Elite als Verpflichtung

Familie Bonhoeffer gehörte zum Großbürgertum

Wer in Breslau am Damm der Oder entlang geht, kommt irgendwann in die parallel verlaufende Straße "Am Birkenwäldchen". Es ist am Ortsrand einer einst florierenden Großstadt, beste Lage sozusagen, henschaftliche Häuser stehen auf riesigen Grundstücken. Das Haus mit der Nummer sieben wird abgeriegelt von einem erst kürzlich angebrachten, stabilen Zaun. Von drinnen kommt ein Hund, der auf jeden Passanten reagiert. Hier, in diesem Haus, wurde vor 100 Jahren Dietrich Bonhoeffer geboren. Er ist das sechste von acht Kindern. Der spätere Theologe stammt aus großbürgerlichen Verhältnissen. Sein Vater, Karl Bonhoeffer, war einer der führenden Psychiater und Neurologen seiner Zeit. Seine Mutter, Paula Bonhoeffer geborene von Hase, war eine Lehrerin aus einer Künstlerfamilie. Mindestens fünf Hausbedienstete hatten die Bonhoeffers. Es gehörte zum Selbstverständnis der Familie, dass die Zugehörigkeit zur Elite mit der Verpflichtung einhergeht, sich in den Dienst der Menschen zu stellen.

Wenngleich Dietrich Bonhoeffer beste Chancen gehabt hätte, eine akademische oder diplomatische Laufbahn einzuschlagen, entschied er sich für das Studium der Theologie, das er 1923 in Tübingen begann und in Rom und Berlin weiter führte. Er promovierte in Berlin und habilitierte in New York. Von 1931 an war er Privatdozent an der Universität Berlin und Studentenpfarrer an der Technischen Hochschule. Bereits sein Vater sagte nach der Machtergreifung durch Adolf Hitler im Jahr 1933: "Das bedeutet Krieg." Dietrich Bonhoeffers Widerstand gegen das Regime der Nazis wurde von seiner Familie weithin mitgetragen. Noch während seiner Haft verlobte er sich im Jahr 1943 mit der 18 Jahre jüngeren Maria von Wedemeyer. An sie richtete Bonhoeffer zahlreiche Briefe aus der Haft, die später veröffentlicht wurden.

Maria von Wedemeyer erfuhr erst im Juni 1945, dass ihr Verlobter am 9. April umgebracht worden ist. Sie studierte Mathematik und wanderte 1948 in die USA aus, wo sie im Jahr 1977 starb. Beerdigt ist ihre Urne im Murgtalstädtchen Gernsbach. Dort hatte sich ihre Verwandtschaft nach dem Krieg mit einem Papiermacherbetrieb etabliert. Bonhoeffers Geburtshaus in Breslau ist in Privatbesitz, am Eingang hängen zwei Tafeln in deutscher und polnischer Sprache, die von der Bonhoeffer-Gesellschaft zur Verfügung gestellt wurden. In der Breslauer Innenstadt steht eine Skulptur an der Elisabethenkirche zum Gedenken an den christlichen Märtyrer - eine gleiche Skulptur steht in Berlin an der Zionskirche, wo Bonhoeffer als Vikar Konfirmandenunterricht gehalten hatte.