erde.
Und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn.
Empfangen durch den Heiligen Geist,
geboren von der Jungfrau Maria,
gelitten unter Pontius Pilatus,
gekreuzigt, gestorben und begraben.
Hinabgestiegen in das Reich des Todes;
am dritten Tage auferstanden von den Toten, aufgefahren in den Himmel.
Er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters.
Von dort wird er kommen zu richten die Lebenden und die Toten.
Ich glaube an den Heiligen Geist,
die Heilige christliche Kirche, Gemeinschaft der Heiligen,
Vergebung der Sünden,
Auferstehung der Toten und das ewige Leben.
Amen.

Predigt:

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater und von dem Herrn Jesus Christus.
Amen.

Liebe Geschwister,
Jesus spricht von einem Maulbeerbaum. Von dem wussten die Israeliten damals, dass er besonders breit und tief wurzelt. Ein Maulbeerbaum, das war Vorschrift, der musste doppelt so weit von der Quelle angepflanzt werden wie alle anderen Bäume. Damit seine Wurzeln sich nicht das Wasser vom Brunnen saugten. Ein Maulbeerbaum stand fest verwurzelt. Den konnte in Israel niemand entwurzeln und einfach so umpflanzen.

„Wenn Ihr Glauben hättet, so groß wie ein Senfkorn, dann könntet Ihr zu diesem Maulbeerbaum sagen: Reiß dich aus und versetze dich ins Meer, und er würde euch gehorchen“, sagt Jesus. Was für eine Behauptung! Mit dem Unglaublichsten rechnen, das ist Glauben. Darum geht es Jesus mit diesem Bild vom Maulbeerbaum.

Ich hänge dem Bild noch einen Augenblick nach: Wie viele Dinge halte ich im Leben für fest verwurzelt, wie einen Maulbeerbaum? Da bewegt sich nichts - über Jahre hinweg. Da ist alles eingefahren wie immer, unverrückbar.

Eine Feindschaft zwischen zwei Familien, die die Atmosphäre über Generationen vergiftet und keine Versöhnung möglich macht. Eine Starre in einer Kirchengemeinde, die einen lebendigen Austausch verhindert und zur Spaltung führt. Eine schwierige Situation im Betrieb, die die notwendigen Veränderungen blockiert. Unverrückbar steht sie vor einem wie ein großer Baum, der nicht wankt und weicht. Oder eine hoffnungslose Beziehung? Zwei Menschen haben sich darin verflochten wie in einem tausendfach verästelten Wurzelwerk. Und es hält die zwei fest und lässt sie nicht mehr los. Eine lange Krankheit, die an unserem Körper zehrt und uns langsam aber sicher die Kräfte aussaugt, so wie der Maulbeerbaum das Wasser der Quelle wegsaugt? Wie kann sich da etwas ändern? Das ist doch alles hoffnungslos, denke ich oft.

„Wenn Ihr Glauben hättet, so groß wie ein Senfkorn, dann könntet Ihr zu diesem Maulbeerbaum sagen: Reiß dich aus und versetze dich ins Meer! Und er würde euch gehorchen.“

Jesus gebraucht ein Bild. Er meint: Für den Glaubenden ist das Unmöglichste - möglich!

Unverrückbar wie ein Maulbeerbaum erscheint vieles im Leben. Aber Jesus sagt: Wer glaubt, sieht die Möglichkeit: Alles kann sich ändern. Nichts muss so bleiben, wie es gerade ist oder scheinbar immer war.

Liebe Schwestern und Brüder, jetzt denken Sie vielleicht: „Diesen Glauben hätte ich auch gerne. Aber von dem Glauben, von dem Sie gerade erzählen, bin ich weit entfernt. Mein Glaube ist eigentlich ziemlich klein.“

Jesus spricht von einem Maulbeerbaum. Jesus spricht aber auch von einem Senfkorn. Das war für die Israeliten damals das kleinste Samenkorn, mit bloßem Auge kaum zu erkennen. Für damalige Verhältnisse gewichtslos, bedeutungslos.

 „Wenn Ihr Glauben hättet, groß wie ein Senfkorn, dann könntet Ihr zu diesem Maulbeerbaum sagen: „Reiß dich aus und versetze dich ins Meer!“, und er würde euch gehorchen“, sagt Jesus. Er redet im Bild: Auch der kleinste Glaube kann die unglaublichste Wirkung haben. Es ist der kleine Senfkornglaube, der uns die Kraft gibt, Dinge in Angriff zu nehmen und zu tun, die wir vorher nie für möglich gehalten hätten.

Da sitzt mir die ältere Frau beim Beerdigungsgespräch gegenüber und erzählt, wie sie ihren schwerstkranken Mann über viele Monate bis zu seinem Tod zuhause gepflegt hat.“So viele Menschen haben mir abgeraten, haben gesagt: Das schaffst du nicht. Du gehst kaputt dabei. Du musst auch an dich selbst denken. Und ich habs dann probiert. Und es war gut so. Viele haben mitgeholfen, aber trotzdem wusste ich manchmal morgens nicht, wie ich das schaffen sollte. Und dann ging es doch, immer wieder, von einem Tag zum anderen in ganz kleinen Schritten. Und für uns beide, meinen Mann und mich war das noch einmal eine ganz intensive Zeit, vielleicht die wichtigste Zeit in unserer Beziehung.“ Diesen Senfkornglauben, der uns Schritt für Schritt durch unsere Tage trägt, den haben wir nicht einfach so in der Tasche, den gibt es nicht auf Vorschuss, sondern den schenkt uns Gott jeden Tag neu.

Und woher nehme ich diesen Glauben? Wo wachsen die Senfkörner, die ich Tag für Tag brauche? Ich finde sie in der Glaubenserfahrung von Menschen, wie dieser älteren Frau, die ihren Mann liebevoll beim Sterben begleitet hat. Ich finde sie für mich vor allem aber in den Geschichten der Bibel. Ich selbst kann noch nicht über die Mauer in die Freiheit springen, aber im Psalm 18 höre ich: Es hat schon Menschen gegeben, denen das gelungen ist. Ich erfahre von Menschen, die gesund wurden, obwohl die Krankheit jahrelang an Leib und Seele zehrte. Ich höre von Menschen, denen nach jahrelanger Feindschaft die Versöhnung gelungen ist. Ich erlebe mit, wie die Gebeugten, die zu Jesus kamen, aufgerichtet werden und wie die Hungrigen satt werden. Ich borge mir den Glauben der Menschen aus, von denen die Bibel erzählt. Ihre Geschichten, ihre Erfahrungen wecken in mir die Hoffnung, dass es auch bei mir so sein könnte.

Und so werden die Geschichten der Bibel für mich zu einer Art Hoffnungs-Verleih-Anstalt, bei der ich mir die Hoffnung und die Kraft, die ich für mein Leben benötige, immer wieder ausleihe.
Manchmal aber bleiben auch diese Geschichten kraftlos, und ich stehe mit leeren Händen da in Situationen, die ich alleine nicht mehr schultern kann, wo die Last für mich allein zu schwer ist. Dann brauche ich die Unterstützung von Freunden, von Menschen, die mir im Glauben verbunden sind, die für mich beten. Es tut dann gut, zu wissen und zu spüren, dass andere mit mir sind und mich teilhaben lassen an den vielen Senfkörnern des Glaubens. Damit ich spüre: Es scheint so vieles im Leben unverrückbar wie ein Maulbeerbaum. Aber Jesus sagt: Wer Glauben hat, und sei er nur so groß wie ein Senfkorn, sieht nicht den Baum allein. Wer Glauben hat, so winzig klein wie ein Senfkorn, sieht die Möglichkeit: Alles kann sich ändern.
Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft zu fassen vermag, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.

Als Schlussgebet sprechen wir die ersten beiden Strophen des Liedes „Kleines Senfkorn Hoffnung“:

1.Kleines Senfkorn Hoffnung, mir umsonst geschenkt,
werde ich dich pflanzen, dass du weiter wächst,
dass du wirst zum Baume, der uns Schatten wirft;
Früchte trägt für alle, alle, die in Ängsten sind.

2.Kleiner Funke Hoffnung, mir umsonst geschenkt,
werde ich dich nähren, dass du überspringst,
dass du wirst zur Flamme, die uns leuchten kann,
Feuer schlägt in allen, allen, die im Finstern sind!

Wir beten, wie Jesus Christus es uns selbst gelehrt hat:
Vater unser im Himmel,
geheiligt werde dein Name,
dein Reich komme,
dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit
in Ewigkeit.
Amen.

Der Herr segne dich und behüte dich. Der Herr lasse leuchten sein Angesicht über dir und sei dir gnädig. Der Herr erhebe sein Angesicht auf dich und schenke dir Frieden.
Amen.

 

Sommerandacht am 22. August 2021 - 12. Sonntag nach Trinitatis

Eingangslied: EG 444, 1-4 "Die güldne Sonne"

Wir feiern diesen Gottesdienst im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes.
Amen.

Der Herr sei mit Euch…

Psalmgebet: Ps.147 (EG 775)

Barmherziger Gott,
zeige Deine Güte auch jetzt den vielen verzweifelten Menschen in Afghanistan, in den überfluteten Gebieten, in den durch Brände vernichteten Gegenden in Südeuropa.
Barmherziger Gott,
sei Du nun unter uns, wenn wir Dir zur Ehre singen, über Deine Worte nachdenken und Deine Güte suchen.
Amen.

Lied: EG 272 "Ich lobe meinen Gott"

Predigttext und Evangelium: Markus 7, 31-37

Halleluja Ich will den Herrn loben allezeit; sein Lob soll immerdar in meinem Munde sein.
Halleluja.

Ansprache:

Wunder gibt es immer wieder… so sang vor 50 Jahren Katja Ebstein. Damals hat mich ihre Musik nicht sehr begeistert. Heute ist für mich der Text interessanter geworden, es geht so weiter: heute oder morgen können sie gescheh‘n. Wunder gibt… wenn sie Dir begegnen musst du sie auch sehn.

Markus schildert die Reise Jesu im damaligen, wie jetzigen Ausland. Von der Hafenstadt im heutigen Libanon unterwegs noch weiter nach Norden und dann ins heutige Jordanien kommen Menschen auf Jesus zu und bitten ihn einem Taubstummen die Hand aufzulegen. Das erklärt vielleicht Jesu Mahnung gegen Ende des Texts, es niemandem weiterzusagen. Woher kennen diese Ausländer ihn? Warum trauen sie ihm so viel zu?

3 Aspekte scheinen doch sehr interessant an dieser Wunderheilung:
Das Wunder an sich: eine vollkommen überraschende Heilung! Durch Berührung der Ohren und der Zunge und seiner Bitte "Effata, öffne dich!", kann Christus, der Heiland diesem Taubstummen helfen.

Wie viele Ärzte haben das schon erlebt, dass aussichtslose Fälle wieder gesund wurden. Medizinisch ist heute wie damals nicht alles erklärbar: ein Wunder, eine tolle Sache.

Dann sind da die Helfer, sie haben irgendwie erfahren, dass da gerade einer durch ihren Ort kommt, der schon öfter Kranken geholfen hat. Ohne sie wäre der Taubstumme gar nicht zu Christus gekommen. Sie haben ihm zu diesem Wunder verholfen. Auch heute wären Wunder ohne alle die Helfenden und Pflegenden gar nicht möglich. Deshalb bleibt mir unverständlich, dass in unserer Gesellschaft der Pflegeberuf so miserabel geachtet und unchristlich honoriert wird.

Der 3. Aspekt ist, wenn sie dir begegnen musst du sie auch sehn. Katja Ebstein hat da sicher recht: für mich ist es durchaus ein Wunder, dass ich mein Arbeitsleben bei einem einzigen Arbeitgeber ohne viele Krankheitstage erleben durfte, obwohl ich alles ganz anders geplant hatte. Wunder anzuschauen und daraus auch den Schluss zu ziehen, es ist durch Christus und die an ihn glaubenden Helfenden geschehen, muss doch Mut machen im Glauben an Jesus Christus und dadurch: Wunder gibt es immer wieder!

Amen.

Lied EG 420, 1+3+5 "Brich mit den Hungrigen dein Brot"

Gebet:

Barmherziger Gott, lass uns mehr an Wunder glauben und sie erleben.
Hilf uns aus dieser Pandemie.
Hilf all denen die durch Feuer, Erdbeben oder Fluten alles verloren haben.
Hilf Du allen Menschen in Afghanistan zu einem friedlichen Miteinander, und nicht nur dort.
Hilf Du uns diese Welt vor der Zerstörung zu retten.
Hilf mit, eine verantwortungsvolle Regierung zu finden für unser Land, die die Ärmsten nicht noch ärmer macht.
Hilf uns, wenn wir nun unsere ganz persönlichen Bitten an Dich richten…

Wir danken Dir, dass Du uns zuhörst und Dein Sohn uns gelehrt hat, wie wir beten dürfen:
Vater unser...

Und der Friede Gottes der höher ist als all unsere Vernunft bewahre eure Herzen in Christus Jesus.
Amen.

Lied: EG 170, 1-4 "Komm Herr segne uns"

Wochenspruch:
Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen. 
Jes. 42,3a

Und so gehen wir in die neue Woche mit der Hoffnung, all die Wunder auch zu sehen, so segne und behüte uns unser barmherziger Gott, er lasse sein Angesicht leuchten über uns und sei uns gnädig, er erhebe sein Angesicht auf uns und schenke uns seinen wunderbaren Frieden.
Amen.

(Bertram Eppinger)

Predigt zum Gottesdienst am 15. August 2021 in Ottersweier

Predigtext: Lukas 18, 9-14 (Basisbibel)

„Einige der Leute waren davon überzeugt, dass sie gerecht vor Gott lebten. Für die anderen hatten sie nur Verachtung übrig. Ihnen erzählte Jesus dieses Gleichnis: Zwei Männer gingen zum Tempel, um zu beten. Der eine war ein Pharisäer und der andere ein Zolleinnehmer. Der Pharisäer stellte sich hin und betete leise: Gott, ich danke dir, dass ich nicht so bin wie die anderen Menschen – kein Räuber, Betrüger, Ehebrecher oder Zolleinnehmer wie dieser hier. An zwei Tagen in der Woche faste ich. Und ich gebe sogar den zehnten Teil von allem, was ich kaufe. Der Zolleinnehmer aber stand weit abseits. Er traute sich nicht einmal, zum Himmel aufzublicken. Er schlug sich auf die Brust und sagte: Gott vergib mir! Ich weiß, dass ich ein Sünder bin. Das sage ich euch: Der Zolleinnehmer ging nach Hause und war nun vor Gott gerecht – im Unterschied zu dem Pharisäer. Denn wer sich selbst groß macht, wird von Gott niedrig und klein gemacht. Aber wer sich selbst niedrig und klein macht, wird von Gott groß gemacht werden.“

Liebe Gemeinde,

ich fange bei uns an. Wir bemühen uns, anständig und rechtschaffen zu leben. Wir bemühen uns bei der Wahrheit zu bleiben, auch im Kleinen, auch gegenüber Verwandten. Wir bemühen uns, niemanden zu verletzen, nicht mit Worten, nicht mit Taten. Wir halten unsere Ehe hoch. Wir streichen das Zimmer nicht gerade an einem Sonntag. Und für die Opfer der Flutkatastrophe oder für Brot für die Welt ist uns ein Euro doch zu wenig. Und wir treffen uns heute hier zum Gottesdienst, zum Gebet.

Wenn meine Worte ganz oder teilweise auf mich, auf einen von uns zutreffen, dann sind wir ganz nahe bei dem einen Typ, dem frommen Schriftgelehrten, der ein rechtschaffenes Leben vor Gott und den Menschen führen will.

Da ist einer, der sich bemüht, im Sinne Gottes und seiner Gebote zu leben. Er möchte etwas tun, um im Sinne und mit Gott zu leben.

Und ein anderer lügt und betrügt. Er hat viel Geld deswegen. Wenn er einmal innehält, hoffentlich nicht erst in Untersuchungshaft – weiß er, dass er nichts vorzuweisen hat – nur Negatives. Er steht mit leeren, mit schmierigen Händen da. In unserer Beispielerzählung ist dies ein Zolleinnehmer, der immer auf die Abgaben zu seinem Vorteil draufgeschlagen hat.

Ausgerechnet der wird von Jesus als auf dem richtigen Weg bezeichnet durch sein Bekenntnis, dass er nicht vorzuweisen hat.

Müssen wir nun alle Betrüger werden, um Gott, um Jesus Christus nahe zu sein? Das ist  wohl nicht gemeint, auch wenn Jesus immer betont, dass solche Menschen die Zuwendung Gottes besonders brauchen und bekommen.

Besonders herausgestrichen wird in unserem Abschnitt die Überheblichkeit des Rechtschaffenen. Er ist in seiner Rechtschaffenheit schon da, wo er hinwill. Er braucht eigentlich garnichts mehr, und er erhebt sich über alle Sorten von Menschen.

Vorsicht: Wir erheben uns über Menschen mit anderer Hautfarbe, über Zuwanderer, obwohl wir selbst zugewandert sind. Wir erheben uns über Menschen anderer Religion, z.B. über Moslems. Männer stellen sich über Frauen, Deutsche über Ausländer.

Es bleibt die Frage: Wie können wir zu Gott hinkommen? Antwort: Überhaupt nicht. Rechtschaffen oder auf krummen Weg, beide sind restlos auf die liebende Zuwendung Gottes angewiesen. Wir können nicht, aber auch in keiner Weise Gott beeinflussen. M. Luther soll am Ende seines Lebens gesagt haben: „Wir sind Bettler, das ist wahr.“

Wir sind dankbar für die Zuwendung Gottes, die uns heute mitgeteilt wird, aber auch an Weihnachten oder an Pfingsten, wo wir den guten Geist Gottes zugesprochen bekommen. Und in diesem Sinne, im Sinne Jesu, wollen wir uns anderen Menschen helfend zuwenden. So sind wir unserem Gott nahe, ohne Ansprüche zu haben. Wir sind und bleiben Bettler vor Gott.

Amen.

(Pfarrer Badelt)

 

Sommerandacht am 08. August 2021 - Israelsonntag

Lied: EG168, 1-3+6 "Du hast uns Herr gerufen"

Wir feiern diesen Gottesdienst im Namen des Vaters, und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Amen.

Psalm 122 (NL961)

Ehre sei dem Vater.

Wir beten weiter:
Guter Gott wir dürfen immer zu Dir kommen, wenn uns Lasten drücken.
Du hast den Israeliten geholfen in der Wüste Sinai und den Bund mit denen versprochen, die Dich achten. Hilf auch uns aus dieser Pandemie und lass uns Deine Gebote sehen, die wir oft vergessen.
Hilf Du uns im jüdischen Glauben immer auch Jesus zu sehen und sein Leben als Vorbild zu haben.
Amen.

Lied: EG290, 1+2+4 "Nun danket Gott, erhebt und preiset"

Predigttext: 2. Mose 19, 1-6

Halleluja.
Wohl dem Volk, dessen Gott der Herr ist, dem Volk, das er erwählt hat!
Halleluja.

Bereits ein Vierteljahr ziehen die Israeliten von Ägypten aus in ihre Heimat und sind in der Wüste Sinai angekommen. Mose steigt auf den Berg Sinai, wo er von Gott klare Anweisungen bekommt.
Haltet meinen Bund, werdet zu Priestern und zu einem heiligen Volk. So werdet ihr mein Eigentum.

Diese ermüdete, perspektivlose Gruppe von ehemaligen Sklaven hat Ziele dringend nötig, um an eine Zukunft glauben zu können. Vor 3000 Jahren sammelt sich das Volk Israel wieder in der Heimat, dem gelobten Land. Daraus entsteht die Brücke zur Christenheit, die es nicht geben würde, wenn Gott am Berg Sinai nicht Mut gemacht hätte zu einem Neu-Anfang.

Wir feiern den Israel-Sonntag genau deshalb, uns daran zu erinnern, dass Christus als Jude das Christentum begründete. Wir also genauso unter dem Segen Gottes stehen dürfen, sein Eigentum zu sein.

Vor mehr als 70 Jahren gab es einen weiteren Exodus, als sich Juden aus aller Welt in Palästina in einem minimalen Landstreifen versammelten und ihren Staat gründeten. Friede gibt es auch nach 3000 Jahren nicht, allerdings den alten Bund mit dem göttlichen Versprechen, Gottes eigenes Volk zu sein. Auch wir Christen sollten an dem alten Bund festhalten, auch wenn wir den neuen Bund zusätzlich geschenkt bekommen haben.
Amen.

Lied: EG171, 1-4 "Bewahre uns Gott, behüte uns Gott"

Gebet:

Guter Gott, hilf Israel und uns Deinen Bund zu halten, wie Du es Mose aufgetragen hast, damit wir Dein Volk bleiben.

Guter Gott, stehe Du allen bei, die an Dir zweifeln, weil sie in den Fluten Angehörige, ihre Existenz, ihr Haus verloren haben. Gib ihnen neuen Lebensmut.

Guter Gott hilf allen von dieser Pandemie Betroffenen und Verängstigten, schütze und stärke Du Sie.

Guter Gott sei mit dieser Gemeinde, dass sie sich an Deinen Versprechungen erfreut und sie weitergibt.

Guter Gott, schenke dem Volk Israel Frieden untereinander und mit seinen Nachbarländern.

Guter Gott alles was uns sonst noch auf dem Herzen liegt, bringen wir vor Dich, wenn wir nun gemeinsam beten, wie es uns Dein Sohn gelehrt hat:

Vater unser...

Lied EG433 "Hevenu schalom"

Wochenspruch:
Wohl dem Volk, dessen Gott der Herr ist, dem Volk, das er zum Erbe erwählt hat.

Segen:
Unser guter Gott des alten und des neuen Bundes segne uns und behüte uns, er lasse sein Angesicht leuchten über uns und sei uns gnädig, er erhebe sein Angesicht auf uns und schenke uns seinen Frieden.
Amen.

 

Gottesdienst am 01. August 2021 - 9. Sonntag nach Trinitatis

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde!
Herzlich willkommen zum Lesegottesdienst für Sonntag, den 1. August.
Im liturgischen Kalender ist es der 9. Sonntag nach Trinitatis.
Der Wochenspruch, der uns durch die neue Woche begleiten soll, lautet:
„Wem viel gegeben ist, bei dem wird man viel suchen;
und wem viel anvertraut ist, von dem wird man umso mehr fordern.“ (Lukas 12, 48)
Einen gesegneten Sonntag wünscht
Pfarrerin Anke Mühlenberg- Knebel

Lied EG 455, 1-3 „Morgenlicht leuchtet“

Im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Amen.

Gebet:
Gott, deinen Namen will ich singen,
in dir entspringt mein Leben.
Aus deiner Schöpfung schöpfe ich meine Kraft.
In deiner Sonne blühe ich, in deinem Boden wurzle ich.
Aus dir ziehen meine Sinne Kraft.
Dein Morgen weckt mich auf.
Gott, deinen Namen will ich singen.
Amen.

Lied NL 68 „Lobe den Herrn, meine Seele“

Lesung und zugleich Predigttext: Matthäus 13, 44- 46
„Das Himmelreich gleicht einem Schatz, verborgen im Acker, den ein Mensch fand und verbarg; und in seiner Freude ging er hin und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte den Acker. Wiederum gleicht das Himmelreich einem Kaufmann, der gute Perlen suchte, und als er eine kostbare Perle fand, ging er hin und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte sie."
Amen.

Glaubensbekenntnis:
Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen,
den Schöpfer des Himmels und der Erde.
Und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn.
Empfangen durch den Heiligen Geist,
geboren von der Jungfrau Maria,
gelitten unter Pontius Pilatus,
gekreuzigt, gestorben und begraben.
Hinabgestiegen in das Reich des Todes;
am dritten Tage auferstanden von den Toten, aufgefahren in den Himmel.
Er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters.
Von dort wird er kommen zu richten die Lebenden und die Toten.
Ich glaube an den Heiligen Geist,
die Heilige christliche Kirche, Gemeinschaft der Heiligen,
Vergebung der Sünden,
Auferstehung der Toten und das ewige Leben.
Amen.

Lied EG 444, 1-3 „Die güldene Sonne“

Predigt:

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater und von dem Herrn Jesus Christus.
Amen.

Liebe Geschwister,
Jesus erzählt uns in seinen Gleichnissen von Gott, davon, was Gott den Menschen bedeuten kann. Die beiden Gleichnisse vom Schatz im Acker und von der kostbaren Perle, die für den heutigen Sonntag vorgeschlagen sind, sind für solche Menschen gedacht, die nach neuer Kraft und nach neuer Hoffnung für ihr Leben suchen. Die fragen: wo ist denn eigentlich Gott in meinem Alltag? Wie und wo kann ich etwas erfahren von der neuen Welt Gottes? Jesus hat doch verkündigt, dass sie sich bereits ausbreitet unter den Menschen; hat erzählt von dem Himmel, der jetzt schon die Erde berührt!
Wir haben eher manchmal das Gefühl, uns in dieser Welt selbst überlassen zu sein. Jesus versucht, mit den kurzen Texten vom Suchen und Finden, die der Evangelist Matthäus überliefert, unserer Resignation etwas entgegensetzen. Die Botschaft seiner Gleichnisse möchte ich so ausdrücken: „Auch du kannst du denen gehören, die finden, was dein Herz sucht. Gott lässt sich finden auch in deinem Leben und hier auf dem Acker dieser Erde, solange du sie bewohnst. Und wenn dir das gelingt, dann ist es so, als hättest du einen kostbaren Schatz entdeckt. Das kann schon mal dauern, macht Mühe. Gib nicht auf.“

Ich höre die Worte Jesu als feste Zusage und auch als Bitte Gottes: „Vertrau mir, dass ich dich im richtigen Moment zum Finder werden lasse. “Trotz unserer Skepsis und trotz unserem Argwohn, an dem Ort und der Zeit, die für jeden von uns passend ist. Die meisten Menschen, die eine Beziehung zu Gott entwickeln konnten und neue Lebenszuversicht gefunden haben, können die Erfahrung vieler Schatzsucher bestätigen. Eigentlich hat der Schatz uns gefunden, das manchmal sogar, obwohl wir die Suche längst aufgegeben hatten. Oder wie der Kirchenvater Augustin einmal formuliert hat:“ Du hättest Gott nie gesucht, wenn er dich nicht längst schon gefunden hätte.“
„Du bist mein Schatz“, sagen Liebespaare zueinander, wenn sie sehr verliebt sind. Es kommt leider vor, dass dieses Bekenntnis auf dem Lebensweg verstummt. Umso schöner ist es, wenn man sich immer wieder neu entdecken kann. In unserer Beziehung zu Gott ist das auch so. Wir sind immer beides: Schatzsuchende und solche, die gefunden haben. Das ist die Spannung, in der wir glauben und leben. Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft zu fassen vermag, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.
Amen.

Lied NL 93, 1-3 „Da berühren sich Himmel und Erde“

Gebet:
„Lebenswunsch.
Was ich dir wünsche? Dass jede Gabe, die Gott dir schenkt, mit dir wachse, und dir dazu diene, denen Freude zu schenken, die dich mögen.
Dass du immer einen Freund hast, der es wert ist, so genannt zu werden. Dem du vertrauen kannst, der dir hilft.
Und noch etwas wünsche ich dir: dass du in jeder Stunde der Freude und des Schmerzes die Nähe Gottes spürst.
Das ist mein Wunsch für dich-heute und alle Tage."
Amen.

Vaterunser im Himmel, geheiligt werde dein Name,…

Lied NL 71 „Mögen sich die Wege“

Segen:
Der Herr segne dich und behüte dich,
der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig.
Der Herr erhebe sein Angesicht auf dich und schenke dir Frieden.
Amen.

 

Gottesdienst am 25. Juli 2021 - 8. Sonntag nach Trinitatis

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde,
herzlich willkommen bei unserem Lesegottesdienst für Sonntag, den 25. Juli 2021; es ist der 8. Sonntag nach Trinitatis.
Der Wochenspruch, der uns durch die neue Woche begleiten soll, steht im Epheserbrief, Kapitel 5, Verse 8b und 9:
„Wandelt als Kinder des Lichts; die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit.“
Eine gute und gesegnete Zeit wünscht Pfarrerin Anke Mühlenberg- Knebel.

Das Anfangslied ist heute „Liebster Jesu, wir sind hier“ EG 161, 1-3.

Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Amen.

Wir beten:
Herr, du Gott der Klarheit und des Lichtes. Du machst hell, was dunkel und bedrohlich ist.
Du erweckst, was wie abgestorben scheint.
Lass dein Licht auch durch uns in diese Welt strahlen, damit Menschen ermutigt werden, an dich zu glauben.
Das bitten wir durch unsern Herrn und Bruder Jesus Christus, das Licht der Welt heute und allezeit.
Amen.

Als biblische Lesung und Predigttext ist für heute ein Abschnitt aus dem 1.Korintherbrief vorgesehen, Kapitel 6, Verse 9-12 und 19-20:
„Oder wisst ihr nicht, dass die Ungerechten das Reich Gottes nicht ererben werden? Täuscht euch nicht! Weder Unzüchtige noch Götzendiener noch Ehebrecher noch Lustknaben noch Diebe noch Hab- gierige noch Trunkenbolde noch Lästerer noch Räuber werden das Reich Gottes ererben. Und solche sind einige von euch gewesen. Aber ihr seid reingewaschen, ihr seid geheiligt, ihr seid gerecht geworden durch den Namen des Herrn Jesus Christus und durch den Geist unseres Gottes. Alles ist mir erlaubt, aber nicht alles dient zum Guten. Alles ist mir erlaubt, aber nichts soll Macht haben über mich. Oder wisst ihr nicht, dass euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch ist und den ihr von Gott habt, und dass ihr nicht euch selbst gehört? Denn ihr seid teuer erkauft; darum preist Gott mit eurem Leibe.“
Amen.

Wir sprechen das Glaubensbekenntnis:
Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen,
den Schöpfer des Himmels und der Erde.
Und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn.
Empfangen durch den Heiligen Geist,
geboren von der Jungfrau Maria,
gelitten unter Pontius Pilatus,
gekreuzigt, gestorben und begraben.
Hinabgestiegen in das Reich des Todes;
am dritten Tage auferstanden von den Toten, aufgefahren in den Himmel.
Er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters.
Von dort wird er kommen zu richten die Lebenden und die Toten.
Ich glaube an den Heiligen Geist,
die Heilige christliche Kirche, Gemeinschaft der Heiligen,
Vergebung der Sünden,
Auferstehung der Toten und das ewige Leben.
Amen.

Lied „Gott gab uns Atem“ EG 432, 1-3

Predigt:

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater und von dem Herrn Jesus Christus.
Amen.

Liebe Geschwister,
am vergangenen Mittwoch haben wir uns das erste Mal mit der neuen Konfirmandengruppe getroffen, 11 Jugendliche waren da.
Beim ersten Treffen gehören immer Spiele und Aktionen dazu, damit man sich gegenseitig kennenlernen kann. Leider ist ja im Moment nichts mit viel Bewegung möglich, deshalb haben wir einen Fragebogen dagehabt, den sie beantworten sollten und mit dem/der Nebensitzenden besprechen. Eine Frage lautete: Was würdest du tun, wenn du für einen Tag BundeskanzlerIn wärest. Ein Konfirmand antwortete: Ich würde die ganzen Coronaregeln abschaffen!

Wenn wir auf die vergangenen 16 Corona- Monate zurückschauen, erinnern wir uns besonders an die vielen Regeln, die immer wieder neu aufgestellt und der jeweiligen Situation angepasst wurden. Viele Menschen haben sich daran gehalten, andere aber nicht. Es wurde immer wieder diskutiert, was hilfreich und sinnvoll ist, auch in den Medien. Teilweise leidenschaftlich, sogar erbittert diskutiert. Als in den letzten Wochen die Inzidenzzahlen deutlich fielen, haben wir uns gefreut, dass auf einmal wieder mehr Freiheiten und Möglichkeiten da waren. Aber auch hier ging es manchmal zu weit. Vor lauter Freu- de, endlich etwas von einem „normaleren“ Leben wiederzuhaben, wurden viele Schutzmaßnahmen einfach vergessen. Wie sich die großen Sportereignisse dieser Wochen, Fußball-EM und Olympiade, die Reisen, die lange aufgeschobenen und jetzt stattfindenden Feste auf die Entwicklung der Pandemie auswirken werden, bleibt noch abzuwarten.

„Alles ist mir erlaubt, aber nicht alles dient zum Guten!“ Ob diese vernünftige Maxime des Paulus von den Menschen wohl beherzigt wird? Sicher nicht von allen, das haben wir ja schon gemerkt.
„Alles ist mir erlaubt, aber nicht alles dient zum Guten!“ Der Apostel Paulus schreibt diese Worte an die christliche Gemeinde in Korinth in Griechenland. Korinth ist eine Hafenstadt. Seeleute und Reisende aus allen möglichen Ländern halten sich dort für kurze Zeit auf und wollen sich vergnügen. Die Stadt ist ein Schmelztiegel aller möglichen Nationen, Kulturen und Religionen. Menschen, die sich in ihrem Leben nie wieder begegnen werden, treffen dort zusammen. Man ist niemandem Rechenschaft schuldig und kann tun, was man will (und zuhause nie tun würde).

Wenn wir das heute mit den Erfahrungen lesen, die wir seit März letzten Jahres gemacht haben, so scheint dort genau die Lage zu bestehen, vor der die Menschen in unserer Zeit von WissenschaftlerInnen und PolitikerInnen immer gewarnt wurden. Die man mit strengen Regeln in den Griff bekommen will. Regeln, deren Einhaltung von Ordnungsämtern überprüft wurden. Regeln, die uns einleuchteten und an die wir uns gehalten haben. Regeln, die in Frage gestellt wurden und gegen die Menschen sich auflehnen, weil sie deren Sinn nicht einsehen. Paulus argumentiert vor einem ähnlichen Hintergrund. Auch damals schon gab es Regeln, sie wurden von verschiedenen Religionen aufgestellt, auch von den Regierenden. Nicht alle scheinen sich daran gehalten zu haben. Sie fühlten sich in ihrer persönlichen Freiheit beschränkt. Sie wollten ihren Vergnügungen nachgehen können, sich nichts vorschreiben lassen. Keine Rücksichten nehmen. Paulus zählt auf: Prostitution, Alkoholexzesse, Diebstahl, Ehebruch. Der Apostel weiß, welche Schäden ein solches ausschweifendes und rücksichtsloses Verhalten hervorrufen kann, für Körper und Seele. Beides gehört nämlich zusammen, das wusste man damals schon. Er macht in dem Briefabschnitt, der heute unser Predigttext ist, deutlich, dass das nicht geht. Aber er spricht keine weiteren Verbote aus, möchte nichts vorschreiben, sondern appelliert an die Vernunft der Christinnen und Christen: Lebt so verantwortungsvoll, dass ihr weder euch selbst noch anderen schadet. Er verurteilt die Menschen nicht, er möchte sie zu einem guten Leben motivieren. Sie können noch einmal neu anfangen, durch Jesus Christus. Er schreibt: „Reden wir nicht weiter über eure Sünden. Jesus hat euch reingewaschen, ein neuer Anfang ist möglich mit Gott, mit den Mitmenschen, mit euch selbst. Ergreift diese Chance.“

Liebe Geschwister!
Oft hat es in der letzten Zeit nichts gebracht, an die Vernunft der Menschen zu appellieren. Oder an ihr Verantwortungsgefühl. Aus welchen Gründen auch immer. Auch solche Menschen mit einem christlichen Hintergrund werden dabei gewesen sein.

Ich finde es sehr gekonnt, wie Paulus in seinem Brief argumentiert. Er sagt nicht: Macht, was ihr wollt. Für euch als Getaufte und von Christus Gerettete braucht ihr nichts mehr befürchten.
Er sagt: Lebt in eurer Zeit und unter euren Lebensbedingungen verantwortlich. Versucht es. Wenn Ihr dabei Fehler macht, schwach seid, wendet euch an Gott. Der wird euch dann einen neuen Anfang ermöglichen.
Wir werden in die Verantwortung gerufen, nicht davon freigemacht.
Die Korinther damals und wir heute gehören zur Gemeinde Jesu Christi. Weil das so ist, haben wir auch eine Aufgabe, meint Paulus. So leben, dass Gottes guter Geist Freude hat, in unser Leben einzuziehen.

„Ich kann tun, was ich will. Die anderen gehen mich nichts an. Ich sorge erstmal für mich.“ Dieses Denken ist- leider- menschlich und verbreitet. Es zieht sich durch die Menschheitsgeschichte hindurch.
Aus den Hochwassergebieten erreichen uns die Meldungen von Plünderungen und Betrügereien. Ein auf den ersten Blick wie ein Polizeiwagen aussehendes Fahrzeug fährt herum und verbreitet Falschmeldungen. Das ist sehr schlimm! Wir hier in Bühlertal ärgern uns zurzeit mal wieder sehr über die rücksichtslosen AutofahrerInnen, die vor der Kirche so parken, dass man mit dem Auto nicht in die Parklücken rein- oder rauskommt. Und wenn man die Leute drauf anspricht, sind sie oft ganz pampig! Das ist sehr ärgerlich! Möglicherweise entsteht eine solche Haltung bei den Menschen, die sich als den Mittelpunkt ihrer eigenen Welt verstehen. Die nach ihren eigenen Werten und Regeln leben wollen, ohne vor irgend- jemandem Rechenschaft ablegen zu wollen. Schon gar nicht vor Gott. Vielleicht entsteht eine solche Haltung, wenn man das eigene Leben durch den Tod begrenzt sieht, keine Hoffnung darüber hinaus hat. Dann muss ich ja versuchen, aus diesen Jahren, die mir zur Verfügung stehen, das Optimum herauszuholen. Denn danach ist nichts mehr. Mit dem Tod ist alles aus! Diesen Satz höre ich oft.
Für Paulus und ich hoffe- auch für uns alle- ist klar: Jesus Christus hat den Tod besiegt. Er ist auferstanden, als Zeichen für uns. Auch wir werden auferstehen, in ein neues, ganz anderes Leben bei Gott. Alles ist mir erlaubt, aber nicht alles dient zum Guten. Alles ist mir erlaubt, aber es soll mich nichts gefangen nehmen. Ich bin frei durch Jesus Christus. Schön dumm, sich dann selbst in Abhängigkeiten zu begeben.

„Zur Freiheit hat uns Christus befreit“, schreibt Paulus in einem anderen seiner Briefe. Zur Freiheit, die Verantwortung braucht.
Das ist christlich und vernünftig.
Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft zu fassen vermag, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.
Amen.

Lied „Liebe, die du mich zum Bilde“ EG 401, 1-3

Fürbitten:
Auf dich, Gott, vertrauen wir und beten zu dir:
Wir bitten für die Völker dieser Welt um Frieden und Versöhnung, für die Menschen, die in Politik, in Wissenschaft und Wirtschaft Verantwortung tragen, um Weisheit und Demut.
Für die Einflussreichen der Gesellschaft, dass sie die Interessen aller im Blick haben.

Wir bitten für deine Kirche weltweit und um unsere Gemeinde hier um Ausstrahlung und Klarheit im Reden und Handeln. Dass wir mit deiner guten Botschaft die Menschen begleiten und ihnen beistehen, besonders in den dunklen Stunden ihres Lebens.
Für die Kinder und Jugendlichen bitten wir, dass sie hier erfahren, worauf sie ihr Leben gründen können.

Wir bitten dich für die, die Trost und Hilfe brauchen, die einen lieben Menschen verloren haben, denen alles genommen wurde, was ihr Leben ausgemacht hat, wie die Menschen in den Hochwasser- gebieten, deren Schicksal uns in diesen Tagen sehr nahegeht.
Wir bitten für die, die den Anforderungen des Lebens nicht gewachsen sind und für die, die schwer erkrankt sind, stehe du diesen Menschen bei und zeige auch uns, was wir für sie tun können.

Wir bitten dich: Stärke uns als Christinnen und Christen, dass wir in dieser Welt zugleich frei und verantwortungsvoll leben können.

Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name, dein Reich komme, dein Wille geschehe,…

Lied „Herr, wir bitten, komm und segne uns“ EG 610, 1.3

Segen:
Herr, wir bitten, komm und segne uns, lege auf uns deinen Frieden.
Segnend halte Hände über uns, rühr uns an mit deiner Kraft.
So segne uns Gott, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist.
Amen.

 

Gottesdienst am 18. Juli 2021 - 7. Sonntag nach Trinitatis

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde!
„Schon gepackt?“, so ist unser Gottesdienst für kommenden Sonntag, den 18. Juli, überschrieben. Es ist der 7. Sonntag nach Trinitatis. Wir feiern ihn als Segensgottesdienst für die bald beginnende Reisezeit und für die Lebensreise überhaupt.
Einen gesegneten Sonntag wünscht Pfarrerin Anke Mühlenberg- Knebel.

Am Anfang steht das Lied EG 503, 1-3 „Geh aus, mein Herz, und suche Freud“

Im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Amen.

Gebet:
Aus der Unruhe unseres Lebens kommen wir zu dir.
Wir bringen alles mit, was uns bewegt: Freuden, Sorgen, Wünsche, Traurigkeiten.
Bei dir ist alles gut aufgehoben.
Wir sind bei dir gut aufgehoben.
Dafür danken wir dir.
Amen.

Wir lesen Psalm 121:
„Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen.
Woher kommt mir Hilfe?
Meine Hilfe kommt von dem Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat.
Er wird deinen Fuß nicht gleiten lassen, und der dich behütet, schläft nicht.
Siehe, der Hüter Israels schläft noch schlummert nicht.
Der Herr behütet dich; der Herr ist dein Schatten über deiner rechten Hand,
dass dich des Tages die Sonne nicht steche, noch der Mond des Nachts.
Der Herr behüte dich vor allem Übel, er behüte deine Seele.
Der Herr behüte deinen Ausgang und Eingang von nun an bis in Ewigkeit!"
Amen.

Wir bekennen unseren christlichen Glauben:
Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen,
den Schöpfer des Himmels und der Erde.
Und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn.
Empfangen durch den Heiligen Geist,
geboren von der Jungfrau Maria,
gelitten unter Pontius Pilatus,
gekreuzigt, gestorben und begraben.
Hinabgestiegen in das Reich des Todes;
am dritten Tage auferstanden von den Toten, aufgefahren in den Himmel.
Er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters.
Von dort wird er kommen zu richten die Lebenden und die Toten.
Ich glaube an den Heiligen Geist,
die Heilige christliche Kirche, Gemeinschaft der Heiligen,
Vergebung der Sünden,
Auferstehung der Toten und das ewige Leben.
Amen.

Lied EG 391, 1.4: „Jesu, geh voran, auf der Lebensbahn“

Predigt

Gnade sei mit euch u. Friede von Gott, unserem Vater, und von dem Herrn Jesus Christus!

Liebe Gemeinde! Schon gepackt?
Bald beginnen die Sommerferien. Familien und auch Einzelne packen ihre Koffer oder werden es in den nächsten Wochen noch tun. Es ist ja jetzt wieder mehr möglich, wo man hinreisen kann, trotz Corona. Schon in den letzten Monaten wurde von den Ferienfliegern berichtet, die wieder Ziele in Spanien, Griechenland oder anderswo ansteuern. Es lag auf einmal so etwas wie Aufbruchsstimmung, Urlaubsstimmung in der Luft. Nicht bei allen, aber doch bei sehr vielen Menschen. Andere wiederum sehen das sehr kritisch, machen sich Sorgen, was der zunehmende Reiseverkehr für Auswirkungen auf die Verbreitung der Pandemie haben wird. Dazu kommt: wenn man in diesen Tagen die Berichte aus den Hochwassergebieten im Westen Deutschlands und in Belgien sieht, dann ist die Vorfreude getrübt. So viele Menschen sind ums Leben gekommen, die Angehörigen und Überlebenden haben keine Ahnung, wie es weitergehen soll. An Urlaub denkt da keiner. Mancher hat noch nicht einmal einen Koffer mit dem Nötigsten packen können. An die Betroffenen wollen wir heute auch denken und in die Fürbitten miteinschließen.

Liebe Geschwister!
Hinter dem Reisen steckt so etwas wie eine Ursehnsucht. Wir wollen einmal alles hinter uns lassen können, was sonst unseren Alltag ausmacht. Neue Landschaften entdecken, eine neue Umgebung, neue Orte, neue Eindrücke. Das bekannte Zuhause hinter uns lassen, in dem wir in den letzten Monaten wie eingesperrt waren. Frei sein!
In einer fremden Umgebung noch einmal ganz anders sein können. Über die Weite des Meeres staunen. Auf einer Wiese zur Ruhe kommen. Die Erhabenheit eines Berges zu bewundern und beim Raufwandern hautnah spüren. Ein gutes Buch zu lesen. Zeit für Gespräche haben oder einfach fürs Nichtstun. Das sind Erfahrungen und Erlebnisse, mit denen wir unseren Ferienkoffer anfüllen möchten. Und auch die Menschen, die in den Ferien diesmal -oder überhaupt- lieber zuhause bleiben, werden bei Ausflügen und anderen Unternehmungen ihren Sehnsüchten nachgehen. Auch sie suchen Momente, die anders sind als das, was ihr Alltag ihnen sonst bietet.

„Unruhig ist unser Herz, bis es Ruhe findet in dir“. Mit diesen Worten hat vor über 1500 Jahren der Kirchenvater Augustinus uns Menschen beschrieben. „Zu dir, Gott, hast du uns geschaffen, und unser Herz ist unruhig, bis es Ruhe findet in Dir.“ Augustinus meint: Unruhig ist der Mensch, weil er noch nicht da ist, wo er hingehört, bei Gott.
Unser unruhiges Herz ist etwas Gutes, denn Gott selbst hat es uns gegeben, hat uns so erschaffen. Und es ist nicht auf ewig unruhig. Gott sagt uns zu: „Ich bin das Ziel deines Lebens. Bei mir kommst du an. Bei mir ist dein wirkliches Zuhause“. Diese Unruhe ist etwas Schönes, wie die Vorfreude auf den Urlaub, die sich schon beim Kofferpacken einstellt. Wenn man überlegt, was man alles mitnehmen möchte für da, wo man hinfahren wird. Wir stellen uns vor: wie schön wäre es, schon da zu sein. Die freudige Unruhe, diese unruhige Freude, die Augustinus meint, lenkt den Blick nach vorn, gibt uns die Kraft, loszugehen und auf ein Ziel zuzusteuern.
Es ist, als ob Gott sich selbst mit mir auf den Weg macht. Manchmal komme ich an. Ich bin am Ziel, stelle den Koffer und alles andere Lebens- Gepäck ab. Kann mich ausruhen, gewinne Abstand zu dem, was vorher mein Leben bestimmt hat. Die Anspannung wird weniger, die Unruhe geht ganz weg, ich muss nichts mehr tun, darf einfach nur da sein und den Augenblick genießen. Ein schönes Gefühl- ich bin da, wo ich immer hinwollte, ich habe mein Ziel erreicht. Und da fühle ich mich zuhause.

In den Ferien erleben das viele Menschen so, vielleicht aber auch im Alltag, wenn ich ein berufliches oder persönliches Ziel erreicht habe, wenn ich etwas geschafft habe, was viel Mühe und Aufregung ge -kostet hat. Und doch weiß ich: die Ruhe ist nicht ewig.
Irgendwann ist der schönste Urlaub zu Ende, dann geht es wieder zurück. Neue Herausforderungen werden kommen, neue Fragen werden wach, neue Ziele, auf die ich zusteuere, neue Sehnsucht stellt sich ein. Die Unruhe, die Gott mir ins Herz gegeben hat, wäre zu klein gedacht, wenn sie hier und jetzt schon zufriedengestellt wäre. Wir sind alle noch unterwegs. Solange wir leben. Und dabei kommen wir besser voran mit leichtem Gepäck.
Liebe Geschwister, für mich ist eine sehr wichtige Erfahrung im Urlaub, auf einmal zu merken, mit wie wenig man doch auskommt. Wir können ja nur so viel mitnehmen, wie wir selbst tragen können. Wir müssen Dinge loslassen und zurücklassen, die wir selbstverständlich zur Hand haben: kein voller Kleiderschrank, nur eine Auswahl, und auch das meiste davon bleibt doch ungetragen im Koffer. Kein gut bestückter Kühlschrank, nur etwas Reiseproviant.
Kein Terminkalender, der den Tag bestimmt, keine Anrufe, die man annehmen muss, auch der PC steht nicht unbedingt zur Verfügung. Es wäre auf jeden Fall besser, ihn zuhause zu lassen. Nur das Nötige dabei haben, mich auf das besinnen, was ich wirklich brauche. Einmal die Leichtigkeit des Seins zu spüren…

Liebe Schwestern und Brüder!
Wenn ich das so sage, fallen mir wieder die Menschen in den Überschwemmungsgebieten ein.
Die sich nicht in Ruhe vorbereiten konnten, nichts überlegt einpacken konnten, denen alles durch die Kraft des Wassers genommen wurde. Viele haben ihr Leben verloren haben oder trauern um liebe Menschen. Wir wollen sie nicht vergessen und über ihr Schicksal hinweg- gehen. Für sie können wir beten in diesen nächsten Sommerwochen. Und daran denken, dass jeder und jede von uns am Ende des Lebens einmal alles loslassen muss.

„Zu dir hin, Gott, hast du uns geschaffen, und unser Herz ist unruhig, bis es Ruhe findet in dir.“
Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft zu fassen vermag, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.
Amen.

Lied EG 395, 1-3 „Vertraut den neuen Wegen“

Fürbitten:
Herr, wir denken vor dir an die Opfer der Überschwemmungen in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und in den angrenzenden Regionen. Sie sind traurig und verzweifelt angesichts der Verluste ihrer Angehörigen, ihrer Häuser und ihrer Existenz.

Wir bitten dich: stärke die Solidarität aller, die der Katastrophe entronnen sind, die nicht selbst betroffen sind. Damit schnelle und richtige Nothilfe wieder neuen Lebensmut säen kann.

Wir bitten dich auch um Klugheit und Umkehr angesichts der nicht zu leugnenden Folgen des Klimawandels, damit wir und die nachfolgenden Generationen auch in Zukunft leben und das Leben, Sonne und Regen genießen dürfen.

Schütze die Menschen, die in der Reisezeit unterwegs sind oder die zuhause Erholung und Ruhe suchen. Lass den Urlaub auch eine Zeit des Nachdenkens sein über das, was für uns Menschen wirklich wichtig ist.

Lege auf uns alle deinen Segen.
Amen.

Alles, was wir Gott sonst noch sagen möchten, fassen wir zusammen in den Worten des Vaterunser-Gebetes:
Vater unser im Himmel,…

Lied NL 189, 1-3 „Sei behütet auf deinen Wegen“

Segen:
Sei behütet auf deinen Wegen, sei behütet auch mitten in der Nacht.
Durch Sonnentage, Stürme und durch Regen hält der Schöpfer über dir die Wacht.
Amen.

 

Gottesdienst am 11. Juli 2021 - 6. Sonntag nach Trinitatis und Konfirmation

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde,
heute finden Sie an dieser Stelle als Lesegottesdienst die Texte und Lieder, die in den beiden Konfirmationsgottesdiensten am Sonntag, dem 11. Juli, in der katholischen St. Michael- Kirche in Bühlertal vorkommen. Da unsere eigenen Kirchen für solche besonderen Anlässe zu klein sind, gewährt uns jedes Jahr eine der katholischen Kirchen vor Ort Gastrecht. In diesem Jahr sind wir besonders froh darüber, weil wir so die Konfirmandinnen und Konfirmanden, ihre Familien und ihre Gäste mit dem nötigen Abstand platzieren können. Als biblisches Motto haben wir ein Wort aus dem 1. Buch Mose, Kap. 12,2 über den Gottesdienst gestellt: „Ich will dich segnen, und du sollst ein Segen sein.“
Einen gesegneten Sonntag und eine gute neue Woche wünscht Pfarrerin Anke Mühlenberg-Knebel.

Der Gottesdienst beginnt mit Orgelmusik und dem Einzug der Konfirmandinnen und Konfirmanden und dem Kirchengemeinderat.

Das erste Gemeindelied ist „Aus den Dörfern und aus Städten“ (NL 2, 1.2)

Wir sind hier zusammen im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Amen.

Gebet:
Gott, wir feiern Konfirmation.
An diesem besonderen Tag suchen wir nach Antwort, was wichtig ist für unser Leben. Darum bitten wir, dass du uns schenkst, was wir brauchen: Worte, die weiterhelfen, Vertrauen, das mutig macht, Liebe, die uns lieben lässt, Hoffnung für unser Leben und für diese Welt.
Sei uns nahe mit deiner Liebe und Wahrheit, damit alles, was wir denken und tun, Sinn gewinnt.
Amen.

Die biblische Lesung und zugleich der Predigttext steht im 1. Buch Mose, Kapitel 12, Verse 1 und 2: „Und der Herr sprach zu Abraham: Geh aus deinem Vaterland und von deiner Verwandtschaft und aus deines Vaters Hause in ein Land, das ich dir zeigen will. Und ich will dich zum großen Volk machen und will dich segnen und dir einen großen Namen machen, und du sollst ein Segen sein."
Amen.

Ansprache:

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und von dem Herrn Jesus Christus.
Amen.

Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, liebe Festgemeinde,
„Ich will dich segnen, und du sollst ein Segen sein“, das haben wir gerade in der Lesung gehört. Es sind Worte Gottes an Abraham, aus dem Alten Testament. Abraham soll Abschied nehmen von seiner Heimat, soll sich aufmachen in ein neues Land, zu neuen Menschen.
Zu diesem Schritt sagt Gott ihm seinen Segen zu. Segen hat also mit Abschied zu tun. Das haben wir während der Zeit des Kirchlichen Unterrichtes, jedenfalls als er noch oder dann wieder in Präsenzform stattfinden konnte, auch so praktiziert.
Kurz, bevor der Unterrichtsnachmittag zu Ende geht, stellen wir uns im Kreis auf. Der erste hält seine Hände über die des Nachbarn, der seine Hände wie ein Schale nach oben geöffnet ausstreckt und sagt: „Der Herr segne dich.“ Der so Gesegnete hält dann seine Hände über die ausgestreckten Hände des Nachbarn/der Nachbarin und sagt: „Der Herr behüte dich.“ So geht es im Kreis reihum. Jeder segnet und wird selbst wieder gesegnet. Und dann verabschieden wir uns und gehen auseinander.

Heute, liebe Jugendliche, nehmen eure Eltern und Familien, ein Stück Abschied von euch und eurer Kindheit. Ihr seid nicht mehr die, die ihr letztes Jahr wart, als der Unterricht begann. Das kann man auf eurem Foto im Programmheft gut sehen. Ihr seid keine Kinder mehr, ihr seid Jugendliche, junge Leute, die sich aufmachen in ein neues Land, in das spannende Land der eigenen Wege, Träume und Wünsche. Ihr seid gewachsen in diesem einen Jahr, körperlich, aber vor allem an Erfahrungen, Eindrücken, Erlebnissen. Gute und schlechte Erfahrungen, vieles davon-leider- bedingt durch die Corona-Pandemie, in jedem Fall prägend, wegweisend für euch. Für euren Aufbruch in das neue Land „Leben“ begleiten euch die guten Worte und Wünsche von uns allen, und heute am Tag eurer Konfirmation, auch von Gott: „Ich will dich segnen“. Gott legt seine ganze Liebe in euch und euren Weg hinein. Egal, was kommt, Gott ist und bleibt mit euch unterwegs. Gott will dich segnen. Deshalb kannst du deinen Weg vertrauensvoll gehen, mit einer gewissen Leichtigkeit, Neugier und Freude: Du bist Gottes geliebtes Kind.

„Und du sollst ein Segen sein.“ Von Gott Gesegnete können und sollen für andere zum Segen werden. So, wie ihr es im Segenskreis schon erfahren habt, gebt ihr den Segen weiter. In der Bibel, da bedeuten das griechische und hebräische Wort für Segen so viel wie Dank und Dankbarkeit. Aus der Dankbarkeit wird das Empfangene an andere weitergegeben. Gesegnete Menschen fühlen, denken und handeln als liebende, wertschätzende und verantwortungsbewusste Geschöpfe Gottes. Alle Menschen, Tiere, Pflanzen brauchen eure segnenden Hände. Bei euch soll kein Platz für Vorurteile sein und Vorbehalte, schon gar nicht für Hass und Gewalt. Gesegnete mischen sich ein als Christinnen und Christen, in der Kirche, in der Schule, im politischen und gesellschaftlichen Alltag, zu Hause, bei der Arbeit, im Verein. Als Salz der Erde und Licht der Welt, wie die Bibel an anderer Stelle formuliert.

Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden:
Ich sehe hier vor mir in der ersten Bank sitzend lauter wunderbare junge Leute, mit unheimlich viel Segens- Potential und -Power. Macht was draus! Was Gutes!
Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft zu fassen vermag, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.
Amen.

Lied: „Ins Wasser fällt ein Stein“ (EG 648, 1-3)

Einsegnung der Konfirmandinnen und Konfirmanden,
dabei sprechen wir gemeinsam das Glaubensbekenntnis:

Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen,
den Schöpfer des Himmels und der Erde.
Und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn.
Empfangen durch den Heiligen Geist,
geboren von der Jungfrau Maria,
gelitten unter Pontius Pilatus,
gekreuzigt, gestorben und begraben.
Hinabgestiegen in das Reich des Todes;
am dritten Tage auferstanden von den Toten, aufgefahren in den Himmel.
Er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters.
Von dort wird er kommen zu richten die Lebenden und die Toten.
Ich glaube an den Heiligen Geist,
die Heilige christliche Kirche, Gemeinschaft der Heiligen,
Vergebung der Sünden,
Auferstehung der Toten und das ewige Leben.
Amen.

Lied nach der Einsegnung „Lobe den Herrn, meine Seele“ (NL 68)

Gebet:
Herr, wir bitten dich für diese elf Jugendlichen:
Lass sie offen und hoffnungsvoll ihrer Zukunft entgegensehen.
Schenke ihnen einen Blick für die Mut machenden und schönen Dinge des Lebens.
Hilf ihnen, mit Unsicherheiten und Enttäuschungen fertig zu werden.
Lass sie Gemeinschaft und Geborgenheit erfahren.
Segne sie mit deiner Liebe und lege Frieden und die Kraft zum Guten in ihr Herz.
Amen.

Alles, worum wir Gott sonst noch bitten möchten, sagen wir mit den Worten des Vaterunsergebetes: Vater unser im Himmel, …

Lied im 1. Konfirmationsgottesdienst „Herr, wir bitten, komm und segne uns“ (EG 610, 1.2)

Lied im 2. Konfirmationsgottesdienst „Wer nur den lieben Gott lässt walten“ (EG 369, 1.7)

Segen: Gott spricht: „Ich will dich segnen, und du sollst ein Segen sein.“
Amen.

Orgelmusik und Auszug der Konfirmierten, des Kirchengemeinderates und der Gemeinde

 

Gottesdienst am 04. Juli 2021 - 5. Sonntag nach Trinitatis

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde,
herzlich willkommen zum Lesegottesdienst für Sonntag, den 4. Juli 2021, den 5. Sonntag nach Trinitatis. Der Wochenspruch aus Epheser 2, Vers 8 soll uns durch die neue Woche begleiten: „Aus Gnaden seid ihr gerettet durch Glauben, und das nicht aus euch: Gottes Gabe ist es.“
Einen gesegneten Sonntag und eine gute neue Woche wünscht Pfarrerin Anke Mühlenberg- Knebel

Am Anfang steht das Lied EG 504, 1-3 „Himmel, Erde, Luft und Meer“

Im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Gebet:
Ewiger Gott,
immer wieder berufst du Menschen,
dass sie dein Wort verkünden und deine Liebe weitergeben.
Lass deinen Heiligen Geist unter uns wirken.
Damit in unseren Worten dein Wort hörbar wird, in unserem Tun deine Taten sichtbar werden, in unserer Liebe deine Liebe spürbar wird. Das bitten wir dich durch Jesus Christus.
Amen.

Der Lesungs- und zugleich der Predigttext steht im 1. Korintherbrief, Kap. 1, Verse 18- 25:
Denn das Wort vom Kreuz ist eine Torheit denen, die verloren werden; uns aber, die wir selig werden, ist es Gottes Kraft. Denn es steht geschrieben: “Ich will zunichtemachen die Weisheit der Weisen, und den Verstand der Verständigen will ich verwerfen!“
Wo sind die Klugen? Wo sind die Schriftgelehrten? Wo sind die Weisen dieser Welt? Hat nicht Gott die Weisheit der Welt zur Torheit gemacht? Denn weil die Welt durch ihre Weisheit Gott in seiner Weisheit nicht erkannte, gefiel es Gott wohl, durch die Torheit der Predigt selig zu machen, die da glauben. Denn die Juden fordern Zeichen und die Griechen fragen nach Weisheit, wir aber predigen Christus, den Gekreuzigten, den Juden ein Ärgernis und den Heiden eine Torheit; denen aber, die berufen sind, Juden und Griechen, predigen wir Christus als Gottes Kraft und Gottes Weisheit. Denn die göttliche Torheit ist weiser, als die Menschen sind, und die göttliche Schwachheit ist stärker, als die Menschen sind.
Amen.

Wir bekennen unseren christlichen Glauben:
Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen,
den Schöpfer des Himmels und der Erde.
Und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn.
Empfangen durch den Heiligen Geist,
geboren von der Jungfrau Maria,
gelitten unter Pontius Pilatus,
gekreuzigt, gestorben und begraben.
Hinabgestiegen in das Reich des Todes;
am dritten Tage auferstanden von den Toten, aufgefahren in den Himmel.
Er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters.
Von dort wird er kommen zu richten die Lebenden und die Toten.
Ich glaube an den Heiligen Geist,
die Heilige christliche Kirche, Gemeinschaft der Heiligen,
Vergebung der Sünden,
Auferstehung der Toten und das ewige Leben.
Amen.

Lied EG 409, 1-3 „Gott liebt diese Welt“

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater und von dem Herrn Jesus Christus!

Liebe Geschwister,
meine Großeltern wohnten in einem kleinen, sehr katholisch geprägten Ort in Niederbayern. In meiner Kindheit sind wir jedes Jahr in den Sommerferien zu ihnen fahren, um sie zu besuchen. Das war schön. Neben meinen Großeltern wohnte eine Familie, mit der sie gut befreundet waren, Familie Anzeneder. Wenn wir zu Besuch waren, haben wir oft gemeinsam etwas mit den Anzeneders unternommen, die Kinder in unserem Alter hatten. Da die Familie dem katholischen Glauben sehr eng verbunden war, zeigten sie uns auch gerne die prachtvollen barocken Kirchen, die es in Bayern gibt. Für uns Kinder war das weniger spannend, manchmal fast schon etwas gruselig.
Da hingen ja nicht die schlichten Kreuze, die wir aus dem Rheinland gewohnt waren, sondern riesige Kruzifixe. Mit einem lebensgroßen Christus daran. Gekreuzigt, blutüberströmt, leidend; als Kind schaute ich mir das gar nicht gerne an; ich konnte nicht verstehen, warum man so eine Jesus-Darstellung in den Kirchen angebracht hatte. Gab es nicht viele andere, friedlichere und „schönere“ Varianten? So, wie in unserer Christuskirche hier oder in der Kapelle zum Guten Hirten. In meiner früheren Gemeinde am Niederrhein gab es sogar nur ein ganz kleines unscheinbares Kreuz, das auf dem Altar stand; dort war die reformierte Tradition bei der Kirchenausstattung prägend.

Auch heute tun sich viele Menschen mit der Darstellung des Gekreuzigten schwer. Sie sagen: ich kann da nicht hinschauen. Im Gerichtssaal zum Beispiel. Es ist das abschreckende Bild eines Menschen, der zu Tode gefoltert wurde. Auch in Schulen oder Klassenzimmern soll das Kruzifix nicht aufgehängt werden, fordern sie. Andere argumentieren eher theologisch und sagen: wir leben doch nach Ostern. Christus ist auferstanden, er hängt gar nicht mehr da am Kreuz!

Es ist schon ein Kreuz mit dem Kreuz. Es stört-verstört-empört. Also weg damit?

Das Kreuz mit dem Kreuz, das hatten die Christinnen und Christen schon seit ihren Anfängen. Auch schon zu der Zeit, als es noch gar nicht das Symbol des christlichen Glaubens war. Das wurde es erst im Laufe der ersten Jahrhunderte. Die ältesten Darstellungen Jesu zeigen ihn als den guten Hirten. Oder sie benutzten den Fisch als geheimes Erkennungszeichen. Bis sich das Kreuz dann durchsetzte. Aber nicht alle fanden das gut. Schon die ersten Christinnen und Christen hatten ihre Mühe mit dem Kreuz - z.B. die christliche Gemeinde in Korinth, im heutigen Griechenland. Die Menschen dort störten sich daran, dass Paulus so ein ernster Prediger war, nicht immer so wortgewandt, spröde. Konnte er nicht eloquenter sein, freundlicher, smarter? Stattdessen kam Paulus immer wieder auf das Kreuz zu sprechen. Wie wichtig das doch sei. Tod, Sterben, Schuld, Vergebung. Die Menschen konnten es schon gar nicht mehr hören. Es kam ihnen zu den Ohren heraus. Wir haben ja gerade in der Lesung schon gehört, was der Apostel ihnen in seinem Brief geschrieben hat.

Das Kreuz, ein Ärgernis, auch damals schon. Die Menschen jüdischen Glaubens störten sich daran. Wie kann das sein, wollten sie wissen. Das soll Gott sein? Der Retter Israels, der Messias, der große Held, der die Welt befreit- hingerichtet als Verbrecher, verspottet, gequält, von den Menschen und von Gott verlassen. Nein, das kann nicht Gott sein. Hört auf, so von ihm zu sprechen: „Den Juden ein Ärgernis und den Griechen eine Torheit…“

Die Griechen, das meint diejenigen, die einen heidnischen Glauben hatten. Sie fragten nach Beweisen, nach Weisheit, Verstehbarkeit, Logik und Vernunft. Das macht doch alles keinen Sinn, was du da erzählst, Paulus, meinten sie, deine Geschichten vom Kreuz. Weil er die Welt retten will, sucht er dann diesen komischen Weg? Gott hätte sich etwas anderes einfallen lassen können: Engel, Lichtgestalten, himmlische Wesen. Aber ein Mensch, geschlagen, gefoltert und getötet am Kreuz? Nein, das akzeptieren wir nicht.

„Den Juden ein Ärgernis und den Griechen eine Torheit.“

Damals wie heute. Das Kreuz ist unbequem, lästig.

Gott aber hat ganz bewusst das Bild des Gekreuzigten gewählt. Ein Mensch voller Liebe, am Ende einsam, von den Freunden verlassen und von den Feinden verspottet, gequält, auf die denkbar grausamste Weise getötet. Ein Mensch voller Leid.
Nur, wir mögen dieses Bild nicht. Darin zeigt sich nichts von menschlicher Größe und Schönheit. Es zeigt sich darin, was ein Mensch dem anderen antun kann: Hass, Gewalt, Niedertracht, all das, zu dem wir fähig sind. Nicht Gott hat Jesus zum Tode verurteilt, sondern Menschen. Gott ist in ihm Mensch geworden. Er hat erfahren, wie es ist, Mensch zu sein. Er hat für uns alles auf sich genommen. In Jesus lässt Gott sich demütigen, ist nackt und ungeschützt in dieser Welt. Die Menschen verspotten ihn, töten ihn. Und doch breitet er am Kreuz die Arme über ihnen aus; sie sind von seiner Liebe umgeben, auch, wenn sie das Schlimmste tun, was man sich vorstellen kann.

In den ausgebreiteten Armen des Gekreuzigten hat Gott die Welt umfangen und sie gesegnet. Sogar die gesegnet, die ihm fluchen. Die ihn verfolgen, verachten und vernichten wollen. Der Segen Gottes liegt auf uns. Wie der Segen ganz am Ende des Gottesdienstes ist er Gottes Dienst an uns. Er erinnert mich daran, dass Gott mich erlöst und befreit. Er breitet seine Arme aus und umarmt damit die Welt. Auch dich und mich. Deshalb ist das Kreuz nicht mehr angsteinflößend, sondern hell und heilsverheißend. Es steht für Gottes Kraft und Gottes Liebe. Das, liebe Geschwister, können wir bei Paulus lernen. Amen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft zu fassen vermag, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.
Amen.

Lied EG 409, 4-6

Fürbitten:
Himmlischer Vater, wir bitten dich, dass wir uns auf dein Wort einlassen können in den guten und in den schweren Zeiten unseres Lebens.
Wir bitten dich für die Menschen, die uns begleiten auf unseren Wegen, für unsere Familie, unsere Freunde. Schenke uns, dass unsere Liebe nicht einschläft, sondern immer wieder neu erwacht.
Wir bitten dich für unsere Gemeinde, dass die Menschen deine gute Botschaft hören und dir vertrauen, dass sie füreinander da sind und für alle, die ihre Hilfe brauchen.
Wir bitten dich für die Welt, in der wir leben, dass die Menschen friedlich zusammenleben, die Schwachen stärken und alles tun, was dem Leben dient.
Amen.

Wir beten: Vater unser im Himmel geheiligt werden dein Name,…

Lied NL 71, 1 und 2 „Mögen sich die Wege“

Segen: So segne euch Gott, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist.
Amen.

 

Gottesdienst am 27. Juni 2021 - 4. Sonntag nach Trinitatis

Lied: EG 455, Verse 1 und 2 „Morgenlicht leuchtet“

Votum:
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Der Herr sei mit euch (und mit deinem Geist)

Psalm: EG 724 (Ps 42, 2-6)
Wie der Hirsch schreit nach frischem Wasser,
so schreit meine Seele, Gott, zu dir.
Meine Seele dürstet nach Gott,
nach dem lebendigen Gott.
Wann werde ich dahin kommen,
dass ich Gottes Angesicht schaue?
Meine Tränen sind meine Speise Tag und Nacht,
weil man täglich zu mir sagt:
Wo ist nun dein Gott?
Daran will ich denken
und ausschütten mein Herz bei mir selbst:
wie ich einherzog in großer Schar,
mit ihnen zu wallen zum Hause Gottes
mit Frohlocken und Danken
in der Schar derer, die da feiern.
6Was betrübst du dich, meine Seele,
und bist so unruhig in mir?
Harre auf Gott; denn ich werde ihm noch danken,
dass er mir hilft mit seinem Angesicht.
Amen.

Loblied: EG 317 Vers 1 "Lobe den Herren, den mächtigen König............"

Die Schriftlesung des heutigen Sonntags, den 4. Sonntag nach dem Trinitatis Fest,
finden wir im 1. Mose Buch, Kapitel 50, Verse 15-21

Die Brüder Josefs aber ............
................. Und er tröstete sie und redete freundlich mit ihnen.

Selig sind die das Wort Gottes hören und bewahren.
Halleluja (Halleluja, Halleluja).

Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus.

Wir lesen jetzt den Bibelabschnitt, mit dem wir uns in der Predigt beschäftigen werden. Wie Sie sehen und hören werden, wird die Predigt heute etwas anders ablaufen als das normal der Fall ist.
Wir hören jetzt die bekannte Geschichte von dem Besuch von Nikodemus bei Jesus aus dem Johannesevangelium, Kapitel 3, Verse 1-16

1 Es war aber ein Mensch unter den Pharisäern mit Namen Nikodemus, einer von den Oberen der Juden.2 Der kam zu Jesus bei Nacht und sprach zu ihm: Meister, wir wissen, du bist ein Lehrer, von Gott gekommen; denn niemand kann die Zeichen tun, die du tust, es sei denn Gott mit ihm.3 Jesus antwortete und sprach zu ihm: Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Es sei denn, dass jemand von neuem geboren werde, so kann er das Reich Gottes nicht sehen.
4 Nikodemus spricht zu ihm: Wie kann ein Mensch geboren werden, wenn er alt ist? Kann er denn wieder in seiner Mutter Leib gehen und geboren werden?5 Jesus antwortete: Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Es sei denn, dass jemand geboren werde aus Wasser und Geist, so kann er nicht in das Reich Gottes kommen.6 Was vom Fleisch geboren ist, das ist Fleisch; und was vom Geist geboren ist, das ist Geist.7 Wundere dich nicht, dass ich dir gesagt habe: Ihr müsst von neuem geboren werden.8 Der Wind bläst, wo er will, und du hörst sein Sausen wohl; aber du weißt nicht, woher er kommt und wohin er fährt. So ist es bei jedem, der aus dem Geist geboren ist.
9 Nikodemus antwortete und sprach zu ihm: Wie kann dies geschehen?10 Jesus antwortete und sprach zu ihm: Bist du Israels Lehrer und weißt das nicht?11 Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Wir reden, was wir wissen, und bezeugen, was wir gesehen haben; ihr aber nehmt unser Zeugnis nicht an.12 Glaubt ihr nicht, wenn ich euch von irdischen Dingen sage, wie werdet ihr glauben, wenn ich euch von himmlischen Dingen sage?13 Und niemand ist gen Himmel aufgefahren außer dem, der vom Himmel herabgekommen ist, nämlich der Menschensohn.
14 Und wie Mose in der Wüste die Schlange erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden,15 damit alle, die an ihn glauben, das ewige Leben haben.16 Denn also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.17 Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, dass er die Welt richte, sondern dass die Welt durch ihn gerettet werd

Herr wir bitten, dass wir unser Herz für dein Wort öffnen, damit wir es verstehen und es in unserem Alltag einbringen können.

Liebe Gemeinde,
Stellen Sie sich vor: Es ist dunkel. In der Hauptstrasse sehen Sie einen Mann der aufgeschreckt reagiert, wenn sie fast mit ihm zusammenstoßen, und sich schnellstens davon macht. Zu Ihrem Erstaunen bemerken Sie: Aber das ist doch jemand vom Oberkirchenrat?! Was macht der denn hier? Wenn Sie ihn nachschauen, sehen noch wie er gerade in einer Seitenstraße verschwindet und bei einem Haus anklopft und hereingelassen wird.

So, oder ähnlich, könnte das damals in Jerusalem gegangen sein. Nikodemus, ein bekannter Theologe, Mitglied vom Sanhedrin, der sich im Dunkel zu einem Treffen mit einem Wanderrabbi trifft – jemand der Mittelpunkt vieler Gespräche ist. Von dem Bericht dieses Gesprächs, wie das uns im Johannesevangelium überliefert ist, bekommen wir den Eindruck, dass er aus eigener Initiative dieses Gespräch angeht – aus Neugierigkeit so gesagt. Für einen Theologen eigentlich gar nicht schlecht.

Wenn unser Nikodemus gedacht hätte sich als hochgelehrter und angesehener Theologe als der überhebliche Fragensteller darstellen zu können, erlebte er eine böse Überraschung.
Jesus verwendete Worte und Begriffe, die Nikodemus aus seiner Vorstellung nicht kannte. Aber wir müssen es in ihm preisen, dass er nicht gleich abgehauen ist, sondern versuchte wirklich zu verstehen was dieser Jesus mit diesen Worten meinte, und was er weiter vorhatte.
Was ihm offensichtlich einfach überfallen hat, ist die Idee des Wiedergeburts. Jesus stellte das in der Idee des kommenden Gottesreiches sehr zentral. Nicht das Abarbeiten vieler Regeln, nicht die Auslegung von den Aussagen von Rabbinern von heute, gestern oder vorgestern – sondern einen geistliche Neuanfang des Lebens.

Es fand auch kein theologisches Fachgespräch statt wie Nikodemus sich das vielleicht erhofft hatte, sondern eine Begegnung - eine Person wurde mit Jesus und seiner Botschaft konfrontiert.
Das erste das wir uns bewusst sein müssen, ist, dass Nikodemus mit einer Seite von Denken über Gott konfrontiert wurde die ganz außerhalb seiner Vorstellungen lag. Er dachte, dass er alles wusste, aber das Entscheidende wie man Gott begegnet – das hat er verfehlt, das wusste er nicht.
Interessant ist, dass uns in dem Johannesevangelium nicht erzählt wird, wie Nikodemus am Ende reagierte. Wir hätten es gerne so gedreht, dass gleich am Ende eine eindeutige Bekehrung von Nikodemus stand. So geht es aber nicht aus – trotzdem wird uns an einer anderen Stelle in den Evangelien Nikodemus als Jünger Jesus genannt. Nicht so sehr in aller Öffentlichkeit – das war mit seiner Position das doch nicht im Einklang zu bringen – aber das Gespräch, das uns beschrieben wird, hatte, vielleicht etwas verzögert, offensichtlich dann doch eine positive Auswirkung.

Aber letztendlich geht es in dieser Geschichte nicht, oder nicht nur, um Nikodemus. Es geht genauso gut um uns. Auch wir haben vielleicht Ideen wie man ein guter Christ wird. Vielleicht meinen wir auch schon alles zu verstehen was es mit dem Glauben auf sich hat, entweder weil man uns das immer so erzählt hat oder weil wir unsere Kenntnisse erweitert haben weil wir viel dazu gelesen haben.
Liebe Gemeinde, früh oder spät bedroht uns alle diese Gefahr. Entweder sind wir noch gefangen in der Idee der Volkskirche – jeder guter Bürger ist mehr oder weniger gläubig, was er damit macht ist aber völlig unwichtig, wenn er sich gesellschaftlich nur brav einordnet. Oder wir haben eine Art von persönlicher geistlicher Erweckung erlebt und wir meinen, dass alle anderen um uns herum das auf gleicher Art und Weise erleben müssen – sonst sind sie doch nicht wirklich Christ.
Die Gefahr besteht, dass wir Gott schon in unser System, wie das auch aussieht, eingepasst haben.
So soll er sein oder handeln – damit kommen wir zurecht. Etwas anderes macht uns unsicher.
Aber, wie gesagt, in der Nikodemusgeschichte passiert etwas anderes. Er sucht ein Gespräch mit Jesus und wird konfrontiert mit einer Seite von Gott, den er bisher nicht kannte. Und, vielleicht erstaunlich – er kann das aushalten. Und er ist in der Lage sein Denken zu ändern. Das ist auch für uns die Herausforderung, wenn wir diese bekannte Geschichte zum -zigten Mal lesen oder hören.

Zuerst mal zu dem Aspekt der wiedergeboren werden. Nun ist es leider so dass dieser Begriff in unserer reformierten oder lutherischen Tradition etwas in den Hintergrund gedrungen wurde. Taufe und Konfirmation sollten doch wohl reichen, war eine weitverbreitete Idee. Als Gegenbewegung kam dann, in vielen Fällen aus dem amerikanischen Evangelikalismus, eine Neubelebung von dem Begriff „Wiedergeboren“ (Born Again), mit dem man meistens eine Entscheidung meinte, um Glaube an Jesu und seine Versöhnung persönlich zu akzeptieren. Wahrscheinlich habe einigen von uns, und übrigens auch ich, dass dann auch so in ihrem Glaubensleben als segensreich erfahren. Leider haben in den letzten Jahren unsere amerikanischen Glaubensgeschwister den Begriff „Born-Again“ etwas ungeschickt eingesetzt, so dass es für vielen Außenstehenden inzwischen fast zu einem Schimpfwort wurde, weil man diese persönlicheJesus-Erfahrung auch mit Identifikation mit bestimmten politischen Standpunkten einer politischen Partei gleichgestellt hat. Das hat dann wieder als Folge, dass wenn wir jetzt von Wiedergeburt sprechen, man in der Öffentlichkeit oft gleich in diese politische Ecke gestellt wird. Also die höchste Zeit, um mal zurück zu dem Ursprung dieses Begriffes zu gehen, wie wir das in unserem Text finden.

Weil in diesem Abschnitt geht es nicht darum jetzt bestimmte politische Standpunkte ein zu nehmen. Es geht darum, dass man bereit ist sich auf einem Neubeginn mit Gott ein zu lassen, wo man als Geschöpf ein Leben mit Gott noch mal ganz von vorne verstehen lernt. Wo man zuerst vieles nicht versteht, trotzdem in Liebe aufgehoben wird, und sich allmählich weiter entwickelt.
Eine der zentralen Fragen aus diesem Abschnitt ist, ob wir, wenn wir das noch nie gemacht haben, auch dazu bereit sind.

Aber auch wenn das so ist, bedeutet das nicht, dass damit alles schon vorgegeben ist. Wie bei jedem Kind, das sich entwickelt und aufwächst, bedeutet es auch dass es im Glauben eine große Verschiedenheit an Formen gibt, wie man seinen Glauben am beste gestaltet und weiterentwickelt. Da gibt es heutzutage eine große Auswahl an Formen und Gepflogenheiten – vielleicht wohl einiges zu viel, könnte man sagen. Also – Wiedergeburt ja, aber nicht als Idee, dass man gleich von einer bestimmten Richtung vereinnahmt wird, und was man zu tun und zu sagen hat schon alles vorgegeben ist.

Das bringt uns dann fast automatisch zu dem Aspekt von „aus dem Geist geboren werden“ – und zu der Aussage, dass der Geist „bläst wohin er will“. Wenn wir ehrlich sind, haben wir Evangelischen oft etwas Berührungsängste, wenn es um diesen Geist geht. Die Bedeutung von einem Fest wie Pfingsten für uns jetzt, finden wir dann auch oft schwer zu erklären. Natürlich, wir erkennen brav an, dass es diesen Heiligen Geist gibt – aber versuchen auch alles um ihn in vorgefertigte Bahnen zu leiten. Wenn er schon bläst, dann zurren wir gerne alles fest, damit nichts durcheinander kommt, und alles bleibt wie es ist. Ich möchte damit nicht behaupten, dass man alles an kirchlichen Strukturen gleich über Bord werfen soll, aber etwas mehr Lockerheit zum Beispiel in unseren Gottesdiensten würde uns ab und zu bestimmt gut tun. Liturgie ist bestimmt sehr hilfreich (sie verstehen: als von der Landeskirche beauftragter Prädikant kann ich kaum etwas anders sagen) – aber es ist nicht das Einzige. Es macht mir dann auch immer etwas Spass, wenn ungeplant in einem Gottesdienst einige Sachen dann auch mal etwas anders laufen als geplant.

Ja, liebe Gemeinde, der Nikodemus musste sich aus seiner Schale der Tradition befreien, um Jesus zuhören zu können. Wir haben die gleiche Herausforderung. Und manchmal kommt uns dabei das Leben zu Hilfe. Wir waren im letzten Jahre wegen der Pandemie gezwungen auf einmal Altes und Vertrautes zurück zulassen und neue Formen zu suchen und aus zu probieren. Ich kann mir natürlich vorstellen, dass wir alle auch mal zurückverlangen nach einem altmodischen Gottesdienst: Lieder Singen bis man außer Atem ist, endlose Predigten die nicht nach 15 Minuten auf einmal zu Ende zu sein. Trotzdem sollte es uns bewusst sein, dass wir aus dieser Zeit auch gelernt haben, was uns am wichtigsten ist und wie wir neue Formen entwickeln können, wenn die Alten nicht mehr passen. Ich hatte vor dieser Pandemie-zeit mir auch nicht vorstellen können, dass man Hauskreise, über Zoom Meetings organisieren kann, und es sogar schafft, um Gebetsrunden am Computer zu organisieren. Auch wenn sich in den kommenden Monaten vieles wieder normalisieren wird, wir sollten offen bleiben diese neuen Erfahrungen mit zu nehmen und weiter zu verwenden.

Liebe Gemeinde, dass gehört alles zum Risiko, wenn man die Begegnung mit Jesus sucht: Es kommt oft anders – aber der Person Jesus bleibt derselbe liebende Erlöser.
Nikodemus hat es verstanden, ich kann nur beten, dass, wenn wir gleich den Gottesdienst verlasen, wir die gleiche Erfahrung machen.
Amen.

Lied: EG 362 Verse 1 und 3 "Ein feste Burg ist...."

Fürbitten:

Herr wir bitten, dass wir für uns die Wahl machen Jesus zu suchen und seine Fragen zu beantworten, auch wenn sie uns zuerst mal in Verlegenheit bringen. Wir danken, dass du uns, ja die ganze Welt so lieb hast, dass du uns ewiges Leben geben möchtest.

Herr, wir bitten für unser Zeugnis in unserer Umgebung. Wir bitten, dass wir auch in unserer Umgebung zeigen können was so ein Leben mit dir als Neugeborene bedeutet. Was es für uns als Kirchengemeinde bedeutet, und was er für unsere Motivation bedeutet uns in der Gesellschaft zu der wir gehören, uns zu engagieren.

Herr wir bitten für alle die Krank sind. Wir bitten, dass du Heilung schenkst, und dass du das Leiden milderst.

Herr, wir beten für die Lage in der Welt. Wir bitten, dass die Verantwortliche Behörden und wir ihre Sorgepflicht ernst nehmen und alles mögliche tun um Menschen zu helfen.
Wir bitten für die Bundesregierung und für unsere Landesregierung, dass du den Verantwortlichen Weisheit schenkst die richtigen Entscheidungen zu treffen wie unser Land, wie unsere Städte in der Zukunft aussehen werden.

Und wir beten jetzt in der Stille weiter.

Lasst uns gemeinsam beten, wie der Herr uns zu beten gelehrt hat:

Vater unser im Himmel. / Geheiligt werde dein Name. / Dein Reich komme. / Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden. / Unser tägliches Brot gib uns heute. Und vergib uns un¬sere Schuld / wie auch wir vergeben unsern Schuldigern. / Und führe uns nicht in Versuchung / sondern erlöse uns von dem Bösen. / Denn dein ist das Reich / und die Kraft / und die Herrlichkeit / in Ewigkeit. Amen.
Der Friede Gottes welcher höher ist als alle Vernunft bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Lied: EG 503 Verse 1 und 15 "Geh aus mein Herz und suche Freud........"

Der Spruch für die kommende Woche lautet:
Einer trage des anderen Last. So werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen. (Gal 6:2)

Segen:
Der Herr segne euch und behüte euch.
Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über euch und sei euch gnädig.
Der Herr hebe sein Angesicht über euch und gebe euch Frieden.
Amen.

(Prädikant Rouw)

Gottesdienst am 20. Juni 2021 - 3. Sonntag nach Trinitatis

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde,
seien Sie/seid ihr herzlich begrüßt zum Lesegottesdienst für den 20. Juni 2021,
den 3. Sonntag nach Trinitatis.
Der Wochenspruch, der uns durch die nun beginnende neue Woche begleiten soll, weist uns auf das Thema des Sonntags hin:
„Der Menschensohn ist gekommen, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist.“ (Lukas 19, 10).
Sind das nicht sehr gute Nachrichten? Wir sind für Gott so unendlich wichtig, dass er keinen Menschen jemals aufgibt! Das und noch einiges mehr steckt in den beiden Gleichnissen aus Lukas 15, die heute Lesungs- und Predigttext sind.
Einen gesegneten Sonntag und eine gute neue Woche wünscht Pfarrerin Anke Mühlenberg-Knebel.

Am Anfang steht das Lied „Geh aus, mein Herz und suche Freude“ (EG 503, 1.2.4)

Im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Amen.

Gebet:
Treuer Gott,
manchmal fühlen wir uns so verloren:
innerlich entfernt von dir, von den Mitmenschen, von uns selbst.
Dann können wir uns selbst nicht leiden.
Wir bitten dich:
Hol uns zurück aus unserer Gott-Ferne, zu dir in die Geborgenheit deines Hauses,
in die Gemeinschaft der Menschen, die an dich glauben.
Treuer Gott, erbarme dich.
Amen.

Der Lesungs- und zugleich Predigttext steht im Lukas-Evangelium, Kap. 15, Verse 1- 10:
„Es nahten sich ihm (Jesus) aber alle Zöllner und Sünder, um ihn zu hören. Und die Pharisäer und die Schriftgelehrten murrten und sprachen: Dieser nimmt die Sünder an und isst mit ihnen.
Er sagte aber zu ihnen dies Gleichnis und sprach: Welcher Mensch ist unter euch, der hundert Schafe hat und, wenn er eines von ihnen verliert, nicht die neunundneunzig in der Wüste lässt und geht dem verlorenen nach, bis er´s findet? Und wenn er`s gefunden hat, so legt er sich`s sich auf die Schultern voller Freude. Und wenn er heimkommt, ruft er seine Freunde und Nachbarn und spricht zu ihnen: Freut euch mit mir; denn ich habe mein Schaf gefunden, das verloren war. Ich sage euch: So wird auch Freude im Himmel sein über e i n e n Sünder, der Buße tut, mehr als über neunundneunzig Gerechte, die der Buße nicht bedürfen.
Oder welche Frau, die zehn Silbergroschen hat und einen davon verliert, zündet nicht ein Licht an und kehrt das Haus und sucht mit Fleiß, bis sie ihn findet? Und wenn sie ihn gefunden hat, ruft sie ihre Freundinnen und Nachbarinnen und spricht: Freut euch mit mir; denn ich habe meinen Silbergroschen gefunden, den ich verloren hatte.
So, sage ich euch, ist Freude vor den Engeln Gottes über einen Sünder, der Buße tut."
Amen.

Glaubensbekenntnis:
Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen,
den Schöpfer des Himmels und der Erde.
Und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn.
Empfangen durch den Heiligen Geist,
geboren von der Jungfrau Maria,
gelitten unter Pontius Pilatus,
gekreuzigt, gestorben und begraben.
Hinabgestiegen in das Reich des Todes;
am dritten Tage auferstanden von den Toten, aufgefahren in den Himmel.
Er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters.
Von dort wird er kommen zu richten die Lebenden und die Toten.
Ich glaube an den Heiligen Geist,
die Heilige christliche Kirche, Gemeinschaft der Heiligen,
Vergebung der Sünden,
Auferstehung der Toten und das ewige Leben.
Amen.

Lied „Jesus nimmt die Sünder an“ (EG 353, 1.2.4)

Predigt:

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und von dem Herrn Jesus Christus!
Amen.

Liebe Geschwister,
eine Zeitlang lang habe ich in den letzten Monaten gar nicht mehr gerne Nachrichten geschaut oder gelesen. Es gab überwiegend besorgniserregende Meldungen über die neuen hochansteckenden Mutationen des Coronavirus, über das schleppende Vorankommen des Impfens, über Demos der Coronaleugner, über trotz aller Bemühungen steigende Inzidenzzahlen. Und daneben noch die vielen schlechten Nachrichten über Terror und Krieg in aller Welt, die uns ja eigentlich genauso viele Sorgen machen müssten wie die Folgen der Pandemie. Aber daran sind wir leider schon gewöhnt.

Seit wenigen Wochen und Tagen fällt mir nun auf, dass es mehr und mehr die positiven Meldungen gibt, die in den Medien veröffentlicht werden: stark fallende Inzidenzzahlen, Lockerungen und Freiheiten, die den Menschen ermöglicht werden, Zahlen, wie viele Personen bei uns schon eine oder sogar schon zwei Impfungen haben und vieles mehr. Es geht jetzt öfter auch um das, was seit Ausbruch der Pandemie gelungen ist (oder was auch Tag für Tag unabhängig von Corona gelingt). In Berichten und Beiträgen steht immer wieder der einzelne Mensch im Blick: da berichtet eine Pflegekraft von der verantwortungsvollen Arbeit auf der Intensivstation. Ein Elternpaar erzählt, wie es die schwierige Zeit von Homeschooling und Homeoffice erlebt. Eine Urlauberin beschreibt, wie sie sich freut, jetzt endlich in den Flieger steigen zu können und eine Woche auf Mallorca Urlaub machen kann. Ein alleinstehender alter Mensch spricht darüber, wie er mit seinem Leben zurechtkommt. Unser Blick wird dadurch viel mehr auf den einzelnen Menschen gerichtet. Auf wen müssen wir besonders achten? Was kann man für ihn oder für sie tun?

Der Blick auf den Einzelnen spielt auch im heutigen Predigttext eine wichtige Rolle. Zwei kleine biblische Geschichten, die wir gut kennen: Ein Hirte findet nach langer Suche sein eines, verirrtes Schaf. Eine Frau stellt ihr ganzes Haus auf den Kopf, bis sie ihr einzelnes verlorenes Geldstück gefunden hat. Große Freude ist in beiden Texten das Ergebnis. Sie möchten uns sagen: Gott sucht die verlorenen Menschen, er ist dabei unermüdlich- und er freut sich, wenn er sie aus ihrer Gottesferne und Orientierungslosigkeit herausretten kann.

Genauso ist Jesus, der die Gleichnisse erzählt, den Menschen begegnet. Er zeigt, dass bei ihm nicht nur Platz ist für die Rechtschaffenen und Frommen, sondern auch für SünderInnen und Zöllner, für Prostituierte und Kleinkriminelle, für Halbgläubige und Ungläubige.
Er heilt Menschen von einer schlimmen Krankheit oder Behinderung und macht deutlich, dass ein solches Schicksal, blind oder gelähmt oder sonst wie beeinträchtigt zu sein, keine Strafe Gottes ist.
In seinen Streitgesprächen mit Pharisäern und Schriftgelehrten versucht er ihnen deutlich zu machen, dass die 10 Gebote und andere religiöse Bestimmungen und Regeln den Menschen Freiheit ermöglichen wollen; Freiheit in der Bindung an Gott. Dass sie aber für die jeweilige Situation ausgelegt werden müssen und sich diese Situationen auch ändern können. Dass Gott den Menschen zutraut, dass
sie verantwortungsvoll damit umgehen.

Sicher, liebe Gemeinde, wir brauchen Gesetze und verbindliche Regelungen, um in einem Staat, einer Gemeinschaft, einer christlichen Gemeinde, in einer Familie, in einem Verein gut miteinander leben zu können, um Frieden und Freiheit zu bewahren, Schwache zu schützen und das Leben zu fördern. Aber, so würde Jesus vielleicht formulieren, wir müssen immer wieder danach fragen, in welchem Geist und in welcher Haltung zu den Menschen die Gesetze und Regeln entstanden sind. Für ihn sind es die Weisungen Gottes, die die Richtung vorgeben. Und in seinen Geschichten und Handlungen lässt er sie lebendig werden. Das Schaf, das sich verirrt und das der Hirte so lange sucht, bis er es tatsächlich wiederfindet. Der Groschen, der zuhause in irgendeinen versteckten Winkel rollt. Die Frau, der das Geld gehört, macht sich unheimlich viel Mühe beim Suchen danach und gibt nicht auf, bis sie das Geldstück entdeckt hat.

Es braucht die Stimme von außen, meint Jesus. Es braucht Einsicht in die verschiedenen Möglichkeiten, Schaden zu heilen. Es braucht immer auch Mut, neue Wege zu gehen. Der Hirte, der gegen alle Regeln, dem einen Tier seiner Herde nachgeht und alle anderen einfach eine ganze Weile sich selbst überlässt. Die Frau, die wahrscheinlich wichtigere Dinge zu tun gehabt hätte, als stundenlang nach dem einen Groschen zu suchen.
Misstrauen, Pessimismus, Desinteresse helfen nicht weiter. Wenn wir uns immer nur erzählen, was alles schrecklich oder katastrophal oder unfassbar ist, wenn wir also vor allem auf die negativen Meldungen starren und dann sagen: Wie kann das nur sein?, dann werden wir nicht zu einem friedlichen und lebensfördernden Miteinander finden. Dann werden wir überhaupt nicht zueinander finden.

Aber, liebe Geschwister, es geht auch anders. Deshalb finde ich es sehr gut, auch einmal die vielen positiven Nachrichten in den Vordergrund zu stellen. Das tut uns allen gut. Deshalb gefällt mir auch sehr, dass Jesus erzählt, wie ein Lebewesen, das in Todesgefahr gerät, schließlich gerettet wird. Das ist gut für das Schaf und für die Herde. Oder dass er eine eigentlich ganz belanglose, aber intensive und schließlich erfolgreiche Suche nach einem Geldstück thematisiert. Gott gibt keinen Menschen auf. Jeder und jede ist ihm wichtig, weil er die Menschen liebt. Jeder Mensch hat eine zweite Chance verdient, bei Gott sowieso, aber auch bei uns. Jeder Mensch hat es verdient, dass man ihm mit Achtung und Respekt begegnet, dass er in seiner jeweiligen Lebenssituation „gesehen“ wird. Das ist gut für den einzelnen und gut für die Gemeinschaft. Es braucht den Geist und die Haltung, die das zulässt: Aufmerksamkeit, Vertrauen, Glauben. Auch daran möchte Jesus mit den beiden Gleichnissen erinnern.
Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft zu fassen vermag,
bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.
Amen.

Lied „Vergiss nicht zu danken dem ewigen Herrn“ (EG 618, 1-3)

Wir beten:
Herr, dein Haus ist für jeden und jede von uns offen
und du gibst uns darin einen eigenen Platz.
Du liebst uns so sehr, dass du uns niemals verloren gibst.
Und zugleich lässt du uns die Freiheit, eigene Wege zu suchen.
Dafür danken wir dir.

Wir bitten dich für alle, die in ihrem Leben orientierungslos sind,
die ihren Glauben verloren haben, die auf der Suche sind nach sich selbst, nach Gemeinschaft, nach einem Sinn für ihr Dasein.

Stelle Menschen an ihre Seite, die ihnen helfen können,
die für sie zu Vorbildern werden, die ihnen Mut machen
und neue Wege weisen.

Lass uns aufeinander achten und so miteinander umgehen,
wie du es dir für uns wünscht, als Menschen,
die in dir verbunden sind.
Lass Glaube, Hoffnung, Liebe unter uns lebendig bleiben.
Und schenke uns deinen Frieden.
Amen.

Wir beten: Vater Unser im Himmel, geheiligt werde dein Name,…

Lied „Wo die Liebe wohnt/Ubi caritas“ (EG 587)

Segen:
„Wo die Liebe wohnt und Güte, wo die Liebe wohnt, da ist unser Gott.“
So segne euch Gott, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist.
Amen.

 

Gottesdienst am 13. Juni 2021 - 2. Sonntag nach Trinitatis

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde,
seien Sie/seid ihr herzlich begrüßt zu unserem Lesegottesdienst für Sonntag, den 13. Juni. Es ist der 2. Sonntag nach Trinitatis. Der Wochenspruch aus dem Matthäus- Evangelium, Kap. 11, Vers 28 wird uns durch die kommende Woche begleiten:
„Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken.“
Einen gesegneten Sonntag wünscht Pfarrerin Anke Mühlenberg- Knebel.

Am Anfang steht das schöne Lied „Die güldne Sonne“ (EG 449, 1-3)

Im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Unsere Hilfe steht im Namen des Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat.
Amen.

Gebet:
Herr Jesus Christus, du lädst uns ein, in dein Haus zu kommen.
Du stärkst uns an deinem Tisch mit allem, was wir zum Leben brauchen:
Liebe, Barmherzigkeit, Vergebung, Hoffnung.
Wir danken dir, dass du uns alle einlädst, egal, wer wir sind.
Lass uns eine Heimat finden bei dir, zusammen mit denen, die bei dir versammelt sind.
Amen.

Lesung und zugleich Predigttext ist das Gleichnis vom großen Abendmahl (Lukas, 14, 16- 24):
„Er (Jesus) aber sprach zu ihm: Es war ein Mensch, der machte ein großes Abendmahl und lud viele dazu ein. Und er sandte seinen Knecht zur Stunde des Abendmahls, den Geladenen zu sagen: Kommt, denn es ist schon bereit! Da fingen sie alle an, sich zu entschuldigen. Der erste sprach zu ihm: Ich habe einen Acker gekauft und muss hinausgehen und ihn besehen; ich bitte dich, entschuldige mich. Und ein andrer sprach: Ich habe fünf Joch Ochsen gekauft und ich gehe jetzt hin, sie zu besehen; ich bitte dich, entschuldige mich. Wieder ein andrer sprach: Ich habe eine Frau geheiratet; darum kann ich nicht kommen. Und der Knecht kam zurück und sagte das seinem Herrn. Da wurde der Hausherr zornig und sprach zu seinem Knecht: Geh schnell hinaus auf die Straßen und Gassen der Stadt und führe die Armen und Verkrüppelten und Blinden und Lahmen herein. Und der Knecht sprach: Herr, es ist geschehen, was du befohlen hast; es ist aber noch Raum da. Und der Herr sprach zu dem Knecht : Geh hinaus auf die Landstraßen und an die Zäune und nötige sie hereinzukommen, dass mein Haus voll werde. Denn ich sage euch: Keiner der Männer, die eingeladen waren, werden mein Abendmahl schmecken.“
Amen.

Wir loben Gott, indem wir unseren christlichen Glauben bekennen:
Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen,
den Schöpfer des Himmels und der Erde.
Und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn.
Empfangen durch den Heiligen Geist,
geboren von der Jungfrau Maria,
gelitten unter Pontius Pilatus,
gekreuzigt, gestorben und begraben.
Hinabgestiegen in das Reich des Todes;
am dritten Tage auferstanden von den Toten, aufgefahren in den Himmel.
Er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters.
Von dort wird er kommen zu richten die Lebenden und die Toten.
Ich glaube an den Heiligen Geist,
die Heilige christliche Kirche, Gemeinschaft der Heiligen,
Vergebung der Sünden,
Auferstehung der Toten und das ewige Leben.
Amen.

Lied EG 225, 1-3 „Komm, sag es allen weiter“

Predigt

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und von dem Herrn Jesus Christus.
Amen.

Liebe Gemeinde,
heute denken wir über das Gleichnis vom großen Abendmahl nach, das uns der Evangelist Lukas überliefert. Ein „Festmahl“ nennt es die Gute-Nachricht-Bibel in ihrer Übersetzung. Und „Festmahl“ passt sehr gut zu dem, was ich gerne sagen möchte. Wir verstehen den Text nach den Erfahrungen der letzten 16 Monate vielleicht noch einmal ganz neu. Mehrere Lockdowns haben wir erlebt und Versammlungsverbote; zeitweilig durfte man sich sogar nicht zum Gottes -dienst versammeln.
Ein solches fröhliches Fest mit Essen und Trinken, mit einer nicht festgelegten Anzahl von Gästen- jeder darf kommen-, wo bestimmt auch keine Abstände und weitere Regelungen vorgesehen waren, haben wir lange nicht erlebt.

Aber wir merken auch, wie wir uns nach solchen Einladungen sehnen. Wir freuen uns darüber, dass die Inzidenzzahlen überall sinken und wieder mehr möglich ist. Eben auch Feste. Wir möchten gerne mal wieder mit anderen Menschen an einem Tisch sitzen, nicht nur mit dem engsten Familienkreis und begrenzter Anzahl von Haushalten.
Oder eingeschlossen mit uns selbst, weil wir in Quarantäne gehen mussten.
Wir haben das Zusammensein mit anderen schmerzlich vermisst.

Und wenn uns bald wieder eine Einladung ins Haus flattert, dann würden wir sie nicht so schnell absagen und einfach nicht hingehen. Eine Einladung ablehnen, mit manchmal nur vorgeschobenen Gründen, das heißt nein sagen zum Leben. Aber vor Corona war uns das gar nicht so bewusst. Denn wir glaubten, dass das Leben woanders wäre, in unserer hektischen Welt mit allen möglichen Vorhaben und Terminen. Da ist gar nicht Zeit für alles, schon gar nicht für uns selbst. Deshalb ein Nein! Ich kann leider nicht! Ich muss mich um meine Ehe kümmern. Meinen Garten pflegen, habe gerade einen neuen Rasenmäher gekauft, das Gras ist schon so hochgewachsen, das muss jetzt ab. Ich habe gerade ein neues Auto gekauft, eine Probefahrt steht bevor- dazu habe ich nur dieses Wochenende Zeit, tut mir leid. Ihr müsst mich entschuldigen.

Ich denke, dieses Verhalten kennen wir von uns nur zu gut. Vor Corona. So geistlos waren wir, so blind, so krank. Corona hat uns gezeigt, dass wir andere Menschen brauchen. Die Pandemie hat uns gelehrt, dankbar zu sein. Die Gemeinschaft Wert schätzen, die Gastfreundschaft, das Leben. Wir sind vom Tod zum Leben übergegangen. Da ist etwas mit uns geschehen. All das, was wir bisher für selbstverständlich hielten und dessen Wert wir nicht gesehen haben, das haben wir nun wiederbekommen- als ein Geschenk.

Wir sind zu einem Fest eingeladen. Wir sind die, von denen das Gleichnis spricht, die da draußen an Straßen und Ecken, die Blinden und Lahmen. Wir sind die, die sich freuen können und die nun Ja danke! sagen. Zu dieser großen Festmahlzeit- ohne Versammlungs- regeln. Ohne Abstände und Hygienevorschriften, ohne Maske, ohne ausliegende Anwesenheitslisten. Ein Fest ist das! Und die Gast -freiheit kennt keine Grenzen! Das macht uns allerdings fast skeptisch. Gibt es so etwas? Was ist das für ein Gastgeber, der feiern will, auch wenn er immer wieder neu einladen muss, weil seine Gäste wegbleiben? Alle Stühle sollen besetzt sein. Er weiß doch gar nicht, was er für Gäste in sein Haus lässt, nehmen sie ihn überhaupt ernst, vielleicht meckern sie übers Essen, randalieren, verwüsten alles. Vielleicht hat er ja auch gar nicht genug Essen da. Hat er keine Angst davor?

Mir scheint, liebe Geschwister, er ist ein äußerst großzügiger Geber. Er will das, was er hat, nicht für sich behalten, sondern gibt alles weg in einem Fest- mit allen möglichen Menschen, die nie im Leben seine Einladung erwidern oder sich sonst wie revanchieren könnten. Das ist unser Gott. So kennen wir ihn. Als den, der sich ganz hingibt. Teilt, was ihm gehört. Der es gut mit den Menschen meint. So liebevoll und gut. Zugleich so zornig, fast beleidigt darüber, dass manche so in sich gefangen sind, dass sie nicht sehen, was wirklich wichtig ist, was unserem Leben Sinn gibt, was uns zu Menschen macht. Dass man die Fähigkeit hat, etwas anzunehmen. Danken und annehmen. Geben und annehmen. In einer echten Beziehung stehen zum anderen. Liebe haben zum Leben.

Nach den dunklen Monaten im Lockdown und in der Verschlossenheit können wir es nun sehen. In diesem Licht sollen wir die frohe Botschaft des Evangeliums sehen: die Hinwendung Gottes zur Welt- in seinem Sohn Jesus Christus- das ist die Einladung, an einem großen Fest teilzunehmen. Christus ging den Umweg zu denen draußen-den Armen, Kranken, Außenseitern, Sündern, die kein Netzwerk hatten, das sie pflegen konnten. Und das sie unterstützte. Niemand lud sie ein zu einem Fest. Denn sie konnten die Einladung nicht erwidern. Denn es war dies, mit ihm zusammen zu sein, dass er- Jesus, ein anderer Mensch- eben in ihr Haus kam; das veränderte alles, machte ihr Leben hell, brachte Freude. Sie gingen vom Tod zum Leben. Sie hatten teil am ewigen Leben- in ihm- und alles wurde anders. Sie konnten so weiterleben, als wären sie nicht arm, als wären sie keine Sünder, weiterleben, als wären sie die Größten im Himmelreich-Gottes Kinder.

Und nun sitzen wir hier. Wir hören jeden Sonntag im Haus Gottes die frohe Botschaft. Lassen unsere Kinder taufen auf Jesu Namen, weil wir mit ihnen das Fest des Lebens teilen wollen. Wir essen und trinken am Tisch Christi, um uns stärken zu lassen für unseren Glauben und unser Leben.

Wir sollen nichts anderes tun als annehmen. Ist das so schwer? Das Leben annehmen, jeden einzigen Tag und es miteinander teilen. Das ist es, was Jesus wollte. Dass wir den Tod hinter uns lassen und froh miteinander hier leben- zusammen- und in den Sommer hineingehen, wo die Nacht nie mehr kommt.

Alles ist bereit. Kommt!

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft zu fassen vermag, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.
Amen.

Lied „Eines Tages kam einer“ (NL 34, 1-4)

Fürbitten:
Herr,
du lädst alle Menschen zu dir ein.
Es ist niemand zu klein oder zu groß, zu arm oder zu reich, um zu dir zu gehören.
Wir bitten dich für die Menschen, die deine Einladung nicht annehmen wollen oder können.
Hilf mit, dass sie ihre inneren Widerstände überwinden können und erkennen,
wie gut du es mit ihnen meinst.
Mach unsere Herzen weit, dass auch wir ihre Nöte erkennen und uns dafür einsetzen,
dass wir alle miteinander an deinem Tisch sitzen können.
Wie ein Fest wird es sein, in deiner neuen Welt.

Und alles, worum wir Gott sonst noch bitten möchten, sagen wir mit den Worten des Vaterunsergebetes: Vater unser im Himmel,…

Lied EG 170, 1-3: „Komm, Herr, segne uns“

Segen:
Der Segen Gottes, der komme über dich und bleibe bei dir, von nun an bis in Ewigkeit.
Amen.

Gottesdienst am 06. Juni 2021 - 1. Sonntag nach Trinitatis

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde,
herzlich willkommen zum Lesegottesdienst zum Sonntag, den 6. Juni. Es ist der erste Sonntag nach dem Trinitatisfest. In der Predigt werden wir uns heute mit dem Propheten Jona aus dem Alten Testament beschäftigen. Gott hat einen wichtigen Auftrag an ihn, aber Jona fürchtet sich davor. Er zweifelt, ob die Menschen, zu denen Gott ihn sendet, dessen warnenden Worte hören wollen.
Der Wochenspruch für die neue Woche lautet dazu passend:
„Wer euch hört, der hört mich; und wer euch verachtet, der verachtet mich.“ (Lukas 10, 16a).
Einen gesegneten Sonntag und eine gute neue Woche wünscht Pfarrerin Anke Mühlenberg- Knebel.

Am Anfang steht das Lied EG 444, 1-3
„Die goldene Sonne bringt Leben und Wonne, die Finsternis weicht“

Im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Unsere Hilfe steht im Namen des Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat.
Amen.

Gebet:
Du, Gott des Lebens,
deine Stimme hat uns auf deinen Weg gerufen,
und dein Wort gibt uns täglich neuen Mut.
Lass uns auch heute auf das hören, was du uns sagst, in den Liedern, die wir hören (und singen), in den Worten, die wir lesen, in den Gebeten, die wir sprechen.
Dies bitten wir im Namen deines Sohnes Jesus Christus, der mit dir und dem heiligen Geist lebt und wirkt in Ewigkeit.
Amen.

Die Lesung und zugleich der Predigttext steht im Buch Jona,Kap. 1, 1.2 und Kap. 2, 1.2.11:
„Es geschah das Wort des Herrn zu Jona, dem Sohn Amittais: Mache dich auf und geh in die große Stadt Ninive und predige wider sie; denn ihre Bosheit ist vor mich gekommen. (Jona versucht zu fliehen und geht auf ein Schiff, das ihn in die entgegengesetzte Richtung bringen soll. Ein Sturm kommt auf, Jona wird ins Meer geworfen, damit der Sturm aufhört.) Aber der Herr ließ einen großen Fisch kommen, Jona zu verschlingen. Und Jona war im Leibe des Fisches drei Tage und drei Nächte. Und Jona betete zu dem Herrn, seinem Gott, im Leibe des Fisches. Und der Herr sprach zu dem Fisch, und der spie Jona aus ans Land. “
Amen.

Wir bekennen unseren christlichen Glauben:
Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen,
den Schöpfer des Himmels und der Erde.
Und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn.
Empfangen durch den Heiligen Geist,
geboren von der Jungfrau Maria,
gelitten unter Pontius Pilatus,
gekreuzigt, gestorben und begraben.
Hinabgestiegen in das Reich des Todes;
am dritten Tage auferstanden von den Toten, aufgefahren in den Himmel.
Er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters.
Von dort wird er kommen zu richten die Lebenden und die Toten.
Ich glaube an den Heiligen Geist,
die Heilige christliche Kirche, Gemeinschaft der Heiligen,
Vergebung der Sünden,
Auferstehung der Toten und das ewige Leben.
Amen.

Lied EG 382, 1-3: „Ich steh vor dir mit leeren Händen, Herr“

Predigt:

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater und von dem Herrn Jesus Christus!

Liebe Gemeinde,
das kurze Buch Jona, nur 4 Kapitel, ist eines der schönsten Bücher der Bibel. Und eines der bekanntesten. Es erzählt davon, wie Gott ist. Und wie wir Menschen sind. Wie das Leben ist.
Es erzählt von der großen Stadt Ninive; heute heißt sie Mossul im heutigen Irak. Ninive ist die Hauptstadt eines Weltreiches, in dem nur die Macht zählt, nicht die Menschen. Dafür müssen die Menschen leiden und sterben. Die Gegner, die sie besiegt haben, die Kriegsgefangenen, die nur so zum Spaß getötet werden. Und auch die eigenen Leute. Ein Weltreich, in dem der Mensch nicht zählt- da kann Gott nicht einfach tatenlos zuschauen! Da muss er eingreifen, und er tut es.

Allerdings anders, als zu erwarten wäre. Er hätte Ninive vernichten können. Weltreiche kommen und gehen. Der Untergang Ninives wäre keine Überraschung gewesen. Aber Gott will Menschen nicht vernichten, auch die Bewohner Ninives nicht. Für ihn zählt der Mensch, jeder Mensch, selbst der verrufenste. Ninive zu vernichten, ist deshalb keine Option, die Gott will. Es ist nur die allerletzte Möglichkeit. Aber es muss dort anders werden. Und kann es auch. Menschen können sich ändern, auch die in Ninive. Gott hat sie noch nicht aufgegeben. Darum schickt er ihnen einen Propheten. Der soll ihnen sagen, was auf dem Spiel steht: „Noch 40 Tage, dann ist es vorbei mit Ninive. Dann geht die Stadt unter!“ Das klingt nicht gerade ermutigend, im Gegenteil. Aber Gott weiß, was er tut. Das sind Worte, die in Ninive ankommen werden.

Aber einer muss ihnen diese Worte sagen. Wenn Gott etwas tun will, braucht er dazu Menschen. Aber wer will schon nach Ninive und der Stadt ihren Untergang ankündigen? Das ist ein gefährlicher Job. Ein Himmelfahrtskommando. Wer lässt sich schon gerne zur Ordnung rufen? Noch dazu, von einem Unbekannten aus einem anderen Volk? Gott braucht einen Propheten, einen Gottesmann, der seine harten Worte weitergibt. Seine Wahl fällt auf den Mann Jona. Warum gerade auf ihn? Das wissen wir nicht. Gott traut es ihm eben zu. Aber Jona selbst traut es sich nicht zu. Er will den Auftrag nicht. Er ist ihm zu heikel, ein paar Nummern zu groß für ihn. Da gibt es bestimmt viele andere, die so etwas besser können als er. Er ist dafür nicht der richtige. Aber was soll er jetzt machen? Er kann ja nicht so tun, als hätte er den Auftrag Gottes nicht gehört! Jona rennt weg, in die genau entgegengesetzte Richtung. So weit weg, wie es irgendwie geht. Es ist fast schon rührend, wie Jona versucht zu flüchten. Mit einem Schiff, Richtung Westen. Als ob er Gott, dem Schöpfer des Himmels und der Erde einfach so entkommen könnte.

Tatsächlich wird er Gott so nicht los. Gott gibt keinen Menschen auf, auch Jona nicht. Er braucht einen Boten und er hat ihn dazu ausgewählt. Dabei bleibt er, auch wenn Jona das gar nicht will. Ich denke mir: Vielleicht ist Gott es gewohnt, dass Menschen, die er in seinen Dienst ruft, durch die er etwas bewirken will, erst einmal ablehnen. An ihren Fähigkeiten zweifeln. Wenn er darauf warten wollte, bis er Menschen findet, die mit seinen Aufträgen einverstanden sind, könnte er lange warten. So bleibt es bei Jona, auch wenn dessen Enthusiasmus zu wünschen übriglässt. Den Auftrag wird er nicht mehr los. Allerdings muss Gott sich einiges einfallen lassen, um ihn zurückzuholen.

Ein schwerer Sturm kommt auf, das Schiff droht zu sinken. Die Seeleute fürchten um ihr Leben. Jeder fleht zu seinem Gott um Rettung. Schließlich werden sie auf Jona aufmerksam, der mitten im schwersten Sturm im Bauch des Schiffes liegt und friedlich schlummert. Auch er soll zu seinem Gott flehen. Vielleicht kann der helfen. Zugleich machen sich die Seeleute auf die Suche nach der Ursache. Es muss jemanden an Bord geben, der an ihrem Unglück schuld ist. Eine gefährliche Theorie: es muss immer einen Schuldigen geben, wenn etwas passiert. Unzählige sind dieser Vorstellung schon zum Opfer gefallen. Um herauszufinden, wer von ihnen der Schuldige ist, greifen die Seeleute zu einem alten religiösen Mittel: Sie werfen das Los. Es fällt ausgerechnet auf Jona. Die Seeleute sind gottesfürchtig. Sie wollen keinen Unschuldigen opfern. Sie befragen ihren Mitreisenden, um herauszufinden, warum sein Gott ihm zürnen könnte. Auch nachdem Jona sein Fehlverhalten eingeräumt hat und vorschlägt, sie sollen ihn einfach ins Meer werfen, versuchen sie alles, um sein Leben zu retten. Erst, als es keine andere Möglichkeit mehr gibt, entschließen sie sich zum letzten Schritt. Sie beten zum Gott des Jona und bitten ihn im Voraus um Vergebung um das, was sie jetzt tun müssen. Sie erkennen die Macht dieses Gottes an.

Sobald sie Jona ins Meer geworfen haben, legt sich der Sturm. Das Schiff setzt seine Reise fort. Was Jona angeht, da können die Seeleute ganz unbesorgt sein. Gott sorgt dafür, dass er unbeschadet wieder ans Land kommt. Jona wird ja noch gebraucht. Da kommt der große Fisch, der ihn verschluckt und ihn so vor dem Ertrinken rettet. Drei Tage und drei Nächte bleibt er im Bauch des Fisches. Jona im Lockdown. Wir wissen aus eigener Erfahrung, wie intensiv man in so einem Lockdown betet: dass einen der Mut nicht verlässt und die Hoffnung. Dass man überlebt. Dass man die normalen Alltagsdinge nicht zu selbstverständlich nimmt, dankbar bleibt. So ist auch Jonas Gebet ein einziger großer Dank an Gott, der ihn in der Gefahr behütet und gerettet hat. Schließlich spuckt der große Fisch ihn am Ufer aus, den Propheten wider Willen.

Kann das wirklich so gewesen sein? Ist das nicht zu sehr fantasiert, fragen manche. Darum geht es gar nicht, ob das so oder so wirklich geschehen ist. Es geht darum, ob die Geschichte des Jona uns berührt. Mich berührt sie, ich kann mich gut in diesem widersprüchlichen Menschen Jona widerfinden. Warum macht Gott sich so viel Mühe? Dass er Jona nicht aufgibt, dass er Ninive nicht aufgibt? Warum setzt er alle Hebel in Bewegung, damit die Menschen in Ninive umkehren, ihre Sünden einsehen und bereuen, er könnte die Stadt doch einfach dem Erdboden gleichmachen? Die Jonageschichte erzählt uns vom Gott der Liebe. Er geduldig, gnädig und von großer Güte. Wenn Menschen in ihrem Leben auf Abwege geraten, wünscht er sich, dass sie wieder auf den richtigen Weg zurückfinden, zu Gott selbst zurückfinden. Gott will die Rettung und nicht die Vernichtung der Menschen. Dieses kleine Prophetenbuch zeigt uns, wie das im Idealfall aussehen kann. Als Jona endlich doch in Ninive eintrifft und den Menschen dort mit seiner Predigt ins Gewissen redet, hat das großen Erfolg. Die ganze Stadt geht in Sack und Asche, selbst der König. Sie hoffen, dass Gott ihnen verzeiht, dass ein Neuanfang in der Beziehung zu ihm und untereinander möglich sein kann.

Und Jona? Seine Begeisterung hält sich in Grenzen. Eigentlich hätte er es lieber gesehen, dass Gott die Menschen in Ninive straft. Seiner Meinung nach hätten sie das verdient. Dass Gott sich erweichen lässt ist, gefällt ihm nicht. Obwohl er doch gerade selbst die Vergebung und die Güte Gottes am eigenen Leib erfahren hat. Gottes Liebe und Gnade ist eben größer als wir Menschen uns das vorstellen wollen und können. Bei Gott gibt es immer wieder eine neue Chance. Er gibt niemanden auf. Auch heute nicht. Auch uns nicht. Jeder Tag ist eine neue Chance. Jeder Augenblick ist eine Möglichkeit, mein Leben zu ändern und neu zu beginnen.

Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft zu fassen vermag, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.
Amen.

Lied EG 395,1-3: „Vertraut den neuen Wegen“

Fürbitten:

Liebender Gott,
du sprichst zu uns, dass wir erfahren, wie es in Wahrheit um uns steht. Lass uns im Durcheinander der Stimmen, der Meinungen, der Botschaften und Ratschläge dein Wort heraushören. Schenke uns Menschen, die uns dein Wort wahrhaftig und glaubhaft vermitteln.

Wir bitten dich für alle, die orientierungslos sind, die sich verstrickt haben in eigenen und fremden Lügen, die vor dir und vor sich selbst weglaufen möchten: Gehe du ihnen nach, lass sie deine Liebe spüren und zeig ihnen durch dein Wort, wie ihr Weg weitergehen kann.

Wir bitten dich für die Menschen, die es gerade besonders schwer haben, die krank sind, arm, von Gewalt bedroht, die um ihr Leben und das ihrer Liebsten bangen müssen. Die einen lieben Menschen verloren haben und trauern. Schenke ihnen neue Hoffnung durch dein Wort und sende Menschen zu ihnen, die für sie da sind.

Amen.

Alle unsere Bitten fassen wir zusammen in den Worten des Vaterunsergebetes:
Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name,…

Lied EG 503, 1.2.8: „Geh aus, mein Herz, und suche Freud“

Segen:
Der Segen Gottes komme über dich
und bleibe bei dir von nun an bis in Ewigkeit.
Amen.

Gottesdienst am 30. Mai 2021 - Trinitatis (Kirchengemeindehaus Ottersweier)

Liebe Gemeinde,
ganz herzlich begrüße ich Sie zum Gottesdienst am Sonntag Trinitatis, dem Fest der Heiligen Dreieinigkeit. Dieser Sonntag hat zwei Themen: Wir feiern, dass sich uns Gott offenbart hat als der Schöpfer, dass er Mensch geworden ist in Jesus von Nazareth und dass er gegenwärtig ist im Heiligen Geist und dass er darin zu zugleich der Eine und Selbe ist. Das ist ein großes Geheimnis. Wir können es feiern und uns ihm anvertrauen, weil der Heilige Geist diese Erkenntnis in uns wirkt. Der Heilige Geist und sein Wirken, das ist das zweite Thema dieses Gottesdienstes, uns vorgegeben durch das Evangelium des Tages.

Lied EG 139,1-3 Gelobet sei der HERR

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Amen.

Psalm 113:

Halleluja! Lobet, ihr Knechte des Herrn, lobet den Namen des Herrn!
Gelobt sei der Name des Herrn von nun an bis in Ewigkeit!
Vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Niedergang sei gelobet der Name des Herrn!
Der Herr ist hoch über alle Völker; seine Herrlichkeit reicht, so weit der Himmel ist.
Wer ist wie der Herr, unser Gott, der oben thront in der Höhe,
der niederschaut in die Tiefe, auf Himmel und Erde;
der den Geringen aufrichtet aus dem Staube und erhöht den Armen aus dem Schmutz,
dass er ihn setze neben die Fürsten, neben die Fürsten seines Volkes;
der die Unfruchtbare im Hause wohnen lässt, dass sie eine fröhliche Kindermutter wird. Halleluja!

Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist,
wie es war im Anfang, jetzt und immerdar und von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Amen.

Gebet:

Liebender Gott, größer und geheimnisvoller als wir fassen können. Wir beten dich an, wir preisen, ehren und loben dich, an diesem Morgen und unser Leben lang.

Wie unermesslich und wunderbar bist du in deiner Schöpfung. Wir können nur staunen! Je mehr wir entdecken, desto geheimnisvoller bist du uns als Schöpfer.

Doch dein Angesicht erkennen wir in deinem Sohn Jesus Christus. Du bist nicht nur unbegreiflich groß. Du hast dich auch ganz klein gemacht, bist unser Bruder geworden, hast unser Leben gelebt, bist unseren Tod gestorben und hast für uns das ewige Leben errungen.

Wir bitten dich: Sende uns deinen Geist; wohne selbst in uns, mach dir Raum in dieser Welt, durchatme deine ganze Schöpfung, dass sie erneuert werde, ein Ort der Gerechtigkeit und des Friedens.

Lesung Joh 3,1-8: Jesus und Nikodemus

Es war aber ein Mensch unter den Pharisäern mit Namen Nikodemus, ein Oberster der Juden. Der kam zu Jesus bei Nacht und sprach zu ihm: Rabbi, wir wissen, dass du ein Lehrer bist, von Gott gekommen; denn niemand kann die Zeichen tun, die du tust, es sei denn Gott mit ihm. Jesus antwortete und sprach zu ihm: Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Wenn jemand nicht von Neuem geboren wird, so kann er das Reich Gottes nicht sehen. Nikodemus spricht zu ihm: Wie kann ein Mensch geboren werden, wenn er alt ist? Kann er denn wieder in seiner Mutter Leib gehen und geboren werden? Jesus antwortete: Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Wenn jemand nicht geboren wird aus Wasser und Geist, so kann er nicht in das Reich Gottes kommen. Was aus dem Fleisch geboren ist, das ist Fleisch; und was aus dem Geist geboren ist, das ist Geist. Wundere dich nicht, dass ich dir gesagt habe: Ihr müsst von Neuem geboren werden. Der Wind bläst, wo er will, und du hörst sein Sausen wohl; aber du weißt nicht, woher er kommt und wohin er fährt. So ist ein jeder, der aus dem Geist geboren ist.

Ansprache:

Liebe Gemeinde,
das Evangelium für den heutigen Sonntag ist eine Provokation. Es bringt uns eine radikale Botschaft. Doch ich denke: Die Welt heute, unsere Kirche heute, wir alle haben keine Botschaft nötiger als diese, die Botschaft von Gott und seinem Geist.

Die Geschichte beginnt mit einem typischen Hinterzimmergespräch, wie es in Politik und Kirche tausendfach bis heute geführt wird. Gerne finden solche Gespräche bei Nacht statt. Heimlich. Man will nicht gesehen werden. Man will erst mal unter sich sein. Ein Mächtiger, hier ein Vertreter der höchsten Religionsbehörde, dazu gehört er zu den Pharisäern, denen, die die Gebote Gottes bis ins allerkleinste einhalten wollen, so eine ausgewiesene religiöse Führungsperson sucht einen Neuling auf. Einen, der seit kurzem öffentlich auftritt, einen, der Aufsehen erregt, einen, der auch erste Erfolge aufzuweisen hat. Und die Führungsperson will nachfühlen: Passt er zu uns? Zu uns, den Mächtigen und Etablierten? Wenn ja, können wir ihn für uns gewinnen?  Und welche Bedingungen stellt er?

Wenn man hier etwas erreichen will, da muss man erst mal eine gemeinsame Basis schaffen. Das macht Nikodemus sehr geschickt, er benutzt dazu ein Kompliment: „Wir wissen, dass du ein Lehrer bist, der von Gott gekommen ist. Denn niemand kann die Zeichen tun, die du tust, wenn nicht Gott mit ihm ist.“ So ein Kompliment - das ist ein glattes Parkett. Lob ist weit wirksamer als Argumente oder Drohungen. Nikodemus öffnet mit diesem Satz Jesus eine Perspektive, er macht ihm ein Angebot. Willst Du ein Lehrer sein, der Anerkennung findet, der Einfluss hat, der Erfolg hat, dann gehe mit uns eine Koalition ein. Wir sind die Wissenden, wir sind die Mächtigen, mit uns zusammen, hast Du Erfolg. Das steht hinter dem Kompliment, das Nikodemus Jesus macht. Wir die Wissenden, die Mächtigen machen Dir dem Neuling ein Angebot. Es ist für Jesus eine Stunde der Versuchung, dieses Gespräch mit Nikodemus. Stellt er sich auf die Seite der Mächtigen? Oder geht er einsam den Weg, auf den er sich von Gott gerufen weiß?

Dabei ist in solchen Gesprächen nie klar: Meint der Mächtige es ernst? Interessiert er sich wirklich für den Neuling? Oder ist es ein Test, dass man dem Neuen nur mal auf den Zahn fühlen will? Bei solchen Gesprächen weiß man das nie. Das wissen wir auch bei Nikodemus nicht!

Wir wissen aber, wie Jesus reagiert hat: Barsch, hart, grundsätzlich. Denn normalerweise geht ein Gespräch nach dem Feststellen der gemeinsamen Basis etwa so weiter: Wenn Du aber zu uns, den Wissenden, den Mächtigen, den Einflussreichen gehören willst, dann haben wir auch Bedingungen. So beginnt die Kumpanei, in der Politik, in der Wirtschaft, in der Kirche. Mit solcher Art Hinterzimmergesprächen sichern sich die Mächtigen ihre Macht – bis heute.

Doch Jesus erkennt die Gefahr, Jesus erkennt die Versuchung, Jesus spürt das glatte Parkett, auf das Nikodemus ihn geführt hat.

Deshalb unterbricht er ihn barsch:  „Wahrlich, wahrlich ich sage dir: Wenn jemand nicht von neuem geboren wird, kann er das Reich Gottes nicht sehen.“

Das sitzt. Das ist eine Klarstellung. Mit dieser feierlichen Feststellung ist erst einmal Distanz geschaffen. Nein, es geht nicht um das was Ihr Mächtigen wisst, es geht nicht um eine gemeinsame Basis für eine mögliche Zusammenarbeit, es geht nicht um meinen oder Euren Erfolg und wie man ihn organisieren kann. Dagegen geht es um das Reich Gottes, um das, was Gott tut, nämlich sein Reich schaffen. „Und willst Du dazu gehören, dann musst Du ein neuer Mensch werden. Dann musst Du  neu geboren werden.“

Von der Ebene des Wissens, der Macht des Einflusses bringt Jesus das Gespräch auf die existentielle Ebene, auf die Ebene des Lebens. Sehr bestimmt und entschieden weist Jesus das Angebot des Nikodemus zurück. Und stellt damit das ganze Unternehmen der frommen Mächtigen in Frage. Nicht auf Euer Wissen kommt es an, nicht auf Eure Macht, nicht auf eine mögliche Zusammenarbeit mit mir: Worauf es ankommt, das ist dass jeder und jede von Euch neu geboren wird, ein neuer Mensch wird.

Da schrickt Nikodemus zurück: Das ist nicht möglich! „Wie kann ein Mensch geboren werden, wenn er alt ist? Kann er denn wieder in den Leib seiner Mutter kommen, und geboren werden?“

Wir wissen nicht, ob Nikodemus wirklich so naiv war, dass er die Bildsprache von Jesus nicht verstanden hat. Oder macht er sich womöglich über Jesus lustig? Oder will er sagen: Niemand kann aus seiner Haut! Dass ein Mensch sich erneuert, dass jemand wirklich anders wird, das ist nicht möglich! Wir bleiben doch immer, die wir sind. Vielleicht können wir unser Verhalten mit viel Disziplin ein wenig ändern, im Grund bleiben wir doch dieselben, die wir immer waren. Wir wissen nicht, wie Nikodemus seinen Einwurf verstanden hat. Wir wissen aber sehr wohl, dass sein Einwurf gegen Jesus bis heute erhoben wird. Erneuerung des Menschen – das ist nicht möglich. Da sind unzählige gescheitert.

Jesus aber bleibt dabei. Noch einmal feierlich wiederholt und ergänzt er: „Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Wenn jemand nicht durch Wasser und Geist geboren wird, kann er nicht in das Reich Gottes kommen.“ Wasser und Geist – das stammt aus dem ersten Satz der Bibel, Wasser und Geist, das steht ganz am Anfang der Schöpfung, da lesen wir. „Der Geist Gottes schwebt über dem Wasser.“ Daraus schafft Gott die ganze Welt, den ganzen Kosmos. Jesus sagt also zu Nikodemus: Ein neuer Schöpfungsakt ist notwendig, damit das Reich Gottes kommt. Und wie die alte Schöpfung kann auch die neue Schöpfung nur von Gott, nur vom Schöpfer selbst kommen. Radikal wendet Jesus den Blick weg von den Menschen, weg von dem was wir können und schaffen, lenkt den Blick auf Gott. Von ihm selbst muss die Erneuerung kommen. Und damit bekommt auch das Bild von der neuen Geburt seinen Sinn: Niemand kann sich selbst gebären. Geburt – das ist das passivste Geschehen in unserem ganzen Leben. Wir können uns nicht selbst machen, wir können uns nicht selbst das Leben geben – Gott allein gibt das Leben. Und wie er das erste natürliche Leben gibt, so auch das neue Leben, das Leben des Reiches Gottes. Nikodemus ist verhaftet in das, was wir Menschen tun und können. Er rechnet allein mit menschlichen Möglichkeiten und Fähigkeiten. Das nennt die Bibel, nach dem Fleisch leben. Das hat nichts damit zu tun, dass der Körper schlechter ist als der Geist, dass es womöglich bei Fleisch um Sex geht. Aus dem Fleisch leben, das heißt allein mit den gegebenen Umständen rechnen, allein nach dem üblichen Vorgehen handeln. Sein Wissen und seine Macht nutzen, nichts darüber hinaus erwarten, erhoffen, für möglich halten. Das ist die Einstellung, die Nikodemus zu diesem Hinterzimmergespräch geführt hat. Die Möglichkeiten von Wissen und Macht einsetzen, durch einen jungen Lehrer möglichst verbreitern, ganz auf menschliche Möglichkeiten setzen.

Jesus aber setzt auf Gott und Gottes Möglichkeiten. Jesus erwartet das Neue von Gott. Der ist unfassbar, wie der Wind. Der lässt sich nicht in ein religiöses System einsperren. Der lässt sich nicht befehlen, wie man den Wind nicht befehlen kann. Den kann man nur erwarten. Um den kann man nur bitten. Für den kann man nur bereit sein. Oder sich ihm verschließen, weil man völlig in sich selbst und seinem Wissen und Handeln gefangen ist.

Das Gespräch zwischen Jesus und Nikodemus bricht kurz nach dieser Stelle ab. Er geht zurück in die Nacht, zurück zur obersten Religionsbehörde in Jerusalem. Nur indirekt erfahren wir, wie das Gespräch auf ihn gewirkt hat. Denn als später seine Behörde gegen Jesus vorgehen will, da erinnert er daran, dass man niemanden ohne ordentliches Verfahren verurteilen darf. Er macht sich damit selbst verdächtig (Joh. 7,50-52). Und noch später - nach dem Tod von Jesus spendet Nikodemus für dessen Bestattung eine große Menge wertvolles Öl (Joh 19,39). Wir dürfen also annehmen, dass das Gespräch mit Jesus bei ihm gewirkt, dass die Erneuerung bei ihm angefangen hat. Damit wird Nikodemus zum Vorbild für uns: Dass auch wir den Geist Gottes erwarten. Dass wir um ihn bitten. Dass wir offen sind für sein Kommen. Damit er uns erneuert für Gottes ewiges Reich.

Amen.

Lied: NL 105,1-3 Atme in uns Heiliger Geist

Fürbitten:

Komm Gott Schöpfer Heiliger Geist, komm und erneuere uns: Wo wir uns festgefahren haben, mache uns frei; wo wir verzweifelt sind, wecke neue Hoffnung; wo wir müde sind, stärke uns. Wecke in uns den Glauben, der viel von dir erwartet.

Komm Gott Schöpfer Heiliger Geist, komm und erneuere deine Kirche, damit sie aus ihrer Schicksalsergebenheit herauskommt, Kleinmut und Enge überwindet, dass sie auf dein Kommen und deine Kraft vertraut.

Komm Gott Schöpfer Heiliger Geist, komm und erneuere das Zusammenleben der getrennten Kirchen, dass sie offen sind für dein Wirken und so zueinander finden.

Komm Gott Schöpfer Heiliger Geist, komm zu unseren  Brüdern und Schwestern, die in so vielen Ländern bedrückt, zurückgesetzt, verfolgt werden. Dass sie nicht verzweifeln, dass der Feindschaft ihrer Gegner gewehrt wird.

Komm Gott Schöpfer Heiliger Geist, komm in die Zerstrittenheit der Völker und Staaten. Wir denken besonders an den Hass und die Gewalttaten zwischen Israelis und Palästinensern. Wir denken an die wachsenden Spannungen zwischen Ost und West. Dein Geist, der ein Geist des Verstehens und der Versöhnung ist, führe zusammen, was sich hasst und bekämpft.

Komm Gott Schöpfer Heiliger Geist, komm zu den Verantwortlichen in Politik, Wirtschaft,  Wissenschaft und Medien. Du bist ein Geist der Einsicht schenkt und Verantwortung stärkt. Wirke in allen, denen Macht anvertraut ist.

In der Stille beten wir weiter und bitten um das Kommen des Geistes zu allen Dingen, die uns beschäftigen.

Vater unser

Vater unser im Himmel!
Dein Name werde geheiligt.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

Lied EG 140,2-4 (Brunn alles Heils)

Segen:
Der Herr segne dich und behüte dich; der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig; der Herr hebe sein Angesicht auf dich und gebe dir Frieden.
So segne dich der dreieinige Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Amen.

(Pfarrer Bender)

 

Predigt zum Gottesdienst am 30.05.2021 (Kapelle zum Guten Hirten, Sand)

Liebe Gemeinde,

mit dem Ursprung von Pfingsten, das als Fest im Frühling gilt, können die meisten Menschen nichts anfangen. Ausgießung des Heiligen Geistes? Was ist das? Das gilt auch für den Dreieinigkeitssonntag, Trinitatis. Was soll das wieder? Nun, die die Dreieinigkeit Gottes ist eine gedankliche Konstruktion – sie kommt am Anfang eines jeden Gottesdienstes vor. Sie soll drei Wirkungsweisen erklären: Gott als der , der alles in Leben rief, Gott geht im Menschen Jesus auf uns Menschen zu, er wirkt in uns Menschen durch seine Kraft, durch seinen Geist. Um diese Kraft Gottes, die in uns Gutes bewirken will, geht es; um den guten Geist Gottes.

Wir hören jetzt ein Stück aus dem ersten Brief des Apostels Paulus an die Korinther, Kapitel 12, 4-12 (Basis Bibel):

„Es gibt zwar verschiedene Gaben, aber es ist immer derselbe Geist. Es gibt verschiedene Aufgaben, aber es ist immer derselbe Herr. Es gibt verschiedene Kräfte, aber es immer derselbe Gott. Er bewirkt alles in allen Menschen. Das Wirken des Geistes zeigt sich bei jedem auf eine andere Weise. Es geht aber immer um den Nutzen für alle.

Der eine ist durch den Geist in der Lage, mit Weisheit zu reden. Ein anderer kann Einsicht vermitteln – durch denselben Geist! Einem Dritten wird durch denselben Geist ein besonders starker Glauben gegeben. Wieder ein anderer hat durch den Geist die Gabe zu heilen. Ein anderer hat die Fähigkeit, Wunder zu tun. Ein anderer kann als Prophet reden. Und wieder ein anderer kann die Geister unterscheiden. Der Nächste redet in verschiedenen unbekannten Sprachen, ein weiterer kann diese Sprachen deuten. Aber das alles bewirkt ein und derselbe Geist. Er teilt jedem eine Fähigkeit zu, ganz so wie er es will.“

Der Abstand zwischen den Worten des Paulus und uns ist erheblich. Er richtet sie an eine bunte Gemeinde. Sie ist von ihm einige Jahre zuvor in der Hafenstadt Korinth gegründet worden. Sagen uns diese Worte des Paulus etwas? Wir werden es hören.

Der Christenglaube war für die Menschen etwas Neues. Es gab in der Gemeinde Dinge, die wir heute sehr skeptisch ansehen. Da konnte jemand Wunder tun. Andere redeten begeistert in unverständlicher Sprache, wie es das heute noch in den sogenannten Pfingstgemeinden gibt. Wieder andere hatten den Durchblick durch die Vielfalt in der Gemeinde und im Leben. Natürlich gab es auch Streit um die Rangfolge der Begabungen. Deswegen der Brief.

Und wir in unseren Gemeinden? Wir sind oft ärmer an Gaben und Begabungen und freuen uns, wenn sich überhaupt etwas im Namen Gottes zeigt und tut – für die Gemeinde und für andere.

Wir haben uns gefreut dieses Jahr an Ostern, dass unser Altarraum in Gaggenau so festlich geschmückt war. Das war ein Trost für unsere Augen und für unser Gemüt in diesen schwierigen Zeiten. Die Frau, die diesen Schmuck bereitet hat, hat diese Gabe, diese Begabung. Um Begabung durch Gott geht es hier.

Da ist ein Mann, der hat die Gabe, unseren Gemeindebrief so schön und ansprechend zu gestalten, dass hoffentlich nur wenige ihn gleich in den Papierkorb werfen.

Da gibt es eine Frau, die ab und zu anruft und nach uns fragt. Sie ruft auch an, wenn wir niedergeschlagen sind. Sie möchte trösten und aufrichten. Sie hat diese Gabe.

Einem Mann liegt der Kindergottesdienst besonders am Herzen. Weitere Gaben könnte ich nennen, z.B. die Gabe der Musik und des Singens, was in unserer Evang. Kirche so wichtig ist, und in diesen Zeiten nur eingeschränkt möglich ist.

Bei all diesen Gaben aus der Kraft Gottes ist damals wie heute wichtig, dass sie die Gemeinde zusammenführen, also zum Nutzen anderer dienen sollen. Wenn ich mich bei Computerspielen auskenne, so hilft das in der Regel niemandem anders. Meist sitze ich allein vor dem Apparat. Es hilft in der Regel keiner Gemeinde oder an einer anderen Gruppe.

Wichtig ist auch der Satz: Gott ist es, der diese Gaben in uns Menschen weckt, in allen Menschen. Sicher kann ich an meinen und mit meinen Begabungen weiterarbeiten. Aber es ist nicht mein Verdienst, wenn ich eine gewisse Fähigkeit habe, ein Können, das für andere Menschen nützlich machen kann. Ich denke z.B. an die Fähigkeit und Gabe, einen Blumenschmuck zu gestalten.

Es gibt auch keine Rangfolge der Begabungen in der Gemeinde. Das betrifft auch Priester oder Pfarrer, die es damals noch nicht gab. Schriftworte des Alten Testaments wurden allerdings ausgelegt.

Ich fasse zusammen: Gott, durch seinen Heiligen Geist schenkt uns Menschen Gaben, Begabungen. Wir dürfen mit ihnen und an ihnen arbeiten. Wir dürfen sie zum Nutzen anderer in oder außerhalb der Gemeinde einsetzen. Eine Rangfolge der Gaben Gottes gibt es nicht, keine ist höher als die andere.

Amen.

(Pfarrer Badelt)

 

Gottesdienst am 24. Mai 2021 - Pfingstmontag

Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Der Herr sei mit Euch.
Amen.

Lied: Nun jauchzt den Herren alle Welt (EG 288, 1+2)

Barmherziger Gott und Vater,
du schenkst uns deinen Geist,
dass wir dein Wort verstehen
und dich immer mehr erkennen können,
dass wir dich loben und preisen
und dir immer mehr dienen können,
dass wir Mut empfangen
und dein Evangelium immer besser weitergeben können, dass wir zur Freude geführt werden
und diese Freude immer mehr ausstrahlen,
dass wir uns für die Gemeinschaft der Heiligen
begeistern und uns immer mehr in sie einbringen.
Dies bitten wir im Namen deines Sohnes Jesus Christus, der mit dir und dem Heiligen Geist lebt
und wirkt in Ewigkeit.
Amen.                                                            

Schriftlesung: Johannes 20, 19–23

Lied: O komm Du Geist der Wahrheit (EG 136, 1, 4 und 7)

Predigt:

Der Predigttext steht im 1. Korintherbrief 12, 4-11

Liebe Gemeinde,
mit dem Pfingstfest tun sich viele Christen schwer. Mit dem Heiligen Geist erst recht. Man sieht es auch: Die Pfingstgottesdienste sind bis auf wenige Ausnahmen eher mager besucht. Viele nehmen in dieser Zeit Urlaub, gehen auf Reisen. Pfingsten ist heute unbedeutend.

Ganz anders in der Bibel. Die Heilige Schrift berichtet von Pfingsten als dem Fest der Ausgießung des Heiligen Geistes. Der Heilige Geist ist die unsichtbare Kraft Gottes, die nur an ihrem Wirken erkannt werden kann. So stattet der Heilige Geist die Gläubigen mit Gaben aus, damit die Kirche Jesu Christi gebaut werden kann.

Der Heilige Geist bringt Bewegung und Leben: Die Apostel versammelten sich im Abendmahlssaal in Jerusalem. Doch dieser Ort blieb nur der Ausgangspunkt für ihr Wirken. Ihr Ziel war ein anderes, nämlich die Grenzen der Erde. Bis dorthin sollen sie das Evangelium des gekreuzigten, auferstandenen und in den Himmel aufgefahrenen Herrn verkünden. Der Heilige Geist befähigt dazu.

Die frohe Botschaft muss unter die Leute. Sie predigten das Evangelium, sie tauften die Menschen, sie gründeten christliche Gemeinden. Deshalb bezeichnet man Pfingsten auch landläufig als das »Geburtsfest der Kirche«: Vom Heiligen Geist angetrieben, gingen die Apostel in die Welt hinaus, um dort Zeugnis abzulegen von Jesus Christus, dem Heiland und Retter der Welt. Nicht mehr zaghaft und ängstlich, wie vor Kreuz und Auferstehung, sondern freimütig mit Hingabe. Eben ausgestattet mit den Gaben des Heiligen Geistes.

Der Apostel Paulus redet in diesem Bibelwort von den Gaben des Heiligen Geistes. Er hatte Anlass dazu. In der korinthischen Gemeinde kam es zu allerhand geistlichen und theologischen Entgleisungen. Er wurde als Gründervater um Rat gefragt. Wie verhält es sich nun mit den Gaben des Heiligen Geistes in der christlichen Gemeinde oder Kirche? So spricht Paulus:

1. Über die Vielfalt der Gaben
2. Über den Zweck der Gaben
3. Über den Ursprung der Gaben

1. Von der Vielfalt der Gaben

Ich möchte mit einem Beispiel einsteigen: Da baut jemand ein Haus. Viele Handwerker werden gebraucht: Maurer, Zimmerleute, Installateure, Elektriker, Maler, Fliesenleger, Gipser, Schreiner und noch viele, viele mehr. Jeder Handwerker hat eine ganz bestimmte Arbeit zu verrichten, ob als Meister, Geselle oder Lehrling. Alle arbeiten sie am gleichen Bau. Alle werden sie gebraucht, so unterschiedlich sie sind. Alle sind sie gleich wichtig.

So ist das auch in der christlichen Gemeinde. Sie ist einem Bauwerk zu vergleichen. Die Gläubigen bauen alle mit, denn sie haben dazu die Gaben des Heiligen Geistes bekommen. Wer Jesus Christus nachfolgt, ist ein Beschenkter. Beschenkt mit Gottes Heiligem Geist und seinen Gaben. Es gibt keine unbegabten Jesus-Nachfolger. Damals nicht und heute nicht.

»Es sind verschiedene Gaben… verschiedene Ämter … verschiedene Kräfte …«: Die Vielfalt der Gaben. In der Kirche Christi gilt nicht die Gleichheit, sondern die Vielfalt. »Dem einen wird durch den Geist ein Wort der Weisheit gegeben, dem andern ein Wort der Erkenntnis … einem andern die Gabe, gesund zu machen … die Kraft, Wunder zu tun, einem andern prophetische Rede, einem andern die Gabe, die Geister zu unterscheiden; einem andern mancherlei Zungenrede; einem andern die Gabe, sie auszulegen.«

Gott teilt seine Gaben unterschiedlich aus. Sicher sind in diesem Gabenkatalog des heutigen Predigttextes längst nicht alle Gaben aufgezählt. Es gibt Christenmenschen, die beispielsweise aus Alters- oder Krankheitsgründen nicht mehr aus dem Haus können, aber sie haben die Gabe der Zeit. Zeit kann man nützen. Zum Beispiel zum Gebet. Beten für die Gemeinde, beten für die Außenstehenden, für die Alleine gelassenen, beten für unsere Kirche, beten für die Nachbarn, die Kirchengemeinderäte, die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Beten für die Kranken, für die Ärzte, Krankenschwestern und -pfleger und … und … und. Zeit haben ist ein großes Geschenk. Jeder und jede hat Gaben empfangen. Es sind ganz unterschiedliche Gaben, vielfältige Gaben.

2. Vom Zweck der Gaben

Wenn beim Hausbau verschiedene Handwerker arbeiten, dann ist es klar, dass sie in ihrer Verschiedenheit alle einem Zweck dienen, nämlich dem Bau dieses Hauses. Entscheidend für den Bauherrn ist nachher nicht mehr, wer an diesem Bau gearbeitet hat, sondern wie gearbeitet wurde und dass dieses Haus nun steht und seinen Zweck erfüllt, hoffentlich auch Freude aufkommt und die Handwerker gelobt werden.

Auch in der christlichen Gemeinde ist das so. Bei aller Vielfalt der Gaben, sie dienen nur einem Zweck: Dem Aufbau der Kirche bzw. Gemeinde. Der Apostel schreibt: »Durch einen jeden offenbart sich der Geist zum Nutzen aller«.

Jesus Christus will durch uns Gläubige sein Reich bauen. Dazu gibt Gott den Heiligen Geist und die entsprechenden Gaben, die jeweils dazu nötig sind. Wir sollen sie für das Ganze der Gemeinde einbringen.

Nun gibt es auch Christen, die Gaben haben, sie aber nicht zum Tragen bringen, sie brach liegen lassen. Dafür mag es manche Gründe geben.
Sie sind von ihrer Kirche enttäuscht.
Sie lassen sich lieber bedienen. Von anderen in der Gemeinde.
Sie haben zu viele Programme nebenbei.
Hier ist der Zweck verfehlt, die Gaben »entzweckt«. Das Ziel nicht erreicht. Das ist wie Dienstverweigerung.

Nein, die Gaben des Geistes werden im Reich Gottes zu Aufgaben. Dabei wird niemand überfordert. Gott selbst sorgt dafür. Paulus schreibt ausdrücklich: »Dem einen wird durch den Geist gegeben…« zum Beispiel, dem Nächsten ein tröstendes Wort zu sagen, oder einfach dem andern zuzuhören, damit er seiner Seele freien Lauf lassen kann. Der eine hat die Gabe, die Kirche zu schmücken, der andere eine Gruppe zu leiten. Die jungen Leute bringen ihre technischen und kreativen Begabungen ein. Gottes Phantasie ist grenzenlos, wenn es um diesen einen Zweck geht: seine Gemeinde geistlich aufzubauen.

Bitten wir doch den Herrn, dass er uns die Augen öffnet für unsere Gaben und für die Gaben der anderen. Er lädt alle ein, mitzubauen.

3. Vom Ursprung der Gaben

Verschiedene Gaben, verschiedene Ämter, verschiedene Kräfte; »aber es ist ein Gott, der da wirkt alles in allen«. Alle Gaben, Ämter, Kräfte haben einen Ursprung. Es sind Geschenke des dreieinigen Gottes. Wir Gläubigen sind und bleiben die Empfangenden. Was wir haben, haben wir von ihm. Es geht um ihn, nicht um uns. Es geht um Gottes Reich, nicht um unser Ansehen. Manche Gaben sind stärker, übernatürliche Begabungen, andere sind eher natürliche Begabungen. Aber alle Gaben kommen von Gott. Jede kleine Gabe ist gleich wichtig.

Auf eine Gefahr muss noch hingewiesen werden beim Bau des Reiches Gottes: Wir alle sind gefährdet, die Gaben auf unser Konto zu buchen. Einen Personenkult zu pflegen, wie das wohl auch in der korinthischen Gemeinde der Fall war. Aber es geht bei allem, was wir tun und was uns gelingt, nicht um uns, es geht um Gott und Jesus, um Gottes Ehre. Es geht darum, dass Menschen für den Glauben an Jesus Christus und sein Reich gewonnen werden.

Johann Sebastian Bach wusste offensichtlich davon, wenn er entweder an den Anfang oder an das Ende seiner Werke schrieb:  s.d.g. – »Soli deo gloria«, zu Deutsch: »Gott allein die Ehre«. Am historischen Kanzelkorb der Bachkirche in Arnstadt ist das Kürzel noch heute in kunstvoller Ausgestaltung zu sehen.

Wenn wir so die Gaben des Heiligen Geistes einsetzen, zur Ehre unseres Herrn und zum Aufbau der Gemeinde, immer auf den Herrn unseres Glaubens hinweisend, werbend, dann sind wir in der Spur Gottes. Zu seinen Jüngern hat Jesus gesagt: »Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen und werdet meine Zeugen sein.«

So gewinnt Pfingsten eine neue Bedeutung.
Amen.

Lied: Sonne der Gerechtigkeit (EG 262, 1–3.6–7)

Fürbitten:

Herr, für deinen Leben schaffenden Heiligen Geist danken wir.
Lass ihn wirksam werden in unserem Miteinander
in der Gemeinde, in den Ehen und Familien,
im Verhältnis der Generationen,
in der Nachbarschaft und am Arbeitsplatz.

Lass ihn wirksam werden,
dass wir verständnisvoller miteinander umgehen
und uns einander so annehmen,
wie du uns angenommen hast.

Lass deinen Geist vor allem da wirken,
wo wir Menschen geneigt sind,
uns auf unseren eigenen Geist zu verlassen:
in der Politik und Wirtschaft, in der Forschung,
Erziehung und im Gesundheitswesen,
in den Schulen und Universitäten.

Wir erbitten deinen Geist für alle Christen
in allen Kirchen und Konfessionen.
Schenke Bereitschaft zum gemeinsamen Gespräch
und Mut zum gemeinsamen Handeln.
Hilf uns, dass wir einander dienen,
ein jeder mit der Gabe, die er empfangen hat.

Wir bitten dich für alle,
deren Leid und Elend uns Zeitungen und Fernsehen
Tag für Tag vor Augen führen.

Für alle, die von Krankheit gezeichnet sind,
für die alten Menschen,
die oft nicht mehr geachtet werden,
für die Leidtragenden, die schwer tragen,
für die Fremden unter uns, die wenig Anschluss haben und meist auf sich gestellt sind.

Wir bitten für alle, die um deines Namens willen verfolgt, geächtet oder benachteiligt sind.
Hilf ihnen und stärke sie in ihrem Glauben.
Baue dein Reich mitten in unserer Zeit, in unserer Welt, dass noch viele Menschen zur Erkenntnis der Wahrheit und damit zum ewigen Heil kommen.

Dir, dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist
sei Lob und Preis und Anbetung jetzt und in Ewigkeit.
Amen.

Vater unser im Himmel
geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich
und die Kraft und die Herrlichkeit
in Ewigkeit.
Amen.

Lied: Wach auf, wach auf (EG 241, 1+2)

Empfangt den Segen des Herrn:
Der Herr segne euch und behüte euch.
Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über euch
und sei euch gnädig.
Der Herr erhebe sein Angesicht auf euch
und gebe euch Frieden.
Amen.

(von Prädikant Reininger)

 

Gottesdienst am 16. Mai 2021 - Exaudi

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde,
herzlich willkommen zum Lesegottesdienst für den Sonntag Exaudi, den 6. Sonntag nach Ostern.
Exaudi bedeutet „Höre“ und bezieht sich auf den Psalm 27, wo es heißt: “Herr, höre meine Stimme“. Darauf vertrauen, dass Gott uns hört, wenn wir mit ihm sprechen.
Einen gesegneten Sonntag wünscht Pfarrerin Anke Mühlenberg- Knebel

Wir beginnen mit dem Lied EG 136, 1-3 „O komm, du Geist der Wahrheit“

Im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Amen.

Gebet zu Beginn:
Komm zu uns, Gott, damit wir deine Kraft spüren, deinen Trost, deine Freude, deine Leichtigkeit.
Dies bitten wir durch Jesus Christus, Grund unserer Hoffnung von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Amen.

Als Lesungs- und zugleich Predigttext haben wir einen Abschnitt
aus dem Epheserbrief, Kapitel 3, Verse 14- 21:
„Deshalb beuge ich meine Knie vor dem Vater, der der rechte Vater ist über alles, was da Kinder heißt im Himmel und auf Erden, dass er euch Kraft gebe nach dem Reichtum seiner Herrlichkeit, stark zu werden durch seinen Geist an dem inwendigen Menschen, dass Christus durch den Glauben in euren Herzen wohne und ihr in der Liebe eingewurzelt und gegründet seid. So könnt ihr mit allen Heiligen begreifen, welches die Breite und die Länge und die Höhe und die Tiefe ist, auch die Liebe Christi erkennen, die alle Erkenntnis übertrifft, damit ihr erfüllt werdet mit der ganzen Gottesfülle. Dem aber, der überschwänglich tun kann über alles hinaus, was wir bitten oder verstehen, nach der Kraft, die in uns wirkt, dem sei Ehre in der Gemeinde und in Christus Jesus zu aller Zeit, von Ewigkeit zu Ewigkeit.“
Amen.

Wir loben Gott, indem wir unseren christlichen Glauben bekennen:
Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen,
den Schöpfer des Himmels und der Erde.
Und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn.
Empfangen durch den Heiligen Geist,
geboren von der Jungfrau Maria,
gelitten unter Pontius Pilatus,
gekreuzigt, gestorben und begraben.
Hinabgestiegen in das Reich des Todes;
am dritten Tage auferstanden von den Toten, aufgefahren in den Himmel.
Er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters.
Von dort wird er kommen zu richten die Lebenden und die Toten.
Ich glaube an den Heiligen Geist,
die Heilige christliche Kirche, Gemeinschaft der Heiligen,
Vergebung der Sünden,
Auferstehung der Toten und das ewige Leben.
Amen.

Lied NL 116, 1-4: „Da wohnt ein Sehnen tief in uns“

Predigt:
Gnade sie mit euch und Friede von Gott, unserem Vater und von dem Herrn Jesus Christus.
Amen.

Liebe Geschwister,
wenn wir große Sorgen haben, dann helfen ein Blickwechsel und eine Unterbrechung. Ein Gebet z.B. unterbricht das Kreisen um die eigenen Gedanken und ermöglicht uns, alles einmal von einer anderen Seite her zu betrachten. Das weiß der Briefschreiber, vermutlich ein Schüler des Apostels Paulus, der an die große christliche Gemeinde in Ephesus schreibt, in der heutigen Türkei, und er betet. In der Mitte des Briefes, im 3. Von 6 Kapiteln, von der ersten bis zur letzten Zeile. Von den Knien bis zum jubelnden Mund, von Kopf bis Fuß, mit Leib und Seele. Er findet große Worte, die seine Leserinnen und Leser zum Mitsprechen einladen, vor allem am Ende: „Dem aber, der überschwänglich tun kann über alles hinaus, was wir bitten oder verstehen, nach der Kraft, die in uns wirkt, dem sei Ehre in der Gemeinde und in Christus Jesus zu aller Zeit, von Ewigkeit zu Ewigkeit!“ Schon fast im Reflex, automatisch, sprechen wir mit: „Amen.“ Und mit dem gemeinsamen Amen sind wir mittendrin im Beten; wir haben uns unterbrechen lassen, lassen unseren Blick zum Himmel gehen, zu Gott.

Wir hören überschwängliche Worte zum überschwänglichen Wirken Gottes. Sag Gott nicht, dass du große Sorgen hast- sag deinen Sorgen, dass du einen großen Gott hast! Dem großen Gott, der mehr wirkt, als wir verstehen oder sogar erbitten können, diesem Gott wird die Gemeinde anvertraut; vertraut doch darauf: Gott will und wird in euch wirken! Das ist Hoffnung gegen die Ängstlichkeit. Es ist ein Gebet, das Menschen stärkt und ihnen Kraft und Zuversicht gibt, indem es sie von neuem zu Gott führt. Der Briefschreiber baut betend die Menschen auf, indem er ihnen die Größe Gottes vor Augen führt.

Liebe Geschwister! Manchmal brauchen wir das dringend. Das Gebet für die Gemeinde in Ephesus ist so wichtig, dass es den Beter nicht auf den Füßen hält. Er kniet nieder. Wer kniet, macht sich klein.
Es ist ein Zeichen der Achtung des Respektes, manchmal auch ein Schuldeingeständnis. Unvergessen ist das Bild vom Kniefall des früheren Bundeskanzlers Willy Brandt am Mahnmal für die Opfer beim Aufstand des Warschauer Ghettos. Wer kniet, sammelt sich, liefert sich aus. Ein Mensch, der kniet, hält inne, konzentriert sich, richtet die ganze Aufmerksamkeit auf diesen einen Moment. Es ist eine starke Geste, die man nicht groß erklären muss. In diese starke Geste nimmt das Gebet uns hinein. Mit seinem ganzen Sein und Handeln, mit ganzem Körpereinsatz bittet der Beter für die Gemein- de in Ephesus, deren Menschen unsicher und mutlos in ihrem Glauben geworden sind. Und er schließt auch alle die ein, die in ihrem Glauben gefestigt sind. Mit seiner großen Geste stellt er ihnen Gottes große Liebe vor Augen. Ein Gebet verändert. „Beten Sie für mich“, bitten mich manchmal Gemeindemitglieder, die in einer schwierigen Situation sind. Menschen, die wissen, dass andere für sie beten, berichten, dass allein das Wissen um das Gebet ihnen hilft. Vielleicht haben Sie das auch schon selbst erfahren. Ich fühle mich getragen durch die Fürbitte anderer Menschen. Andere sprechen meinen Namen vor Gott aus, tragen meine Geschichte, meine Sorgen vor Gott. Schon dieses Wissen macht Mut. Das, was mich beschäftigt und bewegt, so groß es mir erscheint- Gott ist größer. Gott ist so groß, dass wir vor ihm auf die Knie fallen, uns ihm ausliefern und ihm anvertrauen. Und er ist größer als alles, was mir auf den Schultern lastet. Was soll Gott für uns tun? Er soll Kraft geben nach dem Reichtum seiner Herrlichkeit, damit wir stark werden am inneren Menschen. Vielleicht ändert sich nach außen gar nichts. Vielleicht bleibt bestehen, was mir Sorgen macht. Aber mein innerer Mensch kann eine andere Haltung dazu gewinnen. Der innere Mensch, der Personenkern, der mich ausmacht. Hier sitzt meine Stärke, hier schlägt mein Herz. Die Kraft des inneren Menschen hält mich in der Spur, lässt mich meine Zuversicht bewahren und darauf vertrauen: Gott gibt mir für alles, was mir begegnet, genug Kraft. Er räumt mir nicht alles aus dem Weg. Aber er hilft mir, damit umzugehen. Es zu ertragen oder Widerstand zu leisten, nach Lösungen zu suchen. Und ich spüre: Es hängt nicht von mir ab, ob mein Leben gelingt.

Ihr Lieben, wer sich auf die Knie begibt, macht sich klein.
Im Gebet erwarten wir Großes von Gott, für uns selbst und für andere Menschen. Was bedeutet es für meinen Nachbarn, wenn ich für ihn bete, dass er wieder eine Beziehung zu Gott aufbauen kann? Was bedeutet es für unsere christliche Kirche, wenn wir Großes für sie erwarten- nicht, weil wir so gute Ideen und Konzepte für sie haben, sogar jetzt unter den besonderen Corona-Bedingungen- sondern weil wir sie dem großen Wirken Gottes anvertrauen? Was bedeutet es für andere, wenn ich ihre Sorgen vor Gott trage und ihnen davon erzähle? Wir stehen mit dem Sonntag Exaudi zwischen Himmelfahrt und Pfingsten. Jesus ist nicht mehr leiblich unter uns, aber er begleitet uns weiter durch seinen guten Geist. Das entlastet uns. Wir sind nicht verantwortlich dafür, dass Menschen zum Glauben finden oder dass die christliche Kirche immer weiter wächst. Wir können der Kraft Gottes vielleicht manchmal im Weg stehen, und sie behindern, das kommt vor. Aber wir können diese Kraft nicht selbst machen. Sich miteinander und füreinander vor Gott versammeln, das ist unsere Sache. Darin liegen ungeahnte Kräfte - für uns, für die christliche Gemeinschaft- sogar für die Gesellschaft. Sag Gott nicht, wie groß deine Sorgen sind, sondern sag deinen Sorgen, wie groß Gott ist.
Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft zu fassen vermag,
bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.
Amen.

Lied EG 501,1-3 „Wie lieblich ist der Maien“

Fürbitten:
Du Geist aus Gott,
hilf uns, dass wir glauben können,
mach uns stark, dass wir das Richtige tun können,
öffne unseren Mund, dass wir den Menschen von dir erzählen,
heile unsere Wunden,
versöhne uns mit den Wegen unseres Lebens.
Führe uns den Weg, der aus Gott kommt und zu Gott geht.
Amen.

Alles, worum wir Gott sonst noch bitten möchten, sagen wir mit den Worten des Vaterunsergebetes: Vater unser im Himmel…

Lied NL 189, 1-3: „Sei behütet auf deinen Wegen“

Segen:
Sei behütet auf deinen Wegen, sei behütet auch mitten in der Nacht.
Durch Sonnentage, Stürme und durch Regen hält der Schöpfer über dir die Wacht.

So segne dich Gott, der Vater, der Sohne und der Heilige Geist.
Amen.

Gottesdienst am 13. Mai 2021 - Christi Himmelfahrt

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde!

Den heutigen Gottesdienst zum Fest Christi Himmelfahrt feiern wir als Open-Air-Gottesdienst zusammen mit der Evangelischen Kirchengemeinde Bühl und ihrem Pfarrer Dr. Götz Häuser vor der Kapelle zum Guten Hirten auf dem Sand. Für die musikalische Begleitung sorgt der Bühler Posaunenchor.
Es grüßt Sie und euch herzlich Pfarrerin Anke Mühlenberg- Knebel.

Wir beginnen mit dem Lied EG 501, 1-3: „Wie lieblich ist der Maien“

Begrüßung:
Liebe Menschen aus den Kirchengemeinden Bühl und Bühlertal, liebe Gäste hier auf dem Sand! Ein herzliches Willkommen zum Fest Christi Himmelfahrt! Die Glocke der Kapelle zum Guten Hirten hat uns zum Gottesdienst eingeladen. Wir haben gemerkt, sie ist ganz schön laut, lauter als die Motorräder, PKWs, Laster und Busse, die die Schwarzwaldhochstraße rauf- und runterfahren. Und das ist gut so. Mit ihrem Ton „a“, auf den sie gestimmt ist, kann man sie weithin über die Schwarzwaldberge hinweg bis nach Herrenwies hören.
In diesem Jahr feiert sie ihr hundertjähriges Jubiläum. Sie ist ein Geschenk der Gemeinde Dallau bei Mosbach. „Ein feste Burg ist unser Gott“ trägt die Glocke als Inschrift. Beim Vaterunsergebet werden wir sie nochmal hören. Wenn wir noch länger da sind, um 12 Uhr mittags und um 18 Uhr, auch noch einmal. Sie schlägt an einem Ort, an dem die Menschen sich dem Himmel ein ganzes Stück näher fühlen, hier oben auf dem Berg. Ein passender Ort zu Christi Himmelfahrt. Uns allen einen gesegneten Gottesdienst.

Im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Amen.

Gebet:
Herr Jesus Christus, die Bibel erzählt uns heute von deiner Himmelfahrt. Hilf uns verstehen, dass du uns damit nicht ferngerückt bist. Du bist mitten unter uns. Auch jetzt, wenn wir Gottesdienst feiern. Dafür danken wir dir.
Amen.

Lesung aus Apostelgeschichte 1,6-14, zugleich Predigttext:
Die nun zusammengekommen waren, fragten ihn und sprachen:
Herr, wirst du in dieser Zeit wieder aufrichten das Reich für Israel? Er aber sprach zu ihnen: Es gebührt euch nicht, Zeit oder Stunde zu wissen, die der Vater in seiner Macht bestimmt hat; aber ihr werdet die kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch kommen wird, und werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis ans Ende der Erde. Und als er das gesagt hatte, wurde er zusehends aufgehoben, und eine Wolke nahm ihn vor ihren Augen weg. Und als sie ihm nachsahen, wie er gen Himmel fuhr, siehe, da standen bei ihnen zwei Männer in weißen Gewändern. Die sagten: Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und seht zum Himmel? Dieser Jesus, der von euch weg gen Himmel aufgenommen wurde, wird wiederkommen, wie ihr ihn habt gen Himmel fahren sehen.
Amen.

Predigt:

Gnade sei mit euch u. Friede von Gott, unserem Vater, und von dem Herrn Jesus Christus!

Liebe Geschwister, was bedeutet das heutige Fest Christi Himmelfahrt?
Himmelfahrt bedeutet Abschied. Jesus hat kurze Zeit mit seinen Jüngerinnen und Jüngern gelebt, ein, zwei oder drei Jahre lang. Er ist mit ihnen durch das Land gezogen, hat ihnen vieles gezeigt und erklärt. Er ist immer für sie dagewesen, hat ihnen die Familie ersetzt, die sie seinetwegen verlassen haben. Jesus hat ihnen Mut gemacht in Situationen, die uns auch heute Angst machen: schwere Erkrankungen, Tod, Verzweiflung, Mutlosigkeit, Perspektiv -losigkeit, verachtet sein, Fremdsein. Ja, wir könnten in diesen Corona-Zeiten auch gut so einen lebendigen Jesus brauchen, der uns zum Leben und zum Glauben ermutigt.

Aber nach seiner Kreuzigung und Auferstehung ist Jesus auf einmal weg! Seine engsten Vertrauten haben keine Gelegenheit mehr, sich von ihm zu verabschieden. Hat er sie einfach sitzenlassen?
Der Verfasser der Apostelgeschichte, der sich Lukas nennt, hat das so empfunden, dass die Zeit des Zusammenseins Jesu mit seinen Jüngern zu kurz war. Und sein plötzlicher Abschied zu schmerzhaft und missverständlich. Deshalb lässt er ihn in seinem Bericht noch 40 Tage lang nach seiner Auferstehung von den Toten unter den Menschen auf der Erde sein. Jesus zeigt sich, tut Zeichen und Wunder, um ihren Glauben zu wecken.

Doch irgendwann ist auch diese Zeit vorbei. Mit dem Ereignis der Himmelfahrt verabschiedet sich der irdische Jesus endgültig von den Menschen. Sie müssen von da an auf seine direkte Anwesenheit verzichten. Die Hoffnungen, die sie in ihn gesetzt hatten, erfüllen sich nicht. Er richtet eben nicht noch für alle sichtbar die Gottesherrschaft auf, in Israel, in der ganzen Welt, von der er doch immer gepredigt hatte.

Liebe Gemeinde,
hier oben auf dem Berg, die Vorstellung von der Himmelfahrt Christi hat den Menschen der ersten christlichen Gemeinden dabei geholfen, mit der Situation dieses endgültigen Abschieds innerlich fertig zu werden. Der Himmel, das ist der Ort, der Bereich, der Gott gehört. Wenn die Apostelgeschichte berichtet, dass Jesus in den Himmel auffährt, dann heißt das: er ist jetzt bei Gott, im Schutzbereich Gottes. Wo Gott ist, da ist der Himmel. Nun ist die Vorstellung von der Himmelfahrt aber nicht als Trostpflästerchen gedacht.

Der Verfasser der Apostelgeschichte und die Menschen, die dieses Bild schon vor ihm gebrauchten, die wollten damit über Jesus Christus ein Bekenntnis ablegen. Sie wollten anderen damit sagen: Jesus von Nazareth ist nicht nur ein gewöhnlicher Mensch wie du und ich. Er steht Gott so nahe, da passt kein Blatt Papier dazwischen. Auf ihn vertrauen wir, nach ihm wollen wir unser ganzes Leben ausrichten. Er ist die oberste Instanz, über ihm kommt nichts mehr.

Sehnsüchtig schauen die Jesu Jünger in unserem Predigttext nach oben, in den Himmel; vielleicht wären sie gerne mit ihrem Meister entschwebt. Wie gut, dass es hier noch die Männer in weißen Kleidern gibt, die Engel, die ihren Blick in eine andere Richtung lenken. Sie fragen: „Was starrt ihr da so in den Himmel?“ Die Jünger werden von ihnen gewissermaßen auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Sie machen ihnen klar, dass sie ab jetzt ohne die Gegenwart Jesu auskommen müssen und auf eigenen Füßen stehen. Und sie haben einen Auftrag: was Jesus bisher sagte und tat, das sollen sie jetzt weiterführen. Jesus vertraut auf den guten Geist Gottes, dass er die Jünger weiterleiten wird. Sie sollen erwachsen werden im Glauben, sich darin weiterentwickeln, sogar anderen diesen Glauben weitergeben und sie zu einem Leben im Sinn Jesu ermutigen. Und das gelingt ihnen auch; davon legt die Apostelgeschichte Zeugnis ab. Sonst wären wir-vermutlich- heute Morgen gar nicht hier. Und auch die hundertjährige Glocke gäbe es nicht, nicht die Kapelle, nicht die evangelischen Gemeinden in Bühl und Bühlertal und anderswo.

Als Christinnen und Christen erwachsen werden im Glauben und andere Menschen dabei begleiten, das ist der Auftrag Jesu auch an uns heute. Mündige Christen übernehmen nicht einfach das, was andere, was Leitungsgremien der Kirche und der Gemeinden, Pfarrer -Innen einmal festgelegt haben. Sie denken selbst nach, entscheiden, mischen sich ein. Wollen wissen, wofür steht die evangelische Gemeinde, zu der ich gehöre? Wie kommen wir selbst und andere in der Gemeindearbeit, in den Gottesdiensten vor? Was hat das mit uns und unserem Alltag zu tun? Sie stellen Fragen, kritische Fragen, in der eigenen Sprache, auf dem Hintergrund der eigenen Erfahrungen. Sie engagieren sich und bringen ein, was ihnen wichtig ist. Wenn ich mich hier so umsehe, dann entdecke ich ganz viele solcher mündigen Christinnen und Christen. Erwachsenwerden im Glauben heißt aber auch: Antworten aushalten, die das bisherige Denken und Meinen über den Haufen werfen, die einen neu beginnen lassen. Das kann manchmal ganz schön schwierig sein. Aber es kann gelingen, auch bei uns. Der irdische Jesus hat sich zwar verabschiedet, aber er bleibt ja auf andere Weise. Ein Text aus unserer Zeit fasst das so zusammen: „Es bleibt uns sein Wort, das uns Kräfte verheißt. Wir leben von ihm, von Gottes Geist. Es bleibt uns der Glaube ans Licht der Nacht, ans Kreuz, die verborgene Ostermacht. Es bleibt uns der Auftrag, Gemeinde zu sein, für Frieden zu sorgen und zu schreien.

Es bleibt die Verheißung, dass Gott bei uns bleibt und uns in das Buch des Lebens schreibt. Wir wissen um Jesus Himmelfahrt und rechnen mit seiner Gegenwart.
Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft zu fassen vermag, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.
Amen.

Lied: Der Himmel geht über allen auf

Fürbitte:
Herr, wir bitten dich: lass deinen Himmel über uns und unseren Gemeinden aufgehen, leite uns durch deinen Geist und mach uns im Glauben stark.

Wir sprechen das Vaterunsergebet: Vater Unser im Himmel, …

Lied EG 123, 1-3: Jesus Christus herrscht als König

Segen:
Gott segne uns und behüte uns, sende deinen Geist und sei uns gnädig.
So segne uns Gott, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist.
Amen.

Gottesdienst am 09.05.2021 - Rogate

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde,
herzlich willkommen zum Lesegottesdienst für den kommenden Sonntag Rogate, es ist der 5. Sonntag nach Ostern.
„Rogate!“, das heißt übersetzt „Betet!“
So denken wir an diesem Sonntag darüber nach, wie gut es uns tut, wenn wir uns mit allem, was uns bewegt, Gott anvertrauen können.
Es grüßt Sie und euch herzlich Ihre Pfarrerin Anke Mühlenberg- Knebel und wünscht einen gesegneten Sonntag.

Am Anfang steht das Lied EG 617, 1-3: „Kommt herbei, singt dem Herrn“

Im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Unsere Hilfe steht im Namen des Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat.
Amen.

Gebet zum Beginn:
Herr, unser Gott.
Du kennst jeden und jede von uns.
Du weißt, was uns freut und was uns Angst macht.
Du kennst unsere Wünsche und Hoffnungen und unsere tiefste Sehnsucht.
Du liebst uns so, wie wir sind.
Wir bitten dich: lass uns spüren, dass du jetzt ganz nah bei uns bist
und schenke uns eine gute Gemeinschaft.
Amen.

Wir hören als Lesung und zugleich als Predigttext
einen Abschnitt aus dem Lukasevangelium, Kapitel 11, Verse 9-13:
„Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan. Denn wer da bittet, der empfängt; und wer da anklopft, dem wird aufgetan. Wo ist unter euch ein Vater, der seinem Sohn, wenn der ihn bittet, eine Schlange für den Fisch biete? Oder der ihm, wenn er um ein Ei bittet, einen Skorpion dafür biete? Wenn nun ihr, die ihr böse seid, euren Kindern gute Gaben geben könnt, wieviel mehr wird der Vater im Himmel den heiligen Geist geben denen, die ihn bitten?“
Amen.

Wir bekennen unseren christlichen Glauben:
Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen,
den Schöpfer des Himmels und der Erde.
Und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn.
Empfangen durch den Heiligen Geist,
geboren von der Jungfrau Maria,
gelitten unter Pontius Pilatus,
gekreuzigt, gestorben und begraben.
Hinabgestiegen in das Reich des Todes;
am dritten Tage auferstanden von den Toten, aufgefahren in den Himmel.
Er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters.
Von dort wird er kommen zu richten die Lebenden und die Toten.
Ich glaube an den Heiligen Geist,
die Heilige christliche Kirche, Gemeinschaft der Heiligen,
Vergebung der Sünden,
Auferstehung der Toten und das ewige Leben.
Amen.

Lied EG 369, 1.3.7: „Wer nur den lieben Gott lässt walten“

Predigt:
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater und von dem Herrn Jesus Christus.
Amen.

Liebe Gemeinde,
wenn Sie zu den Seniorinnen und Senioren unserer Gemeinde gehören, dann haben Sie in Ihrem Leben sicher schon ganz viel gearbeitet: im Garten, in der eigenen Landwirtschaft, im Betrieb, und dann auch noch im eigenen Haushalt. Gerade für Ihre Generation gilt der Satz: „Arbeit war Ihr Leben.“ Und als Sie älter geworden sind und Ihre Kräfte nachließen, da war es für Sie nicht so leicht zu akzeptieren, dass Sie auf einmal gar nicht mehr viel selbst tun konnten.

Sie haben sicher auch schon früh von Ihren Eltern gelernt, dass man es nur zu etwas bringt, wenn man fleißig ist. Aber auch die jüngeren und jungen Menschen unter uns sind in einer Leistungsgesellschaft aufgewachsen. Spätestens, sobald man als Kind eingeschult wird, wird einem schnell klar: es geht um Leistung. Gute Noten werden erwartet, ein möglichst hoher Bildungsabschluss, eine erfolgreiche Lehre oder Studium. Voller Einsatz am Arbeitsplatz. Und dafür muss man etwas tun, sich ordentlich anstrengen. Es wird einem nichts geschenkt!
Der heutige Predigttext aus dem Lukas-Evangelium steht zu diesen Tatsachen scheinbar im Widerspruch, denn von Fleiß, Leistung, Lohn ist nicht die Rede. Im Gegenteil; er meint: Wir empfangen das, was wir zum Leben brauchen, nur aufgrund unserer Bitte.

Wir bekommen, was wir zum Leben brauchen, wenn wir darum bitten. So sagt Jesus. Und er erklärt das mit einem einfachen Beispiel: Stellt euch vor, euer Kind bittet euch um das, was es zum Leben braucht, nämlich Nahrung. Ihr würdet ihm niemals etwas geben, was sein Leben zerstört, etwa eine Schlange anstatt eines Fisches. So gemein wäre doch kein Mensch! Und wenn schon wir Menschen diese wesentlichen Bitten erfüllen, dann wird erst recht Gott keine Bitte, kein Suchen und kein Anklopfen unerfüllt lassen. Und wie unsere leiblichen Eltern dürfen wir Gott um alles bitten, was wir zum Leben brauchen.

Aber: funktioniert das im Leben so einfach? Haben Sie das erlebt, liebe Gemeinde, dass Sie das bekommen haben, worum Sie gebeten haben? Das hat sicher früher schon bei den Eltern nicht immer funktioniert. Die Eltern konnten nicht alle Wünsche erfüllen und wollten es auch gar nicht.

Und mit dem Beten ist das manchmal auch so eine Sache: das Beten fällt nicht immer leicht- und dass Gebete erfüllt werden, erleben wir auch nicht immer.

Beten bedeutet, dass wir uns mit unseren Sorgen, Nöten, Wünschen und unserem Dank Gott anvertrauen. Im Beten vertrauen wir darauf, dass Gott uns als Gegenüber wahrnimmt und unser Gebet ernst nimmt. So bleiben wir, wenn wir beten, nicht allein, sondern wir suchen die Nähe und Gegenwart Gottes.

Jesus sagt: Eure Gebete werden erhört. „Bittet, so wird euch gegeben“, heißt es in unserem Predigttext. Schön wär‘s, denkt jetzt viel -leicht mancher von uns. Wenn wir beten, dann erwarten wir oft, dass alles so kommt, wie wir uns das wünschen. Wie er unsere Gebete erfüllt, liegt jedoch allein bei Gott. Und Gottes Wege und Gedanken sind oft ganz anders als unsere menschlichen Wege und Gedanken.

Beten kann auch heißen, vor Gott zu klagen, ihn sogar anzuklagen und ihm das erfahrene Leid entgegenzuschreien. In der Bibel gibt es die sogenannten Klagepsalmen. Da wendet sich der Beter gerade nicht von Gott ab, er verstummt nicht angesichts seiner Trauer und seines Unglücks. Das Gebet bietet die Möglichkeit, Leid zu verarbeiten, weil man nicht sprachlos bleiben muss.

Beten fällt uns manchmal schwer, weil wir Menschen von klein auf lernen, dass man nur zu etwas kommt, wenn man entsprechend dafür arbeitet. „Bittet, so wird euch gegeben“- uns wäre es lieber, wenn wir immer selber für uns sorgen und alles selbst schaffen und machen könnten.

Aber im Leben gehört beides eng zusammen: das Beten und das Arbeiten. Die Benediktinermönche zum Beispiel haben das früh erkannt und den Spruch „Ora et labora“ zu ihrem Motto gemacht. Beides gehört zusammen und hat bei Gott seinen Platz und seine Zeit.

Liebe Gemeinde, vielleicht ist ja jetzt für Sie gerade die Zeit, das Beten wieder neu zu lernen und zu probieren. Für die älteren und alt gewordenen Menschen- wenn man nicht mehr so viel arbeiten muss. Es kann gut sein, dass es im Leben auch dafür eine Zeit gibt- nach -dem das Arbeiten in den Jahren vorher schon so viel Platz eingenommen hat. Aber auch die jüngeren Menschen, wir alle haben in diesen schwierigen und belastenden Corona-Monaten vielleicht wie- der einen neuen Zugang zum Beten gefunden. Wir haben erfahren, wie bedroht unser eigenes Leben und das der anderen sein kann. Wir haben uns dabei manches mal ohnmächtig und hilflos gefühlt. Und das wird uns weiter begleiten, auch in anderen schwierigen Situationen und Zeiten unseres Lebens. Da tut ist es gut zu wissen, dass es immer noch eines gibt, was man doch tun kann: die Hände falten und beten.

Und wenn man nicht weiß, was man beten soll? Dann reicht für den Anfang wohl ein Seufzen, ein paar Worte, denn Gott weiß, was wir brauchen, schon bevor wir ihn bitten.

Eine Geschichte erzählt: Ein Mönch war eines Tages unterwegs in einer ganz abgelegenen Gegend. Er wusste, dass dort ein sehr frommer Mann lebte, den wollte er besuchen. Als er dort ankam, war er erstaunt. Der fromme Mann besaß keine Bücher, er konnte noch nicht einmal lesen.

„Aber“, fragte der Mönch, „wie kannst du beten, wenn du nicht lesen und schreiben kannst?“

„Ganz einfach“, antwortete der fromme Einsiedler,“ ich kann nämlich das Alphabet aufsagen. Das mache ich und dann bitte ich Gott, dass er sich aus den Buchstaben die richtigen Worte zusammensetzt. So bete ich, und Gott versteht, was ich ihm sagen möchte.“
Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft zu fassen vermag, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.
Amen.

Lied EG 182, 1-3: Halleluja

Fürbitten: Hier ist heute einmal Platz, eigene Fürbitten zu formulieren und vor Gott zu tragen. Versuchen Sie es ruhig einmal!

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Alle unsere Bitten fassen wir zusammen im Vaterunsergebet:
Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name,…

Lied EG 170, 1-3: „Komm, Herr, segne uns“

Segen:
Der Segen Gottes komme über dich und bleibe bei dir von nun an bis in Ewigkeit.
Amen.

Gottesdienst am 02. Mai 2021 - Kantate

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde,
zum Sonntag „Kantate“, dem 4. Sonntag nach Ostern, grüße ich alle mit dem Wochenspruch aus Psalm 98, 1 „Singet dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder.“
Wenn auch in den Kirchen derzeit nicht gesungen werden darf, wollen wir heute ein Lied aus unserem Gesangbuch in den Mittelpunkt stellen und darüber nachdenken, „Danke für diesen guten Morgen“ (EG 334). Gerne kann man es zuhause einmal für sich oder mit der Familie singen; es ist ja sehr bekannt.
Einen gesegneten Sonntag wünscht Pfarrerin Anke Mühlenberg- Knebel.

Wir beginnen mit dem Lied EG 243, 1-3: „Lob Gott getrost mit Singen“

Im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Amen.

Gebet:
Lebendiger Gott,
du schenkst uns Musik für die Seele.
Sie tröstet, weckt Hoffnung und befreit.
Lass in unseren Herzen deine Melodie erklingen,
damit wir in deinem Rhythmus leben,
jetzt und allezeit.
Amen.

Die biblische Lesung für den heutigen Sonntag steht im Lukas-Evangelium, Kapitel 19, Verse 37 bis 40.
Es ist ein kurzer Abschnitt aus dem Bericht des Einzugs Jesu in Jerusalem:
„Und als er (Jesus) schon nahe am Abhang des Ölbergs war, fing die Menge der Jünger an, mit Freuden Gott zu loben mit lauter Stimme über alle Taten, die sie gesehen hatten und sprachen: Gelobt sei, der da kommt, der König, in dem Namen des Herrn! Friede sei im Himmel und Ehre in der Höhe!
Und einige von den Pharisäern in der Menge sprachen zu ihm: Meister, weise doch deine Jünger zurecht! Er antwortete und sprach: Wenn diese schweigen werden, so werden die Steine schreien.“
Amen.

Wir bekennen unseren christlichen Glauben:
Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen,
den Schöpfer des Himmels und der Erde.
Und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn.
Empfangen durch den Heiligen Geist,
geboren von der Jungfrau Maria,
gelitten unter Pontius Pilatus,
gekreuzigt, gestorben und begraben.
Hinabgestiegen in das Reich des Todes;
am dritten Tage auferstanden von den Toten, aufgefahren in den Himmel.
Er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters.
Von dort wird er kommen zu richten die Lebenden und die Toten.
Ich glaube an den Heiligen Geist,
die Heilige christliche Kirche, Gemeinschaft der Heiligen,
Vergebung der Sünden,
Auferstehung der Toten und das ewige Leben.
Amen.

Lied EG 334, 1.4.6 „Danke für diesen guten Morgen“

Predigt:

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater und von dem Herrn Jesus Christus.
Amen.

Liebe Gemeinde,
„Danke für diesen guten Morgen“ ist eines der bekanntesten Lieder aus unserem Gesangbuch. Melodie und Text stammen von Martin Gotthard Schneider, einem Theologen und Kirchenmusiker hier aus Baden. Im Jahre 1961 wurde es in einem Wettbewerb für neue geistliche Lieder preisgekrönt, es ist also genau 60 Jahre alt. Damals wurde nach neuen geistlichen Liedern gesucht, die christliche Texte mit musikalischen Mitteln aus der Unterhaltungsmusik und dem Jazz verbinden. Eine Single-Platte, besungen vom seinerzeit sehr bekannten Botho-Lucas-Chor, machte das Lied schlagartig berühmt.

Es war damals - heute kaum vorstellbar - zwei Wochen lang an der Spitze der Hitparaden. Die Bildzeitung brachte die Schlagzeile: „Danke für dieses Danke!“ Unzählige Menschen wollten es seitdem immer wieder hören und singen. Inzwischen hat es Einzug gehalten in den Stammteil der evangelischen Kirchengesangbücher. Und ist in 25 Sprachen übersetzt worden, auch ins Japanische und in Esperanto. Eigentlich wundert es nicht, dass es so schnell sehr populär geworden ist. Die Melodie ist einfach, eingängig, enthält Elemente und Strukturen, die man aus Schlagern kennt und die sehr eingängig sind. Auch die Textaussagen sind von jedem zu verstehen. Zugrunde liegt dem Lied ein Dankgebet, das im Kreis französischer Arbeiterpriester entstanden ist. Darin heißt es u.a.: „Danke, Herr, Danke! Danke für alle Geschenke, die du mir heute angeboten hast. Dank für alles, was ich gesehen, was ich gehört und empfangen habe.“ Und dann werden ganz viele alltägliche Dinge und Beispiele genannt, für die gedankt werden soll: „die Seife, die so gut riecht, Dank für die Kleider, die mich so gut bedecken, Danke für die Mädchen, denen ich begegnet bin, Danke für jeden guten Tag, den mir einer gewünscht hat, für das Lächeln, für die Liebe der Mutter, die mich zu Hause empfängt."

Ein sehr schöner und anrührender Text. Er spiegelt die Erfahrungen, die ein Mensch an einem bestimmten Tag in seinem Leben macht. Martin Gotthard Schneider hat bei seinem Text die Vorlage verallgemeinert. Er hat Grunderfahrungen aufgenommen, die in den Alltag des Lebens gehören und alltäglich wiederkehren. Für all das dankt er in seinem Lied; es geht ihm darum, Vertrauen und Hoffnung zu wecken. Gottes Hand, die mich leitet. Sein verstehbares Wort, das seine Liebe den Menschen zusagt. Gottes schrankenloses Heil, an dem man sich festhalten kann. Es sind einfache Worte und eine eingängige Melodie, aber der Autor macht es sich nicht zu einfach. Gerade in den letzten beiden Strophen gewinnt er die große Weite des Glaubens und erreicht zugleich eine spürbare Nähe zu den Menschen.

Wir schauen uns drei Strophen des Liedes einmal genauer an.

Danke für diesen guten Morgen, Danke für jeden neuen Tag,
Danke, dass ich all meine Sorgen auf dich werfen mag.

Nichts in unserem Leben ist selbstverständlich: weder ein guter Morgen, noch überhaupt ein neuer Tag. Das merken wir gerade jetzt, wo durch die Pandemie die Unsicherheiten und die Ängste der Menschen mehr und mehr zunehmen. Aber auch darüber hinaus: Terror, Krieg, unsichere politische Verhältnisse, Bedrohung der Umwelt, Naturkatastrophen, persönliche Krisen, Probleme, schwer- wiegende Krankheiten bei uns selbst und anderen, die uns nahstehen, Verlust von Menschen, die wir lieben, all das bedrückt uns.
Wir fragen: was wird werden? Wie wird es weitergehen?
Man kann durch dieses Lied lernen, Gott einfach dafür dankbar zu sein, dass es überhaupt weitergeht und dass es für viele Menschen oft ganz gut weitergeht.

Danke für manche Traurigkeiten, danke für manches gute Wort.
Danke, dass deine Hand mich leiten will an jedem Ort.

Martin Gottfried Schneider wurde einmal von einem Gemeindemitglied gefragt, warum er denn nur für manche und nicht für alle Traurigkeiten dankt. Er meinte: Ich wollte den Mund nicht so voll nehmen. Es ist schon viel, wenn man in manchen Traurigkeiten einen Sinne sehen kann…
Liebe Gemeinde, dem kann man eigentlich nichts hinzufügen…
Die letzten beiden Zeilen dieser Strophe spielen auf den Psalm 23 an, das Trostlied des Vertrauens auf Gott: „Dein Stecken und Stab trösten mich. „Im finsteren Tal des Lebens ist es gut, wenn wir einen Begleiter haben, der uns hilft da hindurchzukommen, nicht aufzu -geben und zu verzweifeln, sondern zu sehen, wo und wie es für uns weitergehen kann. Viele von uns könnten jetzt von solchen finsteren Tälern erzählen und wie sie darin Hilfe erfahren durften, von Gott und von den Menschen.

Danke, dein Heil kennt keine Schranken, danke, ich halt mich fest daran.
Danke, ach Herr, ich will dir danken, dass ich danken kann.

Besonders die letzten beiden Zeilen machen mich nachdenklich: Danke, dass ich danken kann? Wie ist es eigentlich, wenn man nicht dankt? Ich denke, man kann dann selbstherrlich und arrogant wer-den. Und schnell einsam. Dass man nicht danken kann, liegt wohl daran, dass man sich zum Dreh- und Angelpunkt seiner eigenen Welt macht. Gott und die Mitmenschen, die er uns an die Seite gestellt hat, die sehen wir gar nicht mehr. Wir nehmen gar nicht wahr, dass wir uns so vieles in unserem Leben nicht selbst erarbeitet haben, sondern dass es uns geschenkt wurde. Und vor allem sehen wir gar nicht mehr, dass in unserem Leben Gott am Werk ist. Wenn wir also danken, sind wir glücklicher: weil wir erkennen oder zumindest ahnen,
dass Gott da ist.

Liebe Gemeinde, damit endet unser Lied. Wenn wir mit dem Herzen dabei waren, haben wir einmal gründlich „danke“ gesagt. Das tut uns selbst gut und auch unserem Verhältnis zu Gott und zu unseren Mitmenschen.
Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft zu fassen vermag,
bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.
Amen.

Lied EG 649, 1.2.5: „Eine freudige Nachricht breitet sich aus“
(dieses Lied stammt ebenfalls von Martin Gotthard Schneider)

Fürbitten:

Gott, wir danken dir für die Melodien, in denen unsere Seele schwingt. Danke für die Musik, in der du uns berührst. Danke für das Singen, in dem wir dir nahe sind.

Wir bitten dich für die Menschen, die deine Botschaft nicht hören und denen nicht zum Singen zumute ist: dass wir mit ihnen und sie mit uns deine Güte preisen.
Und dass dein Wort sie berührt.

Für die Traurigen und Verbitterten, für die, denen die Angst und die Not ihren Mund verschließt: dass sie den Mut finden, zu auszusprechen, was ihnen das Leben schwer macht.

Für die Menschen, die von Verachtung und Hass getrieben werden, bitten wir dich: dass sie den Einklang mit sich und den anderen finden.

Wir bitten dich, dass der Klang deiner Liebe die Welt erfüllt,
dass wir voller Vertrauen, Hoffnung und Dankbarkeit unser Leben bestehen können.
Amen.

Und alles, was wir Gott sonst noch sagen möchten, sagen wir mit den Worten des Vaterunsergebetes: Vater unser im Himmel…

Lied EG 305, 1.4: „Singt das Lied der Freude über Gott“

Als Segenswort möchte ich uns allen den Liedtext der 4. Strophe mit auf den Weg geben:

„Singt das Lied der Freude über Gott!
Lobt ihn laut, der euch erschaffen hat.
Er wird Kraft uns geben, Glanz und Licht wird sein,
in das dunkle Leben leuchtet hell sein Schein:
Singt das Lied der Freude über Gott!“

Dass uns dies möglich sein kann, dazu segne uns Gott, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist.
Amen.

Gottesdienst am 25. April 2021 - Jubilate

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde,
herzlich willkommen zum Lesegottesdienst für Sonntag, den 25. April, den 3. Sonntag nach Ostern. Er trägt den schönen Namen „Jubilate“, d.h. „jubelt!“. Auch, wenn uns zurzeit gar nicht zum Jubeln zumute ist, der Apostel Paulus ermutigt uns im Wochenspruch dazu:
„Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden.“ (2. Kor. 5,17)

Einen gesegneten Sonntag und eine gute neue Woche wünscht Pfarrerin Anke Mühlenberg-Knebel.

Am Anfang steht das fröhliche Osterlied „Auf, auf, mein Herz mit Freuden“ (EG 112, 1-3)

Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Amen.

Gebet:
Himmlischer Vater, wir danken dir, dass wir heute zur Ruhe kommen dürfen, alles bei ablegen, was uns das Herz schwer macht. Sprich zu uns, damit wir innerlich verändert und erneuert werden können. Erfülle uns wieder mit Lebendigkeit.
Amen.

Als Lesungs- und Predigttext ist für heute ein Abschnitt aus der Apostelgeschichte vorgesehen; der Apostel Paulus hält eine Rede auf dem Areopag, einem Hügel mitten in Athen
(Kap. 17, 22-34; Übersetzung nach der Basis-Bibel):

Paulus trat in die Mitte des Areopags und sagte: „Ihr Bürger von Athen! Nach allem, was ich sehe, seid ihr sehr fromme Leute. Ich bin durch die Stadt gegangen und habe mir eure heiligen Stätten angeschaut. Dabei habe ich auch einen Altar gefunden, auf dem stand: `Für einen unbekannten Gott.` Das was ihr da verehrt, ohne es zu kennen, das verkünde ich euch. Es ist der Gott, der die Welt geschaffen hat und alles, was in ihr ist. Er ist der Herr über Himmel und Erde. Er wohnt nicht in Tempeln, die von Menschenhand errichtet wurden. Er ist auch nicht darauf angewiesen, von Menschen versorgt zu werden. Er ist es doch, der uns allen das Leben, den Atem und alles andere schenkt. Er hat aus einem einzigen Menschen die ganze Menschheit hervorgehen lassen, damit sie der Erde beiwohnt. Für jedes Volk hat er festgesetzt, wie lange es bestehen und in welchen Grenzen es leben soll. Er wollte, dass die Menschen nach ihm suchen-ob sie ihn vielleicht spüren oder ent- decken können. Denn keinem von uns ist er fern. Durch ihn leben wir doch, bewegen wir uns und haben unser Dasein. Oder wie es einige eurer Dichter gesagt haben: `Wir sind sogar von seiner Art.`
Weil wir Menschen also von Gottes Art sind, dürfen wir uns nicht täuschen: Die Gottheit gleicht keineswegs irgendwelchen Bildern aus Gold, Silber oder Stein. Die sind nur das Ergebnis menschlichen Könnens und menschlicher Vorstellungskraft. Nun- Gott sieht nach- sichtig über die Zeiten hinweg, in denen die Menschen ihn nicht gekannt haben. Aber jetzt fordert er alle Menschen an allen Orten auf, ihr Leben zu ändern. Denn Gott hat einen Tag festgesetzt, um über die ganze Welt zu richten. Dann wird er Gerechtigkeit walten lassen durch den Mann, den er dazu bestimmt hat. Dass dieser Mann wirklich dafür bestimmt ist, hat Gott allen Menschen durch dessen Auferstehung von den Toten bewiesen.“ Als Paulus von der Auferstehung der Toten sprach, lachten ihn einige seiner Zuhörer aus. Aber andere sagten: “Darüber wollen wir ein andermal mehr von dir hören!“ So verließ Paulus die Versammlung. Einige Leute schlossen sich ihm an und kamen zum Glauben. Unter ihnen war Dionysius, der dem Areopag angehörte, eine Frau namens Damaris und einige andere.“

Wir bekennen unseren christlichen Glauben:
Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde. Und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn. Empfangen durch den Heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria, gelitten unter Pontius Pilatus, gekreuzigt, gestorben und begraben. Hinabgestiegen in das Reich des Todes. Am dritten Tage auferstanden von den Toten, aufgefahren in den Himmel. Er sitzt zur Rechten Gottes, des Allmächtigen Vaters. Von dort wird er kommen zu richten die Lebenden und die Toten. Ich glaube an den Heiligen Geist, die heilige christliche Kirche, Gemeinschaft der Heiligen, Vergebung der Sünden, Auferstehung der Toten und das ewige Leben.
Amen.

Lied EG 628,1-3: „Ich lobe meinen Gott, der aus der Tiefe mich holt“

Predigt:

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und von dem Herrn Jesus Christus.
Amen.

Liebe Gemeinde,
Paulus stellt fest: in Athen gibt es für alles und jeden einen Gott, selbst für den „unbekannten Gott“. Der Apostel sieht die Sehnsucht der Menschen nach Gott, nach Geist und Leben. Ihre Frömmigkeit rührt ihn. Er spricht zu ihnen von einem Gott, der kein Haus braucht, schon gar kein prächtiges, keine Tempel und keine Priester, die ihn hofieren. Was für ein Gott wäre das, der das nötig hätte?
Das wissen auch die Athenerinnen und Athener. Deshalb zitiert Paulus in seiner Rede aus Texten eines damals bekannten und beliebten Dichters. „Wir leben, bewegen uns und sind in Gott“ und „Wir sind sogar von seiner Art“. Der eine, wahre Gott ist überall am Werk, mitten im Leben und im Guten. Im Menschsein, das uns alle verbindet. Nicht in dem, was uns unterscheidet und trennt.

Liebe Schwestern und Brüder,
in diesem einen Corona-Jahr haben es viele Menschen vermisst, nicht mehr wie gewohnt zum Gottesdienst in die Kirche zu kommen. Bes. schmerzlich war es für sie, die großen christlichen Feste nicht gemeinsam mit den anderen aus ihrer Gemeinde feiern zu können. Ostern, schon zum zweiten Mal. Weihnachten. Taufen, Konfirmationen und Trauungen mussten und müssen verschoben werden, manchmal auf unbestimmte Zeit. Bei Trauerfeiern darf in der Trauerhalle nur ein begrenzter Kreis zusammenkommen. Wenn die Inzidenzzahlen weiter steigen, wird es vielleicht auch noch einmal bei uns dazu kommen, dass wir in unseren Kirchen keine Präsenzgottesdienste anbieten dürfen. Die kirchlichen Angebote im Internet, im Fernsehen und Radio sind in diesem einen Jahr umso wichtiger geworden.
An manchen Orten gibt es- statt Gottesdiensten- offene Kirchen, in die man gehen kann, um eine Kerze anzuzünden und still zu beten.

Manche beten zuhause, wenn sie die Kirchenglocken läuten hören.
Von einer Familie aus unserer Gemeinde hörte ich, dass sie sogar zu Ostern eine eigene Hausandacht gefeiert haben; jedes Familien -mitglied hat dabei einen Teil übernommen. Das ist auch etwas, was wir in dieser Zeit lernen: Wir leben, bewegen uns und sind in Gott. Gott ist mitten in unserem Leben zu finden. Gottesdienste und Kirchenräume sind nicht dazu da, dass wir dorthin aus unserem Alltag fliehen. Sie möchten uns den nötigen Abstand vom Alltag ermöglichen. Damit wir Gottes Spuren in unserem ganz normalen Leben entdecken: beim Spaziergang in der Natur, beim Einkaufen im Supermarkt, beim Gespräch an der Haustür oder über den Gartenzaun auf Distanz, bei meiner Arbeit, in dem, was mein ganz Leben Tag für Tag ausmacht, sogar im Internet. Oder wenn es mich bewegt, wenn ich erfahre, wie schlecht es manchen Menschen geht. Menschen, die ich persönlich kenne; Menschen, die weit weg leben; von deren Schicksal ich über die Medien erfahre.
Nun geht Paulus noch einen Schritt über das hinaus, was ihn mit den Athenern verbindet. Gott ist der Schöpfer und Ursprung der Welt, aber er verfolgt auch ein Ziel. Ja, Menschen spiegeln Gott oft und in vieler Hinsicht wider. Ja, es gibt Wahres, Gutes und Schönes unter ihnen. Manchmal ist es aber auch furchtbar, was sie einander antun an Ungerechtigkeit, Gewalt, Zerstörung, Gleichgültigkeit. Am Umgang mit den leidenden Menschen zeigt sich, wie unsere Beziehung zu Gott wirklich ist. Gott offenbart sich nämlich im leidenden und gekreuzigten Christus. Das predigt Paulus den Zuhörenden in Athen, er spricht von Christus, der in den Tod gegangen ist und der durch Gottes Gnade von den Toten auferstanden ist. Gott hat dadurch allen Menschen den Glauben angeboten. Das ist nicht leicht für die Athener zu verstehen, der Tod am Kreuz, die Auferstehung. Dass man nicht durch eigene Anstrengung, durch Leistungen oder Rituale an Gott herankomme. Die Apostelgeschichte berichtet von ihren unterschiedlichen Reaktionen: die einen spotten, die anderen sagen: erzähl uns ein andermal mehr davon.

Gottes Sohn nimmt es in Kauf, selbst unter die Räder zu kommen. Mit seinem Tod am Kreuz deckt er den Zwiespalt der Menschheit auf: einerseits so großartig und andererseits so grausam sein zu können. Aber gerade da öffnet Gott die Tür zu einer neuen Welt. Sie er- scheint im Auferstandenen, inmitten in der alten, kaputten Welt. Immun gegen das Virus der Unmenschlichkeit. Die Osterbotschaft sagt uns: eine andere Welt ist möglich. Der Anfang ist durch die Auferstehung Jesu Christi schon gemacht. Ostern ist der Sieg des Lebens über alle todbringenden Mächte. Wenn Paulus vom kommenden Gericht spricht, meint er: Gott wird der ungerechten und unmenschlichen Welt ein Ende setzen und seine aus den Fugen geratene Welt zurechtbringen. Das Leiden wird einmal ein Ende haben.

Aber noch ist das Leiden in der Welt. Tagtäglich begegnet es uns. Menschen leiden und sterben, unter unsäglichen Bedingungen. Wir alle wünschen uns ein Ende der Coronakrise herbei und wünschen uns, dass unser Leben wieder normal wird, so wird wie vorher. Das ist ein verständlicher Wunsch. Aber wenn man einmal versucht, mit den Augen Gottes auf diese Welt zu schauen, dann war das normale Leben von ihm aus betrachtet längst schon Krise. So, wie es war, kann es doch eigentlich nicht einfach weitergehen. Als Christinnen und Christen warten wir sehnsüchtig auf ein Ende der Ungerechtigkeit. Wir warten auf eine Welt, in der alle Generationen, alle Menschen, wie unterschiedlich sie auch sein mögen, in Würde und Frieden leben, auch mit der Natur, der guten Schöpfung Gottes. Das Ende der Pandemie ist nur ein Schritt auf diesem Weg. Zu Ende ist allerdings die Zeit des einfachen Abwartens und Geschehen Lassens.

„Egal, was ihr vorher gemacht habt“, sagt Paulus den Athenerinnen und Athenern, „jetzt ist es Zeit, sich der Bewegung des Auferstandenen anzuschließen.“ Unser Predigttext nennt zwei Personen mit Namen, die seiner Einladung folgen: Dionysius und Damaris. Und noch einige andere, deren Namen nicht bekannt sind, schließen sich an.
Und wir, wir brauchen auch nicht zu warten, bis Corona vorbei ist. Wir können schon jetzt mit vielen anderen auf der Welt unterwegs sein. Indem wir-wie Paulus- von unserem Glauben sprechen, der sich zwar oft nicht verstehen lässt, der uns aber hilft, Licht in diese dunkle Welt zu bringen. Und diesen Glauben leben.
Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft zu fassen vermag, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.
Amen.

Lied EG 317, 1-3 „Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren“

Fürbitten:

Schöpfer aller Dinge, niemand ist dir fern, durch dich leben wir, bewegen wir uns und haben unser Dasein. Trotzdem sind viele Menschen noch auf der Suche nach dir. Lass sie finden, wonach sie suchen und begegne ihnen in Jesus selbst.

Wir bitten dich für die Menschen, die weltweit unter der Pandemie, unter Gewalt, Armut, Ungerechtigkeit und Unfrieden leiden müssen. Steh ihnen bei in dem, was sie durchmachen müssen.

Gib uns als Christinnen und Christen die Kraft und den Mut, uns für eine bessere Welt einzusetzen. Sende dein Licht der Hoffnung-auch durch uns-in diese Welt.
Amen.

Wir sprechen das Vaterunsergebet: Vater unser im Himmel,…

Lied EG 99: „Christ ist erstanden von der Marter alle“

Segen:
Der Herr segne dich und behüte dich,
er lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig.
Der Herr erhebe sein Angesicht auf dich und schenke dir Frieden.
Amen.

Predigt / Gottesdienst am 18. April 2021 - Misericordias

Kapelle zum Guten Hirten, Sand, von Pfarrer Badelt
(Christuskriche Bühlertal siehe unten):

Auszug aus dem Bibelabschnitt (Basisbibel, Jesaja 40, 26-31)

„Richtet eure Augen nach oben und seht, wer das alles geschaffen hat! Seht ihr dort das Heer der Sterne? Wie kannst du da sagen, Jakob, wie kannst Du behaupten, Israel: „Mein Weg ist dem Herrn verborgen! Mein Gott bemerkt nicht, dass ich Unrecht leide!“ Hast du’s noch nicht begriffen? Hast du nicht gehört? Der Herr ist Gott der ganzen Welt. Er wird nicht müde und nicht matt. Er gibt den Müden neue Kraft und macht den Schwachen wieder stark. Junge Männer werden müde und matt, starke Krieger straucheln und fallen. Aber alle, die auf den Herrn hoffen, bekommen neue Kraft. Sie fliegen dahin wie Adler. Sie rennen und werden nicht matt, sie laufen und werden nicht müde.“

Predigt von Pfarrer Badelt:

Liebe Gemeinde,

von Anfang an bis heute gehört zum Glauben der Zweifel wie der Schatten zu jedem Gegenstand und zu jedem Lebewesen. So ist die Frage der Menschen damals: Gott, siehst du nicht, wie es uns geht? Wir fragen: Gott, siehst Du nicht, wie die Menschen unter der weltweiten Krankheit leiden? Wie so vieles kaputt geht und erstirbt?

Ein Teil der Antwort ist der Hinweis darauf, dass Gott alles, den gestirnten Himmel und die Geschöpfe ins Leben gerufen hat. Ich selbst staune z.B. über ein Rotkehlchen, was am Wegrand sitzt und mich mit seinen schwarzen Augen anschaut. Es hat den Winter überlebt, hat winzige Knochen und – im Gegensatz zu uns – fliegen.

Ob es so etwas im Weltall noch einmal gibt? Viele Forscher suchen danach, und manche staunen, was sie dort alles sehen. Viele meinen bald alles erklären zu können. Dann brauchen sie keinen Schöpfergott mehr.

Dann kommt der andere Teil der Antwort aus dem Mund des Profeten: Hast du nicht gehört?  Hast du nicht wahrgenommen? Wir dürfen zurückdenken und können sagen: Gott sei Dank, dass ich damals vor dieser Sache, vor dieser Krankheit oder bei diesem Beihnahe-Unfall bewahrt geblieben bin. Gott sei Dank, dass ich meine Partnerin, meinen Partner gefunden habe.

Unser Glaube nährt sich von den Führungen Gottes. Das gilt für das Volk Israel und für uns selbst. Dabei wird Gott nicht müde, seine Kraft hört nicht auf. Eher wird das Christenvolk müde, zweifelt und fragt: Was bringt mir der Glaube? Was bringt mir erst recht eine Kirche?

Müde sind wir schon. Wir sind auch durch die Pandemie eingeschränkt und der Sache müde. Dabei haben wir zu essen, meist Wohnung und alles, was wir brauchen. Auch sonst scheinen mir die Christen in Europa ihres Christenglaubens müde geworden zu sein.

Aber dann kommt die gute Botschaft: Die auf Gott hoffen, bekommen durch ihn neue Kraft, dass sie fliegen wie Adler, dass sie rennen und sich nicht erschöpfen im Gegensatz zu jungen Leuten oder Soldaten. Gott stärkt diejenigen, aus bestimmten Gründen schwach geworden sind.

Diese gute Botschaft hat Jesus Christus bestärkt, indem er auf Kranke und Schwache zugegangen ist.

Nun ein Beispiel. Ein Mann, 78 Jahre alt, ist seit über 40 Jahren im Bundestag, war lange Zeit Minister und ist jetzt Bundestagspräsident. Vor 30 Jahren hat ihn ein Spinner in Gengenbach angeschossen, sodaß er querschnittsgelähmt ist. Es ist Wolfgang Schäuble. Ohne Vertrauen auf den stärkenden und helfenden Gott wäre er wohl nicht mehr tätig. Dies ist nur eines von vielen Beispielen.

Amen.

Schlussgebet:

Unser Gott, mit vielen Menschen leiden wir unter der Pandemie. Wir sind oft müde und ersehnen ein Ende der Plage. Dabei denken wir vor dir an Menschen, die um Lebensunterhalt und Existenz fürchten.

Wir denken an unsere Kranken und an alle, die sie pflegen.

Wir denken an Menschen, die zu Unrecht eingesperrt sind wegen ihres Glaubens oder weil sie für ihre Freiheit kämpfen, z. B. in Syrien, im Iran, Nigeria und in vielen anderen Ländern.

Wir denken vor dir an Menschen, die unter Krieg und Bürgerkrieg leiden, an Menschen, die geflohen sind und in Lagern leben.

Wir wollen deiner Verheißung glauben, dass du uns schwachen und müden Leuten neue Kraft schenkst, so wie Jesus sich um Kranke und Schwache kümmerte. Gott hilf uns in unserem Zweifeln und Unglauben.

Amen.

Predigt / Gottesdienst am 18. April 2021 - Misericordias

Christuskriche Bühlertal, Prädikant Rouw:

Lied: NL 60: 1-2 „In der Stille angekommen….“

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.

Psalmgebet aus EG 710 (Ps 23):

Der HERR ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.
Er weidet mich auf einer grünen Aue
und führet mich zum frischen Wasser.
Er erquicket meine Seele.
Er führet mich auf rechter Straße um seines Namens willen.
Und ob ich schon wanderte im finstern Tal,
fürchte ich kein Unglück;
denn du bist bei mir,
dein Stecken und Stab trösten mich.
Du bereitest vor mir einen Tisch
im Angesicht meiner Feinde.
Du salbest mein Haupt mit Öl
und schenkest mir voll ein.
Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang,
und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar.
Amen.

Die Schriftlesung des heutigen Sonntags, der Sonntag Miserikordias Domini (das heißt : die Barmherzigkeit des Herrn) finden wir im Prophetenbuch Hezekiel, Kapitel 34, Verse 1-9, 15-16, 31:

Und des Herrn Wort geschah zu mir: Du Menschenkind, weissage gegen die Hirten Israels, weissage und sprich zu ihnen: So spricht Gott der Herr:
Wehe den Hirten Israels, die sich selbst weiden! Sollen die Hirten nicht die Herde weiden? Aber ihr esst das Fett und kleidet euch mit der Wolle und schlachtet das Gemästete, aber die Schafe wollt ihr nicht weiden.  Das Schwache stärkt ihr nicht, und das Kranke heilt ihr nicht, das Verwundete verbindet ihr nicht, das Verirrte holt ihr nicht zurück, und das Verlorene sucht ihr nicht; das Starke aber tretet ihr nieder mit Gewalt. Und meine Schafe sind zerstreut, weil sie keinen Hirten haben, und sind allen wilden Tieren zum Fraß geworden und zerstreut. Sie irren umher auf allen Bergen und auf allen hohen Hügeln und sind über das ganze Land zerstreut, und niemand ist da, der nach ihnen fragt oder sie sucht. Darum hört, ihr Hirten, des Herrn Wort! So wahr ich lebe, spricht Gott der Herr: Weil meine Schafe zum Raub geworden sind und meine Herde zum Fraß für alle wilden Tiere, weil sie keinen Hirten hatten und meine Hirten nach meiner Herde nicht fragten, sondern die Hirten sich selbst weideten, aber meine Schafe nicht weideten, darum, ihr Hirten, hört des Herrn Wort!
Ich selbst will meine Schafe weiden, und ich will sie lagern lassen, spricht Gott der Herr.
(...)
Ich will das Verlorene wieder suchen und das Verirrte zurückbringen und das Verwundete verbinden und das Schwache stärken und, was fett und stark ist, behüten; ich will sie weiden, wie es recht ist.
(...)
Ja, ihr sollt meine Herde sein,  die Herde meiner Weide, und ich will euer Gott sein, spricht Gott der Herr.

Selig sind die das Wort Gottes hören und bewahren. Halleluja!

Lied: EG 274, 1,2 „Der Herr ist mein getreuer Hirt…“

Predigt:

Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus.

Wir lesen unseren Predigttext aus dem Brief des Apostel Paulus an die Gemeinde in Philippi. Kapitel 1, Verse 9 – 11.

Und ich bete darum, dass eure Liebe immer noch reicher werde an Erkenntnis und aller Erfahrung, sodass ihr prüfen könnt, was das Beste sei, damit ihr lauter und unanstößig seid für den Tag Christi, erfüllt mit Frucht der Gerechtigkeit durch Jesus Christus zur Ehre und zum Lobe Gottes.

Liebe Gemeinde,

Allzu oft sonnen wir Christen uns in ein Idealbild wie eine christliche Gemeinschaft aussehen soll.  Wenn das Ihnen aus mal passiert, dann kommt Ihnen bestimmt diese Aussage von Paulus recht: Liebe, die wächst, Erkenntnisse, die zunehmen und Fähigkeit zu prüfen was das Beste ist, andere Übersetzungen sagen „zu erkennen, auf was es gerade ankommt“. 
Schau mal her, möchten wir gerne sagen, so geht das bei uns….

Leider wird es dann Zeit dieses Bild etwas zurecht zu rücken, auf jedem Fall daran zu rütteln. Weil, wenn wir um uns herumschauen, ist die Wirklichkeit, sagen wir mal vorsichtig, meistens etwas differenzierter. Dass das in Philippi wahrscheinlich auch schon so war, kann man schon ahnen wegen der Tatsache, dass Paulus das Thema hier so prominent am Anfang seines Briefes platziert. Wäre bei seinen Zuhörern in diesem Bereich alles in Ordnung gewesen, hätte er das gar nicht zu erwähnen brauchen. Und was uns angeht, wenn wir ehrlich sind, können wir aus unserer Erfahrung wahrscheinlich auch so manches einbringen das andeutet, dass wir zwar hohe Ansprüche haben, was Liebe untereinander betrifft, aber diese nicht immer gerecht werden. Man könnte dann einfach aufgeben und mehr oder weniger frustriert weitermachen, und einfach zu versuchen mal „das Beste daraus zu machen“ in einem ganz anderen Sinne als der Apostel meint.  Aber damit tun wir den Apostel Paulus natürlich unrecht – er schreibt solche Anregungen nicht als Floskel, sondern damit sie ernst genommen werden und die Gläubigen, sei es in Philippi oder in Bühlertal, sich in diese Richtung entwickeln, auch wenn nicht alles auf einmal kommt.

Und liebe Gemeinde, ich denke, dass wir gerade in der heutigen Zeit gefragt sind um diese Kombination von Liebe, Erkenntnis und Prüfen zu üben und weiter zu entwickeln.  Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber in der heutigen Zeit finde ich es schwierig wirklich Erkenntnisse zu gewinnen und zu prüfen. Und dann reden wir mal nicht von Verstehen „auf was es gerade ankommt“. Weil, schon seit einem Jahr ringen wir mit den Folgen einer Pandemie, die uns immer wieder auf dem falschen Fuß erwischt und uns immer wieder für neue Herausforderungen stellt. Jedes Mal erfahren wir wieder von neuen Maßnahmen, die ein paar Tage später schon wieder überholt sind. Mit Erkenntnissen und prüfen ist es dann nicht sehr weit.  Blicken Sie noch durch? Ich kaum.

Schlimmer ist, dass diese Unsicherheiten und fehlende Erkenntnisse auch unsere Beziehungen infizieren und es schwieriger machen uns als Gläubigen zu verständigen. Wachstum in der Liebe bleibt in so einem Fall dann schnell eine Illusion.

 Ich habe die Erfahrung machen müssen, dass es in meinem christlichen Umfeld Menschen gibt, die ich bisher immer geschätzt habe, die aber ganz andere Wege gehen, in den Worten von Paulus zu anderen „Erkenntnisse“ gekommen sind, um die Herausforderungen der heutigen Zeit an zu gehen.  So erfuhren meine Frau und ich, dass eine Freundin von uns, die wir noch aus unserer Studentenzeit kennen, und die schon seit Jahren als Leiterin eines christlichen Waisenhauses in Mozambique tätig ist, der Meinung war, dass Präsident Trump ein großartiger Führer ist, und ein Christ sich unbedingt dafür ein zu setzen hat, dass er wieder gewählt werden sollte. Auch stellte sich heraus, dass es in unserem Gemeindeumfeld in Bühl Menschen gibt die sich ein Teil des Gedankenguts der Querdenker- Bewegung zu eigen gemacht haben. Sie wissen – diese Gruppe die meinen: „Corona Pandemie – alles Quatsch, nur ein Instrument uns zu versklaven. Und Impfung: Viel zu gefährlich“.  Vielleicht haben Sie auch solche Erfahrungen gemacht und fragen sich, genau wie ich: Wie gehe ich damit um? Soll ich solche Menschen in der Zukunft einfach links liegen lassen, oder geht es doch anders?

In diesem Zusammenhang soll man sich von Worten wie Paulus sie an die Gemeinde in Philippi geschrieben hat noch mal neu inspirieren lassen. Der Ursprung meiner Überlegungen für heute diesen Text zu wählen, ist natürlich allererst in dem Durcheinander, dass uns heutzutage beschäftigt, zu suchen. Aber die Worte von Paulus haben natürlich eine mehr allgemeine Gültigkeit. Man soll sie auch in einem breiteren Rahmen sehen.  Sie haben auch Bedeutung für Glaubensfragen, die mit dem heutigen politischen Welt- und Pandemiegeschehen nichts zu tun haben. 

Die Vorgehensweise die, übrigens nicht nur in Kirchengemeinden, oft gewählt wird, ist bestimmte Themen für die zukünftige Kommunikation aus zu klammern. Wir reden einfach nicht über Sachen, bei denen wir wissen, dass es unterschiedliche Ansichten gibt. Dann gibt es auf jedem Fall kein Streit.  Das geht vielleicht eine Weile gut, die Frage ist aber, ob man auf dieser Art eine Beziehung nicht allmählich aushöhlt und am Ende nur noch eine leere Hülle übrighat.  Dann wird es nix mit der wachsenden Liebe und Früchte der Gerechtigkeit die Paulus so gerne bei seinen Zuhörern, also auch bei uns, sehen würde. Wenn wir Paulus ernst nehmen, kommen wir nicht drum herum diesen Dreiklang: Erkenntnisse und Erfahrungen sammeln, und zu prüfen was sich wirklich bewährt, als Grundsatz unseres Miteinanders zu nehmen. 

Und Liebe Gemeinde, das wird uns einiges abverlangen, damit man nicht endlos in Streitereien verfällt um sich am Ende dann doch frustriert zu trennen, sondern wird von uns fragen uns erst mal im Klaren zu sein wo die Probleme sind. Man muss sich also erst mal äußern, und nicht in Stillschweigen verharren. Und es bedeutet auch einander zu zuhören und ausreden zu lassen, auch wenn man konfrontiert wird mit Ideen mit denen man es glühend uneins ist, und die einem vielleicht fast den Kragen platzen lassen.  Man soll auch bereit sein sich von anderen befragen zu lassen und die Gründe seiner Überzeugung zu prüfen. Gerade wenn die Situation so verwirrt ist wie in der heutigen Zeit, soll es nicht darum gehen die andere Seite so schnell es nur geht davon zu überzeugen, dass ich recht habe. Nun ist diese Predigt keine Anleitung wie man so eine Aussprache organisiert. Ich möchte für mehr Einzelheiten darauf hinweisen, dass in der Personalführung in der Wirtschaft oft ähnliche Probleme spielen – und man hat dort auch Gesprächs Methodiken entwickelt, die es erlauben solche Gespräche zu gestalten. Wem es interessiert kann ich nachher noch einen Internetlink geben, der versucht zu beschreiben, wie man dort empfiehlt in der Praxis Skeptiker zu überzeugen ( https://karrierebibel.de/menschen-ueberzeugen/ ).
An sich nicht christlich, nur schlau. Nur so viel sie gesagt: Zu versuchen jemand mit einer Flut an Argumenten zu überzeugen, funktioniert meistens nicht. Wichtiger ist Menschen zu helfen ihre Überzeugungen zu Ende zu denken  - und dann zu hoffen, dass sie entdecken, dass andere Erkenntnisse vielleicht zu einem besseren Ergebnis führen.  Erst so kann man an einem Punkt kommen, dass jemand sein Meinung ändert. Und eine Warnung meinerseits: Man soll sehr vorsichtig umgehen mit dem Argument, dass etwas Gotts Wille sei – und deshalb etwas unbedingt so oder so gemacht werden soll. Das kann stimmen oder nicht – aber niemand wird gerne gleich in eine Ecke gedrängt, die man mit der Überschrift „nur für Ungläubigen“ markiert hat.

Liebe Gemeinde, vielleicht werden sie allmählich etwas unruhig, weil so eine Art von Vorgehen doch wohl etwas ganz anders ist als unser Standard-Prozedere, nichts tun und warten bis es vorbeigeht, und viel von uns fragen wird.  Und ja, wie immer führt der Apostel Paulus uns nicht auf einen kuscheligen Weg, der uns nicht abverlangt. Er geht davon aus, dass Menschen, die es mit dem Glauben ernst meinen, sich wirklich dransetzen, um sich zu ändern, und, wie in Philippi, alles Mögliche tun werden, um eine gemeinsame Linie zu finden um „zu unterscheiden auf was es gerade ankommt“.

Gerade im privaten Umfeld. in dem man solche Bruchstellen ausmacht, ist es wichtig Menschen mit denen man so weit auseinander liegt nicht los zu lassen sondern die Kontakte nicht abreißen zu lassen. Nun ist es aber auch so, dass wir alle auch mal die Erfahrung gemacht haben, dass wir zwar von guten Willen sind so ein Verhalten zu entwickeln, die Wirklichkeit aber oft so hart ist, dass unsere Beziehungen mit Andersdenkenden doch schnell zerbrechen. Und übrigens, es gibt auch in den Briefen von Paulus Stellen, aus dem man vermuten kann, dass auch bei ihm ab und zu gestörte Beziehungen sich nicht wiederherstellen ließen – auch wenn uns nicht immer klar ist wer dabei die meiste Verantwortung trug. Auf jemand zu zugehen, um zu versuchen sich auszusprechen oder um zu versuchen eine gemeinsame Linie zu finden – Erfahrungen aus zu tauschen, und Erkenntnisse zu gewinnen um in den Worten von unserem Text zu bleiben, ist eine risikovolle Sache. Als ich bei der Vorbereitung dieser Predigt an diesem Punkt kam, wurde mir bewusst dass der Paulus hier in seinen Worten noch ein anderes Element einbringt, dass ich bisher übersehen hatte. Nicht um sonst fängt er an mit der Erwähnung, dass er für die Christen in Philippi betet. Das sollte auch uns bewusst sein – eine gemeinsame Linie finden ist nicht ein psychologisches Spiel, sondern allererst ein Kampf im Gebet.  Nur so wächst die Liebe für andere Menschen, und wird man sich bewusst von der eigenen Ungeduld, und Ungeschicktheit. Erst so bekommt man Kreativität und Mut solche klärenden Gespräche an zu gehen.

Und weil Paulus hier vom Gebet so viel erwartet, stellt sich auch die Frage, ob wir als Gläubigen die Probleme unserer Zeit nicht viel mehr mit Gebet begegnen sollten als wir bis jetzt getan haben. Nun findet man im Internet viele Anregungen zu solchen Gebeten. Und offensichtlich hat es am Anfang dieser Pandemie, im Frühjahr 2020, auch schon Bemühungen gegeben so etwas auf nationaler Ebene zu organisieren. Die Frage ist durchaus berechtigt ob jetzt nicht die Zeit wäre, um solche Initiativen neu zu starten. War es vor einem Jahr hauptsächlich die Hilfslosigkeit die uns zu schaffen machte, jetzt ist die Gefahr, dass wir uns auseinanderleben, weil wir das Gespräch mit Andersdenkenden nicht mehr führen, umso größer. Nur wenn wir das wieder aufnehmen, haben wir die Perspektive, dass wir am Ende verstehen auf was es ankommt – in anderen Worten als Gemeinschaft von Gläubigen oder als Gemeinschaft in der weltlichen Gesellschaft die richtigen Entscheidungen zu treffen, aus zu führen und durch zu setzen.

Liebe Gemeinde, auch hier ist was Paulus vor 2000 Jahren an Gläubigen von damals schrieb für uns aktuell. Er regt an, wie wir gemeinsam einen Weg vorwärts finden, einen Weg die uns nicht entfremdet, sondern geistlich aufbaut.

Es ist an uns diesen Weg für uns zu finden mit den Mitteln die Paulus uns hier vorgibt.

Amen.

Lied: NL 91: „Wir schauen die Wahrheit ins Auge....“

Fürbittengebet:

Herr, wir beten, dass Liebe untereinander für uns keine leere Floskel wird, sondern dass wir uns anstrengen in Gebet, im Aufbau unserer Beziehungen und Austausch unserer Meinung, dass auch mit Inhalt füllen, auch in einer Zeit wie wir sie jetzt erleben, wo vieles kompliziert ist, vieles bedrohlich erscheint, und uns die Erfahrung fehlt Wege zu finden bei denen alle Zustimmen, dass das richtig ist. Wir bitten, dass wir die Worte von Paulus auch für unsere Situation ernst nehmen.

Herr, wir bitten für die Situation in unserem Land, wo wegen der Pandemie so viel Menschen Angst für die Zukunft haben. Angst, weil man Unsicher ist, Angst, um die Arbeitsstelle zu verlieren, oder Angst um ein Geschäft, das man mit Einsatz von seinen Kräften und Emotionen aufgebaut hat, aufgeben zu müssen.

Wir bitten für Menschen, die trauern, weil sie einen lieben Angehörigen verloren haben. Wir bitten, dass du Trost schenkst – auch durch Menschen in ihrer Nähe.

Und wir bitten für Frieden in der Welt, dass statt Hass die Liebe zwischen Menschen eine Chance bekommt.

Und wir beten jetzt in der Stille weiter.

Wir beten jetzt das Gebet das Jesus seinen Jüngern gelehrt hat:
Vater unser im Himmel. Geheiligt werde dein Name. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute. Und vergib uns unsere Schuld wie auch wir vergeben unsern Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

Der Friede Gottes welcher höher ist als alle Vernunft bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Lied EG 607, 1,2 „Herr wir stehen Hand in Hand…“

Der Spruch für die kommende Woche lautet:
"Seht, wir gehen hinauf nach Jerusalem, und es wird alles vollendet werden, was geschrieben ist durch die Propheten von dem Menschensohn." (Luk 18:31)

Gehet jetzt hin im Frieden des Herrn:
Der Herr segne euch und behüte euch. Der Herr lasse sein Angesicht leuchten Über euch und sei euch gnädig. Der Herr hebe sein Angesicht über euch und gebe euch Frieden.
Amen.

Gottesdienst am 11. April 2021 - Quasimodogeniti

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde,
herzlich willkommen zum Lesegottesdienst für den Sonntag Quasimodogeniti („Wie die neugeborenen Kinder“), den 1. Sonntag nach Ostern. Früher war dieser Sonntag neben der Osternacht der zweite klassische Tauftermin. Deshalb kennt man ihn auch unter dem Namen „Weißer Sonntag“; das weiße Taufkleid symbolisiert das neue Leben, das mit der Taufe beginnt.
Einen gesegneten Sonntag wünscht Pfarrerin Anke Mühlenberg- Knebel

Am Anfang steht das Osterlied EG 116, 1.5: „Christ ist erstanden. Halleluja!“

Im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Amen.

Gebet:
Gott, unser Vater,
du hast Jesus von den Toten erweckt und uns zu neuen Menschen mit einer lebendigen Hoffnung gemacht. Lass uns so leben, dass wir diese Hoffnung in unserem Leben umsetzen. Das bitten wir dich, der du mit dem Sohn, der lebt, und dem Heiligen Geist, der Leben schafft, Gott bist von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Amen.

Unser Lesungs- und zugleich Predigttext ist eine der Ostergeschichten aus dem Johannesevangelium, Kapitel 21, Verse 1-14:
Danach offenbarte sich Jesus abermals den Jüngern am See von Tiberias (= See Genezareth). Es waren aber beieinander Simon Petrus und Thomas, der Zwilling genannt wird und Nathanael aus Kana in Galiläa und die Söhne des Zebedäus und zwei andere seiner Jünger. Spricht Simon Petrus zu ihnen: Ich gehe fischen. Sie sprechen zu ihm: Wir kommen mit dir. Sie gingen hinaus und stiegen in das Boot, und in dieser Nacht fingen sie nichts. Als es aber schon Morgen war, stand Jesus am Ufer, aber die Jünger wussten nicht, dass es Jesus war. Spricht Jesus zu ihnen: Kinder, habt ihr nichts zu essen? Sie antworteten ihm: Nein. Er aber sprach zu ihnen: Werft das Netz aus zur Rechten des Bootes, so werdet ihr finden. Da warfen sie es aus und konnten`s nicht mehr ziehen wegen der Menge der Fische. Da spricht der Jünger, den Jesus lieb hatte, zu Petrus: Es ist der Herr! Als Simon Petrus hörte: Es ist der Herr“, da gürtete er sich das Obergewand um, denn er war nackt und warf sich in den See. Die andern Jünger aber kamen mit dem Boot, denn sie waren nicht fern vom Land, nur etwa zweihundert Ellen, und zogen das Netz mit den Fischen. Als sie nun an Land stiegen, sahen sie ein Kohlenfeuer am Boden und Fisch darauf und Brot. Spricht Jesus zu ihnen: Bringt von den Fischen, die ihr jetzt gefangen habt! Simon Petrus stieg herauf und zog das Netz an Land, voll großer Fische, hundertdreiundfünfzig. Und obwohl es so viele waren, zerriss doch das Netz nicht. Spricht Jesus zu ihnen: Kommt und haltet das Mahl! Niemand aber unter den Jüngern wagte ihn zu fragen: Wer bist du? Denn sie wussten: Es ist der Herr. Da kommt Jesus und nimmt das Brot und gibt`s ihnen, desgleichen auch den Fisch. Das ist nun das dritte Mal, dass sich Jesus den Jüngern offenbarte, nachdem er von den Toten auferstanden war.
Amen.

Wir bekennen unseren christlichen Glauben:
Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen,
den Schöpfer des Himmels und der Erde.
Und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn.
Empfangen durch den Heiligen Geist,
geboren von der Jungfrau Maria,
gelitten unter Pontius Pilatus,
gekreuzigt, gestorben und begraben.
Hinabgestiegen in das Reich des Todes;
am dritten Tage auferstanden von den Toten, aufgefahren in den Himmel.
Er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters.
Von dort wird er kommen zu richten die Lebenden und die Toten.
Ich glaube an den Heiligen Geist,
die Heilige christliche Kirche, Gemeinschaft der Heiligen,
Vergebung der Sünden,
Auferstehung der Toten und das ewige Leben.
Amen.

Lied EG 100, 1.4.5:„Wir wollen alle fröhlich sein in dieser österlichen Zeit“

Predigt:

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und von dem Herrn Jesus Christus.!

Liebe Gemeinde,

Ostern ist ganz handfest, es gibt Arbeit und Brot, erzählt der Evangelist Johannes. Das ist existentiell für die meisten Leute. Damals und heute. Und es ist nicht selbstverständlich. Es ist auch nicht selbstverständlich, dass die Arbeit genug Geld einbringt. Damals und heute ist es nicht selbstverständlich. Die Leute haben die ganze Nacht auf dem See gefischt und kommen doch mit leerem Boot heim. Andere kriegen 2,50 Euro für 12 Stunden Handy-Zusammenbauen, Turnschuhnähen oder Bananenpflücken. Arbeit haben und davon leben können, das ist nicht dasselbe. Das wissen alle, die eine Arbeit haben, bei der sie zu den Geringverdienern gehören und nicht wissen, wie sie über die Runden kommen sollen. Das wissen auch die Menschen, die coronabedingt in Kurzarbeit sind, die um ihren Arbeitsplatz bangen oder vielleicht sogar schon in der Krise ihre Arbeit verloren haben. Manche Branchen sind durch die Lockdowns besonders hart betroffen, Gastronomie, Tourismus, Einzelhandel…

Ich bin dann mal fischen, sagt Petrus, und eine Handvoll Jünger kommt mit. Von irgendetwas müssen sie leben. Petrus hat Familie in Kapernaum am See Genezareth, hungrige Mäuler, die auf Essen warten. Sie bilden einen kleinen Fischereibetrieb auf Zeit, vielleicht auch nur, um das Boot zu mieten oder zu unterhalten. Da ist es schon ein Verlust, wenn die Arbeit einer ganzen Nacht umsonst ist-am Tag lässt es sich nicht fischen. Pech gehabt, zucken vielleicht manche mit den Schultern. Doch für Arme ist es eine Katastrophe, denn sie bringt das ohnehin knappe Überlebensbudget ins Wanken.

„Kinder, habt Ihr nichts zu essen?“, diese Frage empfängt sie nach einer anstrengenden Nachtschicht am Ufer. Aber sie werden noch einmal hinausgeschickt, an eine andere Stelle, von einem Unbekannten, der herumlungert und den sie nicht erkennen können. Reichlich hundert Meter von ihrem bisherigen Fangort und weiter rechts sollen sie ihre Netze auswerfen.

Komischer Typ, warum fährt er nicht selbst aus, wenn er sich so gut auskennt? Warum kassiert er die Fische nicht selbst ein, wofür sie sich schon die ganze Nacht um die Ohren geschlagen haben? Ist das eine Falle? Oder will er einen Anteil am Fang? Eine Provision? Dass einer sie nicht betrügen will, sondern solidarisch ist und ihnen, obwohl er selbst Hunger hat („Kinder, habt Ihr nichts zu essen?“) die besten Fischgründe zeigt, das ist eher üblich bei Jesus und seinen SchülerInnen. Doch nur jemand, der Jesus sehr nahestand, der Jünger, den Jesus liebhatte, Johannes, kommt auf die Idee: Sollte es Jesus selbst sein, der Lebendige?

Unglaublich! Das Netz ist prall gefüllt mit lauter großen Fischen, Arbeit, die sich lohnt. Am Ufer brennt ein Feuer. Der Unbekannte erwartet sie und hat ihnen sogar Frühstück vorbereitet. Irgendwoher hat er Brot und Fische aufgetrieben, auch wenn es nicht reicht. Sie müssen noch ein paar von den frisch gefangenen Fischen bringen. Ist es nun Jesus? So richtig trauen sie sich nicht zu fragen.
Übrigens ist es so ähnlich wie vor Monaten, als sich unendlich viele Leute mit knurrendem Magen am Ufer drängten. Damals hatte ein einziges Kind etwas zu essen dabei, fünf Brote und zwei Fische. Das Kind gab ab, und alle haben Brot und Fische geteilt, und es reichte. Waren es Tausende? (Johannes 6, 1-13)

Jedenfalls müsste heute kein Mensch hungern, wenn wir auf der Erde gerecht teilen würden. Denn es geht nicht gerecht zu, das wissen wir schon lange. Und das wird auch jetzt deutlich. Nicht alle sind durch die Folgen der Pandemie finanziell beeinträchtigt. Bei vielen kommt das Gehalt unverändert aufs Konto. Manche Branchen boomen geradezu. Müsste man sich nicht einmal Gedanken machen, wie man hier einen Ausgleich schaffen kann, durch eine Art Corona-Soli oder so etwas? Dass diejenigen, die weiterhin gut verdienen oder sogar mehr erwirtschaften, eine finanzielle Abgabe leisten für die vielen anderen, die das nicht haben. Im Frühjahr letzten Jahres ist das in der Politik und in den Medien diskutiert worden; jetzt hört man nichts mehr darüber. Es wäre an der Zeit, sich damit wieder ernsthaft zu beschäftigen. Und nicht nur unsere Lage in Deutschland oder in Europa anzuschauen, sondern weltweit. Besser noch als einen Corona- gleich einen Armuts-Soli einzuführen. Wenn das gelingen würde! Wäre das dann sogar ein größeres Wunder als damals, als das Kind fünf Brote und zwei Fische verschenkt hat?

Liebe Gemeinde, heute ist der See Genezareth eine Touristenattraktion, zu normalen Zeiten jedenfalls. Schiffe schippern Reisende aus aller Welt über die Wellen. Am Ufer eilt das Personal hin und her und beköstigt die Massen. Für besondere Gäste wird abends am Ufer gegrillt. Ein Highlight in der Dunkelheit. Fast so wie damals.

Jesus würde sich wohl kaum von den Mitarbeitern unterscheiden, die das gutzahlende Publikum bedienen und dafür sorgen, dass es ihnen an nichts fehlt.

Jesus kellnert. Er schürt Feuer am Strand, brät Fisch und Brot. Er schlüpft in die Rolle der Frauen, die für das Essen zuständig sind. Er macht Frühstück. Die Jünger fragen sich: Ist das Jesus? Oder ist er es nicht?

Erkennen sie ihn? Besser: was sehen sie, was erkennen sie eigentlich? Nach dem Bericht des Johannesevangeliums bleibt das in der Schwebe, und das ist gut so. Denn immer wieder behaupten Leute, sie wüssten ganz genau, wie Jesus wäre, was er meinen oder nicht meinen würde. Ihnen wäre sonnenklar, wie Gott zu verstehen sei, und ihr Weg zu Gott sei der einzige.
Unsere heutige Ostergeschichte lässt solche schnellen Antworten nicht zu. Sie zeigt auch, dass es gar nicht um schnelle Antworten geht.

Wie die Jünger und Jüngerinnen Ostern erlebt haben, davon erzählt die Bibel viele und völlig unterschiedliche Geschichten. Jesus zeigt sich in verschiedener Gestalt, als Wanderer, als Gärtner, als Geliebter, als Verwundeter mit Narben und Folterspuren, als Hungriger, als jemand, der auf nicht zu erklärende Weise einfach so in den Raum kommt. Immer wieder wundern sich die JüngerInnen, manchmal fürchten sie sich sogar. Aber immer wieder verändert sich etwas für sie. Sie kehren um. Sie verlieren ihre Angst. Sie begreifen Zusammenhänge. Sie beginnen zu reden. Sie treten überzeugend auf. Sie kommen in Bewegung. Sie lassen sich nicht einschüchtern. Sie wachsen über sich hinaus.

Ostern hat so viele Gesichter, weil wir viele Gesichter haben und in verschiedenen Lebenssituationen stecken.

Deshalb bedeutet Ostern -Auferstehen, Aufstehen- für jeden Menschen etwas anderes. Aufstehen heißt für jeden eine andere Herausforderung, eine andere Verwandlung, eine andere Überraschung.

Die Hoffnung, liebe Gemeinde, trägt viele Namen, selbst, wenn auf die manchmal niemand so schnell kommt.
Aber immer ist Ostern ganz handfest. In unserer Geschichte aus dem Johannes heißt Ostern: Es gibt Arbeit und Brot.
Petrus sagt: „Ich bin dann mal fischen.“

Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft zu fassen vermag, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.
Amen.

Lied EG 649, 1.4.5: „Eine freudige Nachricht breitet sich aus“

Wir beten:

Du Gott des Lebens,
du hast deinen Sohn Jesus Christus auferweckt, damit auch wir leben. Wir danken dir, dass durch die Kraft der Auferstehung der Stachel des Todes besiegt ist.

Wir bitten dich, lass uns den Sieg des Lebens spüren und die Kraft der Auferstehung erfahren. Wir bitten dich um offene Ohren, die alle Hinweise des Lebens verstehen und richtig deuten.

Wir bitten dich um wache Augen, damit wir die Spuren der Auferstehung auch in unserem Leben finden. Wir bitten dich, dass wir den Wert des Lebens begreifen und es mit unseren Händen schützen und bewahren.

Wir bitten dich um einen klaren Verstand, damit wir Wege finden, mit den Menschen bei uns und weltweit solidarisch zu sein, denen es viel schlechter geht als uns selbst. Wir bitten dich um ein weites Herz, damit wir gerade in diesen schweren Zeiten abgeben und teilen, damit alle überleben können.

Und alles, was wir Gott sonst noch sagen möchten, sagen wir mit den Worten des Vaterunsergebetes:

Vater Unser im Himmel, geheiligt werde dein Name, …

Lied EG 99: „Christ ist erstanden von der Marter alle“

Segen:
Gott segne uns und behüte uns auf allen unseren Wegen.
Amen.

Gottesdienst am 04. April 2021 - Ostern

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde,
zum Osterfest grüße ich Sie/Euch mit dem alten Ostergruß der Christenheit:
„Derr Herr ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden! Halleluja!“

Wir feiern, dass Gottes Liebe den Tod besiegt hat.
Er hat seinen Sohn Jesus Christus von den Toten auferweckt, uns zum Zeichen.

Hier bieten wir Ihnen/Euch wieder einen Gottesdienst zum selbst Lesen und für die Osterfeier zuhause. Wir wünschen Ihnen/Euch, dass Ostern wieder neuen Mut und neue Hoffnung schenken kann.

Ein gesegnetes Osterfest,
Ihre/Eure Pfarrerin Anke Mühlenberg-Knebel.

Wir beginnen mit dem Lied EG 106, 1.2.3.5 „Erschienen ist der herrlich Tag“

Im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Unsere Hilfe steht im Namen des Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat.
Amen.

Meditation zu Psalm 118 (dieser Psalm wird immer zu Ostern in den Gottesdiensten gelesen):
Ich danke dir, Gott, denn du bist freundlich und deine Güte währet ewiglich. Du bist meine Macht und mein Heil. Ich singe von deinem Sieg mit Freuden: Deine Rechte behält den Sieg, auch über die Pforten des Todes und der Hölle. Deine Rechte behält den Sieg.
Ich werde nicht sterben, sondern leben und deine Wunderwerke verkündigen, Gott.
Auch wenn du mir schweres Leid schickst, gibst du mich doch nicht dem Tode preis. Du tust mir auf die Tore deines Hauses, dass ich durch sie einziehe und dir danke. Ich danke dir, Gott, du hast mein Gebet erhört und mir auf mein Bitten hin geholfen. Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, ist zum Eckstein geworden.
Das ist dein Werk, ein Wunder in meinen Augen. Du hast diesen Tag gemacht, an dem ich mich freuen kann und mein Herz fröhlich ist. Ich lobe dich, Gott, denn du lässt mich nicht allein. Deine Hand ist bei mir, du segnest mein Tun und legst mir dein Wort auf die Zunge. Darum schmücke ich deinen Altar mit Blumen, ich bereite ein Fest, um dir zu danken. Ich lobe dich, Gott, und preise deinen Namen.
Amen.

Wir beten:
Himmlischer Vater, du hast deinen Sohn Jesus Christus
aus dem Tode erweckt.
Wir können das kaum glauben, nur schwer können wir es begreifen.
Hilf uns zu verstehen und zu glauben, was das bedeutet:
Auferstehung.
Überwinde unseren Zweifel und unsere Fragen.
Öffne unsere Augen, dass wir die Zeichen des Lebens
auch in der Dunkelheit des Todes und der Trauer erkennen.
Lass uns den Weg zum Leben finden.
Amen.

Wir bekennen unseren christlichen Glauben:
Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen,
den Schöpfer des Himmels und der Erde.
Und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn.
Empfangen durch den Heiligen Geist,
geboren von der Jungfrau Maria,
gelitten unter Pontius Pilatus,
gekreuzigt, gestorben und begraben.
Hinabgestiegen in das Reich des Todes;
am dritten Tage auferstanden von den Toten, aufgefahren in den Himmel.
Er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters.
Von dort wird er kommen zu richten die Lebenden und die Toten.
Ich glaube an den Heiligen Geist,
die Heilige christliche Kirche, Gemeinschaft der Heiligen,
Vergebung der Sünden,
Auferstehung der Toten und das ewige Leben.
Amen.

Biblische Lesung: Jesaja 25, Verse 8 und 9:
„Er wird den Tod verschlingen auf ewig.
Und Gott der Herr wird die Tränen von allen Angesichtern wischen
und wird aufheben die Schmach seines Volks in allen Landen; denn der Herr hat`s gesagt.
Zu der Zeit wird man sagen:
'Siehe, das ist unser Gott, auf den wir hofften, dass er uns helfe.
Das ist der Herr, auf den wir hofften; lasst uns jubeln und fröhlich sein über sein Heil.'“
Amen.

Lied EG 116, 1.2: Er ist erstanden, Halleluja!

Predigt:

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und von dem Herrn Jesus Christus.
Amen.

Liebe Schwestern und Brüder,
an Ostern suchen viele Kinder Ostereier; drinnen in der Wohnung oder draußen im Garten (bei dem schönen Wetter in diesen Tagen ist das sicher ein besonderes Vergnügen). Die Eltern sind schon ganz früh aufgestanden, um die bemalten Ostereier, die Schokoladenhasen und was sonst noch im Osternest liegen soll, zu verstecken.
Es ist immer sehr schön mitzuerleben, wie die Kinder sich auf die Suche machen; überall aufmerksam herumschauen, sich bücken, sich nach oben recken und wie sie dann voller Freude die Süßigkeiten und die Eier aufsammeln. Auch die Erwachsenen freuen sich mit; viele Großeltern werden es bedauern, diesmal nicht dabei sein zu können, weil sie noch nicht geimpft wurden und vorsichtig sein müssen!
Das Ei ist ein Symbol der Auferstehung, des unbändigen Lebenswillens. Die Schale steht für den Tod. Das neue Leben im Ei, das Küken, zerbricht die Schale, weil es leben will. Das neue Leben zerbricht den Tod und wirft ihn ab. Wie eine Pflanze, die sich durch einen ganz feinen Riss in einer Betonplatte hindurchwindet, sich zum Baum weiterentwickelt und dann eine solche Platte zum Zerbrechen bringt, so bricht das Leben aus der Eierschale hervor. Und dabei spricht doch alles gegen das Leben unter der Schale.
Die Realität.
Jede Beerdigung.
Jedes Krankenbett.
Jede bedrohliche Krise.
Alle sprechen gegen das Leben.
Der Tod tritt ja nicht erst dann ein, wenn das Herz aufhört zu
schlagen. Er ist bereits da, wenn Menschen ihre Hoffnung verlieren, ihr Vertrauen zum Leben, zu Gott, zu sich selbst, wenn sie aufgeben…

So ist die Botschaft von Ostern, vom Sieg des Lebens über den Tod, nicht nur tröstlich im Hinblick auf unser Lebensende, sondern sie ist auch überaus ermutigend für unser Leben: Gott schenkt uns Menschen neues Leben, am Ende unseres Lebens und schon mitten im Leben.
Diese Botschaft zu suchen und zu entdecken, das macht froh. Die Kinder freuen sich ja auch, wenn sie Ostern Eier und Süßigkeiten suchen. Manchmal möchten sie allerdings, dass man ihnen das Ver -steck zeigt. Dann ist das Finden nicht mehr ganz dasselbe.
Am meisten macht es Freude, wenn man sich selbst bei der Suche anstrengt. Da muss man sich auch schon mal bücken, sich recken, an den schwer zu erreichenden Stellen suchen. Das kann anstrengend sein. Das Suchen und die Freude am Finden nimmt uns niemand ab. Gott sei Dank!
Ja, liebe Schwestern und Brüder, wer würde einem Ei zutrauen, dass darin Leben steckt? Wer hätte damals gedacht, als Jesus wie ein Verbrecher hingerichtet wurde, dass Menschen bis zum heutigen Tag sich zu ihm als dem Christus bekennen würden?
Das Leben ist an Ostern aufgebrochen.
Gott sei Dank in Jesus Christus.
Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft zu fassen vermag, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.
Amen.

Lied EG 559,1.2.4 „O herrlicher Tag, o fröhliche Zeit“

Fürbitten:

Jesus Christus, Freund des Lebens,
in deine Hände legen wir unseren Weg,
begleite uns!

Jesus Christus, Freund des Lebens,
in deine Hände legen wir unsere Zeit,
erbarme dich!

Jesus Christus, Freund des Lebens,
in deine Hände legen wir unsere Ängste,
erhöre uns!

Jesus Christus, Freund des Lebens,
in deine Hände legen wir unseren Dank,
für alle Zeit!

(hier ist die Möglichkeit, auch eigene, frei formulierte Bitten anzuschließen)

Vater Unser im Himmel,
geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme, dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute
und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit
in Ewigkeit.
Amen.

Lied EG 99: „Christ ist erstanden von der Marter alle“

Segenswort:
Der österliche Segen Gottes, der komme über mich/ uns und bleibe bei mir/uns von nun bis in Ewigkeit.
Amen.

Gottesdienst am 02. April 2021 - Karfreitag

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde,
zum Lesegottesdienst für den Karfreitag, den 2. April, grüße ich Sie/euch mit einem Wort aus dem Johannesbrief (Kap. 3, V. 16):
„Also hat Gott die Welt geliebt, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.“ Wir denken darüber nach, was der Tod Jesu am Kreuz für uns bedeutet. Wie können wir das verstehen, dass Jesus für uns gestorben ist?
Einen gesegneten Feiertag wünscht Pfarrerin Anke Mühlenberg -Knebel.

Am Anfang steht das Lied EG 97, 1.2.6: „Holz auf Jesu Schulter“

Wir sind hier zusammen im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Amen.

Wir lesen Worte aus Psalm 22; Worte, die Jesus kurz vor seinem Tod am Kreuz gesprochen hat:
Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?
Ich schreie, aber meine Hilfe ist ferne.
Mein Gott, des Tages rufe ich, doch antwortest du nicht, und des Nachts, doch finde ich keine Ruhe.
Du aber bist heilig, der du thronst über den Lobgesängen Israels.
Unsere Väter hofften auf dich; und da sie hofften, halfst du ihnen heraus.
Zu dir schrien sie und wurden errettet, sie hofften auf dich und wurden nicht zuschanden.
Sei nicht ferne von mir, denn Angst ist nahe; denn es ist hier kein Helfer.
Aber du, Herr, sei nicht ferne; meine Stärke, eile, mir zu helfen!
Amen.

Gebet:
Herr, unser Gott, warum hast du uns verlassen? Du scheinst so weit weg von uns zu sein, wenn wir dich brauchen. Wir beten und hören keine Antwort. Wir kommen nicht gut klar mit unserem Leben, mit unserer Angst. Warum bleibst du stumm?
Wir bitten dich: Sei nicht ferne von uns, denn Angst ist nahe; denn es ist hier kein Helfer! Erbarm dich unser!

Der Bibeltext dazu steht im Lukas-Evangelium, Kapitel 23, Verse 32-49.
Lukas berichtet von Jesu Kreuzigung und Tod.

„Es wurden aber auch andere hingerichtet, zwei Übeltäter, dass sie mit ihm hingerichtet würden. Und als sie kamen an die Stätte, die da heißt Schädelstätte, kreuzigten sie ihn dort und die Übeltäter mit ihm, einen zur Rechten und einen zur Linken. Jesus aber sprach: Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!
Und sie verteilten seine Kleider und warfen das Los darum. Und das Volk stand da und sah zu. Aber die Oberen spotteten und sprachen: Er hat anderen geholfen; er helfe sich selber, ist er der Christus, der Auserwählte Gottes.
Es verspotteten ihn auch die Soldaten, traten herzu und brachten ihm Essig und sprachen: Bist du der Juden König, so hilf dir selber! Es war aber über ihm auch eine Aufschrift: Dies ist der Juden König. Aber einer der Übeltäter, die am Kreuz hingen, lästerte ihn und sprach: Bist du nicht der Christus?
Da antwortete der andere, wies ihn zurecht und sprach: Fürchtest du nicht einmal Gott, der du doch in gleicher Verdammnis bist? Wir sind es zwar mit Recht, denn wir empfangen, was unsere Taten verdienen; dieser aber hat nichts Unrechtes getan. Und er sprach: Jesus, gedenke an mich, wenn du in dein Reich kommst! Und Jesus sprach zu ihm: Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradies sein. Und es war schon um die sechste Stunde, und es kam eine Finsternis über das ganze Land bis zur neunten Stunde, und die Sonne verlor ihren Schein, und der Vorhang des Tempels riss mitten entzwei. Und Jesus rief laut: Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände! Und als er das gesagte hatte, verschied er. Als aber der Hauptmann sah, was da geschah, pries er Gott und sprach: Fürwahr, dieser Mensch ist ein Gerechter gewesen! Und als das Volk, das dabei war und zuschaute, sah, was da geschah, schlugen sie sich an ihre Brust und kehrten wieder um. Es standen aber alle seine Bekannten von Ferne, auch die Frauen, die ihm aus Galiläa nachgefolgt waren, und sahen das alles."
Amen.

Wir bekennen unseren christlichen Glauben:
Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen,
den Schöpfer des Himmels und der Erde.
Und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn.
Empfangen durch den Heiligen Geist,
geboren von der Jungfrau Maria,
gelitten unter Pontius Pilatus,
gekreuzigt, gestorben und begraben.
Hinabgestiegen in das Reich des Todes;
am dritten Tage auferstanden von den Toten, aufgefahren in den Himmel.
Er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters.
Von dort wird er kommen zu richten die Lebenden und die Toten.
Ich glaube an den Heiligen Geist,
die Heilige christliche Kirche, Gemeinschaft der Heiligen,
Vergebung der Sünden,
Auferstehung der Toten und das ewige Leben.
Amen.

Lied: 85, 1.2.4: „O Haupt voll Blut und Wunden“

Predigt:

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater und von dem Herrn Jesus Christus.
Amen.

Liebe Schwestern und Brüder,
schon oft habe ich in den letzten Jahren von Menschen den Satz gehört: Mit dem Karfreitag kann ich nichts anfangen! Sie empfinden ihn entweder als zu traurig; es geht dabei ja um Tod, Elend, Leiden, Themen, um die man lieber einen großen Bogen macht. Oder sie ärgern sich, weil es an diesem Tag besonders still zugeht, die Geschäfte haben geschlossen, es gibt keine Sportveranstaltungen, auch das Programm in den Medien passt sich an. Oder der Tag ist ihnen völlig gleichgültig, weil sie ohnehin mit dem christlichen Glauben nichts mehr verbinden.

Wie wird es wohl in diesem Jahr am Karfreitag sein, wo sich unser Leben durch die Bedrohung durch das Coronavirus so völlig verändert hat? Ob sich die Einstellung der Menschen zum Karfreitag gewandelt hat? Ängste, das Leiden von Menschen und der Tod sind auf einmal viel näher an uns herangerückt. Unser Leben hat sich in diesem einen Jahr fundamental verändert. Wir fühlen uns zutiefst verunsichert und fragen uns, wie es weitergehen soll.

Und so mancher Mensch ist ins Nachdenken gekommen und sucht danach, was ihm Halt und Trost geben.
Karfreitag- Jesus wird wie ein Schwerverbrecher am Kreuz hingerichtet. Unfassbar. Jesus ist doch der Gottessohn, der Menschenfreund. Der sich für die Menschen am Rande der Gesellschaft eingesetzt hat, für Gerechtigkeit und Frieden, der die Liebe Gottes erlebbar gemacht hat. Nun ist das alles zu Ende, der Tod hat über das Leben gesiegt. Der Evangelist Lukas berichtet, wie auch die Jüngerinnen und Jünger Jesu völlig verwirrt und verzweifelt sind. Sie lassen Jesus allein, weil sie Angst um ihr eigenes Leben haben. Der Evangelist Lukas berichtet: Nur der römische Hauptmann unter dem Kreuz und einer der beiden Verbrecher, die neben Jesus gekreuzigt werden, scheinen zu verstehen, dass mit diesem furchtbaren Tod Jesu am Kreuz nicht alles aus ist. Der eine bittet Jesus, dass er sich bei Gott für ihn einsetzt. Der andere nennt Jesus einen wahrhaftig frommen Menschen und er preist Gott. Bei diesen beiden leuchtet schon etwas vom Osterlicht hervor. Es bringt bereits ein wenig Helligkeit in die Dunkelheit des Todes. Das, liebe Gemeinde, kann auch in unserer gegenwärtigen belastenden Situation Hoffnung und Trost geben. Auch, wenn wir uns mit dem Karfreitag schwertun, aus den unterschiedlichsten Gründen, wir können ihn nicht ignorieren, er gehört in unser Leben hinein. Wir können ihn aber aushalten. Denn auch für uns fällt von diesem Tag her ein kleiner Strahl des Osterlichtes in unsere Dunkelheit.

Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft zu fassen vermag, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.
Amen.

Lied EG 91, 1-3: „Herr, stärke mich, dein Leiden zu bedenken“

Wir beten:
Gott,
dein Tod am Kreuz stellt uns und unseren Glauben in Frage.
Lass uns dennoch bei dir bleiben und auch im Leid das Licht der Hoffnung scheinen sehen.
Wir denken besonders an all die Menschen, die bei uns und überall auf der Welt krank sind, Schmerzen erdulden müssen, die ohne Hoffnung und allein sind.
Sei du ihnen nahe und lass sie das spüren.
Wir denken an die Kranken und Sterbenden bei uns und anderswo.
Halte du sie in deinen gütigen Händen und geh auch das letzte Stück ihres Lebens mit ihnen.
Sei du bei uns allen.
Amen.

Vater Unser im Himmel,
geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme, dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit
in Ewigkeit.
Amen.

Lied EG 85, 9.10.: O Haupt voll Blut und Wunden

Der Segen Gottes komme über euch und begleite euch
von nun an bis in Ewigkeit.
Amen.

 

Gottesdienst am 28.03.2021 - Palmsonntag

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde,

der folgende Lesegottesdienst möchte Sie/Euch einstimmen auf den kommenden Sonntag, den 28. März. Es ist der Palmsonntag, mit dem die Karwoche beginnt.

Der Wochenspruch für die Karwoche lautet:
„Der Menschensohn muss erhöht werden, damit alle, die an ihn glauben, das ewige Leben haben.“ (Johannes 3, 14f)

Einen gesegneten Sonntag wünscht Pfarrerin Anke Mühlenberg-Knebel.

Am Anfang steht das neue geistliche Lied „Eines Tages kam einer“ (bl. Anhang zum Gesangbuch, Nr. 34).

Im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Unsere Hilfe steht im Namen des Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat.
Amen.

Gott,
ich bin hier und Du bist hier.
Ich bete zu Dir und weiß, ich bin verbunden mit dir
und mit anderen, die zu Dir beten.
Es ist Palmsonntag. Mit Jesus gehe ich in diese Woche.
Ich bin hier und Du bist hier.
Das genügt.
Ich bringe dir alles, was ist.
(hier einen Moment der Stille einhalten)
Höre auf unser Gebet.
Amen.

Die biblische Lesung für den Palmsonntag steht im Johannes-Evangelium, Kapitel 12, Verse 12- 19 (Gute-Nachricht-Bibel). Sie berichtet, wie Jesus vor Beginn des Passafestes nach Jerusalem kommt und dort von den Menschen begeistert empfangen wird:

Am nächsten Tag hörte die große Menge, die zum Passafest gekommen war, Jesus sei auf dem Weg nach Jerusalem.
Da nahmen sie Palmzweige, zogen ihm entgegen vor die Stadt und riefen laut: Gepriesen sei Gott! Heil dem, der in seinem Auftrag kommt! Heil dem König Israels!
Jesus aber fand einen jungen Esel und setzte sich darauf, wie es schon in den Heiligen Schriften heißt:
Fürchte dich nicht, du Zionsstadt!
Sieh, dein König kommt. Er reitet auf einem jungen Esel.
Damals aber verstanden seine Jünger dies alles noch nicht; aber als Jesus in Gottes Herrlichkeit aufgenommen war, wurde ihnen bewusst, dass dieses Schriftwort sich auf ihn bezog und dass die Volksmenge ihn dementsprechend empfangen hatte. Als Jesus Lazarus aus dem Grab gerufen und vom Tod auferweckt hatte, waren viele dabei gewesen und hatten es als Zeugen weitererzählt. Aus diesem Grund kam ihm jetzt eine so große Menschenmenge entgegen. Sie alle hatten von dem Wunder gehört, das er vollbracht hatte. Die Pharisäer aber sagten zueinander: Da seht ihr doch, dass wir so nicht weiterkommen! Alle Welt läuft ihm nach!

Amen.

Wir bekennen unseren christlichen Glauben:
Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen,
den Schöpfer des Himmels und der Erde.
Und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn.
Empfangen durch den Heiligen Geist,
geboren von der Jungfrau Maria,
gelitten unter Pontius Pilatus,
gekreuzigt, gestorben und begraben.
Hinabgestiegen in das Reich des Todes;
am dritten Tage auferstanden von den Toten, aufgefahren in den Himmel.
Er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters.
Von dort wird er kommen zu richten die Lebenden und die Toten.
Ich glaube an den Heiligen Geist,
die Heilige christliche Kirche, Gemeinschaft der Heiligen,
Vergebung der Sünden,
Auferstehung der Toten und das ewige Leben.
Amen.

Lied EG 314, 1.2.5 „Jesus zieht in Jerusalem ein“

Predigt:

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und von dem Herrn Jesus Christus.
Amen.

Liebe Schwestern und Brüder,
am Sonntag begehen wir Christinnen und Christen den Palmsonntag, die Karwoche beginnt. Es ist eine Woche voller Dramatik: vom begeisterten Empfang in Jerusalem, bei dem Jesus von den Menschen hoffnungsvoll begrüßt wird wie ein König, über die Feier des Abendmahls mit seinen engsten Freunden, das dann aber unerwartet ein Abschiedsmahl wird. Die ergreifende Szene, in der Jesus im Garten Gethsemane hin- und hergerissen ist zwischen seiner Todesfurcht und dem sich Gottes Willen Anvertrauen bis hin zur Verhaftung, zur Verurteilung und zum furchtbaren Tod am Kreuz. Eine ungeheure Spannung baut sich auf, ein Auf und Ab der Gefühle und der Gedanken.
Es ist eigentlich kaum auszuhalten, was da in diesen wenigen Tagen alles zusammenkommt, wie sich die Ereignisse um Jesus entwickeln. Und wie sich diese ganze Spannung, diese tiefste Verzweiflung, dann am Ostersonntag wieder auflöst: „Christus ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden, Halleluja!“ Gottes Liebe ist stärker als der Tod, stärker als alle todbringenden Mächte dieser Welt.
Jedes Jahr wieder bringt uns die Passionszeit und darin besonders ihr letzter Abschnitt, die Karwoche, ins Nachdenken über das Leiden und Sterben Jesu, über das, was sein Tod am Kreuz für uns bedeu -tet.
In diesem Jahr, wie auch schon im Jahr zuvor, bekommt unser Nachdenken eine ganz neue Ernsthaftigkeit: uns ist bewusst, dass wir und alle anderen Menschen dem Tod möglicherweise viel näher sind als wir bisher immer gedacht haben. „Die Angst vor Corona ist ja eigentlich die Angst vor dem Tod“, hat ein junger Mensch aus meiner früheren Gemeinde am Niederrhein einmal formuliert. Und er bringt es damit auf den Punkt.
Diese Angst, der Gedanke an das eigene Sterben lässt uns nach Halt und Trost fragen und nach einer Hoffnung über dieses Leben hinaus. Als Christinnen und Christen vertrauen wir darauf, dass die Passion Jesu Sinn hat, auch für unser Leben.
Wir denken Ostern dabei immer schon mit. Ostern heißt ja: es gibt nichts mehr, was uns noch von der Liebe Gottes trennen kann, nicht einmal unser eigener Tod. Und das weckt in uns eine ganz leise und stille Freude in all dem Schweren.
In unserem Gesangbuch gibt es ein Lied, das genau diese Perspektive beschreibt: nicht nur den Tod zu sehen, sondern durch ihn hindurch das Leben zu entdecken. Es trägt den Titel „Korn, das in die Erde“
(EG 98, 1-3); oft singen wir es in den Gottesdiensten während der Passionszeit.
Hier der Text für Sie/für Euch zum Nachlesen:

Strophe 1:
Korn, das in die Erde, in den Tod versinkt,
Keim, der aus dem Acker in den Morgen dringt-
Liebe lebt auf, die längst erstorben schien:
Liebe wächst wie Weizen, und ihr Halm ist grün.

Strophe 2:
Über Gottes Liebe brach die Welt den Stab,
wälzte ihren Felsen vor der Liebe Grab.
Jesus ist tot. Wie sollte er noch fliehn?
Liebe wächst wie Weizen, und ihr Halm ist grün.

Strophe 3:
Im Gestein verloren Gottes Samenkorn,
unser Herz gefangen in Gestrüpp und Dorn-
hin ging die Nacht, der dritte Tag erschien:
Liebe wächst wie Weizen und ihr Halm ist grün.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft zu fassen vermag, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.

Amen.

Wir beten:
Herr, wir beten für die Kranken, für die, denen keine Medizin mehr helfen kann, für die, die sterben müssen, für die, die unter der Last dieser Zeiten zusammenbrechen.
Komm zu ihnen mit deiner Liebe und heile sie.
Wir beten für die Menschen, die in Arztpraxen, Krankenhäusern und Pflegeheimen arbeiten, in Feuerwachen und Apotheken, in KiTas und Schulen, in Supermärkten, in Laboren und in Ställen, in Ämtern und Gemeinden.
Komm zu ihnen mit deiner Freundlichkeit und behüte sie.
Wir beten für die Menschen in der Politik und in der Wirtschaft; stehe ihnen bei, dass sie die richtigen Entscheidungen treffen, die uns allen in dieser Krise weiterhelfen.
Wir beten auch für die Menschen, die in der Sorge dieser Tage in Vergessenheit geraten, die Flüchtlinge, die Opfer von häuslicher Gewalt, die Verwirrten und Missbrauchten, die Hungernden, die Einsamen.
Komm zu ihnen und rette sie.
Gehe mit uns allen durch diese Zeit.

Wir fassen alle unsere Bitten zusammen in dem Gebet, das Jesus uns selbst gelehrt hat:
Vater unser im Himmel…

Lied EG 665, 1-3 „Wir haben Gottes Spuren festgestellt“

Wir bitten um den Segen Gottes:
Segne und behüte uns auf unseren Menschenstraßen.
Sende Liebe und Wärme in die kalte Welt.
Hoffnung, die wir fast vergaßen.

Amen.

 

Gottesdienst am 21.03.2021 - Judica

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde,
zum Gottesdienst am Sonntag Judica grüße ich Sie und Euch mit dem Wochenspruch aus dem Matthäus-Evangelium, Kapitel 20, Vers 28:
„Der Menschensohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und gebe sein Leben als Lösegeld für viele.“
Im Gottesdienst wollen wir uns heute mit Hiob aus dem Alten Testament beschäftigen. Sein Glaube wird auf eine harte Probe gestellt. Hat sein Leiden einen Sinn? Und was ist mit unserem Leiden? Die Passionszeit lädt uns ein, diesen Fragen einmal nachzugehen.
Einen gesegneten Sonntag wünscht Pfarrerin Anke Mühlenberg- Knebel.

Am Anfang steht das Lied EG 91, 1-3 „Herr, stärke mich, dein Leiden zu bedenken“

Eingangswort:
Im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Unsere Hilfe steht im Namen des Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat.
Amen.

Gebet:
An diesem Morgen kommen wir zu dir, Gott, aus unserem Alltag voller Aufregung. Lass uns bei dir Ruhe finden.
Mit unserem wirren Leben finden wir uns an diesem Morgen bei dir ein, Gott. Lass uns den Weg finden.
Wir bringen an diesem Morgen vor dich unsere Welt voll Leid, Gott. Lass uns die Hoffnung nicht verlieren.
Wir beten zu dir, wir hören auf dich, rede zu uns, zeig dich.
Amen.

Als Lesung und als Predigttext haben wir heute einen Abschnitt
aus dem Buch Hiob, Kapitel 19, Verse 19- 27:
„Alle meine Getreuen verabscheuen mich, und die ich lieb hatte, haben sich gegen mich gewandt. Mein Gebein hängt nur noch an Haut und Fleisch und nur das nackte Leben brachte ich davon. Erbarmt euch über mich, erbarmt euch, ihr meine Freunde; denn die Hand Gottes hat mich getroffen! Warum verfolgt ihr mich wie Gott und könnt nicht satt werden von meinem Fleisch? Ach dass meine Reden aufgeschrieben würden! Ach, dass sie aufgezeichnet würden als Inschrift, mit einem eisernen Griffel und mit Blei für immer in einen Felsen gehauen! Aber ich weiß, dass mein Erlöser lebt und als der Letzte wird er über dem Staub sich erheben. Nachdem meine Haut noch so zerschlagen ist, werde ich doch ohne mein Fleisch Gott sehen. Ich selbst werde ihn sehen, meine Augen werden ihn schauen und kein Fremder. Danach sehnt sich mein Herz in meiner Brust."
Amen.

Wir bekennen unseren christlichen Glauben:
Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde.
Und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn.
Empfangen durch den Heiligen Geist,
geboren von der Jungfrau Maria,
gelitten unter Pontius Pilatus,
gekreuzigt, gestorben und begraben.
Am dritten Tage auferstanden von den Toten, aufgefahren in den Himmel.
Er sitzt zur Rechten Gottes, des Allmächtigen Vaters,
von dort wird er kommen zu richten die Leben- den und die Toten.
Ich glaube an den Heiligen Geist,
die heilige christliche Kirche, Gemeinschaft der Heiligen,
Vergebung der Sünden,
Auferstehung der Toten und das Ewige Leben.
Amen.

Lied EG 382, 1-3 „Ich steh vor dir mit leeren Händen, Herr“

Predigt:

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und von dem Herrn Jesus Christus.
Amen.

Liebe Gemeinde,
Hiob aus der Bibel ist wohlhabend, ein reicher Herdenbesitzer, mit zahlreichen Knechten. Er ist auch Familienvater. Er und seine Frau haben drei Töchter und sieben Söhne. Für ihn ist das alles Geschenk Gottes, Zeichen dafür, dass er bei Gott gut angesehen ist, sogar sein Liebling.

Doch dann kommt ein Schicksalsschlag nach dem anderen. Die sprichwörtlichen Hiobsbotschaften ereilen ihn. Hiob verliert zunächst alle seine Tiere, dann seine Knechte. Schließlich kommen seine Kinder ums Leben.

Dann kommt er selbst an die Reihe, ein juckender Ausschlag, sogar Geschwüre, er kann kaum noch laufen oder sprechen, nichts mehr zu sich nehmen, er wird zum Außenseiter.

Im biblischen Buch Hiob wird nach dem Sinn oder Unsinn des Leidens gefragt, geradezu gerungen. Das, was diesem Menschen zustößt an Schrecklichem, ist das Schicksal? Zufall? Wille Gottes? Für Hiob scheint es eine wirkliche schlüssige Antwort nicht zu geben, sie bleibt aus. Als Leser wissen wir, was Hiob nicht weiß. Dem Ganzen geht eine Wette zwischen dem Satan und Gott voraus. Hiobs Frömmigkeit soll auf die Probe gestellt werden. Wird er auch im Leiden seinem Gott treu bleiben? Der Satan bezweifelt das.

Man mag diese Wette für etwas geschmacklos halten, aber das Thema ist doch klar benannt. Was bringt es einem Menschen zu glauben? Bringt es vielleicht sogar Nachteile mit sich? Muss ich im Leiden meinen Glauben aufgeben, weil die Gleichung von Glaubensinvestition und Glücksgewinn nicht mehr aufgeht? Die Theologin Dorothee Sölle schreibt dazu: „Liebe zu Gott ist anders, sie ist eine verrückte Liebe ohne Berechnung, eine Liebe, die sich nach Meinung des Teufels nicht auszahlt(…). Gott zu lieben heißt nicht: ich gebe dir den richtigen Glauben und komme dafür in den Himmel. Es heißt, sich Gott geben, ohne Versicherung, ohne Rückzahlung.“ Das ist ein schöner Gedanke. So, lieben wir ja zum Beispiel auch einen anderen Menschen, ohne Berechnung, einfach so.

Hiobs Frau reagiert ungehalten, sie versteht nicht, warum ihr Mann sich nicht von Gott abwendet: „Hältst du immer noch an deiner Frömmigkeit fest? Gib Gott den Laufpass und stirb.“

Liebe Schwestern und Brüder, kennen Sie ähnliche Ratschläge heute? Bringt doch nichts, das Glauben, das Beten. 10 Gebote beachten. Zum Gottesdienst gehen. Kirchensteuer zahlen. Gott sind wir Menschen doch egal, wenn es ihn überhaupt geben sollte. Denn wenn es ihn gibt: Warum verhindert er nicht, dass so viel Schreckliches in der Welt passiert? Die Pandemie, die uns nun schon seit einem Jahr in Atem hält und unser Leben bedroht und massiv einschränkt, Kriege, Millionen Flüchtlinge, Katastrophen, unheilbare Krankheiten, Armut und Elend, so viel unschuldige Menschen leiden und sterben.

Hiob antwortet im Laufe des sehr umfangreichen biblischen Buches nicht einheitlich. Es gibt verschiedene Antworten, so verschieden, dass Theologen davon ausgehen: die Texte des Hiob-Buches sind in verschiedenen Zeiten entstanden, wurden ergänzt und zusammen -gestellt. Es gibt eine erzählende Rahmenhandlung, legenden-, fast märchenhaft; dahinein sind Reden Hiobs und seiner Freunde eingefügt, die an die Sprache der Psalmen erinnern. Zunächst ist Hiob sehr abgeklärt, er sagt: „Gott hats gegeben, Gott hats genommen, der Name des Herrn sei gelobt.“ Später werden seine Klagen lauter: „Mich ekelt mein Leben an. Gefällt dirs, dass du Gewalt tust und verwirfst mich, den deine Hände gemacht haben? Gott, schau doch weg von mir. Also: Wenn das Leben schon so ist, wie es ist, dann lass mich doch wenigstens in Ruhe, Gott.“

Hiob ist kämpferisch. Er ist nicht fertig mit Gott, gibt ihm nicht den Laufpass. Er wendet sich Gott immer wieder zu, klagt ihm sein Leid, schleudert ihm offene Fragen hin, begehrt auf. Und bekommt am Ende von Gott bescheinigt, recht geredet zu haben. Das Klagen, Hadern, Zweifeln gehört zum Glauben dazu. Vielleicht ist gerade das, wenn wir untröstlich sind, das Tröstliche: dass es einen gibt, der zuhört und die Klage zulässt: Gott.

Und was heißt das nun für das Leiden? Für Hiobs Leiden, für unser Leiden?

Der biblische Hiob hat Freunde, die ihn besuchen. Sie halten sein Trauern und Schweigen aus. Sieben Tage und Nächte sitzen sie bei ihm, schweigen mit ihm, dann reden sie. Sie sagen: „Leiden geht immer auf Schuld zurück. Da Gott gerecht ist, musst du, Hiob, irgendetwas falsch gemacht haben, sonst ginge es dir nicht so. Denk mal drüber nach.“

Hiob pflichtet den Freunden zwar bei, denn völlig unschuldig ist eben kein Mensch auf Erden. Aber so viel Leid, wie er zu tragen hat - das kann nichts mit seinem eigenen schuldhaften Leben zu tun haben.

Uns rutscht das auch so raus, dass wir beim Leid anderer sagen oder denken: Kein Wunder. Unvorsichtig gewesen. Alles auf die leichte Schulter genommen. Das Virus. Das Leben selbst. Wir sind, so meinen wir oft, selbst verantwortlich, selbst schuld an dem, was uns widerfährt. So geben wir dem Leiden einen Sinn, eine Erklärung, wir wissen anscheinend genau, wo es herkommt. Und sind dabei ziemlich ungnädig.

Liebe Geschwister, der Verfasser des Hiob-Buches zeigt uns, dass es komplett sinnloses Leid gibt. Weder der Leidende selbst, noch andere, noch Gott sind daran schuld. Und dass allein schon das Forschen nach einer Ursache lieblos und zynisch wirken kann. Das wird in den Gesprächen mit Hiob und seinen Freunden deutlich. Wie wäre es, wenn unser christlicher Glaube uns darin stark machen könnte, gerade auch die Sinnlosigkeit von Leid auszuhalten? Und dennoch in allem Leid an Gott festzuhalten. Hiob lässt sich nicht mit Erklärungen abspeisen, die versuchen zu zeigen, dass vielleicht doch alles einen Sinn gibt. Er will keine Erklärungen, das einzige, was er braucht, ist, dass Gott ihn sieht. Dass er zu ihm redet. Darauf kommt es an. Dass sie noch verbunden sind.

Hiob kann uns ein Vorbild im Glauben sein. Vielleicht weniger der biblische Hiob der Legende, der das Leid so übermenschlich stark akzeptiert und für den am Ende alles wieder gut wird. Er kommt uns da nahe, wo er aufbegehrt, streitet, kämpft. Sich nicht abfindet mit Krankheit, Leid, Verlust. Wo er Leben und Gerechtigkeit und Glück fordert, für sich und andere. Wo er gegen alles, was ihm widerfährt, daran festhält, dass Gott es mit ihm, seinem Geschöpf, gut meinen muss. Und dann ist da mitten in der Klage, im Kampf ein großer Satz des biblischen Hiobs: „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt“ Aus der größten Verzweiflung taucht die Hoffnung auf, dass es in der Tiefe des Abgrund Halt gibt. Der Sturz geht nicht ins Bodenlose. Am Ende ist da eine Hand, die uns hält. Am Ende ist da Gott, der uns auffängt.

„Ich weiß, dass mein Erlöser lebt“, das ist ein Satz gegen die Angst, ein Wort, das mitten in der Verzweiflung die Rettung ahnt. Das Schwere, das Leiden, die Anfechtungen werden unser Leben weiterhin begleiten, wir werden immer wieder stürzen, aber nicht tiefer als nur in Gottes Hand.
Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft zu fassen vermag der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.
Amen.

Lied EG 372, 1.2.4 „Was Gott tut, das ist wohlgetan“

Fürbitten:
Verborgener Gott,
den es nicht gibt, wie es etwas geben kann.
Du bist nicht dort, wo wir dich zu wissen meinen.
Doch du geschiehst, wo wir dich vermissen.

Zeig deine Nähe, wo nichts und niemand mehr nahe ist,
wo es nichts mehr zu hoffen gibt,
wo Lebensgerüste zerfallen.

Zeig deine Nähe, wo Worte und Verstehen aufhören,
wo das Wort „Gott“ nichts mehr sagt,
wo der Glaube ins Offene fällt.

Zeig deine Nähe, wo das Elend zu groß ist, um es zu begreifen,
wo das Dunkel ohne Widerspruch regiert,
wo tiefe Nacht alle Gewissheiten nimmt.

Zeig deine Nähe, wo der Tod den Abschied von allem fordert
und Menschen zwingt, sich selbst zu verlassen.

Zeig deine Nähe, wo Menschen selbstlos lieben und das Gute tun,
ohne es sich anzurechnen, ohne sich besser als andere zu fühlen.

Verborgener Gott, du fehlst uns und wir ahnen doch,
dass du uns näher bist, als wir es fassen können,
näher als wir uns selbst.
So werden wir still vor dir…

„Aber ich weiß, dass mein Erlöser lebt und als der letzte wird er sich über dem Staub erheben. Ich selbst werde ihn sehen, meine Augen werden ihn schauen und kein Fremder.“
Amen.

Alles, was wir Gott sonst noch sagen möchten, sagen wir mit den Worten des Vaterunsergebetes:

Vater Unser im Himmel, geheiligt werde dein Name,…

Lasst euch segnen mit der 2. Strophe des abschließendes Liedes EG 171:
„Bewahre uns, Gott, behüte uns, Gott, sei mit uns in allem Leiden.
Voll Wärme und Licht im Angesicht, sei nahe in schweren Zeiten,
voll Wärme und Licht im Angesicht, sei nahe in schweren Zeiten.“

Lied EG 171, 1.2.4.

Gottesdienst am 14.03.2021 - Lätare

von Pfarrer i.R. Manfred Bender

Liebe Gemeinde,
ganz herzlich begrüße ich Sie zum  Gottesdienst am Sonntag Lätare.
Lätare –  das heißt: Freut euch! Mitten in der Passionszeit, wo wir an das Leiden von Jesus erinnert werden, erklingt dieser Ruf am heutigen Sonntag. Lätare – Freut euch! Im biblischen Leitwort, in den Gebeten und in den Liedern ist schon deutlich die Hoffnung auf das neue Leben angelegt, das an Ostern beginnt. Dazu passt das Bild vom Weizenkorn, das in die Erde fallen und sterben muss, um neues Leben hervorzubringen. Es begleitet uns als Wochenspruch und wird in der Predigt ausgelegt.

Lied: NL 60,1-4 In der Stille angekommen

Wir feiern den Gottesdienst im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Amen.

Wir freuen uns, dass wir in Gottes Haus versammelt sind und beten mit den Worten Israels:
(Psalm 84,2-13)

Wie lieblich sind deine Wohnungen, HERR Zebaoth!
Meine Seele verlangt und sehnt sich nach den Vorhöfen des HERRN.
         Mein Leib und Seele freuen sich in dem lebendigen Gott.
Der Vogel hat ein Haus gefunden und die Schwalbe ein Nest für ihre Jungen
Deine Altäre, HERR Zebaoth, mein König und mein Gott.
         Wohl denen, die in deinem Haus wohnen, / die loben dich immerdar.
Wohl den Menschen, die dich für ihre Stärke halten /
und von Herzen dir nachwandeln.#
         Wenn sie durchs dürre Tal ziehen, wird es ihnen zum Quellgrund,
         und Frühregen hüllt es in Segen.
Sie gehen von einer Kraft zur andern / und schauen den wahren Gott in Zion.
         HERR, Gott Zebaoth, höre mein Gebet! / Vernimm es, Gott Jakobs!
Gott, unser Schild, schaue doch; / sieh an das Antlitz deines Gesalbten!
         Denn ein Tag in deinen Vorhöfen / ist besser als sonst tausend.
Ich will lieber die Tür hüten in meines Gottes Hause /
als wohnen in den Zelten der Frevler.
         Denn Gott, der HERR ist Sonne und Schild, /
         der HERR gibt Gnade und Ehre.
         Er wird kein Gutes mangeln lassen den Frommen.
HERR, Gott Zebaoth, wohl dem Menschen, / der sich auf dich verlässt!
         Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist
         wie es war im Anfang, jetzt und immerdar und von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Amen.

Gebet:
Gott unseres Lebens, Sonne und Schild,
Wir suchen deine Wärme, deine Nähe, auch in diesem Gottesdienst.
Kein Gutes soll uns mangeln, haben wir eben gebetet.
Aber es fällt uns oft schwer, das zu glauben. Oft sind wir müde und verzagt. Die Pandemie will kein Ende nehmen, das Impfen geht schleppend voran, immer wieder infizieren sich Menschen, immer wieder sterben Erkrankte.
Immer dieses Schwanken der Inzidenzzahlen und die Unsicherheit bei allem Planen! Das Klagen liegt uns näher als die Freude.
Wir bitten dich: Wenn unser Weg jetzt durchs dürre Tal führt, werde du unser Quellgrund; dass wir Mut und Geduld nicht verlieren, dass wir durch diesen Gottesdienst gestärkt neu aufbrechen. Amen

Lied: EG 396,1+2 In dir ist Freude

Lesung (Joh 12,20-24)
Es waren aber einige Griechen unter denen, die heraufgekommen waren, um auf dem Fest anzubeten.
Die kamen zu Philippus, der aus Betsaida in Galiläa war, und baten ihn: „Herr, wir möchten Jesus gerne sehen!“.
Philippus ging und sagte es Andreas, und Philippus und Andreas sagten’s Jesus weiter.
Jesus aber antwortete ihnen: „Die Zeit ist gekommen, dass der Menschensohn verherrlicht werden soll.   Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt, und stirbt, bleibt es ein einzelnes Korn; wenn es aber stirbt, bringt es viel Frucht.

Predigt:

Liebe Gemeinde, die Griechen aus unserer Geschichte sind mir sehr sympathisch, sie sind mir sehr nahe.

Wobei: Vielleicht waren es gar keine Griechen, vielleicht waren es griechisch sprechende Juden, die irgendwo in den Weiten des römischen Reiches lebten, Wallfahrer zum höchsten jüdischen Fest nach Jerusalem. Wie auch immer, ob Griechen oder griechisch sprechende Juden, für die Geschichte ist das unerheblich und auch für meine Sympathie für sie.

Diese Männer sind mir nahe, weil ich ihren Wunsch gut kenne: Sie wollen selbst sehen. Sie wollen sich nicht damit zufrieden geben, was man ihnen erzählt hat. Sie wollen nicht aus zweiter Hand leben, sie wollen selbst sehen und erfahren, wer dieser Jesus ist. Gehört haben sie von ihm. Wir können nur vermuten, was sie von ihm gehört haben. Vermutlich von seinen Predigten, sicher von seinen Heilungen, vermutlich von seinem Streit mit den religiösen Führern, sicher von der Erwartung seiner Freunde: Er sei der versprochene Messias, der von Gott versprochene Retter.

Davon hat man ihnen erzählt, das wussten sie von Jesus vom Hören-Sagen, aber jetzt sind sie in Jerusalem. Jetzt ist er, Jesus in Jerusalem und da wollen sie die Gelegenheit nutzen und ihn selber sehen Sich selbst ein Urteil bilden. Sich nicht nur verlassen auf das, was ihnen die Leute erzählen.

Deshalb sind mir die Griechen unserer Geschichte so sympathisch, so nahe: Sie gleichen uns Menschen am Anfang des 21. Jahrhunderts.

Jahrhunderte lang haben Christen in Europa aus zweiter Hand gelebt. Und das hat mehr oder weniger gut funktioniert. Man war Christ, weil alle Christen waren. Man war Christ, weil die Eltern einen als Säugling hatten taufen lassen. Man war zur Konfirmation gegangen, man hatte sich kirchlich trauen und schließlich auch kirchlich beerdigen lassen, weil das zu einem anständigen Leben dazu gehörte. Große Fragen wurden da kaum gestellt. Man lebte aus zweiter Hand, ohne direkte eigene Erfahrung, ohne eigenes Urteil. Man lebte als Christ oder Christin, weil man es nicht anders kannte. Und die Kirche hatte sich mit allen ihren Veranstaltungen auf diese Normalität eingestellt.

Heute stellen wir fest: Diese Normalität ist weg. Taufe, Konfirmation, kirchliche Trauung, Besuch des Gottesdienstes – das alles ist nicht mehr selbstverständlich. Christliches Leben aus zweiter Hand – das funktioniert nicht mehr. Weil Menschen heute selber sehen, selber erfahren, selber urteilen wollen. Wie die Griechen unserer Geschichte. Denen hat es nicht gereicht, dass andere ihnen von Jesus erzählt haben, die wollten selber sehen.

Und damit sind wir unmittelbar bei uns und bei der Kirche heute: Denn es stellt sich dann die Frage an uns und die ganze Kirche: Erzählen wir so von Jesus, dass andere wissen wollen, wer er ist? Erzählen wir unseren Kindern und Enkeln so von Jesus, dass sie neugierig werden und sich selber ein Urteil bilden wollen? Erzählen wir im Religionsunterricht und im Konfirmandenunterricht so von Jesus, dass unsere Kinder nachfragen, eigene Erfahrungen machen wollen? Wohlgemerkt: Das ist keine Frage an die Hauptamtlichen und Ehrenamtlichen allein. An die sicher besonders! Es ist eine Frage an uns alle: Leben wir so und reden wir so, dass andere kommen wie die Griechen unserer Geschichte und sagen: Wir wollen Jesus sehen. Wir wollen ihn selber erleben. Wir wollen unsere eigenen Erfahrungen machen.

Ich bin überzeugt: Das ist die entscheidende Frage für die Zukunft der Kirche. Die Fragen der Struktur haben danach ihren Platz. Aber zuerst geht es um die Frage: Leben und reden wir so, dass unsere Kinder und Enkel, unsere Nachbarn und Kollegen, die Menschen um uns neugierig werden und mit den Griechen sagen: Wir wollen Jesus sehen?

Die Antwort von Jesus ist überraschend und wir wissen nicht, ob die Griechen Jesus tatsächlich gesehen haben. Denn Jesus sagt ganz allgemein, wie es zu einer eigenen Erfahrung mit ihm kommen kann. Was er sagt, gilt für die Griechen damals, es gilt für uns heute. Ob die Griechen sich darauf  eingelassen haben, davon wird uns nichts berichtet. Ob wir uns darauf einlassen, das ist die Frage, die das Evangelium heute Morgen an uns stellt.

Jesus antwortet allen, die ihn sehen wollen, mit einem Bild aus der Natur. Er erinnert an ein Naturgesetz. Da ist ein Weizenkorn. Es ist hart. Es hat eine feste Haut. Es ist trocken. Und es ist allein. So ein Weizenkorn kann tausende Jahre an einem trockenen Ort sicher liegen. Für nichts und niemanden gut. Einsam und allein.

Wenn ein Bauer aber das Weizenkorn in die feuchte Erde legt, dann geschieht ein Wunder. Die Feuchtigkeit macht das Weizenkorn weich, die Haut bricht auf, es fängt an sich zu bewegen, es sprosst, Wurzeln wachsen, ein Halm reckt sich in die Höhe, dann eine Ähre und zum Schluss aus einem einzigen Weizenkorn viele neue Körner in der Ähre. Was für ein Wunder!  Neues Leben! Reiche Frucht! Aus einem einzelnen Korn!

Nur - wo bleibt das Weizenkorn vom Anfang?  Das kleine, harte, trockene Weizenkorn, das der Bauer in die Erde gelegt hat?

Wer es sucht, findet bei den Wurzeln eine verschrumbelte kleine Haut, zwischen den Wurzeln kaum mehr zu finden. Ein winziger Rest ist übrig geblieben. Eine große Verwandlung hat stattgefunden. Unter Regen, Sonne, Wind und Nahrung aus dem Boden ist aus dem einen kleinen, harten  Korn eine Pflanze mit vielen neuen Körnern geworden. Das einzelne Korn hat Frucht getragen, hat sich verwandelt in viele neue Körner.

Jesus sagt: Das ist ein Lebensgesetz. Auf diesem Weg  werden aus einem einzelnen Korn, viele neue Körner. Auf diesem Weg wird Leben fruchtbar. So kommt ein Leben aus seiner Einsamkeit und Härte heraus, kommt in Bewegung, bleibt nicht eingeschlossen in sich selbst, wächst und vervielfältigt sich.

Es ist das Lebensgesetz von Hingabe und Verwandlung. Jesus macht es am Beispiel des Weizenkorns deutlich. Es gilt aber für alle Bereiche des Lebens:

Wir können andere Beispiele suchen, die dieses Lebensgesetz verdeutlichen: Da will jemand Schreinermeister werden. Wie viele Hingabe ist erforderlich, wie viel Geduld, wie viel Ausdauer wie viel muss ein Jugendlicher einsetzen, hingeben, bis er erst Geselle und dann Meister ist. Und wie sehr verwandelt er sich von dem Anfänger, der sich alles zeigen lassen muss zu dem selbstbewussten Meister, der andere anleitet.

Da heiratet ein Paar und will das ganze Leben miteinander teilen. Wer da spart, wer sich da ängstlich zurück hält, wer nicht wagt, sich hinzugeben, wird nie die Schönheit und Erfüllung der Liebe finden. Die Verwandlung vom einsamen Ich zum gemeinsamen Wir gelingt nur durch Hingabe.

Wir können noch viele Beispiel für dieses Lebensgesetz finden: Verwandlung und Erfüllung durch Hingabe.

Vielleicht wendet jemand ein: Aber ist das nicht riskant? Kann ich mich dabei nicht verlieren? Wenn nun gar keine Frucht wächst? Wenn Hingabe nicht angenommen wird? Wenn Hingabe gar ausgenutzt wird? Ist das nicht riskant? Gefährlich? Ja, es ist riskant! Es ist gefährlich! Aber es ist die einzige Möglichkeit, dass ein Leben fruchtbar wird und schön und erfüllt. Wer Hingabe nicht wagt, bleibt wie ein einzelnes Weizenkorn, einsam, hart, verschlossen. Ohne solches Wagnis kein neues Leben – es ist ein Gesetz des Lebens.     

Jesus in unserer Geschichte deutet dieses Lebensgesetz zuerst auf sich: Er gibt sein Leben für die Welt. Er gibt sein Leben für dich und mich. Das ist seine Sendung. Dazu hat er gepredigt und geheilt, dazu wird er seinen Jüngern die Füße waschen, dazu wird er sich schließlich ans Kreuz schlagen lassen. Dass die Welt erkennt, dass ich und Du erkennen: So sehr liebt Gott die Welt! Dass nur keiner meinen könnte, er oder sie sei von dieser Liebe ausgeschlossen. Dass keiner meinen könnte, seine Einsamkeit sei so groß,  dass sie niemand durchdringen kann. Dass keiner und keine denken sollte, er habe so viele Fehler gemacht, so viel im Leben versäumt, dass es für ihn / für sie keine Hoffnung mehr gibt. Nein, in seiner Hingabe trägt er die Schuld der Welt, damit wir frei sein können. Das ist die Frucht seiner Hingabe, die Verwandlung des einzelnen Weizenkorns zu einer neuen Pflanze, zu einer neuen Ähre, zu einer großen Zahl von Körnern.

Und was bedeutet das für die Griechen, die ihn sehen wollen? Was bedeutet das für uns, wenn wir  unsere eigenen Erfahrungen mit Jesus machen, zu unserem eigenen Urteil kommen wollen?

Das Lebensgesetz von Hingabe und Verwandlung gilt auch für uns. Jesus sehen, wird nur der, der es wagt, sich ihm hinzugeben, wer es wagt sich verwandeln zu lassen. Der wird erleben, wie fruchtbar sein Leben wird.

Wenn wir uns einsenken wie ein Weizenkorn in die Liebe von Jesus und dadurch selbst lieben lernen.
Wenn wir unsere harten Schalen aufbrechen lassen, berührt von seiner Barmherzigkeit und selbst Barmherzigkeit üben.
Wenn wir uns beschenken lassen mit seinem Frieden und selbst Friedenstifter werden.
Wenn wir uns von ihm unsere Schuld vergeben lassen und anderen die Ihre vergeben.
Wenn wir unsere Wurzeln tief senken in sein Wort und dadurch ermutigt werden und Orientierung finden. 
Wenn wir im Gebet seine Nähe suchen und erfahren, wie das Gebet trägt und Kraft gibt.
Wenn wir in dem allem bereit sind, uns wandeln zu lassen, wandeln in der Gemeinschaft mit ihm.

Hingabe im natürlichen Leben ist ein Risiko. Hingabe an Jesus ist Erfüllung. Weil er sich zuerst an uns hingegeben hat, weil unsere kleine Hingabe nur die Antwort ist auf seine große Hingabe. Sich in ihn versenken wie das Weizenkorn in die Erde - das macht das Leben reich und fruchtbar.

Die Antwort von Jesus an alle, die ihn sehen, selbst erfahren wollen, ist: Sehen reicht nicht, es ist zu distanziert. Um Jesus zu erfahren, gibt es nur den einen Weg, den Weg des Weizenkorns, den Weg von Hingabe und Verwandlung. Die Frucht auf diesem Weg ist garantiert. Weil ER selbst sie versprochen hat. Weil ER selbst sie schafft, ja schon geschafft hat.  

Amen. 

Lied EG 98,1-3 Korn, das in die Erde

Fürbitten:
Heute am Wahltag in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz beten wir für die öffentlichen Angelegenheiten und die politisch Verantwortlichen:
Vater im Himmel, wir danken dir, dass wir in einem Land leben, das unsere Rechte schützt und unsere Freiheiten wahrt. Wir danken dir besonders, dass wir unseren Glauben frei leben und öffentlich bekennen können. Wir danken dir für diese gute Ordnung in unserem Land.
Und wir klagen dir, dass politische Gegnerschaft immer öfter in Hass ausartet; dass viele Menschen die andere politische Meinung, die andere Religion, die andere Kultur nicht dulden wollen; dass undurchsichtige Machenschaften zwischen Politik, Wirtschaft und Finanzwelt die gute Ordnung untergraben.
Wir beten besonders für die Politikerinnen und Politiker in  Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, die heute neu gewählt werden: dass sie gemäß ihrem Auftrag für das Wohl der Allgemeinheit eintreten und Einzelinteressen zurückstellen; dass sie auch die Verantwortung für die nichtmenschliche Schöpfung erkennen und wahrnehmen; dass sie in respektvoller Weise ihren politischen Streit austragen und zu guten Lösungen finden; dass sie unsere gute politische Ordnung verteidigen.
Wir beten für uns, die Wählerinnen und Wähler: dass wir nicht nur heute für unsere Politikerinnen und Politiker beten; dass sehr viele Menschen heute zur Wahl gehen; dass wir mit wachem Verstand die politischen Entscheidungen wahrnehmen und beurteilen; dass wir uns von den unzähligen Erregungswellen nicht mitreißen lassen.

In der Stille beten wir weiter und bringen vor Gott, was uns bewegt:

Vaterunser:
Vater unser im Himmel,
geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

Lied: EG 94,2+4+5 Das Kreuz ist aufgerichtet (Vorschlag: Melodie EG 521!)

Segen:

Der HERR segne dich und behüte dich;
der HERR lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig;
der HERR hebe sein Angesicht über dich und gebe dir Frieden.
So segne dich der dreieinige Gott, + der Vater, der Sohn und der Heilige Geist.
Amen.

 

Gottesdienst am 07.03.2021 - Okuli

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde,
herzlich willkommen zum Lesegottesdienst für Sonntag, den 7. März 2021.
Es ist der 3. Sonntag der Passionszeit, der den Namen Okuli trägt. Das kommt von Psalm 25, 15 her: „Meine Augen sehen stets auf den Herrn.“ Im Gottesdienst wird es um das Thema „Energie“ gehen. Die Passionszeit ist eine gute Zeit, einmal darüber nachzudenken, woher wir eigentlich die Energie für unsere Seele bekommen, was uns Kraft und Hoffnung gibt. Aber auch darüber wollen wir nachdenken, wie wir verantwortlich mit den Energievorräten dieser Erde und mit unserem Energieverbrauch umgehen können.
Einen gesegneten Sonntag wünscht Pfarrerin Anke Mühlenberg-Knebel.

Wir beginnen mit dem Passionslied EG 97, 1-3 „Holz auf Jesu Schulter“
Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Unsere Hilfe steht im Namen des Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat.
Amen.

Wir beten:
Gott,
wir danken dir, dass du deine Schöpfung so wunderbar gemacht hast.
Danke für die Energie, die wir nutzen können und die unser Leben erleichtert.
Wir bitten dich:
leite uns auf deinem Weg und hilf uns, mit der Schöpfung, die du uns anvertraut hast, verantwortungsvoll umzugehen.
Amen.

Als Lesung und zugleich als Predigttext hören wir Worte aus dem Schöpfungspsalm 104:
„Lobe den Herrn, meine Seele! Herr, mein Gott, du bist sehr herrlich; du bist schön und prächtig geschmückt. Licht ist dein Kleid, das du anhast. Du breitest den Himmel aus wie einen Teppich, der du das Erdreich gegründet hast auf festen Boden, dass es bleibt immer und ewiglich. Du feuchtest die Berge von oben her, du machst das Land voll Früchte, die du schaffest. Du lässt Gras wachsen für das Vieh und Saat zu Nutzen den Menschen, dass du Brot aus der Erde hervorbringst, dass der Wein erfreue des Menschen Herz und sein Antlitz schön werde vom Öl und das Brot des Menschen Herz stärke. Herr, wie sind deine Werke so groß und viel! Du hast sie alle weise geordnet und die Erde ist voll deiner Güter.“
Amen.

Wir bekennen unseren christlichen Glauben:
Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen,
den Schöpfer des Himmels und der Erde.
Und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unseren Herrn.
Empfangen durch den Heiligen Geist,
geboren von der Jungfrau Maria,
gelitten unter Pontius Pilatus,
gekreuzigt, gestorben und begraben.
Hinabgestiegen in das Reich des Todes.
Am dritten Tage auferstanden von den Toten, aufgefahren in den Himmel.
Er sitzt zur Rechten Gottes, des Allmächtigen Vaters.
Von dort wird er kommen zu richten die Lebenden und die Toten.
Ich glaube an den Heiligen Geist,
die heilige christliche Kirche, Gemeinschaft der Heiligen,
Vergebung der Sünden,
Auferstehung der Toten und das ewige Leben.
Amen.

Lied EG 432, 1-3 „Gott gab uns Atem, damit wir leben“

Predigt:

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und von dem Herrn Jesus Christus.
Amen.

Liebe Gemeinde,
„Herr, wie zahlreich sind deine Werke! Mit Weisheit hast du sie alle gemacht, die Erde ist voll von deinen Geschöpfen.“ Diese Worte aus Psalm 104 haben wir gerade gelesen.

Der Psalm sagt: Wir Menschen sind Gottes Werke, und wir leben in seinen Werken- als Geschöpfe inmitten von Geschöpfen. In seinen Werken wirkt Gott selbst; er gibt Leben und erhält Leben.
In der griechischen Übersetzung des AT steht für das Wort „Werke“ das Wort „érga“. Im ganz frühen Griechisch hieß das Wort wérga. Klingt fast so wie „Werke“. Werke und érga sind eng miteinander verwandt. Aus dem alten griechischen Wort ist enérgeia hervorgegangen, Energie. Wir benutzen es heute ganz selbstverständlich, es ist ein wichtiger Begriff für uns.
Auch aus der Bedeutung von enérgeia hört man noch die Verbindung zum deutschen Wort „Werk“ heraus. Enérgeia steht für Wirksamkeit, Wirken, eine Kraft, die wirkt.

Wenn man den Psalm 104 ganz liest, dann kommt darin immer wieder das Wasser vor: von der Urflut ist da die Rede, von Quellen, von Regen, vom Meer. Ohne Wasser wäre kein Leben auf dieser Erde möglich.
Das Wasser steht hier für die Lebensenergie, die von Gott kommt. Gottes Energie bewegt. Sie durchströmt alle Geschöpfe und verbindet sie so miteinander.

Auch wir Menschen sind in diese Schöpfung eingebunden. Aber anders als die anderen Geschöpfe sind wir selbst schöpferisch. Auf Gottes Werke antworten wir mit unseren Werken und mit unserer Arbeit.
Einen Teil ihrer Werke und ihrer Arbeit haben die Menschen schon seit Jahrtausenden mit einer Energie verrichtet, die sie selbst erzeugen: Lasten transportieren, ohne selbst zu tragen; vorankommen, ohne zu gehen. Wärme und Hitze erzeugen. Gegenstände herstellen, die es noch nicht gibt, vom Tonkrug bis zum Mikrochip.

Meist meinen wir diese Energie, wenn wir von Energie sprechen. Auch diese Energie bringen wir nicht selbst hervor, sondern wir nutzen auf schöpferische Weise die Lebensenergie, die in der Schöpfung wirkt. Das ist auch kein Problem, wenn die Rohstoffe, die wir nutzen, sich selbst erneuern. Und wenn mögliche Schäden, die bei der Energie -erzeugung entstanden sind, dann wieder ausgeglichen werden. Wie bei Energie aus Sonne oder Wind. Wie bei Energie aus Holzfeuer. Für das verbrannte Holz z.B. wird ein neuer Baum gesetzt. Seine Blätter binden das Kohlendioxid, das im Qualm in die Luft gestiegen ist.

Liebe Schwestern und Brüder!
Heute gewinnen wir in Deutschland den Großteil der Energie aber auf andere Weise, aus Steinkohle, Braunkohle, Erdöl, Gas oder Plutonium. Diese Rohstoffe erneuern sich nicht. Die Schadstoffe, die bei der Energieerzeugung entstehen, werden nicht ausgeglichen.
Wir verbrauchen große Mengen an Energie, mehr als die Menschen in den meisten anderen Ländern dieser Erde.

Noch größer wird der Energieverbrauch dadurch, dass viel Energie schlecht genutzt oder verschwendet wird. Dadurch schneiden wir uns mit unseren Werken vom Fluss der Lebensenergie ab, mit dem Gott in seiner Schöpfung wirkt. Wir zerstören und vernichten Teile der Schöpfung und gefährden die Lebensgrundlagen der Menschheit. Außerdem: diejenigen, die am stärksten von der Zerstörung der Lebensgrundlagen betroffen sind, haben diese Zerstörung am wenigsten verursacht. Der Klimawandel trifft mit Dürren und Überschwemmungen besonders die Menschen in Afrika, Südasien und im Pazifik. Das ist eine schwere Hypothek für künftige Generationen. Wir haben vermutlich das „How dare you?“ der damals erst 16jährigen Klimaschutzaktivistin Greta Thunberg noch im Ohr. Mehrfach hat sie diesen Satz den Politikern und der Öffentlichkeit auf dem UN- Klimagipfel von New York im September 2019 entgegengeschleudert. Sie hat eindrückliche Worte gefunden: „Menschen leiden, Menschen sterben, ganze Ökosysteme kollabieren. Wir sind am Anfang eines Massen- Aussterbens. Und alles, worüber Sie reden können, sind Geld und Märchen vom wirtschaftlichen Wachstum. How dare you?“. Greta Thunbergs Gesicht war ganz verzerrt von Zorn dabei. Und sie hat recht: Wie können wir es wagen, so mit der Welt, mit der guten Schöpfung Gottes umzugehen? In der seine enérgeia steckt!

Liebe Gemeinde!
„Enérgeia“, „Energie“, „Wirksamkeit“: im Neuen Testament bedeutet dieser Begriff: Gottes Kraft wirkt. Sie wirkt gegen alle Mächte, die Tod, Unterwerfung oder Zerstörung wollen. Gottes Kraft, Gottes Energie zeigt sich besonders darin, dass Gott Jesus Christus von den Toten auferweckt hat. Im Brief an die Gemeinde in Kolossä lesen wir: „Mit Christus seid ihr begraben worden durch die Taufe; mit ihm seid ihr auch auferstanden durch den Glauben, aus der Energie/der Kraft Gottes, der ihn auferweckt hat von den Toten.“ (Kol 2,12)

Energisch tritt Gott für das Leben ein. Deshalb sind wir als Christinnen und Christen zur Hoffnung berufen. Nicht dazu, aufzugeben oder zu meinen, es sei sowieso alles egal.
Diesem Gott, seinen Werken und seinem Wirken können wir trauen.
Wir können uns öffnen für Gottes Energie und uns von ihr bewegen lassen.
Wir können uns auch dazu bewegen lassen, über seine Schöpfung zu staunen und uns an ihr zu erfreuen. Und: Energie so zu erzeugen und so zu nutzen, dass wir es verantworten können vor Gott dem Schöpfer, vor unseren Mitgeschöpfen und vor den künftigen Generationen.

„Gott, wie sind deine Werke so groß und viel!
Du hast sie alle weise geordnet, und die Erde ist voll deiner Güter.“
Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft zu fassen vermag, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.
Amen.

Lied EG 659, 1.2.4 „Die Erde ist des Herrn“

Fürbitten:
Herr, wir bitten dich für deine Schöpfung und für alles, was auf der Erde lebt. Lass es sich zum Guten entwickeln.
Wir bitten dich für alle Menschen, die in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft Verantwortung tragen. Begleite sie, damit sie sich ihrer Verantwortung stellen:
die natürlichen Lebensgrundlagen schützen und auch für die kommenden Generationen sorgen.
Wir bitten dich für ein gutes Miteinander der Kirchen und Glaubensgemeinschaften bei uns und weltweit. Dass sie sich gemeinsam bewusst werden:
viel muss getan werden für die Bewahrung unserer Umwelt.
Und dass sie das vorleben und einfordern.
Wir bitten dich für unsere evangelische Kirchengemeinde und für unser Energiespar-Team (Herrn Ziegler, Herrn Eppinger und Herrn Hoerth):
lass uns gemeinsam viele kleine und auch einige große Schritte hin zu einer umweltverträglichen Lebensweise unternehmen.
Wir bitten dich für jeden Einzelnen und jede Einzelne von uns:
schenke uns offene Augen und Herzen für unsere Umwelt, dass wir sie wahrnehmen mit ihrer Schönheit, aber auch mit ihren Problemen und unsere Chancen nutzen, uns für sie einzusetzen.
Amen.

Alles, worum wir Gott sonst noch bitten möchten, sagen wir mit den Worten des Vaterunsergebetes:
Vater Unser im Himmel, geheiligt werde dein Name,…

Lied EG 504, 1.6. „Himmel, Erde, Luft und Meer“

So lasst euch segnen:
Möge der Herr, der schafft, erlöst und inspiriert,
alle unsere Gedanken leiten und unsere Pläne führen.
Möge der Herr, der uns mit vielen Gaben beschenkt hat,
uns neuen Weitblick und Inspiration für unsere Aufgaben geben.
Und möge dieser liebende Gott, Schöpfer, Erlöser und Anreger
uns das Licht seines Angesichts zeigen, jetzt und in Ewigkeit.
Amen.

Gottesdienst am 28.02.2021 - Reminiszere

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde,

herzlich willkommen zu unserem Lesegottesdienst für Sonntag, den 28. Februar. Im Kirchenjahr ist es der 2. Sonntag der Passionszeit; er trägt den Namen „Reminiszere“, „gedenke“. Im Psalm 25, der diesem Sonntag zugeordnet ist, heißt es: „Gedenke, Herr, an deine Barmherzigkeit und an deine Güte, die von Ewigkeit her gewesen sind.“ (V.6). Ab jetzt sind es noch fünf Sonntage bis zum Oster- fest! Einen gesegneten Sonntag wünscht Pfarrerin Anke Mühlenberg- Knebel.

Wir beginnen mit dem Lied EG 502 „Nun preiset alle Gottes Barmherzigkeit“ (Str. 1 und 2).

Im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Unsere Hilfe steht im Namen des Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat.
Amen.

Wir beten:
Herr, wir leben oft nicht so, wie du dir das für uns wünschst.
Trotzdem liebst du uns und würdest uns niemals aufgeben.
Wir danken dir, dass du so barmherzig und geduldig mit uns bist.
Verdient haben wir es nicht.
Wir bitten dich: lass uns auch untereinander barmherzig und geduldig sein.
Lass uns anderen vergeben, wie du uns vergeben hast.
Amen.

Die Lesung und zugleich der Predigttext stehen im Alten Testament, im Buch des Propheten Jesaja; es ist das sog. „Weinberglied“: „Wohlan, ich will von meinem lieben Freunde singen, ein Lied von meinem Freund und seinem Weinberg. Mein Freund hatte einen Weinberg auf einer fetten Höhe. Und er grub ihn um und entsteinte ihn und pflanzte darin edle Reben. Er baute auch einen Turm darin und grub eine Kelter und wartete darauf, dass er gute Trauben brächte; aber er brachte schlechte. Nun richtet, ihr Bürger zu Jerusalem und ihr Männer Judas, zwischen mir und meinem Weinberg! Was sollte man noch mehr tun an meinem Weinberg, das ich nicht getan habe an ihm? Warum hat er denn schlechte Trauben gebracht, während ich darauf wartete, dass er gute brächte? Wohlan, ich will euch zeigen, was ich mit meinem Weinberg tun will! Sein Zaun soll weggenommen werden, dass er kahl gefressen werde, und seine Mauer soll eingerissen werden, dass er zertreten werde. Ich will ihn wüst liegen lassen, dass er nicht beschnitten noch gehackt werde; sondern Disteln und Dornen darauf wachsen, und will den Wolken gebieten, dass sie nicht darauf regnen. Des Herrn Zebaoth Weinberg aber ist das Haus Israel und die Männer Judas seine Pflanzung, an der sein Herz hing. Er wartete auf Rechts-Spruch, siehe, da war Rechts-Bruch, auf Gerechtigkeit, siehe, da war Geschrei über Schlechtigkeit.“
Amen.

Wir bekennen unseren christlichen Glauben:
Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde.
Und an Jesus Christus, seinen eingebornen Sohn, unseren Herrn.
Empfangen durch den Heiligen Geist,
geboren von der Jungfrau Maria,
gelitten unter Pontius Pilatus,
gekreuzigt, gestorben und begraben,
hinabgestiegen in das Reich des Todes.
Am dritten Tage auferstanden von den Toten, aufgefahren in den Himmel.
Er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters.
Von dort wird er kommen zu richten die Lebenden und die Toten.
Ich glaube an den Heiligen Geist,
die heilige christliche Kirche, Gemeinschaft der Heiligen,
Vergebung der Sünden,
Auferstehung der Toten und das ewige Leben.
Amen.

Lied EG 98 „Korn, das in die Erde“ (Str. 1-3)

Predigt:

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und von dem Herrn Jesus Christus.
Amen.

Liebe Gemeinde! „Mein Freund hatte einen Weinberg auf einer fetten Höhe. Und er grub ihn um und entsteinte ihn und pflanzte darin edle Reben. Er baute auch einen Turm darin und grub eine Kelter und wartete darauf, dass er gute Trauben brächte, aber er brachte schlechte.“ Der Prophet Jesaja singt ein Lied und erzählt eine Liebesgeschichte. „Mein Freund hatte einen Weinberg.“ Poetische Worte. Wie technisch klingt dagegen unser Wort „Beziehung“. Zur Zeit Jesajas hatte jeder sofort bei dem Stichwort „Weinberg“ eine Liebesgeschichte vor Augen. Liebe ist wie ein Weinberg, also wie ein Garten, der angelegt wird. Du kannst seine Schönheit und Fülle genießen, die saftigen Trauben. Du musst aber auch Steine wegräumen, Wege anlegen, etwas aufbauen. Ein schönes Lied für die Liebe! Diese Geschichte geht nicht gut aus. Es gibt keine guten Trauben, der Weinberg bringt keine Frucht, obwohl der Winzer alles getan hat. Am Ende müssen oft sogar Anwälte und Gerichte entscheiden über das Ende von Beziehungen. So auch zur Zeit des Propheten Jesaja:

„Nun richtet, ihr Bürger von Jerusalem und ihr Männer Judas, zwischen mir und meinem Weinberg! Was sollte man noch mehr tun an meinem Weinberg, das ich nicht getan habe an ihm? Warum hat er denn schlechte Trauben gebracht, während ich darauf wartete, dass er gute brächte?“

Liebe Schwestern und Brüder, enttäuschte Liebe tut weh. Der Schmerz entlädt sich oft in Wut und Zorn. Was mir eben noch am liebsten war, möchte ich kurz und klein schlagen. Der enttäuschte Liebhaber im Weinberg- Lied sagt: „Wohlan, ich will euch zeigen, was ich mit meinem Weinberg tun will. Sein Zaun soll weggenommen werden, dass er kahlgefressen werde, und seine Mauer soll eingerissen werde, dass er zertreten werde. Ich will ihn wüst liegen lassen, dass er nicht beschnitten noch gehackt werde, sondern Disteln und Dornen darauf wachsen, und will den Wolken gebieten, dass sie nicht darauf regnen.“

Eine enttäuschte Liebe. Damit könnte die Geschichte zu Ende sein. Eine Geschichte, in der Menschen sich wiederfinden können mit ihren Verletzungen und Verwüstungen. Das passt zur gerade begonnenen Passionszeit. Wir legen in dieser Zeit alles in Gottes Hand, was im Leben nicht wachsen konnte, was verkümmert ist, wo wir andere enttäuscht haben oder eine Enttäuschung mit uns tragen.

Doch das Lied geht weiter. Nimmt eine Wendung und weitet den Horizont:
„Des Herrn Zebaoth Weinberg ist das Haus Israel und die Männer Judas seine Pflanzung, an der sein Herz hing. Er wartete auf Rechts- spruch, siehe, da war Rechtsbruch, auf Gerechtigkeit, siehe, da war Geschrei über Schlechtigkeit.“

In Jesajas Weinberglied geht um die Liebe Gottes zu seinem Volk. Gott ist enttäuscht, verletzt, zornig. Das Gottesvolk, sein Weinberg, bringt keine gute Frucht, obwohl er sich unermüdlich einsetzt. Jesaja, der Prophet, hat es vor Augen: die Reichen und Mächtigen sind korrupt und bereichern sich auf Kosten der anderen. Statt Gut-Tat gibt es Blut-Tat. Das Volk Israel als Weinberg Gottes hat versagt. Die Menschen sind böse und gewalttätig. Statt gute Früchte zu bringen, gibt es nur bittere Trauben. Eine Gesellschaft versinkt im Unrecht. Für Jesaja gibt es keine Liebe zu Gott ohne die Liebe zum Nächsten. Was auf dem Marktplatz passiert, hängt zusammen mit dem, was im Tempel gesagt wird. Bei ihm wird die Liebe groß gedacht, wird politisch und geht über das, was zwischen zwei Menschen passiert, weit hinaus. Gott will Recht und Gerechtigkeit. Das ist die Ansage des Propheten Jesaja.

Wo eine Gesellschaft nicht darauf achtet, dass es allen gut geht, verkümmert das Leben. Klare Ansagen im Weinberg Gottes im 8. Jahrhundert vor Christus. Und das wollen auch wir heute uns von ihm sagen lassen, besonders jetzt, in den schwierigen Coronazeiten, wo wir klar vor Augen haben, wem es nicht gut geht: den Kindern und Jugendlichen, die schon seit fast einem Jahr keinen geregelten Kindergarten- und Schulalltag mehr erleben. Ihren Eltern, die den täglichen Spagat zwischen Kinderbetreuung, Homeschooling und Homeoffice meistern müssen. Den alten Menschen, die unter den Kontaktbeschränkungen besonders leiden. Den Selbständigen, die um ihre berufliche Existenz bangen müssen, den Menschen in Kurzarbeit, den schwer Erkrankten und ihren Angehörigen, den Trauernden. Aber auch die Menschen, die unter Krieg, Hunger, Katastrophen leiden, wollen wir nicht vergessen.

Gott hat einen Weinberg, immer noch. Obwohl er ihn doch enttäuscht aufgeben wollte. Erst vor kurzem wurde dieser Weinberg neu aus dem Weltall heraus fotografiert. Die Bilder kann man sich im Internet ansehen. Die Astronauten der Internationalen Raumstation ISS haben diese Bilder im vergangenen Jahr aufgenommen; im Januar dieses Jahres wurden sie veröffentlicht. Das sind Bilder von atemberaubender Schönheit. Vollkommenes Blau der Meere, die Wälder im satten Grün und majestätisch grau die Bergrücken.

Nachts leuchten die Städte dieser Welt wie funkelnde Sterne. Gott hat sich wirklich Mühe gegeben mit diesem Weinberg! Es ist genug für alle da. Der Boden ist fruchtbar, das Wasser ganz klar. Hier können die Trauben der Gerechtigkeit wachsen. Saftig und prall. Hier können die Trauben des Friedens wachsen. Sonnengetränkt.

Aber wer genau hinsieht, von oben aufs Ganze gesehen, erkennt die Spuren der Verwüstung. Die Antarktis ist auf dem Rückzug. Das schimmernde Weiß verschwindet mehr und mehr. Aus dem Grün der Wälder werden immer mehr aschegraue Felder. Rauchschwaden so groß, dass sie selbst aus dem All zu sehen sind. Im klaren Blau der Meere treiben ganze Kontinente aus Plastik.

„Ich will ihn wüst liegen lassen, dass er nicht beschnitten noch gehackt werde, sondern Disteln und Dornen darauf wachsen, und will den Wolken gebieten, dass sie nicht darauf regnen.“

Manchmal fürchte ich mich und denke, dass es zu spät sein könnte für unseren Weinberg und dass Gott, der gute Weinbergbesitzer, sich zurückgezogen hat. Vielleicht konnte er es nicht mehr mitansehen, all das Blut, das zum Himmel schreit, all diese Zerstörung von Leben, diese Ungerechtigkeiten. Vielleicht hat er enttäuscht einen neuen Garten angelegt, eine neue Liebe gefunden, irgendwo in einer fernen Galaxie, was wissen wir Menschen denn schon von seiner Unendlichkeit?!

Alber dann sehe ich seinen Gärtner kommen, fröhlich pfeifend, die Gießkanne in der Hand. Behutsam richtet er die geknickten Reben auf, schlägt Pflöcke ein, die die Pflanzen halten. Prüfend pflückt er eine Traube, steckt sie sich in den Mund, schmeckt ihre Süße. „Kommt her zu mir“, sagt er, „ich bin der Weinstock und ihr die Reben. Solange ihr mit mir verbunden seid, bekommt ihr neue Kraft.“ Er nimmt seine Gießkanne, und es strömen Recht und Gerechtigkeit wie Wasser.

Mein Freund hat einen Weinberg… Ich möchte, dass die Geschichte diesmal gut ausgeht und hole schon mal die Harke aus dem Schuppen. Nimmst du die Gießkanne? Dann sind wir schon zwei. Und wo zwei oder drei, na, Ihr wisst schon…
Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft zu fassen vermag, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.
Amen.

Lied EG 39 „Freunde, dass der Mandelzweig“ (Str.1-4)

Wir halten Fürbitte:

Himmlischer Vater, du hast deinen Sohn Jesus Christus in unsere Welt gesandt, damit wir in ihm deine Liebe erkennen. Er hat mitten unter uns gelebt, hat Kranke geheilt und Mutlosen neue Hoffnung geschenkt. Aus allem, was er gesagt und getan hat, spricht deine Liebe.

Trotzdem wurde er angeklagt und verurteilt, gegeißelt und verlacht. Zuletzt wurde er gekreuzigt und musste sterben. Er ist für uns gestorben, damit wir leben können; wie schwer ist das für uns zu verstehen.

Wir bitten dich, Vater, dass wir deine Liebe annehmen können. Und dass sich deine Liebe, auch durch uns, immer mehr ausbreitet. Bei den Menschen in unserer Nähe, aber auch weltweit.

Du weißt, wie schnell wir mutlos werden, wenn wir sehen, wieviel Not, wieviel Ungerechtigkeit, wieviel Gleichgültigkeit es unter den Menschen gibt. Du weißt auch, was jeden und jede von uns persönlich zur Zeit am meisten belastet; dir können wir das anvertrauen.

Bitte mach unsere Liebe stark mit deiner Liebe.

Amen.

Alles, was wir Gott sonst noch sagen möchten, sagen wir mit den Worten des Vaterunsergebetes: Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name, dein Reich komme, dein Wille geschehe…

Gott schenkt dir seinen Segen:
Der Herr segne dich und behüte dich,
der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig.
Der Herr erhebe sein Angesicht auf dich und schenke dir Frieden.
Amen.

Lied EG 157 „Lass mich dein sein und bleiben“

Predigt zum Gottesdienst am 21.02.2021 - Invokavit

Prädikant Thomas Reininger

Liebe Gemeinde,

in langsamen Schritten geht es auf Ostern zu. Gerade war die Fußwaschung. Das letzte gemeinsame Abendessen der Jünger mit Jesu. Vor dem Essen wusch Jesus den Jüngern, als Zeichen des Dienens, ihre Füße. Es muss die Schrift erfüllt werden (Psalm 41,10)

Aber dann: »Der mein Brot aß, tritt mich mit Füßen.“ Abrupte Wendung.

Die Jünger und Jesus unterhielten sich. Er sprach:« Schon jetzt sage ich's euch, ehe es geschieht, damit ihr, wenn es geschehen ist, glaubt, dass ich es bin. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer jemanden aufnimmt, den ich senden werde, der nimmt mich auf; wer aber mich aufnimmt, der nimmt den auf, der mich gesandt hat. Weiter geht der Text mit dem heutigen Perikopen-Text, also dem vorgeschlagenen Text für den heutigen Sonntag (Johannes 13):

21 Als Jesus das gesagt hatte, wurde er erregt im Geist und bezeugte und sprach: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Einer unter euch wird mich verraten. 22 Da sahen sich die Jünger untereinander an, und ihnen wurde bange, von wem er wohl redete. 23 Es war aber einer unter seinen Jüngern, der zu Tische lag an der Brust Jesu, den hatte Jesus lieb. 24 Dem winkte Simon Petrus, dass er fragen sollte, wer es wäre, von dem er redete. 25 Da lehnte der sich an die Brust Jesu und fragte ihn: Herr, wer ist's? 26 Jesus antwortete: Der ist's, dem ich den Bissen eintauche und gebe. Und er nahm den Bissen, tauchte ihn ein und gab ihn Judas, dem Sohn des Simon Iskariot. 27 Und nach dem Bissen fuhr der Satan in ihn. Da sprach Jesus zu ihm: Was du tust, das tue bald! 28 Niemand am Tisch aber wusste, wozu er ihm das sagte. 29 Denn einige meinten, weil Judas den Beutel hatte, spräche Jesus zu ihm: Kaufe, was wir zum Fest nötig haben!, oder dass er den Armen etwas geben sollte. 30 Als er nun den Bissen genommen hatte, ging er alsbald hinaus. Und es war Nacht.

Jesus sagt den Jüngern in weiser Voraussicht, dass ihn jemand aus seinem engsten Freundeskreis verraten wird. Aber warum sollte es der oder jener tun? Man konnte es sich nicht vorstellen, wer oder warum es einer von ihnen tun sollte. Johannes fragte nach Aufforderung von Petrus: Jesus, wer ist es? Jesus gibt ihnen (Johannes und Petrus) die Antwort. »Der mein Brot aß, tritt mich mit Füßen.“ Doch sie verstehen es nicht.

Auf einmal gibt Jesus das Abendmahl, nämlich Brot und Wein, an Judas. Anschließend verlässt Judas die Gemeinschaft und geht weg. Die anderen Jünger denken, Judas muss noch was einkaufen, da er der Kaufmann und Kassenverwalter der Gemeinschaft war.Aber es kam ganz anders. Er kam, wie es von Gott vorhergesehen war.

Der Teufel nahm danach sofort Besitz von Judas, seinen Gedanken – ja seinem ganzen Leben. Er als ehrlicher Christ wird mit einem Mal Satans Besitz. Und immer noch nichts verstanden. Auf einmal kommt er wieder. Jesus bekommt einen Kuss von ihm. Eigentlich ein Zeichen von Liebe und Zuneigung. Doch bei Judas ist es das Zeichen des Verrates.

Wenn ich das lese, bin ich schon enttäuscht. Ich finde das richtig erschreckend. Bin ich nicht einmal Christ – immer Christ? Hält mich Gott nicht immer fest in seiner Hand? Nein. Auch der Satan greift mich an. Jeden Tag aufs Neue. Spüren Sie das nicht auch oft? Ich bin eifersüchtig auf die Menschen, denen es viel besser geht als mir, ob finanziell oder gesundheitlich. Menschen die die Frau oder den Job haben, die ich gerne hätte. Habe keine Geduld für meine Mitmenschen. Sie nerven mich nur. Jammere nur über meine Gesundheit. Kann nicht dankbar dafür sein.

Machen wir uns hier mal ehrliche Gedanken. Wollen wir Marionetten sein? Uns alles aus der Hand genommen bekommen? Wollen wir das?
Wenn Gott bei allen Entscheidungen mir alles vorsagen würde, wäre ich kein freier Mensch. Ich muss mich immer neu entscheiden können zwischen Gott und unserer angeblich freien Entscheidung. Sonst wäre ich ja nur eine Marionette – ohne freies Leben.

Wenn ich mich aber auf den Satan einlasse, muss ich damit rechnen, dass es mir ergeht wie es Judas ergangen ist. Ja – er bekam einen Haufen Geld für seinen Verräterkuss. War anschließend richtig reich mit dem Geld. Aber glücklich wurde er damit nicht. Nein – er wurde richtig todunglücklich, im wahrsten Sinne des Wortes. Er erhängte sich schlussendlich (Matthäus 27).

Als Judas seine Brüder in Christus und Jesus verließ, was geschah dann?  Es brach die letzte Nacht in Freiheit für Jesus und auch für uns an. Stimmt das?
Für Jesus ja. Es war die schlimmste Nacht die man sich vorstellen kann.
Er wusste, was nun passiert. Alleine gelassen, verraten, verkauft. Bis zu dem Punkt als Er schrie: Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?
Er wusste:
Die Soldaten werden kommen. Aber er liebt sie trotzdem weiter.

Judas wird ihn verraten. Aber seine Liebe endet auch hier nicht. Die unbegründeten Anklagen und die Folterungen muss man erst einmal aushalten und durchhalten. Könnte ich da verzeihen und vergeben? Jesus tat es. Selbst am Schluss am Kreuz, als alles zu spät scheint, nimmt er noch einen Mitgefangenen mit in sein Reich.

Für uns ist diese Nacht jedoch der Beginn eines neuen Tages. Der Schritt in das beste Leben, das wir uns als Christ nur vorstellen können. Durch diese Nacht hat Gott seinen Sohn für Dich und mich ans Kreuz geschickt, damit wir die Freiheit zu ihm und mit ihm finden. Wir sind gerettet, auch wenn wir uns oft versündigen, wenn wir verzweifeln, wenn wir neidisch sind: Er bietet uns täglich neu seine Hand an. Er zieht uns aus der Hand des Teufels hin zu ihm – wenn wir dies wollen. Wenn wir es nicht können, wenn wir nichts mehr können – aus lauter Verzweiflung – dann zieht er uns aus der Not mit seiner Hand an unserer Hand. Er zieht uns heraus. Er gibt uns Licht, auch wenn noch um uns totale Finsternis bzw. tiefste Nacht ist. Haben Sie dies auch schon einmal erlebt? Ich kann nur aus eigener Erfahrung sprechen. Erst vor kurzem ist mir etwas ganz Tolles passiert. Wie Sie sehen und wissen habe ich große Probleme mit meinem linken Knie. So ging ich zum örtlichen Orthopäden, stellte mich vor. Seine Aussage: Mit ihrer Krankheit und in ihrem Alter kann man nichts mehr machen. Ich war niedergeschlagen.

Einige Tage später traf ich meine berufliche Konkurrenz. Nennen wir ihn Peter. Peter fragte mich: Wie geht es Dir? Ich erzählte etwas von meinen Problemen. Daraufhin kam die Frage: Willst Du nicht einmal zu einem guten Orthopäden? Ich: Kennst du einen? Er sagte: Mein Bruder zählt zu einem der 5 besten Orthopäden weltweit. Bring mir mal deinen Befund. Ich zeige es ihm. Kurz danach bekam ich einen Termin. Dies Aussage anschließend: Ist ein kleinerer Eingriff und dann kannst Du wieder voll laufen. Eingriff ist nun am 8.3. und ich bin sehr gespannt. Normalerweise lt. Internet ist die Wartezeit auf einen Termin bei ihm 2 ½ bis 3 Jahre. Bei mir war es nun gerade einmal 8 Wochen Voruntersuchung und OP. So hält uns Gott in seiner Hand. Er lässt uns auch in den dunkelsten Zeiten fest in seiner Hand

Deshalb dürfen wir täglich neu dankbar sein, dass er bei uns ist. Er lässt uns nicht alleine.
Auch dich und dich nicht.
Er hat die besten Wege für uns. Wenn ich auch denke, es ist oftmals der falsche Weg.
Im Nachhinein muss ich aber oft bekennen, Gott hat noch nie einen Fehler mit mir gemacht.
Er wird auch keinen Fehler mit Dir machen.

Er hält gerade Dich fest in seiner Hand.
Sei ganz gewiss.
Er geht mit Dir.
Er trägt dich.
Dessen bin ich mir ganz sicher.
Danke Herr, dass du bei mir und bei dir bist.
Lass uns ganz vertrauen auf deinen Weg mit mir, mit uns.

Amen.

Gottesdienst am 14.02.2021 - Valentinstag

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde,

herzlich Willkommen zum Lesegottesdienst am Valentinstag, dem 14. Februar.
Er erinnert an den christlichen Priester Valentin, der im 3. Jahrhundert nach Christus in Mittelitalien lebte. Wahrscheinlich war er sogar Bischof. Er traute-verbotenerweiseMenschen nach dem christlichen Ritus und beschenkte sie danach mit Blumen aus dem eigenen Garten. Es hieß, dass diese Ehen unter einem besonders guten Stern gestanden hätten. Der 14. Februar ist Valentins Todestag, er starb als Märtyrer. Wir feiern diesen Tag in unserer Zeit als Tag der Verliebten und der Liebenden. Deshalb wollen wir auch im Gottesdienst über die Liebe nachdenken.
Einen gesegneten Sonntag wünscht Pfarrerin Anke Mühlenberg-Knebel.

Wir beginnen mit dem Lied EG 317, Str. 1.2.4 „Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren“

Im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Unsere Hilfe steht im Namen des Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat.
Amen.

Wir beten:
Gott, der du die Liebe bist, du kennst jeden und jede von uns.
Du weißt, was uns freut und was uns Angst macht.
Du weißt, wie wichtig Liebe für unser Leben ist.
Sei uns jetzt nahe, wenn wir singen, beten und dein Wort hören.
Amen.

Als biblische Lesung und als Predigttext hören wir einen Abschnitt aus dem Hohelied der Liebe,
aus dem 1. Korintherbrief, Kap. 13, Vers 4-8. 13 (Gute Nachricht-Bibel):
„Die Liebe ist geduldig und gütig. Die Liebe eifert nicht für den eigenen Standpunkt, sie prahlt nicht und spielt sich nicht auf. Die Liebe nimmt sich keine Freiheiten heraus, sie sucht nicht den eigenen Vorteil. Sie lässt sich nicht zum Zorn reizen und trägt das Böse nicht nach. Sie ist nicht schadenfroh, wenn anderen Unrecht geschieht, sondern freut sich mit, wenn jemand das Richtige tut. Die Liebe gibt nie jemand auf, in jeder Lage hofft und vertraut sie für andere; alles erträgt sie mit großer Geduld. Niemals wird die Liebe vergehen. Auch wenn alles einmal aufhört-Glaube, Hoffnung und Liebe nicht. Diese drei werden immer bleiben; doch am höchsten steht die Liebe.“
Amen.

Mit den Worten des Apostolischen Glaubensbekenntnisses loben wir Gott:
Ich glaube an Gott den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde.
Und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn.
Empfangen durch den Heiligen Geist,
geboren von der Jungfrau Maria,
gelitten unter Pontius Pilatus,
gekreuzigt, gestorben und begraben.
Am dritten Tage auferstanden von den Toten,
aufgefahren in den Himmel.
Er sitzt zur Rechten Gottes, des Allmächtigen Vaters.
Von dort wird er kommen zu richten die Lebenden und die Toten.
Ich glaube an den Heiligen Geist,
die heilige christliche Kirche, Gemeinschaft der Heiligen,
Vergebung der Sünden,
Auferstehung der Toten und das ewige Leben.
Amen.

Lied EG 648, 1-3 „Ins Wasser fällt ein Stein“

Predigt:

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater und von dem Herrn Jesus Christus.
Amen.

Liebe Gemeinde!
„Auch wenn alles einmal aufhört-Glaube, Hoffnung und Liebe nicht. Diese drei werden immer bleiben, doch am höchsten steht die Liebe. Amen“ Das sind große Worte. Und bewegende Worte. Wer sie hört, horcht auf. Denn die Sehnsucht nach Liebe ist eine Sehnsucht, die tief in uns allen steckt, egal wie jung oder wie alt wir sind.

Schön, dass der Apostel Paulus, der das Hohelied der Liebe geschrieben hat, Worte für die Liebe findet! Wenn man Paulus kennt, dann weiß man, dass er seinen Beitrag weniger als einen poetischen Entwurf als vielmehr als eine handfeste Anleitung für den Alltag versteht. Das wird klar, wenn man fragt, wem Paulus sein Liebeslied gewidmet hat. In der Gemeinde in Korinth, an die er in seinem Brief schreibt, gibt es Zoff. Die Menschen dort gehen recht lieblos miteinander um, obwohl der Anspruch, dass gerade Christen sich freundlich begegnen sollen, besonders hoch ist. Es gibt verschiedene Gruppen, die sich bekriegen. Und statt sich zu ergänzen, spielen sich die Menschen gegenseitig aus. Das „Ich“ ist groß in der christlichen Gemeinde in Korinth. Da kann nichts Gutes draus wachsen. Schon gar nicht das zarte Pflänzchen der Liebe. Ist das nicht so, dass in der Liebe aus „Ich“ und „Du“ ein „Wir“ wird?

Ein junges Paar trifft sich mit mir zum Traugespräch. Die beiden erzählen von ihren Plänen für die gemeinsame Zukunft. Sie kannten sich schon seit der Schulzeit, hatten damals aber noch keinen Blick füreinander. Erst später sind sie durch gemeinsame Freunde zusammengekommen. Sie hatten seit drei Jahren eine gemeinsame Wohnung, das klappte auch ganz gut, der Alltag, wenn man den ganzen Tag zusammen ist. Jetzt wollen sie heiraten, ein Haus bauen, noch ein paar Jahre arbeiten und Geld verdienen, reisen, dann vielleicht ein Kind oder auch zwei. Warum sind gerade sie beiden zusammengekommen? Was lieben sie aneinander? Was verbindet sie?, wollte ich gerne wissen. Erst einmal Schweigen. „Darüber habe ich noch gar nicht so richtig nachgedacht“, sagt die Braut. „Wir lieben uns eben.“ Der Bräutigam fügt hinzu: „Es passt einfach gut!“ Ich muss zugeben, ich war ein bisschen erstaunt. Ich hätte erwartet, dass es nur so heraussprudeln würde, was man aneinander so toll und liebenswert findet. Richtige Lobeshymnen. Aber vielleicht war die Frage auch zu überraschend, zu persönlich. Den beiden wünsche ich, dass es ihnen gelingt, was sie sich vorgenommen haben: ein ganzes Leben zusammenzubleiben. „Bis dass der Tod uns scheidet“, so haben sie es versprochen, als ich ihnen die Traufragen stellte.

Liebe, die da ist, kann man nicht einfrieren und konservieren. Sie verändert sich im Laufe einer Beziehung, so, wie auch die Menschen, die sich lieben, sich entwickeln und verändern. Auch, wenn man dann schon lange zusammenlebt, ist keine Gewähr dafür, dass da noch Liebe ist. Liebe kann sich aufbrauchen. Man muss sie pflegen. Sonst ist sie weg. Und dann fehlt das Entscheidende. Das Allerwichtigste. Denkt daran, mahnt Paulus uns und die Korinther. Lasst anderes beiseite. Denn ohne Liebe ist das alles nichts. Die Liebe ist geduldig und freundlich, sagt Paulus.

„Du musst doch eigentlich froh sein, dass du so einen geduldigen Mann hast“, sagt mein Mann hin und wieder zu mir. Und wenn ich so drüber nachdenke, er sagt es oft. Und er sagt es gerade dann, wenn ich ihm wahrscheinlich-wieder malziemlich auf den Wecker gefallen ist. Und er sagt es ganz freundlich und liebevoll. Ja, ich kann froh sein, dass ich so einen Menschen in meinem Leben habe; jemanden, der für mich da ist. Der mich liebt, so wie ich bin. Dem ich alles sagen kann, was mich freut und was mich traurig macht. Auf den ich mich absolut verlassen und dem ich vertrauen kann. Der mir auch etwas Kritisches sagt, auch wenn ich das nicht so gerne höre. Der es mit mir aushält. Vor einigen Jahren haben mein Mann und ich einmal einen Tanzkurs besucht, um einen Abend in der Woche nur für uns zu haben. Das war nicht einfach, das Tanzen. Man muss das miteinander üben. Und tritt sich auch mal auf die Füße. Aber wenn man dann einen gemeinsamen Rhythmus gefunden hat, dann denkt man nicht mehr nach. Dann ist man eins. Man fühlt sich gehalten. Und das sind dann die schönsten Momente im Leben.

Liebe Gemeinde, auch Liebe muss man üben. Immer wieder. Kann man aber auch. Denn sie ist wirklich zu etwas zu gebrauchen. Sie schafft etwas Neues. Ein Einssein, das wir nicht festhalten können, aber das hält und trägt. Was schreibt Paulus noch einmal über die Liebe? Die Liebe sucht nicht den eigenen Vorteil, sie trägt das Böse nicht nach, die Liebe gibt nie jemanden auf; in jeder Lage hofft und vertraut sie für andere. Mich beeindruckt immer sehr, wenn ich Paare erlebe, die miteinander alt geworden sind und so liebevoll und respektvoll miteinander umgehen. Der andere ist auch nach all den Jahren noch ein besonderer Mensch. Das ist ein Geschenk und kein Verdienst. Die Liebe kann man nicht messen und berechnen. Sie macht sich nicht an Jahren fest, lässt sich in keine Formel pressen. Sie bricht immer wieder überraschend in unser Denken und Tun. Sie schafft einen Schutzraum, in dem ich mich öffnen kann und mich doch geachtet und gehalten weiß, in dem man ehrlich und wahrhaftig mit mir ist.

Wie schön, wenn man einen Menschen gefunden hat, mit dem man durch das Leben gehen kann. Die Liebe ist das, was bleibt. Paulus hat das schon richtig gesehen mit der Liebe. So vieles verändert und wandelt sich, wir sind vergänglich. Und unsere Liebe bekommt auch Schrammen und Falten. Aber sie ist die Kraft, die bleibt, die antreibt und verwandelt. Weil sie von Gott selbst herkommt, der die Liebe ist. In der Liebe erfahren wir Gott. Selbst in unserer manchmal sprachlosen oder müde gewordenen Liebe. In glücklichen, leidenschaftlichen und auch in komplizierten Beziehungen. Ohne die Liebe fehlt das Allerwichtigste im Leben. Auch wenn alles einmal aufhört-Glaube, Hoffnung, Liebe nicht. Diese drei werden immer bleiben, doch am höchsten steht die Liebe.
Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft zu fassen vermag, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.
Amen.

Lied EG 608 „Ubi caritas“

Wir halten Fürbitte:

Gott, du bist unser Schöpfer.
Wir sind überzeugt, dass dein Wesen Liebe ist und du hast uns Menschen so geschaffen, dass auch wir lieben können.
Wir danken dir für dieses Geschenk. Es macht unser Leben reich und lebendig.

Wir beten für alle Paare.
Manche sind schon lange zusammen, viele sind verheiratet, haben Kinder oder sogar Enkelkinder, manche sind gerade frisch verliebt.
Erhalten ihnen die Fähigkeit zur partnerschaftlichen Liebe.

Wir beten für alle jungen Menschen, die gerade das Feuer des Verliebtseins erleben dürfen.
Hilf ihnen, dass sie mit ihren Gefühlen umgehen können.
Führe ihre Verliebtheit zu Liebe, damit sie zum Segen werden für sich selbst und für andere.

Wir beten für Paare, die schon lange zusammen sind und deren Aufmerksamkeit füreinander zu erlöschen droht, dass sie die Faszination füreinander wieder entdecken.

Wir beten für Paare, deren Gemeinsamkeit durch wirtschaftliche Schwierigkeiten oder Krankheiten schwer belastet wird, dass ihre Liebe nicht an den Sorgen des Alltags zerbricht.

Wir beten für Paare, die sich in der Vergangenheit große Verletzungen zugefügt haben, dass sie einander verzeihen können und einen neuen Anfang finden.

Wir beten für die Menschen, die noch auf der Suche sind nach Liebe und nach Nähe zu einem anderen Menschen.
Für die, die verwitwet sind und mit ihrem Alleinsein schwer zurechtkommen. Für die Menschen, die seit kurzem oder seit längerer Zeit getrennt leben.
Schenke ihnen Mut und Geduld und hilf ihnen, mit ihrem Leben zurechtzukommen.

Du bist die Quelle für alle Liebenden.
Wir danken dir, dass du unter uns bist mit deinem Heiligen Geist, der uns zur Liebe fähig macht.
Amen.

Alles, worum wir Gott sonst noch bitten möchten, sagen wir mit den Worten des Vaterunsergebetes:
Vater Unser im Himmel,…

Lied EG 653, 1.2 „Herr, deine Liebe ist wie Gras und Ufer“

Segen:
Der Herr segne dich und behüte dich.
Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig.
Der Herr erhebe sein Angesicht auf dich und schenke dir Frieden.
Amen.

Gottesdienst am 07.02.2021 - Sexagesimae

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde,
ein herzliches Willkommen zum Lesegottesdienst für den 7. Februar 2021.
Der Sonntag hat den Namen Sexagesimae, es ist der 2. Sonntag vor der Passionszeit. An diesem Tag geht es in den evangelischen Gottesdiensten um das Wort Gottes, wie es gesät wird und Frucht bringt oder manchmal auch keine Frucht bringt.
Deshalb sagt uns der Wochenspruch für die neue Woche eindringlich: „Heute, wenn ihr seine Stimme hört, so verstockt eure Herzen nicht.“ (Hebräer 3, 15)
Einen gesegneten Sonntag und eine gute neue Woche wünscht Pfarrerin Anke Mühlenberg-Knebel.

Ein passendes Lied zum Beginn ist „Gott Lob, der Sonntag kommt herbei“ (EG 162, 1-3)

Im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Unsere Hilfe steht im Namen des Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat.
Amen

Wir beten:
Herr, so vieles lenkt uns ab.
So vieles nimmt uns gefangen und kostet uns Zeit.
Nun sind wir bei dir, möchten hören, machen Ohren und Herzen weit auf für dich.
Amen.

Lesung und zugleich Predigttext ist heute das Gleichnis Jesu vom Sämann (Lukas 8, 4-8):
„Als nun eine große Menge beieinander war und sie aus jeder Stadt zu ihm eilten, sprach er durch ein Gleichnis: Es ging ein Sämann aus zu säen seinen Samen. Und indem er säte, fiel einiges an den Weg und wurde zertreten und die Vögel unter dem Himmel fraßen‘s auf. Und anderes fiel auf den Fels, und als es aufging, verdorrte es, weil es keine Feuchtigkeit hatte. Und anderes fiel mitten unter die Dornen; und die Dornen gingen mit auf und erstickten‘s. Und anderes fiel auf das gute Land; und es ging auf und trug hundertfach Frucht. Da er das sagte, rief er: Wer Ohren hat zu hören, der höre!“
Amen.

Wir bekennen unseren christlichen Glauben:
Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen,
den Schöpfer des Himmels und der Erde.
Und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unseren Herrn.
Empfangen durch den Heiligen Geist,
geboren von der Jungfrau Maria,
gelitten unter Pontius Pilatus,
gekreuzigt, gestorben und begraben.
Hinabgestiegen in das Reich des Todes,
am dritten Tage auferstanden von den Toten,
aufgefahren in den Himmel.
Er sitzt zur Rechten Gottes, des Allmächtigen Vaters,
von dort wird er kommen zu richten die Lebenden und die Toten.
Ich glaube an den Heiligen Geist,
die heilige christliche Kirche, Gemeinschaft der Heiligen,
Vergebung der Sünden,
Auferstehung der Toten und das ewige Leben.
Amen.

Lied: „Halleluja“ (EG 182, 1.2.4.5)

Predigt:

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und von dem Herrn Jesus Christus!
Amen.

Liebe Gemeinde, Jesus greift in seinen Gleichnissen die Lebenserfahrungen der Menschen seiner Zeit auf; auch im heutigen Gleichnis vom Sämann. Die Menschen in Israel haben sich von dem ernährt, was sie einmal gesät und geerntet haben. Sie kannten das gut, was Jesus hier beschreibt: die Vögel, die sich auf den ausgestreuten Samen stürzen, das Unkraut, die Dornen, der steinige Boden, die ganze Anstrengung der Arbeit im Garten und auf den Feldern; die bange Frage, ob die Ernte ausreichen wird. Aber es steckt auch unsere heutige Lebenserfahrung in diesem Gleichnis. Wir machen uns zur Zeit viele Gedanken über das, was werden wird. Wie wird das mit der Pandemie weitergehen; wird es gelingen, genug Impfstoff herzustellen und zu verimpfen? Bringen bis dahin die anderen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie den nötigen Erfolg? Wie kommen unsere Kinder gut durch diese komplizierten Zeiten? Wird es gelingen, die Risikogruppen weiterhin gut zu schützen? Wie wirkt sich das alles auf die Wirtschaft und die Gesellschaft aus?

Liebe Gemeinde, wir möchten unser Leben gerne planen, haben Wünsche und Ziele. Oft kommt es ganz anders. Und wir müssen uns damit auseinandersetzen, andere Wege suchen. Wir halten durch oder wir zerbrechen. Und doch machen viele von uns dabei die Erfahrung: ich habe es überstanden, wurde bewahrt, fühlte mich durch diese oder jene Krise hindurchgetragen, geführt. Mit dem Bild vom Sämann möchte Jesus uns Menschen auch Gott näherbringen. Gott ist wie ein Sämann. Jesus selbst ist wie ein Sämann. Ein überraschendes Bild! Wie würden wir Gott beschreiben? Als Weltkonstrukteur? Als eine Art Programmierer, der für unsere Welt und jeden Menschen darin ein ausgeklügeltes Programm schreibt und nichts dem Zufall überlässt? Der alles im Griff hat? Manche Christinnen und Christen sehen Gott so, manchmal wünschen wir ihn uns so: dass Er alles in der Hand hat. Aber der Sämann im Gleichnis hat nur den Samen in der Hand und den streut er aus. Er sät, und dann darf, soll, das Gesäte sich entwickeln und wachsen. Er ist geduldig, weiß, dass das seine Zeit braucht und dass auch nicht alles aufgehen wird. Es gibt eben die Vögel, die Dornen und den schlechten Boden. Der Sämann verscheucht nicht die Krähen und die Raben, er reißt nicht alles Unkraut heraus und gräbt die Steine aus dem Boden. Gott räumt uns die Schwierigkeiten und die Widersprüche unseres Lebens nicht mal eben aus dem Weg, damit wir es leichter haben; es ist unsere Aufgabe, dass wir damit umgehen lernen. Der Sämann vertraut aber darauf, dass es auch den guten Boden gibt. Er vertraut auf die Kraft, die in den Samenkörnern steckt. Gott lässt es darauf ankommen, was aus dem Samen wird, und er vertraut darauf, dass es am Ende eine Ernte geben wird, eine reiche Ernte.

Liebe Gemeinde, Gott lässt es auf uns ankommen, denn wir sind so etwas wie der Acker oder das Feld, auf den der Sämann das Saatgut großzügig und geduldig ausstreut. In jedem Moment sät Gott etwas unter uns, z.B. am Sonntagmorgen beim Gottesdienst in der Kirche. Und vielleicht fällt das auf fruchtbaren Boden, und wir hören etwas, was uns gut tut und uns in unserem Leben und Glauben weiterbringt. Ich bin mir sicher, dass er auch bei unserer Videokonferenz mit Ehrenamtlichen Donnerstagabend etwas ausgesät hat, als einige von uns sich Gedanken gemacht haben, wie wir als Gemeinde Menschen mehr unterstützen und begleiten können. Da war die Idee, das auch im Gemeindebrief und auf der Homepage zu veröffentlichen, dass man sich an uns wenden kann, wenn man Hilfe braucht, gerade jetzt, beim Einkaufen z. B. oder wenn es sonst etwas gibt, was wir tun können. Und da war auch viel Vertrauen: das werden wir schon hinbekommen. Die Saat Gottes ist bestimmt auch bei den Konfis angekommen, die sehr schöne und tröstliche Brief entworfen haben an Menschen, die jetzt nicht in die Kirche kommen können.

Aber nicht nur im Rahmen von Gottesdienst und Gemeindearbeit streut Gott den Samen reichlich aus, sondern in jeder Begegnung, in jeder Erfahrung, die wir machen. Ich denke, es lohnt sich, darauf mehr zu achten und sich am Ende jedes Tages zu fragen: wo hat mir heute jemand etwas Gutes getan oder ich einem anderen? Wo bin ich heute auf einen neuen Gedanken gekommen, der in mir weiter reifen soll? Wo in all dem, was da gewesen ist, habe ich etwas von Gott gespürt? Unser Lebensacker, der ist, meine ich, auch so unterschiedlich strukturiert wie der, der im Gleichnis beschrieben wird. Da gibt es Bereiche, die das Wachstum schwer machen: Erfahrungen, die uns belasten, unerbittliche Grundsätze, von denen wir nicht ablassen, ein Verhalten, das uns und andere zu ersticken droht, spitze Dornen, die wehtun und vieles mehr. Das gehört zu uns und lässt sich nicht einfach beseitigen. Aber dazwischen findet sich immer wieder auch gute, fruchtbare Erde, beste Voraussetzungen zum Keimen und Wachsen. Wir dürfen auch vertrauen, dass Gott reichlich aussät: Selbst wenn nicht aus jedem Samenkorn etwas werden wird, dann bleibt noch so viel, dass etwas Gutes entstehen kann. Und bei jedem Menschen gibt es davon etwas zu ernten.

Ihr Lieben! Noch ein letzter Gedanke zum Gleichnis. Mir scheint, wir sind nicht nur der Boden, auf den Gottes Saat fällt, sondern wir sind auch Sä-Leute. Denn wir reden und denken und handeln, und all das hat Auswirkungen. Auf uns selbst und auf die, mit denen wir unser Leben teilen. Und sogar auf die, die weit weg von uns leben. Was ist das, was wir ausstreuen? Freude, Hoffnung, Mitmenschlichkeit, Gottvertrauen? Oder ist es manchmal auch eine böse Saat, Neid, Unfreundlichkeit, Hartherzigkeit, Hass? Bringen wir die nötige Geduld auf, dass etwas Gutes wachsen kann oder zerstören wir mit Absicht oder Ungeschicklichkeit das erste frische Grün. Jeder von uns, der einen Garten hat, der weiß, dass Wachsen seine Zeit braucht; die Blumen, das Obst und das Gemüse sind nicht nach einem Tag oder einer Woche reif. Und manchmal sind wir völlig überrascht, dass im Garten von selbst eine neue wunderschöne Blume wächst an einer Stelle, wo wir gar nichts ausgesät hatten. Gott sei Dank dafür!

Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft zu fassen vermag, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.
Amen.

Lied: „Herr, dein Wort, die edle Gabe“ (EG 198, 1-2)

Wir beten:

Wir danken dir für dein Wort, du guter und großzügiger Gott. Wir danken dir, dass du durch dein Wort zu uns sprichst, auch, wenn wir manchmal gar nicht richtig hinhören.

Wir bitten dich, dass dein Wort bei uns auf guten Boden fällt. Lass uns innerlich neu werden, aufgeweckt und engagiert.

Wir bitten dich, dass unsere Gemeinde sich gut entwickelt, dass wir nach deinem Wort leben und immer ein offenes Ohr haben für die Sorgen und Nöte der Menschen. Hilf mit, dass wir die nötige Geduld und das Vertrauen haben, dass unsere Angebote und Dienste, unser Miteinander etwas Gutes und Staunenswertes hervorbringen wird.

Wir bitten dich, dass in dem Ort, in dem wir leben, immer wieder gute Ideen und Vorhaben heranreifen, die den Menschen dienen. Auch in Bühlertal, in Neusatz, Altschweier, in Ottersweier und auf dem Sand soll deine gute Saat aufgehen. Lass alle, die hier Verantwortung tragen, sich für mehr Gerechtigkeit und Chancengleichheit einsetzen.

Wir bitten dich, dass unsere Welt zu einem lebenswerten Ort für alle werden kann. Stehe uns bei, wenn wir durch die nächsten schweren Monate der Pandemie gehen müssen, hilf, dass der Friede sich immer mehr ausbreitet und Krieg und Terror beendet. Lass uns alle auf dein Wort achten, damit wir für unser Leben ermutigt werden. Amen

Wir beten weiter: Vater Unser im Himmel, …

Lied: „Vertraut den neuen Wegen“ EG 395, 1-3

Die zweite Strophe daraus soll heute unser Segenswort sein:
„Vertraut den neuen Wegen und wandert in die Zeit!
Gott will, dass ihr ein Segen für seine Erde seid.
Der uns in frühen Zeiten das Leben eingehaucht,
der wird uns dahin leiten, wo er uns will und braucht.“

So seid gesegnet auf allen euren Wegen.
Amen.

Gottesdienst am 31.01.2021 - 4. Sonntag nach Epiphanias

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde!

Herzlich willkommen zum Lesegottesdienst für den 31. Januar 2021, den letzten Sonntag nach Epiphanias.
Im Anschluss an den Internationalen Holocausttag am 27. Januar, bei dem wir der 6 Millionen ermordeten Menschen jüdischen Glaubens und der zahllosen weiteren Opfer der Nazidiktatur gedacht haben, hören wir heute in der Predigt vom Schicksal der jungen jüdischen Studentin Etty Hillesum; sie starb im KZ Auschwitz. 40 Tage nach ihrem Tod wurden ihre Tagebuchaufzeichnungen unter dem Titel „Das denkende Herz“ veröffentlicht; erschütternde und berührende Texte aus einer dunklen Zeit.

Einen gesegneten Sonntag wünscht Pfarrerin Anke Mühlenberg-Knebel.

Wir beginnen mit dem Lied EG 66, 1.2.8 „Wie schön leuchtet der Morgenstern“

Im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Unsere Hilfe steht im Namen des Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat.
Amen.

Wir beten:
Gott, wir suchen nach Halt und Orientierung. Was gibt uns festen Boden unter den Füßen? Wir bitten dich: Richte unsere Herzen neu aus auf dich. Lass dein Wort in unserer Dunkelheit aufgehen, so, wie der helle Morgenstern den Nachthimmel erleuchtet. Gott, in deinem Licht sehen wir das Licht.
Amen.

Die biblische Lesung (und zugleich der Predigttext) steht im 2. Petrusbrief, Kapitel 1, Verse 16-21:

„Denn wir sind nicht ausgeklügelten Fabeln gefolgt, als wir euch kundgetan haben die Kraft und das Kommen unseres Herrn Jesus Christus; sondern wir haben seine Herrlichkeit mit eigenen Augen gesehen.
Denn er empfing von Gott, dem Vater, Ehre und Preis durch eine Stimme, die zu ihm kam von der großen Herrlichkeit: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe. Und diese Stimme haben wir gehört vom Himmel kommen, als wir mit ihm waren auf dem heiligen Berge.
Umso fester haben wir das prophetische Wort, und ihr tut gut daran, dass ihr darauf achtet als auf ein Licht, das da scheint an einem dunklen Ort, bis der Tag anbricht und der Morgenstern aufgeht in euren Herzen.
Und das sollt ihr vor allem wissen, dass keine Weissagung in der Schrift aus eigener Auslegung geschieht. Denn es ist noch nie eine Weissagung aus menschlichem Willen hervorgebracht worden, sondern getrieben vom Heiligen Geist haben Menschen in Gottes Auftrag geredet.“
Amen.

Wir bekennen unseren christlichen Glauben:

Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen,
den Schöpfer des Himmels und der Erde.
Und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unseren Herrn.
Empfangen durch den Heiligen Geist,
geboren von der Jungfrau Maria,
gelitten unter Pontius Pilatus,
gekreuzigt, gestorben und begraben.
Hinabgestiegen in das Reich des Todes,
am dritten Tage auferstanden von den Toten,
aufgefahren in den Himmel.
Er sitzt zur Rechten Gottes, des Allmächtigen Vaters,
von dort wird er kommen zu richten die Lebenden und die Toten.
Ich glaube an den Heiligen Geist,
die heilige christliche Kirche, Gemeinschaft der Heiligen,
Vergebung der Sünden,
Auferstehung der Toten und das ewige Leben.
Amen.

Lied: „Gottes Wort ist wie Licht in der Nacht“ (Anhang zum Gesangbuch, Nr. 147)

Gnade sie mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und von dem Herrn Jesus Christus.
Amen.

Liebe Gemeinde,

das Lied, das wir gerade gehört haben, ist eines meiner Lieblingslieder: „Gottes Wort ist wie Licht in der Nacht; es hat Hoffnung und Zukunft gebracht; es gibt Halt, es gibt Trost, in Bedrängnis, Not und Ängsten, ist wie ein Stern in der Dunkelheit.“

Besonders eindrucksvoll wirkt es, wenn es in einer dunklen Kirche gesungen wird und dann nach und nach immer mehr Kerzen entzündet werden, wie z.B. in einem Osternachtgottesdienst oder bei einem Taizégottesdienst und dann so gesungen wird, wie es eigentlich gedacht ist: als Kanon. Die Hoffnung, der Halt und der Trost, von dem es spricht, das Licht trotz der Dunkelheiten des Lebens, das wird richtig spürbar, man schwingt sich wie von selbst in den Rhythmus der Melodie ein und es wird einem schon etwas leichter ums Herz.

Das Lied passt sehr gut zum Thema des heutigen letzten Sonntags nach Epiphanias, in dem es um die Verklärung Jesu geht. Ein Ereignis, das in den Evangelien so beschrieben wird: Jesus geht mit dreien seiner Jünger, mit Petrus, Jakobus und Johannes auf einen Berg. Dort erleben sie mit, wie Jesus wie in ein himmlisches Licht getaucht erscheint, seine Kleidung, sein Gesicht, seine ganze Gestalt leuchtet. Dazu hören sie eine überirdische Stimme, die sagt: „Das ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe, den sollt ihr hören.“

Diese Erfahrung prägt das ganze weitere Leben der drei Jünger. An der Seite von Jesus erfahren sie, welche Kraft das Licht hat, das er in die Welt bringt, wie ein Stern in der Dunkelheit. Unser heutiger Lesungs- und Predigttext aus dem 2. Petrusbrief 1, 16-21 greift dieses Ereignis und seine Bedeutung auf. Der Verfasser schreibt unter dem Namen Petrus, um mehr Autorität auszustrahlen. Da der Brief aus dem 2. Jahrhundert nach Christus stammt, handelt es sich nicht wirklich um Petrus, den Jünger Jesu. Der Briefautor lebt in einer Gemeinde, in der die Menschen nicht mehr glauben, dass Jesus wiederkommt; es ist schon hundert Jahre her, dass er gelebt hat. In den ersten beiden Generationen nach seinem Tod haben die ChristInnen fest damit gerechnet, aber je länger es sich hinzieht, desto weniger erwarten sie das noch. Es fällt ihnen schwer zu glauben, dass Jesus das Licht der Welt ist, der Retter. Der Briefautor gibt sich den Namen Simon Petrus und erinnert seine Adressaten daran, dass er selbst ja mit auf dem Berg der Verklärung war und das Licht um Jesus gesehen hat, das alles Dunkle ausleuchtet. Jesus ist nun nicht mehr da, aber bis er wiederkommt, haben die Christinnen und Christen das Wort der Schrift, das genauso hell erstrahlt wie Jesus selbst. Das Wort der Schrift, die biblischen Texte, ist das helle Licht der Hoffnung und der Zukunft, es gibt Halt, es gibt Trost in Bedrängnis, Not und Ängsten…

Dass das Wort der Schrift, der Bibel, tatsächlich in finsterster Zeit eine derartige Leuchtkraft entwickelt, dass es im Herzen aufgeht wie der helle Morgenstern, das zeigt sich im Leben der jungen jüdischen Studentin Etty Hillesum, die in der Nazizeit in Amsterdam lebte. Sie beginnt im März 1941, vor fast 80 Jahren, mitten in Krieg und Verfolgung, Tagebuch zu führen. Über zwei Jahre hinweg vertraut sie ihrem Tagebuch alles an, was sie erlebt und was sie bewegt. Bekannter ist das Tagebuch des jüdischen Mädchens Anne Frank, das ebenfalls bis zum Abtransport in Amsterdam lebte. Aber die Aufzeichnungen der Etty Hillesum sind noch einmal ein ganzes Stück reifer; sie ist älter, hat etliche Semester Slawistik und Psychologie studiert, lebt in einer Beziehung zu einem älteren Mann, einem bekannten Psychologen. Ihre Notizen zeigen, wie diese hochbegabte, leidenschaftliche Studentin darum ringt, in einer unmenschlichen Zeit Mitmenschlichkeit zu bewahren, sich an Werten zu orientieren, die für sie existentiell sind, wie sie sich einen inneren geistigen und geistlichen Vorrat anlegt, von dem sie zehren kann: “Ich muss alles in mir tragen. Man muss auch ohne Bücher und Notizen leben können. Ein kleines Stück Himmel wird wohl immer um mich sein und so viel Platz wird immer um mich sein, dass meine Hände sich zum Gebet falten können.“

An einer Stelle schreibt sie, dass sie darauf gehofft hatte, sehr alt zu werden, um davon zu erzählen, wie die Suche nach Gott ihr Leben geprägt hat. Sie kommt zu der Erkenntnis, dass Gott existiert, in ihr selbst. Im Tagebuch spricht sie direkt zu Gott, ganz natürlich, völlig unbefangen, als würde sie zu sich selbst sprechen. Die junge Frau fühlt sich von diesem Gott gehalten. Sie sagt: „Wenn ich bete, bete ich nie für mich selbst mich selbst, immer für andere, oder aber ich führe einen verrückten oder kindlichen oder todernsten Dialog mit dem, was in mir das Allertiefste ist und das ich der Einfachheit halber als Gott bezeichne.“ In ihren letzten Aufzeichnungen beschreibt sie ihr Leben sogar als ein dauerndes Zwiegespräch mit Gott. Obwohl sie nicht besonders religiös erzogen wurde, fühlt sie sich als Erwachsene stark mit dem jüdischen Volk und mit Gott verbunden. Ein langes Leben wird ihr aber nicht vergönnt. Etty Hillesum stirbt am 30. November 1943 im KZ Auschwitz, da ist sie 31 Jahre alt. Auch ihre Eltern und die beiden jüngeren Brüder kommen dort um. Das KZ Auschwitz wird erst am 27. Januar 1945 befreit.

Wie die Nazis gegen die Menschen jüdischen Glaubens vorgehen, das macht ihr große Angst Sie schreibt: „Lebensangst auf der ganzen Linie. Völliger Zusammenbruch. Mangel an Selbstvertrauen. Abscheu. Angst.“ Sie hält das Schicksal der Juden, das „Massenschicksal“, wie sie es nennt, für unabwendbar. Dem will sie sich nicht entziehen, durch Flucht oder Untertauchen. Es wird auch ihr Schicksal sein, das ist ihr klar. Zugleich erlebt sie aber auch, wie sie sich innerlich immer mehr von den Schrecken ihrer Zeit distanzieren kann, wie sie frei davon wird und ruhig. „Ich ruhe in mir selbst. Und jenes Selbst, das Allertiefste und Allerreichste in mir, in dem ich ruhe, nenne ich Gott.“ An anderer Stelle hält sie fest: „Irgendwie fühle ich mich innerlich ganz leicht, ohne jede Erbitterung, ich spüre so viel Kraft und Liebe in mir.“ Die innere Freiheit und Zuversicht, die hat sie nicht immer, aber die werden ihr immer wieder geschenkt. Jeden Tag liest sie in der Bibel. Morgens eine halbe Stunde vor der Arbeit hält sie innere Einkehr, betet, meditiert. Sie schreibt: „Es gibt Augenblicke, in denen ich mich wie ein kleiner Vogel in einer großen schützenden Hand geborgen fühle. Gestern war mein Herz ein in der Falle gefangener Vogel. Jetzt ist der Vogel wieder frei und fliegt ungehindert über alles hinweg. Heute scheint die Sonne. Und jetzt packe ich mein Brot ein und mache mich auf den Weg.“

Auch in Auschwitz selbst geht von Etty Hillesum ein helles Licht aus. Überlebende beschreiben sie als eine leuchtende Persönlichkeit.

Sie ist sich sicher, dass sie in Gottes Armen geborgen ist. Und sorgt sich um die Menschen, die nicht so einen festen Glauben haben, die so sehr leiden müssen. Ihr letzter Tagebucheintrag schließt mit den Worten: „Man möchte ein Pflaster auf vielen Wunden sein.“ Für Etty ist Gott zu einem hellen Licht in ihrem Leben geworden, das selbst diesen finstersten aller Orte, Auschwitz, hell macht. Sein Wort ist in ihrem Herzen aufgegangen wie der Morgenstern und hat es leicht gemacht und stark. Mit ihr möchte ich erfahren, dass Gottes Licht durch sein Wort auch in unserem Herzen aufgeht, dass es uns Hoffnung und Zukunft bringt, in Verzweiflung, Not und Ängsten, wie ein Stern in der Dunkelheit.
Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft zu fassen vermag, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.
Amen.

Lied: „Freunde, dass der Mandelzweig“ (Anhang zum Gesangbuch, Nr.39, 1-4)

Wir halten Fürbitte:

Gott, Licht der Welt, alle Dunkelheit unserer Welt bringen wir vor dich, alle Dunkelheit in uns und um uns. Du kannst sie erleuchten und vertreiben.

Wir bringen vor dich, was unsere Seele, unser Herz und unseren Verstand verdunkelt.

Wir bringen vor dich die dunklen Ecken unserer Erde, wo Menschen leiden müssen und keinen Lichtblick mehr für ihr Leben sehen.

Wir bringen vor dich (hier kann man nun ganz eigene Fürbitten einfügen)…

Gott, wir vertrauen darauf, dass durch dich eine Zeit kommt, in der alle Dunkelheit, alle Angst und alle Todesfurcht vergangen ist. Bis dahin lass uns Menschen begegnen, die leuchten, und lass uns selbst zu Menschen werden, die anderen leuchten können.

Und alles, worum wir Gott sonst noch bitten, sagen wir mit den Worten des Vaterunsergebetes:

Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name,…

Lied: „Wir wünschen Frieden euch allen“ (EG 433)

Gottesdienst am 24.01.2021 - 3. Sonntag nach Epiphanias

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde!

Herzlich willkommen zum Lesegottesdienst für den 24. Januar, den 3. Sonntag nach Epiphanias.
Mit Gott, durch Gott kommt Veränderung in die Welt. Neues kann geschehen. Die Vollendung dieses Neuen steht aber noch aus. Diesen Gedanken, der von Epiphanias herkommt, fasst der Wochenspruch für die neue Woche so zusammen:
„Es werden kommen von Osten und von Westen, von Norden und von Süden, die zu Tisch sitzen werden im Reich Gottes.“ (Lukas 13, Vers 29).
Einen gesegneten Sonntag wünscht Pfarrerin Anke Mühlenberg- Knebel.

Dazu passt das Epiphaniaslied EG 66, 1.2. „Jesus ist kommen, Grund ewiger Freude“

Im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Unsere Hilfe steht im Namen des Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat.
Amen.

Wir beten:
Herr, wir kommen zu dir mit allem, was wir in der zuende gegangenen Woche erlebt haben. Wir bringen dir unsere Sorgen unsere Freuden, unsere Bitten und unseren Dank, alles vertrauen wir dir an. Lass uns Abstand finden zu dem, was war und zeig uns, wie unser Leben weitergehen kann.
Amen.

Lesung und Predigttext stehen im Buch Rut, Kapitel 1, Verse 1-19a (Text der Gute-Nachricht-Bibel):
„Es war die Zeit, als das Volk Israel noch von Richtern geführt wurde. Weil im Land eine Hungersnot herrschte, verließ ein Mann im Gebiet von Juda seine Heimatstadt und suchte mit seiner Frau und seinen zwei Söhnen Zuflucht im Land Moab. Der Mann hieß Elimelech, die Frau Noomi; die Söhne waren Machlon und Kiljon. Die Familie gehörte zur Sippe Efrat, die in Bethlehem in Juda lebte. Während sie in Moab waren, starb Elimelech, und Noomi blieb mit ihren beiden Söhnen allein zurück. Die Söhne heirateten zwei moabitische Frauen, Orpa und Rut. Aber zehn Jahre später starben auch Machlon und Kiljon, und ihre Mutter Noomi war nun ganz allein, ohne Mann und ohne Kinder. Als sie erfuhr, dass der Herr seinem Volk geholfen hatte und es in Juda wieder zu essen gab, entschloss sie sich, das Land Moab zu verlassen und nach Juda zurückzukehren. Ihre Schwiegertöchter gingen mit. Unterwegs sagte sie zu den beiden: „Kehrt wieder um! Geht zurück, jede ins Haus ihrer Mutter! Der Herr vergelte euch alles Gute, das ihr an den Verstorbenen und an mir getan habt. Er gebe euch wieder einen Mann und lasse euch ein neues Zuhause finden.“ Noomi küsste die beiden zum Abschied. Doch sie weinten und sagten zu ihr: „Wir verlassen dich nicht! Wir gehen mit dir zu deinem Volk.“ Noomi wehrte ab: „Kehrt doch um, meine Töchter! Warum wollt ihr mit mir gehen? Habe ich etwa noch Söhne zu erwarten, die eure Männer werden könnten? Geht, meine Töchter, kehrt um! Ich bin zu alt, um noch einmal zu heiraten. Und selbst, wenn es möglich wäre und ich es noch heute tun würde und dann Söhne zur Welt brächte- wolltet ihr etwa warten, bis sie groß geworden sind? Wolltet ihr so lange allein bleiben und auf einen Mann warten? Nein, meine Töchter! Ich kann euch nicht zumuten, dass ihr das bittere Schicksal teilt, das der Herr mir bereitet hat.“ Da weinten Rut und Orpa noch mehr. Orpa küsste ihre Schwiegermutter und nahm Abschied; aber Rut blieb bei ihr. Noomi redete ihr zu: “Du siehst, deine Schwägerin ist zu ihrem Volk und ihrem Gott zurückgegangen. Mach es wie sie, geh ihr nach!“ Aber Rut antwortete: „Dränge mich nicht, dich auch zu verlassen. Ich gehe nicht weg von dir! Wohin du gehst, dorthin gehe ich auch. Dein Volk ist mein Volk, und dein Gott ist mein Gott. Wo du stirbst, will ich auch sterben, und dort will ich begraben werden. Der Zorn des Herrn soll mich treffen, wenn ich nicht Wort halte: Nur der Tod kann mich von dir trennen!“ Als Noomi sah, dass Rut so fest entschlossen war, gab sie es auf, sie zur Heimkehr zu überreden. So gingen die beiden miteinander bis nach Bethlehem."
Amen.

Wir bekennen unseren christlichen Glauben:
Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde.
Und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn.
Empfangen durch den Heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria, gelitten unter Pontius Pilatus, gekreuzigt, gestorben und begraben.
Am dritten Tage auferstanden von den Toten, aufgefahren in den Himmel.
Er sitzt zur Rechten Gottes, des Allmächtigen Vaters.
Von dort wird er kommen zu richten die Lebenden und die Toten.
Ich glaube an den Heiligen Geist, die heilige christliche Kirche, Gemeinschaft der Heiligen, Vergebung der Sünden, Auferstehung der Toten und das ewige Leben.
Amen.

Lied EG 369, 1-3 „Wer nur den lieben Gott lässt walten“

Predigt:

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater und von dem Herrn Jesus Christus!

Liebe Gemeinde, bitte, überlegen Sie doch einmal, durch welche Türen Sie heute morgen schon gegangen sind: da war die Schlafzimmertür, die zum Badezimmer, zur Küche, die Haustür, das Gartentor, die Kirchentür. Neben den realen Türen gibt es auch viele symbolische Türen, durch die wir in unserem Leben gehen. Jemand hat uns seine Herzenstür aufgemacht und dadurch eine intensive Freundschaft oder sogar Liebesbeziehung ermöglicht. Wir waren beruflich erfolgreich, eine neue Tür hat sich im Arbeitsleben für uns geöffnet. Aber es gibt auch das andere: eine Tür fällt zu, lässt sich nicht mehr öffnen, jemand bricht den Kontakt zu uns ab oder wir sehen nicht, wie unser Leben weitergehen kann.
Auch in den Monaten der Pandemie sind für uns viele Türen zuge- gangen. Schulen, Kitas, Büros, Geschäfte, Freizeiteinrichtungen wurden geschlossen, Kontakte drastisch eingeschränkt, wir blieben zuhause. Viele Menschen mussten ihre Pläne ändern. Das war ganz schön schwierig. Manchmal haben wir aber auch entdeckt: wo sich eine Tür schließt, geht eine andere auf!

Rut aus der Bibel, von der wir gerade in der Lesung gehört haben, die hat das in ihrem Leben erfahren. Ihre Geschichte kann uns Mut machen, in schwierigen und belastenden Zeiten, wie wir sie alle gerade durchmachen müssen, nach einer offenen Tür und nach neuen Möglichkeiten Ausschau zu halten, die Gott für uns bereit hat.

Das Buch Rut erzählt von einer großen Hungersnot in Juda, dem Südteil von Israel. Eine Familie, Elimelech und seine Frau Noomi und die beiden Söhne Machlon und Kiljon, sie sind vom Tod bedroht. Und sie verlassen ihr Land, um in das Land Moab zu flüchten. Eigentlich war das Verhältnis zwischen Juda und Moab nicht besonders gut. Aber doch wird die kleine Familie in der Fremde gut aufgenommen, weil man ihre Not erkennt. Es macht ganz den Eindruck, dass sie sich in Moab gut einleben.

Doch dann stirbt Elimelech, Noomis Ehemann, welch ein Unglück! Die beiden Söhne sind inzwischen erwachsen; sie heiraten zwei junge Moabiterinnen, Rut und Orpa. Zehn Jahre vergehen, dann werden auch die beiden Söhne krank und sterben. Wie soll es jetzt weitergehen? Wer wird die alte Frau und die beiden jungen Frauen versorgen, Witwen alle drei? So beschließt Noomi, in ihre Heimat zurückzukehren. In Bethlehem hat sich die Lage inzwischen verbessert, es gibt wieder etwas zu essen. Noomi sieht die geschlossene Tür sich einen kleinen Spalt wieder öffnen. Die beiden Schwiegertöchter möchten sie begleiten. Noomi versucht zweimal, sie umzustimmen. Sie sollen in Moab bei ihren Ursprungsfamilien bleiben. Die beiden jungen Frauen müssen entscheiden, welche Tür sie wählen. Auf einer steht: „bleiben“, auf der anderen steht „gehen“ Schließlich bleibt Orpa in ihrer Heimat Moab und Rut geht mit Noomi in die Fremde, nach Bethlehem. Rut sagt ihrer Schwiegermutter etwas sehr Schönes: „Wo du hingehst, da will ich auch hingehen, und wo du bleibst, da bleibe ich auch. Dein Volk ist mein Volk und dein Gott ist mein Gott. Wo du stirbst, da sterbe ich auch, da will ich auch begraben werden.“

Mit diesen Worten zeigt sie, wie tief sie ihrer Schwiegermutter verbunden ist, aber auch, wie tief sie sich dem Gott Israels verbunden fühlt. Eigentlich ist er ja ein fremder Gott für sie, eigentlich würde man erwarten, dass sie nach all dem Schweren, das ihr zugemutet wurde, mit jedem Gott hadern würde. Aber sie vertraut Gott, trotz allem. Sie schwört ihm die Treue, wie sie auch Noomi treu bleiben will. Durch ihre Entscheidung bewahrt Rut eine jüdische Familie vor dem Aussterben. Es ist eine besondere Familie. Es wird sich eine Tür vor ihr öffnen, durch die Rut an einer Familien -geschichte beteiligt wird, die größer ist als alles, was sie sich je vorstellen konnte. Eine Familiengeschichte ist in der Bibel auch immer eine Geschichte des Glaubens. Ruts Namen wird man über Jahrtausende hinweg nicht mehr vergessen. Die beiden Witwen kehren also nach Bethlehem zurück und hier ergeben sich neue, glückliche Wendungen für ihr Leben, wieder neue Türen, die sich mit Gottes Hilfe auftun und Zukunft ermöglichen.

Um etwas zum Essen zu beschaffen, sammelt Rut die bei der Ernte übriggebliebenen Ähren auf dem Acker des Boas auf, ein Recht, das sie als Fremde hat. Dieser Boas ist ausgerechnet ein Verwandter ihrer Schwiegermutter Noomi. Er respektiert ihr Recht zum Ährenlesen. Er spricht sehr freundlich mit ihr, sagt ihr seinen Schutz zu; seine Männer sollen ihr sogar Wasser bringen, wenn sie Durst hat. In der damaligen Gesellschaft eigentlich unmöglich, Wasserholen ist Frauensache. Aber Boas setzt sich darüber hinweg. Er sieht die Not von Ruth und ihrer Schwiegermutter, er fühlt sich verantwortlich. Er hat auch erfahren, wie die Moabiterin sich um die alte Frau gekümmert hat. Seine Herzenstür ist da schon ein ganzes Stück weit geöffnet. Und es geht noch weiter. Als Noomi erfährt, wie großzügig und mitfühlend sich Boas verhält, denkt sie, dass sich seine Herzenstür vielleicht noch weiter für Rut öffnen könnte. Und so gibt sie ihrer Schwiegertochter einige praktische Tipps für ein Rendezvous: „Geh noch einmal zu Boas, leg dich zu ihm in der Nacht. Mach dich schön für ihn!“ So geschieht es. Rut legt sich nachts zu Boas, damit er sie mit seinem Mantel zudecken kann. In der Sprache der damaligen Zeit bedeutet das: Rut bietet Boas an, seine Frau zu werden. Und er versteht das und ist sehr ergriffen.

Liebe Geschwister, eine wunderbare Geschichte, wie hier zwei Menschen voneinander angezogen werden, wie sie zueinander finden, ihre Liebe entdecken und schließlich ein Paar werden. Es sind noch einige rechtliche Dinge zu klären, aber dann dürfen können sie heiraten und werden später sogar Eltern eines Sohnes, Obed. Und Noomi, die beide Söhne verloren hat, wird ihrem Enkel wie eine zweite Mutter. Ja, Liebe kann Türen öffnen, die fest verschlossen schienen: Herzenstüren, Lebenstüren. Übrigens, dieser Obed ist der Großvater von David, der ein berühmter König in Israel wird und von dem viele Psalmen in der Bibel stammen. Vielleicht wissen Sie, wie es mit dieser Familie weitergeht. Einer von Davids Nachfahren ist Jesus von Nazareth. Rut, die einst heidnische Moabiterin, ist eine Vorfahrin von Jesus. Ihre Geschichte wird zur Geschichte des Messias Israels.

Ihr Lieben, wenn wir durch eine Tür gehen, die sich vor uns öffnet, dann verbindet sich unsere Geschichte mit der Geschichte Gottes. Wir begeben uns in den Segensbereich Gottes, in das, was Gott mit der Welt vorhat. Wenn wir auch noch gar nicht wissen, was sich daraus entwickeln wird. Deshalb dürfen wir auch in den schwierigen Monaten, die vor uns liegen, nach Türen Ausschau halten, die sich öffnen lassen oder sogar schon ein Stück weit offen stehen. Und dürfen gespannt sein, was eines Tages von deinem und meinem Leben ausgegangen sein wird.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft zu fassen vermag, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.
Amen.

Lied EG 395, 1-3: „Vertraut den neuen Wegen“

Wir beten:
Lebendiger Gott, vor dich bringe ich meine Sehnsucht nach ein bisschen Normalität, nach Nähe und Gemeinschaft und die Sehnsucht, dass doch endlich alles gut werde. Vor dich bringe ich meine Sorge um die vielen Kranken und Trauernden, um die Überforderten und die, die um ihre Existenz bangen. Vor dich bringe ich die, denen nicht nur diese Krise, sondern auch Krieg und Gewalt die Lebensgrundlage genommen haben. Gib du mir Halt, wenn ich haltlos werde. Gib du mir Hoffnung, wenn meine Hoffnung kraftlos wird. Gib du mir Kraft, dass ich die anderen nicht aus dem Blick verliere. Gib du mir den Blick für geöffnete Türen, wenn ich nicht weiter weiß. Gib du Vertrauen, dass du alles gut machen wirst.
Amen.

Wir beten das Gebet, das Jesus Christus uns selbst gelehrt hat:
Vater unser im Himmel,…

Lied EG 171, 1.4 „Bewahre uns, Gott, behüte uns, Gott“

Gott segne uns:
„Bewahre uns, Gott, behüte uns, Gott, sei mit uns durch deinen Segen. Dein Heiliger Geist, der Leben verheißt, sei um uns auf unsern Wegen. Dein Heiliger Geist, der Leben verheißt, sei um uns auf unsern Wegen.“

Friedensgebet im Januar 2021: „Dass Friede werde unter uns“

Auch zu Beginn des 30. Jahres unserer Ökumenischen Friedensgebete laden wir Sie herzlich ein – trotz und auch gerade wegen der Corona-Pandemie – mit uns und gemeinsam mit den vielen Friedensgebetsgruppen überall in Deutschland, in Europa und weltweit, weiterhin für Frieden, Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung einzutreten und zu beten.

Gedanken (in Anlehnung an einen geistl. Impuls „Bei euch aber soll es nicht so sein“, von Pfr. H.Benz, Geistlicher Beirat von Pax Christi Rottenburg-Stuttgart):

Jesus sagt: "mein Reich ist nicht von dieser Welt", er lehrt aber seine Freunde beten: "Dein Reich komme". Wohin? In die Herzen der Menschen? Ja.
Aber auch in die Welt mit ihren politischen und sozialen Strukturen.
Dieses Reich soll die Welt verändern, wie ein "Sauerteig den ganzen Teig durchsäuert". Jesus ist gekommen mit seinem Evangelium alles - also die ganze Welt! - neu zu schaffen.
Und wenn seine Jünger das Evangelium vom Reich Gottes nicht nur verkünden, sondern es auch leben, dann werden sie "Salz der Erde" und "Licht der Welt" sein, sagt Jesus.

Anleitungen dazu, „dass Friede unter uns werden kann“, haben wir als Christ*innen also genug:
Ein Beispiel unter vielen ist es, wenn Jesus sagt: "Ihr wisst, dass die Mächtigen dieser Welt die Völker unterdrücken und ihre Macht über sie ausüben.
Bei euch aber soll es nicht so sein. Wer von euch groß sein will, der sei der Diener aller." (Mt. 20, 25-26)
Wenn wir diesen Ruf Jesu in der Welt verwirklichen wollen, dann müssen wir glaubwürdig gegen jene Herrschafts- und Machtstrukturen in unserer Welt auftreten, die den Menschen nicht befreien, sondern unterdrücken, auftreten auch gegen alle Formen der "Konfliktlösungen", die nur auf Gewalt setzen zur Durchsetzung eigener Interessen.

Viele kleine LeuteAuch wir sind aufgefordert, in unserem vergleichsweise kleinen persönlichen Umfeld, uns zu beteiligen an einer Beseitigung von ungerechten Strukturen und Verhältnissen, welche so oft den Konflikten zugrunde liegen und deren wahre Ursachen sind.
Wir sind aufgefordert einzutreten für die Anerkennung der Menschenrechte und Menschenwürde aller Menschen. Denn sie alle sind geschaffen nach Gottes Bild. Sie alle sind geliebte Kinder Gottes.
Wir sind aufgefordert einzutreten für einen fairen, angstfreien und offenen Dialog der Konfliktpartner miteinander: Dass Friede werde unter uns!

Politisches Engagement ohne Gebet, das würde freilich nicht der Aufforderung Jesu entsprechen. Wie oft ruft Jesus seine Freunde auf, zu beten! Er selbst zieht sich oft zum Gebet zurück, besonders vor schweren Entscheidungen und Herausforderungen.
Viele Beispiele bekannter Vorbilder wären zu nennen, wie z. B.:
Mahatma Ghandi, Martin Luther King, Dom Helder Camara, Dietrich Bonhoeffer, Franz Jägerstetter uvam. Auch viele stille Vorbilder aus Vergangenheit und Gegenwart haben sich auf Jesu Beispiele eingelassen und vieles bewirkt.
So lasst uns beides tun - beten: "Dein Reich komme", und uns politisch für das einsetzen, was dem Evangelium der Gerechtigkeit und der menschlichen Solidarität entspricht, für alles was den Menschen, jeden Menschen, zum Leben befreit.
Dass Friede werde unter uns!

Lesung (Micha 4, 1-3):
Am Ende der Tage wird es geschehen: Der Berg mit dem Haus des Herrn / steht fest gegründet als höchster der Berge; er überragt alle Hügel. Zu ihm strömen die Völker.
Viele Nationen machen sich auf den Weg. Sie sagen: Kommt, wir ziehen hinauf zum Berg des Herrn und zum Haus des Gottes Jakobs.
Er zeige uns seine Wege, auf seinen Pfaden wollen wir gehen.
Denn von Zion kommt die Weisung, aus Jerusalem kommt das Wort des Herrn.
Er spricht Recht im Streit vieler Völker, er weist mächtige Nationen zurecht (bis in die Ferne).
Dann schmieden sie Pflugscharen aus ihren Schwertern und Winzermesser aus ihren Lanzen.
Man zieht nicht mehr das Schwert, Volk gegen Volk, und übt nicht mehr für den Krieg.

Fürbitten:
1. Herr aller Herren,
du willst, dass die Menschen miteinander in Frieden leben.
Zeige den Politikern, wie sie Spannungen lösen und neue Kriege verhindern können.
Lass die Verhandlungen unter den Nationen der Verständigung dienen und führe die Bemühungen um Abrüstung zum Erfolg,
…und richte unsere Füße auf den Weg des Friedens.
2. Wir bitten dich um gerechte Lösung der Konflikte, die Ost und West, Nord und Süd, arme und reiche Völker voneinander trennen.
Hilf auch uns und lass nicht zu, dass wir mitmachen, wenn Hass und Feindschaft Menschen gegeneinander treiben,
… und richte unsere Füße auf den Weg des Friedens.
3. Öffne unsere Augen, dass wir die Not der Anderen sehen, unsere Ohren, dass wir ihren Schrei hören, unsere Herzen, dass sie nicht ohne Beistand bleiben.
Herr der Welt, gib uns einen Blick für die Zeichen der Zeit und ein klares Urteil gegenüber den politischen Ereignissen und allem Neuen in unserer Welt,
…und richte unsere Füße auf den Weg des Friedens.
4. Zeige uns, wie wir in unserem Staat verantwortlich leben und ihn mitgestalten können und gib, dass wir uns nicht weigern, uns für Gerechtigkeit einzusetzen, weil wir die Macht und den Zorn der Starken und der Reichen fürchten,
…und richte unsere Füße auf den Weg des Friedens.
5. Lass uns Boten deiner Liebe von Glauben und Hoffnung werden, damit wir für deinen Frieden wirken können.
Amen.

Vater unser

Segen
Gott, Du Quelle unseres Lebens, Du Atem unserer Sehnsucht, Du Urgrund allen Seins.
Segne uns mit dem Licht Deiner Gegenwart, das unsere Fragen durchglüht und unseren Ängsten standhält.
Segne uns, damit wir ein Segen sind und mit zärtlichen Händen und einem hörenden Herzen, mit offenen Augen und mutigen Schritten dem Frieden den Weg bereiten.
Segne uns, dass wir einander segnen und stärken und hoffen lehren wider alle Hoffnung, weil Du unserem Hoffen Flügel schenkst.
Dazu segne uns der gute Gott,
der Vater, der Sohn und der Heilige Geist.
Amen.

Von Herzen Ihnen Allen alles Gute wünscht
die Ökumenische Friedensgebetsgruppe Altschweier/Bühlertal

 

Predigt zum Gottesdienst am 17.01.2021 - 2. Sonntag nach Epiphanias

Liebe Gemeinde,

ein junges Paar wollte heiraten. Aber die beiden waren arm und wussten nicht, wie sie das Fest bezahlen sollten. Darum baten sie ihre Gäste, jeder solle eine Flasche Wein mitbringen und am Eingang in ein großes Fass schütten. Dann würden sie gemeinsam fröhlich feiern können. Als alle versammelt waren, schöpften die Kellner aus dem Fass. Doch als die Gäste auf das Wohl des Brautpaares trinken wollten, da wurden die Gesichter schamrot, denn jeder hatte nur Wasser im Glas. Alle hatten gedacht: »Wenn ich eine Flasche Wasser in den Wein gieße – das wird schon keiner merken!« Alle wollten auf Kosten der anderen feiern – so musste das Fest am Ende ausfallen.

Unser Predigttext erzählt eine andere Geschichte. Auch da geht es um eine Hochzeit und um Wasser und um Wein. Doch am Ende gibt es keine betretenen Gesichter, sondern es wird fröhlich gefeiert. Wir hören das Wunder von der Hochzeit zu Kana aus Johannes Kapitel 2.

– Lesen des Predigttextes: Johannes 2, 1–11 –

Diese Geschichte führt uns mitten in das Leben damals in Israel hinein. Jesus und seine Jünger sind Gäste auf einer Hochzeit. Das Fest beginnt am dritten Tag der Woche. So hat man bis zum Sabbat noch genügend Zeit, um ausgiebig zu feiern. Und Jesus ist mittendrin. Das mag uns vielleicht überraschen. Wir stellen uns Jesus manchmal als einen weltabgewandten Heiligen vor. Doch in der Bibel wird berichtet, dass die Pharisäer und Schriftgelehrten mit dem Finger auf ihn zeigten: »Siehe, dieser Mensch ist ein Fresser und Weinsäufer« (Lukas 7, 34). Jesus lebte nicht in zurückgezogener Frömmelei, sondern konnte fröhliche Feste feiern.

Aber dann diese Sache mit dem Wein! Nicht nur ein paar Flaschen, sondern gleich sechs große Krüge voll! Da feiern wir rücksichtsvoll das Abendmahl mit Traubensaft, da warnen wir junge Menschen vor den Gefahren des Alkohols und Jesus spendiert 600 Liter!

Vor Jahren gab es einen Vikar, der ein Zimmer bei einer älteren Dame gemietet hatte. Sie störte sich daran, dass der Vikar abends gerne einmal ein Glas Wein trank. Der junge Pfarrer versuchte sich zu verteidigen und sagte: »Jesus hat auf der Hochzeit zu Kana sogar Wasser in Wein verwandelt.« Darauf antwortete die Dame: »War aber sicher nicht seine größte Glanzleistung.«

Wir erleben in dieser Geschichte einen Jesus, der uns überrascht. Er ist Gast auf einer Hochzeit, die drei Tage dauern soll. Doch kurz nach Beginn der Feier droht der Wein auszugehen. Welch eine Schande für das junge Paar, wenn es seinen Gästen nichts mehr zu trinken anbieten kann!
Maria, die Mutter Jesu, sieht die Notlage. Auch wenn wir vielleicht schmunzeln – für das Brautpaar war das sicher eine echte Notsituation. Deshalb geht Maria zu Jesus und sagt ihm: »Sie haben keinen Wein mehr.« Maria weiß: Jesus kann helfen. Doch Jesus erteilt ihr eine schroffe Abfuhr. »Was habe ich mit dir zu schaffen, Frau?« Wir spüren eine verletzende Schärfe. Das hätten wir Jesus nicht zugetraut. Ist er nicht der Liebe, der Sanftmütige? Aber hier weist er seine Mutter hart zurück. »Meine Stunde ist noch nicht gekommen.« Niemand darf über Jesus verfügen. Er handelt frei und in göttlicher Vollmacht. Doch lässt Maria sich nicht entmutigen. Ihr Vertrauen zu Jesus ist unerschütterlich. Sie geht zu den Dienern und gibt ihnen den Auftrag, das zu tun, was Jesus sagt.

Wir müssen uns vorstellen, dass die Hochzeitsgäste im Hof eines großen Hauses sitzen. An der Hofwand stehen 6 große Wasserkrüge. 600 Liter Wasser: Das ist die Menge, die man nach dem jüdischen Reinheitsgesetz für ein Vollbad braucht. Jesus befiehlt den Dienern, die Krüge zu füllen. 600 Liter – da muss man mehr als einmal
laufen. Auch ein Wunder kann manchmal anstrengend sein. Doch die Diener gehorchen. Als sie fertig sind, sagt Jesus: »Schöpft nun und bringt es dem Speisemeister!« Die Männer schauen sich fragend an: Was soll das? Unser Chef wird denken, wir wollen ihn auf den Arm nehmen. Aber dann überwinden sie ihre Zweifel und bringen diesem einen Becher. Da erleben sie eine große Überraschung: Der Speisemeister trinkt kein Wasser, sondern Wein – und sogar einen sehr guten Wein.
Verwundert fragt er den Bräutigam: »Warum hast du den besseren Wein bis jetzt zurückbehalten?«

Uns fällt es vielleicht ein bisschen schwer, dieses Wunder zu verstehen. Jesus verwandelt 600 Liter Wasser in Wein, damit sich die Hochzeitsgäste weiter betrinken können. Kein Wunder, dass eine anständige Dame sagt: »War aber sicher nicht seine größte Glanzleistung.« Doch Wein ist in der Bibel mehr als nur ein alkoholisches Getränk. Wein ist ein Zeichen von Gott. Ich möchte dazu einen Bibelvers aus 1. Mose 49 vorlesen. Dort heißt es: »Der kommende Held wird seinen Esel an den Weinstock binden und seiner Eselin Füllen an die edle Rebe. Er wird sein Kleid in Wein waschen und seinen Mantel in Traubenblut.« (1. Mose 49, 11) Dieser kommende Held ist der Messias, der von Gott gesandte Retter. Mit seinem Erscheinen beginnt die Heilszeit, dann herrscht Überfluss. Dann dürfen sogar die Esel die kostbaren Trauben fressen. So viel Wein wird es geben, dass man die Kleider darin waschen kann. Wir sehen: Wein im Überfluss ist ein Kennzeichen der Heilszeit. Wenn der Messias zur Erlösung kommt, dann fließt Wein in Hülle und Fülle. Die 600 Liter auf der Hochzeit sind für einen frommen Juden ein unübersehbarer Hinweis. Mit Jesus beginnt die Heilszeit. Die Freude, auf die wir warten – in Jesus fängt sie schon jetzt an.

Doch noch etwas anderes soll damit ausgedrückt werden. Da stehen sechs Krüge. Sie werden gebraucht für die jüdischen Reinheitsvorschriften. Jedoch - diese Krüge sind leer. Erst durch den Befehl Jesu werden sie gefüllt.
Die Bibel will damit sagen: Unsere menschlichen Bemühungen sind nutzlos und sinnentleert. Sie bringen uns nicht weiter. Doch Jesus schenkt Verwandlung, er bringt das Neue. Er ist der Messias, der gottgesandte Retter. Wer sich nur an Gesetze und Gebote hält, wird die Freude und die Fülle der Heilszeit nicht erleben. Besser - wer an Jesus glaubt, für den beginnt das Fest des Lebens. An die Stelle der religiösen Gesetze tritt das neue Leben in Gemeinschaft mit Gott. In diesem Wunder sehen wir die Herrlichkeit Jesu. Er schenkt Freude, er kann unseren Mangel ausfüllen.

In der griechischen Religion gibt es die Gottheit Dionysos, den Gott des Weines. Sein Fest wurde in der alten Zeit im Monat Januar gefeiert. Die ersten Christen haben deshalb das Weinwunder von Kana als Predigttext schon damals für den Jahresanfang ausgesucht. Sie wollten damit ein Gegengewicht gegen die rauschenden Trinkgelage in den Dionysos-Tempeln setzen. Sie wollten sagen: Ihr braucht eure Freude nicht im Alkohol oder in zweifelhaften Vergnügungen zu suchen – Jesus schenkt echte Erfüllung.
Die Götter und die Götzen dieser Welt können da nicht mithalten. Jesus füllt die leeren Krüge. Die Gemeinschaft mit ihm stillt unsere Sehnsucht nach Leben. Jesus wird auch den Egoismus überwinden, der bei der Hochzeit in China Wein zu Wasser machte. Er weist Maria darauf hin: »Meine Stunde wird kommen« – die Stunde des Kreuzes. Mit dem Kelch beim Abendmahl erinnern wir uns daran: »Christi Blut, für uns vergossen«. Jesu Sterben schenkt uns das Leben. Das Weinwunder bei der Hochzeit weist voraus auf das große Wunder der Liebe am Kreuz. Dort staunen wir noch viel mehr: Ein Unschuldiger lässt sein Leben, damit wir Schuldigen das Leben haben. Das macht unser Leben hell und froh, das gibt uns Christen Grund zum Feiern und zur Freude.

Noch ein Letztes sehen wir in unserer Geschichte. Maria zeigt uns, was glauben heißt. In einer Notlage setzt sie ihr Vertrauen auf Jesus. Sie ist fest davon überzeugt, dass er helfen kann. Aber Jesus weist sie zurück – mit harten, schroffen Worten. Jedoch, Maria lässt sich nicht beirren. Ihr Glaube ist mehr als nur ein Wunsch nach Sensation. Ihr Vertrauen erweist sich als tragfähig. Sie erlebt das helfende Wunder. So erkennt sie die Herrlichkeit Jesu. Sie erfährt, dass Gott durch Jesus handelt.

Haben wir einen solchen Glauben? Einen Glauben, der sich von Leere und Mangel nicht entmutigen lässt? Einen Glauben, der auch eine scheinbare Zurückweisung aushalten kann? Einen Glauben, der auch ein zweites oder drittes Mal zu Gott betet? Einen Glauben, der sich nicht enttäuscht abwendet, wenn Wünsche nicht sofort erfüllt werden?
Ich selbst tue mir oftmals schwer, mich nicht auf meine Wünsche zu versteifen. Zu Erwarten, dass meine Wünsche so und so sich erfüllen müssen. Im Rückblick muss ich aber erkennen, dass Gotte meine Wünsche auf seine Art und Weise erfüllt.

Das Weinwunder von Kana ist eine Verheißung: Jesus will Freude und Fülle schenken. Er sucht Menschen, die sich beschenken lassen wollen und lassen. Auf seine Art und Weise.  Amen.

 

Gottesdienst am 10.01.2021 - 1. Sonntag nach Epiphanias

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde!

Herzlich willkommen zum Lesegottesdienst für den 1. Sonntag nach Epiphanias, dem 10. Januar 2021.
Der Wochenspruch für die neue Woche steht im Römerbrief:
„Welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder.“ (Römer 8, 14).
Einen gesegneten Sonntag und eine gute neue Woche wünscht Pfarrerin Anke Mühlenberg-Knebel.

Wir beginnen mit dem Lied „Jesus ist kommen, Grund ewiger Freude“ (EG 66, 1.2.8)

Im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Unsere Hilfe steht im Namen des Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat.
Amen.

Wir beten:
Herr, durch unsere Taufe gehören wir zu dir, zu deiner Gemeinde.
Du liebst uns, als wären wir deine eigenen Kinder.
So wollen wir auch leben und füreinander da sein.
Dazu bitten wir dich um deinen guten Geist.
Amen.

Die Lesung und zugleich der Predigttext stehen im Römerbrief des Apostels Paulus, Kapitel 12, Verse 1-8:
„Ich ermahne euch nun, Brüder und Schwestern, durch die Barmherzigkeit Gottes, dass ihr euren Leib hingebt als ein Opfer, das lebendig, heilig und Gott wohlgefällig sei. Das sei euer vernünftiger Gottesdienst. Und stellt euch nicht dieser Welt gleich, sondern ändert euch durch Erneuerung eures Sinnes, auf dass ihr prüfen könnt, was Gottes Wille ist, nämlich das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene.
Denn ich sage durch die Gnade, die mir gegeben ist, jedem unter euch, dass niemand mehr von sich halte, als sich`s gebührt, sondern dass er maßvoll von sich halte, wie Gott einem jeden zugeteilt hat das Maß des Glaubens. Denn wie wir an einem Leib viele Glieder haben, aber nicht alle Glieder dieselbe Aufgabe haben, so sind wir, die vielen, ein Leib in Christus, aber untereinander ist einer des anderen Glied.
Wir haben mancherlei Gaben nach der Gnade, die uns gegeben ist. Hat jemand prophetische Rede, so übe er sie dem Glauben gemäß. Hat jemand ein Amt, so versehe er dies Amt. Ist jemand Lehrer, so lehre er. Hat jemand die Gabe, zu ermahnen und zu trösten, so ermahne und tröste er. Wer gibt, gebe mit lauterem Sinn. Wer leitet, tue es mit Eifer. Wer Barmherzigkeit übt, tue es mit Freude.“
Amen.

Lied: „Christus, das Licht der Welt“ (EG 410, 1.2)

Predigt:

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater und von dem Herrn Jesus Christus.
Amen.

Liebe Geschwister, in meiner früheren Gemeinde am Niederrhein habe ich einmal eine alte Dame zum Geburtstag besucht, die kurz vorher in ein Alten- und Pflegeheim umgezogen war. Nach einer längeren Krankheit kam sie zuhause nicht mehr alleine zurecht.

„Nun bin ich hier“, sagte sie mir, „und habe auf einmal viel Zeit. Ich kann ja nicht mehr so viel machen, und hier brauch` ich es auch nicht mehr. Mir wird das meiste abgenommen. Aber eines kann ich immer noch tun: ich bete für meine Familie. Die sind so beschäftigt mit ihrer Arbeit und dem ganzen Alltag, dass sie dazu gar nicht mehr kommen. Ich aber habe die Zeit und die Ruhe dazu. Dann denke ich erst einmal nach, wie es ihnen geht, was für sie wichtig sein könnte und dann bringe ich das im Gebet vor Gott.“
Gebete können etwas bewirken, diese Erfahrung habe ich immer wieder gemacht. Und diese alte Dame, die für ihre Familienangehörigen betet, tut ihnen damit etwas sehr Gutes. Und auch sich selbst. Denn Beten verändert Menschen. Und veränderte Menschen verändern die Welt. Die Frau im Altenheim hat erkannt, dass sie noch etwas Sinnvolles tun kann, auch wenn sie körperlich schwach ist und Hilfe braucht. Ihr Beten versteht sie als einen wichtigen Dienst.

Darum geht es auch dem Apostel Paulus in unserem heutigen Predigttext. Er meint: „Ihr Christinnen und Christen habt von Gott verschiedene Gaben mitbekommen. Setzt diese Gaben füreinander ein. Sie sind ein Zeichen für die Gnade Gottes, die er euch schenkt. Ihr seid reich beschenkt worden. Ihr habt allen Grund, dafür dankbar zu sein.“

In diesen letzten Monaten haben wir gar nicht mehr so viele Möglichkeiten gehabt, unsere Gaben und Begabungen füreinander einzusetzen. Manches durfte einfach nicht mehr sein. Ein Ehrenamt ausüben? Menschen besuchen? Sich in der Gemeinde engagieren? Ging alles nicht mehr.

Ähnliches hat damals auch Paulus erlebt. Er hätte so gerne alle seine Gemeinden, die er einmal gegründet hatte, immer wieder besucht. Er war aber manches Mal gezwungen, seine Reisen dorthin zu unterbrechen, weil er krank geworden war, ins Gefängnis kam, weil sein Schiff kenterte. Immer wieder etwas anderes, er brauchte dann selbst Hilfe. Und trotz dieser Schwierigkeiten hat er an so viele Menschen die christliche Botschaft verkündigen können, hat christliche Gemeinden ins Leben gerufen, hat die Christinnen und Christen ermutigt, ihrem Glauben treu zu bleiben, tröstete, ermahnte. Gab Auskunft bei theologischen Fragen. Zeit seines Lebens war er mit den Gemeinden in Kontakt. Und wenn es nicht ging, dass er sie zu ihnen reiste, dann durch Briefe, die er ihnen schrieb. Dadurch hat er auch große räumliche Distanzen überwinden können. Und er hat auch für die Menschen dort gebetet; er wusste ja durch Briefe, die er selbst von dort erhielt, auch durch seine Mitarbeiter, die ihm berichteten, immer ganz gut, welches gerade die besonderen Probleme und Schwierigkeiten der Christen waren und konnte ihre Anliegen vor Gott bringen. Ich finde es ganz beeindruckend, wie er trotz der vielen Herausforderungen, mit denen er fertigwerden musste- und oft waren sie für ihn lebensgefährlich- seinen Mut und sein Vertrauen zu Gott bewahren konnte. Paulus war sich bewusst, dass er das nicht aus sich selbst heraus vermag, sondern dass Gott ihm die Kraft dazu schenkt. So schreibt er in seinen Briefen: „Durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin.“ Und: „Gottes Kraft ist in den Schwachen mächtig.“

Liebe Geschwister, das ist ein „vernünftiger Gottesdienst“ (Römer 12, 1) in diesen Wochen, in denen darüber diskutiert wird, ob es überhaupt vernünftig ist, Gottesdienste in unseren Kirchen anzubieten. Ich persönlich finde es wichtig, dass Menschen zum Gottesdienst kommen können und nicht nur digitale oder schriftliche Angebote wahrnehmen können. Hier machen sie die selten gewordene Erfahrung von Gemeinschaft; die Musik, die Gebete, die Lesung, die Predigt, die ganze Atmosphäre in der Kirche verkünden die christliche Botschaft, die eine Botschaft der Hoffnung ist. Wir haben ja auch ein gutes Sicherheitskonzept, Abstände und Hygieneregeln werden eingehalten, alles andere wäre unvernünftig.

Der Apostel Paulus erinnert daran, dass es darüber hinaus noch den Gottesdienst gibt, der mehr ist als die Zusammenkunft von Christinnen und Christen in der Kirche. Auch das ist Gottesdienst, wenn wir im Alltag unsere Gaben und Begabungen füreinander einsetzen. Und das kann zu unterschiedlichen Zeiten und Bedingungen ganz verschieden aussehen, das ist nichts für immer Festgelegtes. Unser christlicher Glaube und die Art und Weise, wie wir ihn leben und gestalten, das ist in Bewegung. Das erfordert, immer wieder zu fragen: was möchte Gott von mir in der jetzigen Situation? Welche Gaben habe ich durch ihn, die ich einsetzen kann? Wie kann ich anderen Menschen am besten dienen? Was ist jetzt dran und wichtig und worauf sollte ich besser verzichten?

Danach fragten Paulus und die Christen damals schon, und das fragen auch wir heute. Paulus antwortet darauf in seinem Brief an die Gemeinde in Rom: Gott möchte von uns, dass wir uns selbst zurücknehmen, bescheiden leben, füreinander da sind, Mitgefühl zeigen, uns über unseren Glauben austauschen und uns so auf dem Weg des Glaubens weiterhelfen.

Liebe Geschwister, ich denke, das sind Antworten, die auch uns hilfreich sind, wenn wir nach Gottes Auftrag an uns in dieser Welt und dieser Zeit fragen. Wir Christinnen und Christen des 21. Jahr -hunderts, wir hier in der evangelischen Gemeinde Bühlertal, wir sind Teil des Leibes Christi und von Gott mit Gaben ausgestattet, um einander zu dienen. Genauso wie Paulus damals, wie die Christen in den Gemeinden in Kleinasien und Europa, die er gegründet hat. Räumliche und zeitliche Entfernungen spielen keine Rolle dabei.

Auch die Menschen, die weit weg von uns leben, von deren Schicksal wir durch die Medien erfahren, sind Teil dieses Leibes und wir sind verantwortlich für sie. Können für sie beten, für sie einstehen auch mit Taten. Das ist uns im letzten Jahr noch einmal sehr deutlich geworden: dass wir weltweit zusammengehören und aufeinander angewiesen sind. So möge Gott uns schützen, dass wir auch im neuen Jahr in seinem Namen zusammenkommen und in seinem Sinn leben und handeln.
Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft zu fassen vermag, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.
Amen.

Lied: „Suchet zuerst Gottes Reich in dieser Welt“ (EG 182, 1.2.4)

Wir beten:
Herr, du lässt uns Gemeinde sein. Du fügst uns zusammen wie die Teile eines Körpers. Hilf uns dabei, unsere besonderen Gaben zu entdecken und einander mit unseren Gaben zu achten. Schenke uns gute Ideen, wie wir auch unter den Bedingungen der Corona-Krise füreinander da sein können und so leben, wie du dir das für uns vorstellst. Mit deiner Hilfe kann uns das gelingen. Durch deine Gnade sind wir, was wir sind. Und können stark sein, auch, wenn wir schwach sind. Dafür danken wir dir.

Wir vertrauen uns dir an, mit dem, was uns bewegt, mit denen, um die wir uns sorgen
(hier ist Platz für eigene Fürbitten).

Vater Unser im Himmel, geheiligt werde dein Name,…

Lied: „Mache dich auf und werde Licht“ (EG 545)

So lasst euch segnen:
Der Herr segne dich und behüte dich auf all deinen Wegen.
Amen.

 

Gottesdienst am 03.01.2021 - 2. Sonntag nach Weihnachten

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde,
herzlich willkommen zum Lese- Gottesdienst für den 2. Sonntag nach Weihnachten.
Heute wollen wir uns mit der Jahreslosung für das neue Jahr 2021 aus dem Lukasevangelium beschäftigen.
Die Lieder bitte im Gesangbuch nachschlagen.
Einen gesegneten Sonntag wünscht Pfarrerin Anke Mühlenberg- Knebel.

Lied EG 64, 1.6: „Der du die Zeit in Händen hast“
                                      
Wir sind hier zusammen im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Unsere Hilfe steht im Namen des Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat. Amen.

Wir beten:
Herr, lass unsere Füße sichere Schritte tun, deine Worte leiten uns auf allen unseren Wegen.
Vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Niedergang sei gelobet der Name des Herrn. Amen.

Als Lesung hören wir die Jahreslosung, Lukas 6, 36:
„Jesus Christus spricht: Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist. Amen.“

Lied EG 62, 1-3: „Jesus soll die Losung sein"

Predigt:

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und von dem Herrn Jesus Christus. Amen.

Liebe Geschwister,

der Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat im Frühjahr des vergangenen Jahres, zu Beginn der Pandemie, einen starken Satz formuliert, der mir im Gedächtnis geblieben ist.
Dieser Satz ist ehrlich und wahrhaftig. Ich kann ihn für mich auch als einen Satz des Glaubens hören:
„Wir werden in ein paar Monaten einander wahrscheinlich viel verzeihen müssen.“

Nur wenige Menschen, schon gar nicht Politiker, sprechen schon vorher davon, dass Fehler gemacht werden, dass es Irrtümer geben wird, Ungerechtigkeiten. Wer gibt schon zu, dass er vergebungsbedürftig ist? Deshalb ist es so ein erstaunlicher Satz. Und er trifft sich mit dem christlichen Grundsatz, dass wir Menschen alle von der Vergebung leben, von Gottes Vergebung und von der Vergebung unserer Mitmenschen. „Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern!“, so bitten wir im Vaterunsergebet. Ich finde es gut, wenn man ehrlich ist den eigenen Grenzen, Fehlern und Schwächen gegenüber, auch wenn das vielleicht angreifbar macht. Es ist unendlich befreiend.

Im Jahr 2020 sind wir sehr herausgefordert worden. Die Coronaepidemie hat dazu geführt, dass wir mit einer großen Zahl von Einschränkungen umgehen mussten und weiter müssen; Einschränkungen der persönlichen Freiheit, Maskenpflicht, Kontaktbeschränkungen, Ausgangssperren, auch wirtschaftliche Schwierigkeiten resultierten daraus, Existenzgefährdungen. Den am Virus Erkrankten konnte nicht in allen Fällen optimal geholfen werden, trotz aller Bemühungen, aller Forschung und aller Fortschritte, die in dieser Zeit gemacht wurden. 34000 Menschen sind allein in Deutschland daran gestorben; von anderen hören wir, dass sie immer noch unter Nachwirkungen ihrer Erkrankung leiden.

Dass die Zahl der Neuerkrankungen immer noch so hoch ist, ist erschreckend. Warum nicht alle Menschen überzeugt werden konnten, durch entsprechendes Verhalten sich selbst und andere zu schützen, kann man nur vermuten. Dass das Misstrauen immer noch so groß ist, macht ratlos. Denn es versteht sich doch von selbst, dass da, wo verantwortlich gehandelt und entschieden wird, auch immer mitgedacht und eingestanden werden muss: es ist möglich, dass wir trotz guter Absichten und trotz gewissenhafter Diskussion und kompetenter Beratung Fehlentscheidungen treffen, Gefahren nicht richtig einordnen oder die eigenen Möglichkeiten überschätzen.

Und was für die Menschen in Politik und Gesellschaft, in Wirtschaft und Wissenschaft gilt, gilt für mein privates Leben genauso. Wir haben einander viel zu verzeihen: jede Beziehung, jede Freundschaft, jede berufliche und private Entscheidung, jede Verantwortung der Familie und den Freunden gegenüber, all das steht immer in der Gefahr zu enttäuschen. Es kann sein, dass ich scheitere, mich irre oder es kann sein, dass ich Erfolg habe, richtig liege, beides ist immer möglich und ist eine menschliche Erfahrung. Das ehrlich einzugestehen macht mir Mut zu leben, zu handeln, zu entscheiden, Fehler zuzugeben, neu anzufangen, zu lieben, um Vergebung zu bitten und zu verzeihen, Mensch zu sein.

Ein Mensch zu sein, wie Gott uns Menschen sein lässt: die aus der Vergebung leben. Das ist ehrlich und gut, befreit von aller Überheblichkeit. Und darin trifft sich der Satz von Jens Spahn aus mit dem biblischen Satz aus dem Lukasevangelium, der die Jahreslosung für das neue Jahr 2021 ist:
„Jesus Christus spricht: Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist.“ (Lukas 6, 36).

Das ist kein moralischer Appell, sondern zunächst ein Versprechen, eine Zusage. Jesus bietet uns hier etwas zum Leben an: „Euer Vater im Himmel ist barmherzig.“ Ein tröstlicher Satz. Jesus meint: das, was wir Menschen erleben und erleiden müssen, all das geht Gott zu Herzen. Die Sorgen, die Ängste, das Weinen, das Hoffen, das Beten, das Arbeiten, das Suchen nach Auswegen und Möglichkeiten, das geht Gott zu Herzen. Die Erkrankten und Gestorbenen, die Menschen in den Flüchtlingslagern, die Alten und Einsamen, die am Rande der Gesellschaft Lebenden, die sind Gott wichtig. Für die schlägt Gottes Herz, Tag für Tag, Mensch um Mensch.

Denn deshalb ist Gott selbst Mensch geworden. Das Weihnachtsfest, das wir gerade gefeiert haben und das dem Jahreswechsel immer um eine Woche vorausgeht, das ist die Vergewisserung dieses Versprechens: „Euer Vater im Himmel ist barmherzig.“ Gott hat ein Herz für euch. Er erbarmt sich. Besser kann man es gar nicht in Worte fassen, mit welcher Liebe und welcher Leidenschaft Gott für uns da sein möchte. Jedes Jahr, jeder Monat, jeder Tag, jede Stunde ist ein Zeichen seiner Barmherzigkeit. Und weil er seine Barmherzigkeit, seine Leidenschaft, seine Liebe, sein Mitleid und sein Mitgefühl für uns schon vorausschickt, sie uns schenkt, deshalb kann er auch um unser Herz, unser Mitgefühl, unser Mitleid werben: „Seid auch ihr barmherzig!“ Lasst euer Herz sprechen, denn Gott traut euch das zu. Dass ihr euer Herz und euren Verstand für eure Mitmenschen einsetzt.

Das biblische Wort der Jahreslosung ist ein wunderbares und wohltuendes Wort für 2021. Wir können es leicht mitnehmen auf den Wegen, die vor uns liegen. Seid barmherzig mit euch und anderen, egal, wer sie sind und wie sie leben, denn auch euer Vater ist barmherzig. In diesem Wort schlägt Gottes Herz. Es hilft uns, dass wir selbst Herz zeigen, Erbarmen haben, Liebe schenken. Dann kann 2021 für uns alle ein Jahr der Barmherzigkeit werden. Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft zu fassen vermag, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn. Amen.

Lied EG 61, 1.2: „Hilf, Herr Jesu, lass gelingen“

Wir beten:
Herr, unser Gott, du bist wie Vater und Mutter. Du bist barmherzig, schenkst Glauben und Liebe. Darum bitten wir dich: Hilf uns, dass wir deiner Zusage vertrauen können. Schenke uns die Kraft und den Mut, barmherzig zu sein mit anderen. Auch barmherzig mit uns selbst. Dass wir Fehler eingestehen, einander verzeihen, immer wieder neu miteinander anfangen. Das bitten wir dich durch deinen Sohn Jesus Christus. Amen.

Wir sprechen das Vaterunsergebet:
Vater Unser im Himmel…

So lasst euch den Segen Gottes zusprechen:
Der Segen Gottes komme über euch und bleibe bei euch von nun an bis in Ewigkeit.                              Amen.

Lied EG 170, 1-3:
„Komm, Herr, segne uns“

 

Gottesdienst am 31.12.2020 - Altjahresabend (Silvester)

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Geschwister,
herzlich willkommen beim Gottesdienst zum Selbstlesen und daheim Feiern.

Heute, am Sylvestertag, grüße ich Sie mit dem Tagesspruch aus Psalm 31, 16a: „ Meine Zeit steht in deinen Händen.“ Das Wort erinnert uns daran, dass Gott uns dieses Jahr geschenkt hat. War es ein gutes Jahr? Oder eines, das wir gerne hinter uns lassen möchten? Was hat uns gefreut? Was hat uns traurig gemacht? Alles legen wir zurück in Gottes Hände.

Wenn Sie ein Gesangbuch zur Hand haben, hier passt das Lied EG 58, 1-3.7:
„Nun lasst uns gehen und treten“

Wir sind miteinander verbunden und vertrauen, dass auch Gott jetzt bei uns ist.
Im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Wir beten:
Gott, wir danken dir für die Tage und Nächte, die du uns in diesem Jahr geschenkt hast.
Heute legen wir sie zurück in deine Hände. Wir bitten dich um deine Begleitung auch im neuen Jahr 2021. Amen.

Die Lesung und zugleich der Predigttext stehen im 2. Buch Mose, Kapitel 13, Verse 20-22:
„So zogen sie (die Israeliten) aus von Sukkot und lagerten sich in Etam am Rand der Wüste. Und der Herr zog vor ihnen her, am Tage in einer Wolkensäule, um sie den rechten Weg zu führen, und bei Nacht in einer Feuersäule, um ihnen zu leuchten, damit sie Tag und Nacht wandern konnten. Niemals wich die Wolkensäule von dem Volk bei Tage, noch die Feuersäule bei Nacht. Amen.“

Lied EG 65, 1.2.7 „Von guten Mächten“

Ansprache:

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und von dem Herrn Jesus Christus. Amen.

Liebe Geschwister, nur noch wenige Stunden, dann geht das Jahr 2020 zuende. Am heutigen Abend schauen wir zurück. Und jede und jeder von uns könnte ganz viel erzählen davon, was wir erlebt haben an hellen und frohmachenden Situationen und Ereignissen. Aber auch von dem, was dunkle und schwere Erfahrungen waren, die wir machen mussten. Schade, dass wir uns jetzt hier nicht davon erzählen können, aber vielleicht später, wenn wir mit der Familie zusammensitzen oder am Telefon, wenn wir mit jemandem sprechen, der jetzt nicht bei uns sein kann. Manche Menschen schreiben auch zu Weihnachten oder zum Jahreswechsel lange Briefe, in denen sie festhalten, was alles gewesen ist in dem einen Jahr. Die verschicken sie an Verwandte und Freunde. Eine schriftliche Jahresbilanz, eine gute Idee, vielleicht eine Anregung für uns. In der Lesung aus dem 2. Buch Mose haben wir gerade gehört, wie Gott die Israeliten am Tage durch eine Wolkensäule und in der Nacht durch eine Feuersäule während ihrer Wüstenwanderung leitete. Unzählige Tage und Nächte waren sie unterwegs.

366 Tage und Nächte haben wir im Jahr 2020 erlebt. Manche davon haben sich bei uns besonders tief eingeprägt. Keiner von uns hat vor einem Jahr geahnt, dass das Corona-Virus sich auf der ganzen Welt ausbreiten würde und die Menschen überall treffen würde. Damit ist in so mancher Hinsicht die Nacht über uns hineingebrochen. Viele Menschen erkrankten, starben, unter unsäglichen Bedingungen. Es gab bei vielen Sorgen um den Arbeitsplatz; andere wiederum mussten bis zur Erschöpfung arbeiten, in den Krankenhäusern und Pflegeheimen. Es gab zuvor nie gekannte Engpässe bei der Versorgung. Das ganze öffentliche Leben ruhte, sogar Schulen und Kindertagesstätten waren geschlossen. Dunkel wurde es auch um uns als Gemeinde. In den Kirchen und Gemeinderäumen blieben für einige Wochen die Lichter aus. Noch nicht einmal Gottesdienste fanden statt, auch keine anderen Veranstaltungen. Die Konfirmation und andere besondere Anlässe, wie Taufen und Trauungen, mussten erst einmal verschoben werden. Bei Trauerfeiern durfte nur der allerengste Familienkreis zusammenkommen, das war bitter.

Und trotzdem gab es auch Lichtblicke. Sitzungen und Besprechungen wurden eben telefonisch oder als Videokonferenz abgehalten. Man konnte sich über Mails oder über Whatsapp austauschen; anspre chende Gottesdienste gab es in großer Auswahl in digitaler Form, aus allen möglichen Gemeinden, die konnte man anschauen. Wie schön war es, als dann die Tage immer heller und sonniger wurden und manches draußen stattfinden konnte. So war es ja auch möglich, den großen Himmelfahrtsgottesdienst um die Kapelle zum guten Hirten auf dem Sand zu feiern.

Sie, liebe Geschwister, erinnern sich in dieser Stunde, in der wir auf das zuende gehende Jahr zurückschauen, an viele Situationen, die Sie als Gemeinde erlebt haben. Und auch ohne Corona wäre es kein leichtes Jahr gewesen für die evangelische Kirchengemeinde. Dazu kommen Ihre persönlichen Erlebnisse und Erfahrungen; die Highlights und die Tiefpunkte. Welche Tage und welche Nächte haben Sie besonders vor Augen und könnten davon berichten? Zurück zu unserem Bibeltext: Die Israeliten haben die Erlebnisse ihrer Tage und Nächte weitererzählt. Von der Wüstenwanderung, bei der Gott sie als Wolken- oder als Feuersäule begleitete und ihnen den Weg wies. Die Menschen haben diese besonderen Erscheinungen als etwas Übernatürliches gedeutet und auf Gott bezogen. Der Herr hat sie aus der ägyptischen Sklaverei befreit, der führt sie so weiter durch die Wüste bis ins Gelobte Land. Mose spielt dabei natürlich auch eine wichtige Rolle, aber er führt letztlich nur das aus, was Gott vorhat. Die Menschen haben Gott vertraut, dass er den richtigen Weg kennt und sie leitet. Sie folgten ihm nach und glaubten an ihn. In manchen Tagen und Nächten wird ihnen das schwergefallen sein. Es gab auch Momente des Zweifels und der Angst. Manchmal fühlten sie sich von Gott verlassen, hatten Hunger und Durst, wurden bedroht durch andere Völker. Dann gab es die anderen Tage und Nächte, an denen sie jubelten und feierten, dass der Herr sie bewahrte. An denen sie spürten, dass Gott nah bei ihnen war.

Und als sie dann am Ziel angekommen waren, nach jahrzehntelangem Unterwegssein- von 40 Jahren spricht die Bibel- und zurückschauten, da wurde ihnen bewusst, wie Gott an allen Tagen und Nächten bei ihnen gewesen ist und ihre Wege überblickt hat. Sie sind dort angekommen, wohin Gott sie bringen wollte. Das gab ihnen Vertrauen auch für die Zukunft: Gott überblickt auch die Wege, die noch vor uns liegen. Liebe Geschwister, Gott überblickt alle unsere Wege. Die, die wir schon gegangen sind und die, die noch kommen werden. Vielleicht gelingt es uns, das alte und das neue Jahr und unser Leben überhaupt aus dieser Perspektive zu sehen. Ist das nicht erstaunlich, welche Wege er uns 2020 gewiesen hat, sodass wir weitergehen konnten? Wir sind nicht alleine unterwegs, Gott ist bei uns, begleitet uns, führt uns. Er lässt sich sicher auch im neuen Jahr 2021 für uns etwas Hilfreiches einfallen, so wie die Wolken- und die Feuersäule für die Israeliten, damit wir mit ihm in Verbindung bleiben und uns orientieren können.

Ich wünsche uns, dass wir deshalb voller Vertrauen dem Jahreswechsel entgegensehen. Was immer da auch auf uns zukommen wird an dunklen Stunden und an Lichtblicken: Gott ist bei uns und wird unseren Weg erleuchten. Dietrich Bonhoeffer hat das in wunderschöne Worte gefasst: „Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist bei uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag." Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft zu fassen vermag, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn. Amen.

Lied EG 395, 1-3: „Vertraut den neuen Wegen“

Fürbitten:
Unser Gott, du bist Anfang und Ende. Du bist mit uns auf dem Weg. Am Ende des Jahres bringen wir dir unseren Dank für alles Gute, was du uns in diesem Jahr geschenkt hast. Erhalte uns die Erinnerungen an die schönen und frohen Momente, die wir erleben durften.
Es war aber auch viel Schweres und Trauriges dabei. Wir bitten dich für uns und alle Menschen, die manches/vieles sogar erleiden und erdulden mussten in den letzten Monaten.
Schenke uns die nötige Geduld und das Vertrauen auf dich, damit wir auch weiter jeden Tag und jede Nacht aus deiner Hand nehmen.
Den Weinenden schenke Trost, den Kranken, dass sie wieder gesund werden, den Trauernden, dass sie an der Hoffnung festhalten. Den Verstorbenen schenke das ewige Leben, das du uns verheißen hast.
Wir wissen, dass wir von deinen guten Mächten wunderbar geborgen sind. Deshalb erwarten wir getrost, was kommen mag. Denn du bist bei uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag.

Alles, was wir Gott sonst noch sagen möchten, sagen wir mit den Worten des Vaterunsergebetes:
Vater Unser im Himmel…

So lasst euch den Segen Gottes zusprechen:
Der Segen Gottes, der komme über dich und bleibe bei dir von nun an bis in Ewigkeit. Amen.

Am Ende unseres Gottesdienstes steht das Lied EG 44, 1-3:
„O, du fröhliche“

Ein gesegnetes neues Jahr 2021 für Sie und Ihre Lieben wünscht Pfarrerin Anke Mühlenberg- Knebel.