Flüchtlinge und Industrialisierung - Keimzelle der Bühlertäler Evangelischen

Die ersten Jahre nach dem Krieg änderten vieles. Allein die Zahlen machen das deutlich. Lebten bis 1946 in Bühl 654 und in der Diaspora 627 Evangelische (wobei noch beachtet werden muss, dass von diesen 627 allein 380 der Kreispflegeanstalt Hub als Patienten oder Pflegepersonal angehörten, so dass in der eigentlichen Diaspora nur 247 Evangelische wohnten), so erfuhr die Verteilung der Evangelischen bereits bis zum Jahr 1949 eine wesentliche Verschiebung. Es lebten jetzt im Hauptorte 788 und in der Diaspora aber 1227 Gemeindeglieder. Das hatte seine Gründe zunächst darin, dass viele Flüchtlinge, die meistens Evangelische waren, den Dörfern zugewiesen wurden. Auch wurde in Altschweier ein Flüchtlingslager errichtet, dessen Insassen zur Gemeinde zählten und vom Pfarramt in Bühl versorgt werden mussten. Die Fülle von Arbeit, vor allen Dingen in der ersten Zeit nach dem Krieg, machte die Einstellung einer eigenen kirchlichen Fürsorgerin für den Pfarrbezirk zur Notwendigkeit. Im Laufe der Jahre wurden die Flüchtlinge heimisch. Wie wichtig dieses Problem war, kann man wiederum aus einigen Zahlen ersehen. 1946 lebten zusammen 1281 Evangelische in Bühl und Umgebung, 1955 waren es 3017. Die allermeisten von ihnen waren Flüchtlinge. Das Heimischwerden dieser großen Zahl von Menschen kann man an den verschiedensten Erscheinungen ermessen. Zunächst sei genannt, dass Konzentrationen an bestimmten Ortschaften festzustellen waren. Vor allem dort, wo sich Arbeitsmöglichkeiten boten. Im flachen Land konnte die Landwirtschaft, die zudem immer mehr die Maschine einsetzte, die vielen Neuzugezogenen nicht ernähren. So entvölkerten sich die kleinen Dörfer mehr und mehr von Evangelischen und in Bühl und Bühlertal zogen immer mehr zu. Das steile Ansteigen der evangelischen Bevölkerung in Bühlertal hat te aber auch noch andere Gründe.
In Bühl und Umgebung wurde stark Industrie angesiedelt und mit ihr zogen Fachkräfte vor allem aus dem württembergischen Raum in das Gebiet der Pfarrei, wodurch besonders der evangelische Anteil der Bevölkerung erhöht wurde. Beide Teile, Flüchtlinge und Neuzugezogene, begannen sich langsam in die Bevölkerung einzugliedern. Immer mehr Gemeindeglieder bauten Häuser und fühlten sich bald so wie die Alteingesessenen als Bühler, zumal ja schon die Kinder in der neuen Heimat geboren waren.
Es war auf die Dauer unmöglich, dass ein Pfarrer für alles verantwortlich war, so dass im April 1953 wegen der immer größer werdenden Arbeit ein zweites Vikariat mit Dienstsitz in Steinbach errichtet wurde. Es gab in den Jahren zwischen 1955 und 1963 im ganzen 12 Predigtstellen und 18 verschiedene Orte, an denen Religionsunterricht erteilt wurde. Bei dieser ausgeweiteten und viel verzweigten Arbeit war es selbstverständlich, dass einige Neuordnungen geschehen mussten. Schon früh meldeten sich in Bühlertal Gemeindeglieder, die eine größere Selbständigkeit der stets wachsenden Gemeinde wünschten. Bereits 1953 baten sie um Errichtung einer selbstständigen Kirchengemeinde Bühlertal, was der Evangelische Oberkirchenrat seinerzeit aber ablehnte. Die Entwicklung konnte deswegen jedoch nicht aufgehalten werden, zumal die Anzahl der Evangelischen von diesem Zeitpunkt bis 1956 noch über 40% anwuchs.
Eine ähnliche Situation wie in der größten Nebengemeinde Bühlertal war nämlich auch in der ältesten, in Steinbach, festzustellen. Nur war der Zuwachs dort nicht so groß, weil in dieser Gegend die Industrie nicht so stark vertreten war.
Bereits 1954 wurde die Schwarzwaldgemeinde Herrenwies, die einstmals ein wichtiger Teil der Kirchengemeinde war und Hundsbach an die damals im Murgtal neuerrichtete Pfarrei Forbach abgetreten.
Der Evangelische Oberkirchenrat errichtete deshalb auf Antrag des Kirchengemeinderates in Bühl eine zweite Pfarrei. Die Anträge dazu wurden bereits 1955 gestellt. In der Tat sollte dieses Vorhaben aber erst mit der Pensionierung von Pfarrer Mölbert umgesetzt werden.
Am 30. Juni 1957 ging Pfarrer Mölbert nach 24jähriger Tätigkeit in den Ruhestand. Am 1. Juli wurde der eine der beiden Vikare Fritz Joecks zum Pfarrverwalter der neuen Pfarrei Bühl Süd (später Johannespfarrei) ernannt und am 16. Juli 1957 dem anderen Vikar Dieter Bender (Dienstsitz Steinbach) die Verwaltung von Bühl Nord (später Lukaspfarrei) übertragen. Ab 1959 hatte Pfarrer Oswald Bernau aus Meßkirchen diese Stelle inne. Die Grenzen der Pfarreien in Bühl war die Bühlot und der Sandgraben (also entlang der Eisenbahnstraße). Der südliche Teil Bühls mit den südlich gelegenen Orten Altschweier, Bühlertal, den Höhenkurorten, Neusatz, Ottersweier mit Hub, Unzhurst und Oberweier gehörten zur späteren Johannespfarrei (die Namensgebung wurde am 29. Mai 1959 vom Kirchengemeinderat beschlossen), der nördliche Teil mit Steinbach, Balzhofen, Eisental, Leiberstung, Weitenung, Moos, Neuweier, Oberbruch und Vimbuch zur Lukaspfarrei.
Gleichzeitig wurde das Bühler Kirchspiel rechtlich in drei Bezirke aufgeteilt. Neben der Muttergemeinde Bühl entstanden die nun selbstständigen Tochtergemeinden Bühlertal mit Neusatz, Altschweier und den Höhenkurorten (zusammen 680 Seelen) und Steinbach mit Neuweier, Eisental und Varnhalt (zusammen 450 Seelen), so dass also fortan drei räumlich nicht zu stark ausgedehnte Kirchengemeinden zum Pfarramt Bühl gehörten. Jede dieser Gemeinden hatte einen eigenen Ältestenkreis, einen eigenen Haushaltsplan und war selbst für die weitere Entwicklung verantwortlich, wurden aber nach wie vor von der Muttergemeinde Bühl aus versehen.
Die Gemeindemitglieder der beiden Pfarreien betrug z.Z. der Gründung:
  • Johannespfarrei: Bühl 940, Umgebung 1216, zusammen: 2156
  • Lukaspfarrei: Bühl 678, Umgebung 663, zusammen 1341
  • Zusammen also in Bühl 1618, in der Diaspora 1879
    Zusammen für das ganze Kirchspiel: 3497