Schwedischer König gab dem Diasporawerk seinen Namen

Der älteste Unterstützerverein für evangelische Minderheiten wurde vor 160 Jahren in Baden aktiv. Erster Kirchenbau in Offenburg.
Der erste Kirchenbau durch das Gustav-Adolf-Werk (GAW) in Baden wäre fast auch schon der letzte gewesen. "Der Bau in Offenburg verschlang beinahe unsere gesamten damaligen Geldmittel", beschreibt Geschäftsführer Gerhard Döring die mühsamen Anfänge des nach dem Schwedenkönig Gustav Adolf II (1594 bis 1632) benannten evangelischen Diasporawerks im 19. Jahrhundert. Der älteste, 1832 in Leipzig gegründete Unterstützerverein für evangelische Minderheiten begann vor genau 160 Jahren auch zwischen Wertheim und Bodensee aktiv zu werden.
Eine Vielzahl evangelischer Kirchen und Pfarrhäuser seien trotz des Beinahedesasters von Offenburg aus Spenden des GAW gebaut worden, erklärt Döring. "Die meisten Gebäude aus dieser Zeit werden noch immer von den Gemeinden genutzt." Der 58-Jährige fährt mit einer Handfläche über die metergroße Landkarte an der Tür zu seinem Büro. Sie zeigt Baden im Jahr 1850. Kleine, bunte Farbkleckse markieren die damaligen evangelischen Dekanate. Viele Flächen sind jedoch nicht eingefärbt, besonders in Südbaden.
"Zwei Drittel der gesamten badischen Bevölkerung war katholisch", berichtet Döring. Im Zuge der Industrialisierung breiteten sich die Protestanten aber bis in entlegene Schwarzwaldtäler aus. Evangelische bauten an Eisenbahnstrecken mit, fanden Arbeit in neuen Fabriken und dienten insbesondere in der zunehmenden Verwaltungsbürokratie. In ihren neuen Gemeinden stießen sie allerdings nicht immer auf christliche Nächstenliebe.
Mancherorts entledigten Katholiken ihre Notdurft in gerade gebauten evangelischen Kirchen, erzählt Döring. Auch krakeelten romtreue Provokateure schon mal lauthals vor Friedhöfen, wenn Protestanten ihre Verstorbenen beerdigten. Doch im Zeitalter der Ökumene sind solche Episoden längst nur noch Anlass zum Schmunzeln. Viel mehr beschäftigt das GAW heutzutage Kritik aus den eigenen, evangelischen Reihen. Manche Kirchenleute beäugten das GAW als "protestantische Hardliner", andere hielten den "Gemeindeaufbauverein" schlicht für überflüssig, sagt Döring. "Sie übersehen jedoch, dass Protestanten nicht überall so leben wie in Deutschland."
Der Geschäftsführer erzählt von Portugal und Spanien. Dort würden evangelische Kirchen noch immer als Sekten bezeichnet. Oder Griechenland. Dort versuchten die Behörden, protestantische Kirchenneubauten zu verhindern, einer Rundfunkanstalt hätten sie die Sendeerlaubnis entzogen. Zur Unterstützung solcher Diasporakirchen in aller Welt sammeln Döring und seine Kollegen in den bundesweit 27 GAW-Hauptgruppen Geld. Mit mehr als 2,2 Millionen Euro will das GAW in diesem Jahr kirchliche Bauvorhaben in der Ukraine finanzieren, die Ausbildung von Seelsorgern in Italien unterstützen oder helfen, soziale Projekte in Argentinien am Leben zu halten. Insgesamt stehen 178 Hilfsprojekte in 29 Ländern auf der Empfängerliste. Aus Baden werden etwa 250 000 Euro beigesteuert.
Mit einer gewissen Sorge betrachtet Döring die allgemein rückläufige Spendenbereitschaft. Um die Bedeutung des GAW an sich ist es Döring indes nicht bange. Er verweist auf den Namensgeber Gustav Adolf, den kämpferischen Protestanten aus Schweden. Man könne ihn sicher als Kriegsherrn kritisieren, sagt der Geschäftsführer, "aber ohne sein Eingreifen während des Dreißigjährigen Krieges hätte der Protestantismus in Deutschland nicht überlebt". Evangelische Kirchen wären auch in Baden nie gebaut worden.
Aus dem Acher- und Bühler Boten vom 5. März 2003
 
Anmerkung: Auch unsere Christuskirche wurde 1961 vom Gustav-Adolf-Werk mitfinanziert