Vor diesem Hintergrund setzte er sich in die "Bekennende Kirche" ab, einem Zusammenschluss derer, die den Glauben, das Leben und die Freiheit akut bedroht sahen - und sich dagegen wehren wollten. Für die Gründungssynode dieser Kirche verfasste der evangelische Vordenker Karl Barth in Wuppertal-Barmen 1934 eine Erklärung, die noch heute - besser gesagt: erst seit zehn Jahren - Bestandteil des evangelischen Gesangbuchs ist. Zwischenzeitlich arbeitete Bonhoeffer, der nach Abschluss seiner Theologieausbildung einen Doktor- und einen Professortitel hatte, in einer deutschen Gemeinde in London. Dort knüpfte er erste Kontakte zur ökumenischen Bewegung - und zu Kreisen, von denen er sich bei Bedarf Unterstützung erhoffte, falls sein Widerstand in Deutschland organisierte Formen annehmen müsste. Im Jahr 1935 erwog er gar eine Reise nach Indien zu Mahatma Gandhi. Derweil bildete er angehende Pastoren im Predigerseminar Zingsthof aus, das später nach Finkenwalde bei Stettin umzog.
|
Freilich hatte der Macht- und Überwachungsapparat der Nazis spätestens jetzt begriffen, dass hier ein Mensch am Werk ist, der mit seiner Überzeugung, seinem friedlichen Eifer und seiner brennenden Liebe zum christlichen Glauben dazu in der Lage sein könnte, eine ernstzunehmende Widerstandskraft zu formieren. Im Jahr 1937 schloss der Staat das Predigerseminar, das Bonhoeffer fortan illegal weiterführte. Gleichzeitig merkte er, dass der Aufstand des Wortes an Grenzen stieß. Die systematische Judenverfolgung nötigte Bonhoeffer zu einer neuen Bewertung der Situation. Nach langen Bedenken schloss er sich dem Widerstandskreis um Helmuth von Moltke, Walther-Wilhelm Canaris und Graf Schenk von Stauffenberg an. Ihr Ziel: Adolf Hitler umzubringen. Für Dietrich Bonhoeffer müssen das quälende Momente gewesen sein. "Darf ein Christ gegen das Gebot 'Du sollst nicht morden' verstoßen?'", fragte er. Gedanken zum Tyrannenmord verarbeitete er in dem Buch "Ethik", das er im Jahr 1940 schrieb.
|
Als das letzte Attentat von 1944, bei dem Hitler nur knapp dem Tode entging, gescheitert war, wusste Bonhoeffer, dass er sich persönlich in einer aussichtslosen Lage befand, zumal er zu dieser Zeit bereits im Militärgefängnis Berlin-Tegel inhaftiert war. Hier schrieb er unter anderem das Buch "Widerstand und Ergebung" sowie sein bekanntestes Gedicht "Von guten Mächten treu und still umgeben". Es war ein Text zum Jahreswechsel, gerichtet an seine 18 Jahre jüngere Verlobte Maria von Wedemeyer und deren Familie. Kaum eine Kirche, in der heute dieses inzwischen mehrfach vertonte Gedicht nicht fester Bestandteil des Silvestergottesdienstes ist.
|
Zwei Monate später verschleppte ihn die SS in das KZ Buchenwald, am 8. April 1945 kam er in das KZ Flossenbürg. Am gleichen Tag wurde Bonhoeffer gemeinsam mit Walther Wilhelm Canaris, Hans Oster, Karl Sack, Theodor Strünck und Ludwig Gehre in einem Schauprozess zum Tode verurteilt. Im Morgengrauen des nächsten Tages mussten alle nackt in den Hof, wo sie NS-Vollstrecker erhängten. Die letzten Worte, die von Bonhoeffer überliefert wurden, stammen vom Vorabend dieses barbarischen Schauspiels: "Das ist das Ende. Für mich der Beginn des Lebens." Nur zwei Wochen später befreite die US-Armee die letzten Insassen des Vernichtungslagers.
|