Dürfen sich Eltern einmischen in die Ehe ihrer Kinder?
Wo sind die Grenzen?

Von der Hochzeit ihres deutschen Sohnes mit einer Iranerin kam die Mutter etwas überrascht zurück. Im Rahmen der muslimischen Feierlichkeiten war ihr nach einem alten Brauch symbolisch der Mund zugenäht worden: Sie soll sich heraushalten aus der Ehe der Kinder. Nun ist die Dame eine Frau von Welt, die ihre Schwiegertochter von ganzem Herzen respektiert. Eine Einmischung ist nicht zu befürchten. Leider stehen Schwiegermütter aber insgesamt unter dem häufig gewitzelten Verdacht, ungefragt zu allem und jedem ihren Senf dazuzugeben.
Dabei ist es womöglich heilsam, wenn (Schwieger-) Eltern einem offen die Meinung sagen. Schließlich kann alles Leben in eine Schieflage geraten, jede Biographie einen gewaltigen Knacks bekommen: Die Sucht nach Alkohol, Sex oder Arbeit, finanzielle Krisen, grenzenlose Trauer um eine verlorene Liebe, schwere Krankheit - all das führt eventuell dazu, in einer ruinösen Talfahrt abwärts zu sausen, sich und andere zu gefährden. Wer einen oder zwei vertraute Menschen hat, die einem aus "alter" Liebe heraus ungeschminkt die Wahrheit sagen, kann sich glücklich preisen.
Manchmal ist es aber tatsächlich nicht leicht, unerwünschte Einmischung aus der eigenen Ehe und Familie fern zu halten. Die Mutter, eine perfekte Hausfrau, zupft beim Besuch kurz an den Gardinen und sagt:"Kind, die solltest du mal wieder waschen." Der Vater, inzwischen Opa, empört sich über die tobenden Enkel - er erzog seine Kinder damals anders. Es hat schon Eltern gegeben, die den Hausmüll durchsucht haben, um sich darüber zu entrüsten, was die Kinder an Brauchbarem wegwerfen.
Bauernsöhne finden manchmal nur deswegen keine Frau, weil nur wenige weibliche Wesen es auf Dauer ertragen können, dass die Schwiegereltern mit auf dem Hof leben und allein das Sagen haben, auch wenn sie den Besitz längst übergeben haben und "im Austrag" leben. Ein Bauernsohn hat einmal den Vater vom Mähdrescher heruntergezogen und ihm alle Schlüssel abgenommen, weil der im Ruhestand immer noch nach seinem Gutdünken auf dem Hof geschaltet und gewaltet hatte.
In manchen Kulturen der Erde geht das Mitspracherecht der Eltern viel weiter. Töchter und Söhne werden im zarten Kindesalter anderen versprochen, Mitgift wird ausgehandelt, nichts ist es mit freier Partnerwahl, unserem bürgerlichen Ideal einer Liebesheirat. Mancherorts hat die Frau kein Selbstbestimmungsrecht, weil sie von der elterlichen Herrschaft sofort in das Machtgefüge der Familie ihres Mannes übergeben wird. Sie verliert sogar ihr Leben, wenn der Gatte das Zeitliche segnet. Es fällt schwer, dies unter "andere Völker, andere Sitten" zu verbuchen.
Eltern mischen sich ein, weniger, weil sie nicht loslassen wollen. Sondern vor allem, weil sie sich sorgen, die Kinder könnten sich blamieren, sie könnten Sitte und Anstand verletzen. Was sie tun oder lassen, soll nicht zum Stein des Anstoßes werden. Andere Eltern möchten nicht zum alten Eisen gehören, sie geben sich betont jugendlich, um zu signalisieren: Wir sind euch nah, wir passen zu euch. Das ist nicht weniger unangenehm, als wenn sich Eltern besserwisserisch zu Fragen des täglichen Lebens äußern.
Die entscheidende Frage ist aber nicht, wer sich wann einmischt. Das lässt sich zur Not mit einer deutlichen Auseinandersetzung klären, die die nötigen Grenzen steckt. Die Frage ist vielmehr, ob unsere Beziehung zu den Eltern es erlaubt, ein eigenes, unabhängiges Leben zu führen. Und da wird es schon schwieriger. Denn immer heiratet man einen Sohn oder eine Tochter, die im Guten wie im Schlechten von ihrer Kindheitsgeschichte geprägt sind. Die Präsenz der Eltern in unserem Erwachsenenleben besteht ja nicht allein in Telefonanrufen oder Oberraschungsbesuchen - sie sind eigentlich immer da, auch wenn sie nicht da, vielleicht sogar schon gestorben sind.
So werden die Beziehungen eines Mannes, dessen Vater früh tödlich verunglückt ist und dessen Mutter sich dem Suff ergeben hat, stets von dieser Geschichte überschattet sein, solange sie nicht verarbeitet ist. Menschen, denen zu Hause von den Eltern Sexualität als notwendiges Übel vermittelt wurde, müssen sich mühsam davon emanzipieren. Mäkelige Großmütter, die unter dem Sonnenschirm mit einem Likorgläschen ihre Kopfschmerzen pflegen, während alle anderen still sein müssen, die werfen lange Schatten.
Eltern, die sich ungefragt einmischen, kann man auf die Plätze verweisen. Das muss sein, will man nicht lebenslänglich gesagt bekommen, wo's langgeht. Die Präsenz von Müttern und Vätern, die selbst noch in ihrer Abwesenheit das Leben beeinträchtigt, verlangt nach Aufarbeitung. Da braucht es eine kritische Überprüfung der übernommenen Verhaltensmuster, manchmal auch eine Therapie, die der Selbständigkeit auf die Sprünge hilft. Es gehört zum Erwachsenwerden dazu, die offene oder geheime Regentschaft der Eltern abzulösen, und sei es erst nach mehreren Jahrzehnten.
Es gibt Eltern, die man um ihre Einmischung bitten darf: Die Schwiegermutter etwa, die auf Drängen der seit langem elternlosen jungen Frau mit zum Kauf des Brautkleides geht. Die Mutter, die einem in rechtlichen Fragen kämpferisch zur Seite steht; der Schwiegervater, den man in Steuerfragen um Rat bitten kann; Oma und Opa, die einem auf freundliche Bitten hin die Enkel abnehmen: Diese Eltern sind geliebt, weil sie sich nicht aufdrängen und weil sie ihren unschätzbaren Wert kennen. Sie, die Unverzichtbaren, leben hoch!
Susanne Breit-Kessler
Gelernte Theologin und Journalistin
Heute wirkt sie als Regionalbischöfin in München