Das elfte Gebot: Du sollst lachen!

Traurige Christen oder:
Warum sich Protestanten mit dem Lachen schwer tun

Moses kehrt vom Berg zurück, um den Wartenden die Botschaft Gottes zu überbringen: "Also, ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht. Die gute ist: Ich hab ihn runter auf zehn. Die schlechte: Ehebruch ist immer noch dabei!"  
  Vom Lachen steht nichts in den Zehn Geboten. Komisch allerdings ist, dass vor allem den Protestanten der Ruf vorauseilt, sie wollten nichts zu lachen haben. Aber was ist denn Lachen überhaupt?
Das Lachen ist eine dem Menschen eigentümliche Reaktion auf komische Außenreize und ein Ausdruck bestimmter Stimmungen von freudig bis zynisch. Dass auch hoch entwickelte Tiere (wie etwa Menschenaffen) lachen können (zum Beispiel, wenn man sie kitzelt), sollte uns insofern zu denken geben, als Konrad Lorenz das Lachen mit Zähneblecken gleichsetzt und seinen Ursprung den Drohgebärden zuordnet, und natürlich kann das Lachen aggressiv sein. Der Gott des Allen Testaments, so er denn lacht, lacht höhnisch und verächtlich über die Ungläubigen. Aber selbst das so genannte "schmutzige" Lachen hat seine Berechtigung, weil es der Sozialhygiene dient: Das Objekt, mit dem ich mich aktiv lachend auseinander setze, verliert seine unbefragte Autorität und Bedrohlichkeit. Dort also, wo die Autorität einzelner Personen, die bestimmte Inhalte vermitteln wollen, oder dort, wo die Autorität von bestimmten Inhalten wie die"ewigen Werte" für unabdingbar gehalten werden, wird das befreiende Lachen nicht zu Hause sein.  
  Wenn wir also herzlich lachen wollen, können wir die Kirche nicht im Dorf lassen. Im Sprachgebrauch ist ja längst eine unheilvolle Trennung in die Kirche als Institution der Amtsträger, die Lehrmeinungen verkünden, und in die gläubige Herde, die Kirchensteuer zahlt, vollzogen. Oben ist man ernst, unten lässt sich schön wiehern, etwa bei Kirchentagen, wenn die so genannten Kirchenkabaretts pointenreich die Toleranzgrenze der Institution ausloten.

Woran erkennt man, dass man auf einem Kirchentag ist?
In drei Tagen triffst du auf 35.000 Frauen, und keine gefällt dir.

Hin und wieder gibt es fasnet- und karnevalbedingt auch Pfarrer, die herzhaft in die Bütt steigen und Narrenpredigten halten. Wenn wir herzlich lachen wollen, können wir die Kirche nicht im Dorf lassen meist von den Vorgesetzten gerade noch geduldet und von der gläubigen Gemeinde stets als gut meinende Maskenträger entlarvt.

Warum war Jesus Italiener und kein Jude?
a) Nur ein Italiener wohnt bis 3o bei seiner Mamma.
b) Nur ein Italiener kann seine Mamma für eine Jungfrau halten.
c) Nur eine italienische Mamma meint, dass ihr Sohn göttlich ist.

 
  Die Formel: Wer lacht, hat keine Angst, wer keine Angst hat, betet nicht, greift natürlich zu kurz, denn es gibt im Menschenleben ausreichend Situationen, in denen einem das Lachen vergeht. Und die befreiende Wirkung des Lachens ist rein psychischer Natur; noch nie wurde in der Menschheitsgeschichte ein politisches oder ein Wertesystem durch Gelächter hinweggefegt. Der Grund dafür, warum von Herrschern und Herrschenden das Gelächter der Untertanen für gefährlich gehalten wurde und wird, liegt nicht in seiner explosiven, sondern in seiner emanzipatorischen Wirkung: Erstens ist das Lachen gemeinschaftsstiftend und zweitens setzt das Lachen im Individuum Phantasie frei und ermöglicht den spielerischen Umgang mit Bedeutungen und Realitätsebenen. Wer nicht jedes Wort für bare Münze nimmt, sondern es dem anderen im Munde umdreht, ist für Befehle und Gebote mit Anspruch auf unbedingten Gehorsam verloren.
Ein Jude kommt in den Himmel und wird von Petrus herumgeführt. Vor einer hohen Mauer bleibt Petrus stehen und bittet den Juden, leise zu sein. Warum?, flüstert der Jude. "Hinter der Mauer sind die Christen", antwortet Petrus, "und die glauben, sie seien alleine hier."  
  Der Lachende tut gut daran, niemanden um Erlaubnis zu fragen, ob er lachen darf. Auch nicht sich selbst. Genauso wenig, wie der Nicht-Lachende sich fragen sollte, warum er nicht lacht. Denn Lachen zu hinterfragen verbiestert.
Lachen als solches jedoch ist Entspannung, ist ungeplant und un bewusst. Und komisch daran ist nur, dass man Komik meist nich genießen kann, wenn man allein ist. Es sei denn, man ist mit sich selbst zusammen. Menschen, die sich auch allein zu zweit fühlen können dann auch wieder ungehindert allein loslachen.  
  Den Umkehrschluss, die Frage zu stellen, warum der Protestant sich schwer tut mit dem Lachen, diese Frage käme dann daher, wei er verspannt, alles planend und dauernd sich des Lebens respekti ve seiner Endlosigkeit und Ausweglosigkeit bewusst sei, was ihn auch in Gesellschaft sehr einsam macht diesen Umkehrschluss möchte ich lieber als Frage stehen lassen.
Ich ahne nur, dass es der falsche Weg ist, wenn Christen nach Verweisstellen in der Bibel suchen, um das Lachen zu legitimieren. Abgesehen davon, dass sie kaum fündig würden.  
  Ein Atheist kommt in die Hölle. Die Hölle sieht aus wie der Strand von Gran Canaria (na gut, schlimm genug!). Menschen suhlen sich in Liegestühlen und sind kreuz-, also fidel. Der Teufel begrüßt den Atheisten und lädt ihn auf einen Drink an der Strandbar ein. Auf dem Weg dahin fällt dem Atheisten ein Riesenkrater in der Erde auf. Er blickt hinein und sieht in den Flammen wehklagende und zähneknirschende Menschen, die von Bestien gequält werden. "Was ist denn das?", wundert sich der Atheist. "Ach", antwortet der Teufel "das ist die Abteilung für die Christen. Die wollen das so."
Lachen setzt Selbstvertrauen voraus. Doch müssten da Protestanten naturgemäß nicht leichter ins Lachen verfallen als Katholiken? Hat sich doch der Protestantismus einst als antiautoritäre und selbstreflexive Religion verstanden. Und von der Selbstreflexion zur Selbstironie ist es nur ein kleiner Schritt meint man.  
  In Wahrheit bedarf das Lachen wie auch das Sich-lustig-Machen oder das Komische einer Autorität. Lachen will sich an etwas brechen, oder es will auch oft etwas brechen.
Im Himmel wird der diesjährige Betriebsausflug geplant. Man überlegt, wohin man fahren könnte. Bethlehem? Maria lehnt ab. Bethlehem sei immer so überfüllt, kein Zimmer frei und so. Nächster Vorschlag: Jerusalem. Das lehnt Jesus ab: Er habe ganz schlechte Erfahrungen gemacht mit Jerusalem. Als Nächstes wird Rom vorgeschlagen. Niemand ist so recht begeistert, nur der Heilige Geist jubelt: "Ja, toll, Rom! Da war ich noch nie!!!"  
  Der Protestantismus hat sich vom Katholizismus gelöst und sich damit der Grundlage beraubt, eine Autorität lächerlich zu machen. Er wurde selber zur Autorität.
Und jetzt, meint man, könne der Protestantismus wenigstens über sich selber lachen. Aber das ist das Eigentümliche an Sekundär Autoritäten, die geboren werden, weil ihnen das Lachen nicht mehr gereicht hat: Sie verlieren an Widerstand, ohne den sich kein Muskel aufbauen kann. Und eben auch kein Lachmuskel.  
  Und statt zu trainieren und sich neue Widerstände zu suchen und die eigene Autorität höher und höher zu hängen, damit man sie besser und besser verlachen kann, setzt man sich nur vor den eigenen Altar und knobelt diverse Übungen aus, mit denen man lachend den Sieg über sich davontragen könnte.
Dabei heißt es für jeden, der übt: Nicht lange überlegen! Machen! Learning by doing! Einfach mal lachen! Denn schon die simple Frage als solche:"Warum tut sich der Protestantismus so schwer mit dem Lachen?" ist ja bereits lusthemmend und lachtötend.  
  Man kennt diesen Vorgang aus der Musik: Wenn man die Faszination einer Komposition verlieren möchte, braucht man sie nur zu analysieren!
Der Protestant ist in dieser Hinsicht übrigens sehr deutsch: Jahrzehntelang wurde zum Beispiel dem Deutschen vorgeworfen, er hätte keinen Humor und könne keine Witze produzieren. Inzwischen schwappt das deutsche Fernsehen über von Comedy-Produktionen, weil wir nicht mehr danach fragen: Können wir das? Natürlich können wir das oft nicht! Aber in jedem Fall lachen wir heute darüber: entweder über den Witz - oder über den Produzenten, weil ihm der Witz misslungen ist. Aber wir lachen. Weil wir nicht mehr danach fragen.  
  Deswegen kann am Schluss nur die Empfehlung auch für alle Protestanten gelten: Gleichen Sie sich auch in diesen neuen Zeiten wieder dem Deutschen an. Hören Sie auf zu fragen, warum Protestanten nicht lachen. Lachen Sie einfach! Denn Sie atmen ja auch. Sobald sie danach fragen, warum Sie atmen, ersticken Sie. Das Lachen ist das Atmen dessen, der zu leben versteht. Auch die Protestanten haben eine Chance auf gelebtes Gelächter, wenn sie die philosophische Definition von Theologie genauso für sich gelten lassen, die der theologischen Definition von Philosophie einen komischen Schritt voraus ist:
Denn Philosophie sei, so sagt der Theologe, wenn jemand in einem absolut dunklen Raum mit verbundenen Augen eine schwarze Katze sucht, die gar nicht da ist. Theologie aber ist, so sagt derPhilosoph, wenn jemand in einem absolut dunklen Raum mit verbundenen Augen eine schwarze Katze sucht, die gar nicht da ist, und dann ruft: "Ich hab sie!" Mathias Richling