Von der Herausforderung, in Indonesien ein Christ zu sein

Gut besucht war der Gemeindesaal der Christuskirche in Bühlertal beim Themenabend "Gemeindeleben in Indonesien".
Pfarrer Simon Mutu
Pfarrer Simon Mutu verstand es durch seine anschauliche Erzählweise sehr eindrücklich, die Situation der Christen in seinem Heimatland darzustellen. Einleitend ging er auf die Geschichte der christlichen Gemeinden ein, die ihren Ausgangspunkt in der Tätigkeit von Missionsgesellschaften - überwiegend aus Holland - im 19. Jahrhundert hatte. Besonders in den küstenfernen, abgelegenen Regionen wurden die Anhänger von Naturreligionen missioniert. So entstanden unzählige kleine selbständige Gemeinden. Die hatten es nach der Unabhängigkeit von Holland zunehmend schwerer, lebten sie doch in einer extremen Diasporasituation. Man darf ja nicht vergessen, dass Indonesien mit seinen 230 Millionen Einwohnern, von denen knapp 90% Muslime sind, der mit Abstand größte islamisch geprägte Staat dieser Erde ist. Kaum 9% der Bevölkerung sind Christen. Nicht nur diese Minderheitssituation erschwert das Leben der Christen, sondern auch das untergründige Misstrauen gegen eine Religion, die unablässig an die ehemaligen Kolonialherren aus Europa erinnert. Es ist darum nicht verwunderlich, dass allein die Tatsache, dass jemand ein Christ ist, verhindert, dass eine bestimmte Position in Wirtschaft und Gesellschaft erreicht werden kann. Wie sagte der Referent: "Es ist nicht leicht in Indonesien Christ zu werden und zu bleiben!"
Dass radikal- islamistische Gruppen wie "JamaŽah islamja" auch mit Terroranschlägen die Schaffung eines großen panislamistischen Staates in Süd-Ost-Asien anstreben, macht die Situation der Christen nicht leichter. Zum Glück distanzieren sich die "normalen" Muslime und auch die Regierung von solchen Bestrebungen. Dennoch bleibt die Lage explosiv.
Wenn man das alles bedenkt, scheint es nicht verwunderlich, dass das Zusammengehörigkeitsgefühl der Christen in ihren Gemeinden viel intensiver ausgeprägt ist als bei uns hier in Deutschland. Es beeindruckte die Zuhörer sehr, wie Simon Mutu das ganz normale Gemeindeleben in seiner Heimat, im Torajaland auf der Insel Sulawesi, schilderte.
Gewürze und das traditionelle Haus Tonkonan Handwerkskunst
Grundlage aller Gemeinschaftspflege sind die gemeinsamen Gottesdienste. Allein viermal am Sonntag finden solche statt: am frühen Morgen kommen meistens die Alten, mittags die Familien und abends die Jugendlichen. Und es sei wirklich so, dass jedem etwas fehle, wenn er einen Gottesdienst nicht besuchen konnte. Die Gemeinschaft der Menschen, die an Gott glauben, gibt Halt und Sicherheit im alltäglichen Leben. Dass zusätzlich reihum Hausgottesdienste in der Nachbarschaft gefeiert werden, ist selbstverständlich. Spätestens bei dieser von Simon Mutu strahlend vorgetragenen Erfahrung, merkten die Zuhörer, dass wir hier in Deutschland, bei immer leerer werdenden Kirchen, bei immer mehr Vereinzelung und Anonymität in der Gesellschaft eine ganze Menge von unseren indonesischen Brüdern und Schwestern lernen können.
Auch die Rolle des Pfarrers stellt sich in Sulawesi ganz anders dar als bei uns. Er versteht sich wirklich in erster Linie als Hirte, bleibt nicht in seiner Kirche, sondern sucht und besucht seine "Schafe" in ihrem Alltag. So entsteht eine geschwisterliche Gemeinschaft, in der sich niemand verloren fühlen muss. Ein Videofilm von einer Beerdigung im Torajaland machte den Unterschied zu unseren Trauerfeierlichkeiten deutlich. Hunderte von Menschen feiern über Tage ein Fest, bauen Hütten, tanzen, singen, essen und trinken miteinander und nehmen so in Gemeinschaft Abschied von den Verstorbenen. Offensichtlich stammen die traditionellen Formen dieser Beerdigung aus sehr frühen, vorchristlichen Zeiten. Die Kirche hat nun diese Riten nicht als heidnisch abgetan, sondern sie in den christlichen Glauben eingebunden.
Ehepaar Mutu im Gespräch
In der anschließenden Diskussion ging es - wie sollte es auch anders sein - um die Frage des drohenden Krieges gegen den Irak. Pfarrer Simon Mutu machte deutlich, dass das indonesische Volk gegen diesen Krieg sei, sehen doch viele darin nicht in ersten Linie einen Angriff auf den Despoten Saddam Hussein, sondern gegen muslimische Glaubensbrüder. Auch die christlichen Kirchen Indonesiens fordern eine friedliche Konfliktlösung. Sie tun sich nicht nur deshalb, weil ihr Glaube die Anwendung von Gewalt ächtet, sondern weil zu befürchten steht, dass im Kriegsfall das Leben der Christen in Indonesien besonders durch fanatisierte Muslime äußerst gefährdet ist.
Werner Müller