Bildung der Evangelischen Gemeinde Bühl

Die Entstehungsgeschichte der Bühler Gemeinde ist vielschichtig. Ein Ursprung liegt historisch betrachtet in Achern. Hier unterzeichnete im Jahre 1521 der Bürgermeister von Achern den von Markgraf Philipp von Baden, dem Grafen Wilhelm von Fürstenberg und den Vertretern der bäuerlichen Regierung abgeschlossenen Vertrag von Renchen, welcher die Forderungen der Kirchenreformation enthielt. In der Zeit der Zugehörigkeit der Ortenau zu Österreich war das evangelische Glaubensleben unterdrückt worden. Der Anschluß Acherns an das Haus Baden 1805 führte auch zu einer "Mischung der Bevölkerung hinsichtlich Herkunft und Religion". Mit der Errichtung der Heil- und Pflegeanstalt Illenau kam Pfarrer Ernst Fink nach Achern, der am 11. Dezember 1842 in der Anstaltskirche den ersten evangelischen Gottesdienst hielt. Fink betreute die damals noch wenigen evangelischen Christen in den Amtsbezirken Achern, Bühl und Oberkirch, bis diese zu selbstständigen Kirchengemeinden wurden. Die 1838 gegründete Pastorationsgemeinde Bühl wurde von Achern, bzw. der Illenau aus bis 1854 betreut. Betrug die Zahl der evangelischen Christen in Achern und der umliegenden "Diaspora" 1855 noch 103 sowie 240 in der Heilanstalt, so wuchs die Zahl bis 1955 in der Stadt auf 744 sowie 306 in der Illenau an. 1908, am Sonntag Misericordias Domini wurde der Grundstein der evangelisch-protestantischen Christuskirche in Achern gelegt.
Um die Mitte des 19. Jahrhunderts begann in Bühl und Umgebung ein langsamer, aber stetiger Zuzug evangelischer Glaubensangehöriger. Am 5. März 1850 erging durch den Anstaltspfarrer der Illenau, Ernst Fink, der die pastorale Betreuung der ersten Protestanten in Bühl übernommen hatte, an den evangelischen Oberkirchenrat in Karlsruhe die Bitte um einen eigenen Geistlichen und einen evangelischen Gottesdienst für die Gemeinde Bühl. Die Kirchenbehörde begrüßte diesen Wunsch, verlangte aber außer der Stellung eines gottesdiensttauglichen Lokals auch einen ständigen Geldbetrag von den evangelischen Gläubigen. Die seinerzeit in Bühl ansässigen 111 Bürger evangelischen Glaubens verpflichteten sich zur Aufbringung von etwa 100 Gulden jährlich. Als gottesdiensttaugliches Lokal wurde mit Genehmigung des Stadtrates und des Oberschulinspektors, Kirchenrat Zimmermann, jederzeit widerruflich für die Zeit Sonntag nachmittags von drei Uhr ab ein Zimmer der Volksschule zur Verfügung gestellt. Am 28. Juli 1850 wurde durch Pfarrer Fink der erste evangelische Gottesdienst im Bühler Schulhaus abgehalten und so der erste und entscheidende Schritt zur Bildung einer evangelischen Diasporagenossenschaft, einer Kirchengemeinde ohne Gemeinde-, sondern nur mit Vereinsrechten gemacht. Die Gottesdienste im Volksschulgebäude wurden anfangs alle vier Wochen abgehalten. Der beschwerliche Dienst in der Illenauer Anstalt erlaubte es aber Pfarrer Fink auf die Dauer nicht, regelmäßig Gottesdienste in Bühl abzuhalten. Da auch er wusste, dass die Mittel für einen eigenen Geistlichen in Bühl nicht aufzubringen waren, erbot er sich, bis auf weiteres einen Vikar für Bühl in seiner Wohnung aufzunehmen und denselben unentgeltlich zu verköstigen, vorausgesetzt, die Kirchenbehörde bezahlte dessen jährliches Gehalt von 120 Gulden. Der Plan fand Anklang, und am 25. November zog Vikar Sachs, der zwar an Bluthusten litt, aber dennoch imstande war, die pfarramtlichen Geschäfte zu leiten, in der Illenau ein.
Im Februar 1851 mietete die evangelische Gemeinschaft den Saal des Gasthauses „Zum Ochsen“ in der Schwanengasse von dessen evangelischem Besitzer Vogt als eigene Gottesdiensträumlichkeit an. Da Pfarrer Fink im Juni 1853 mit Rücksicht auf seine kränkliche Frau die unentgeltliche Unterbringung des Bühler Vikars aufkündigte, beschoss der Oberkirchenrat, dass der neue Vikar Wilhelm Menton seinen Wohnsitz in Bühl zu nehmen habe, und zwar im Hause des Amtschirurgen Kaiser. Ein Jahr später tauchte der Plan auf, mit Hilfe einer allgemeinen Landeskollekte ein Grundstück für eine eigene Kirche mit Pfarrhaus zu erwerben. Im Januar 1856 wurde dann ein zwischen dem Krempengäßchen und der Bühlot gelegenes Grundstück samt der darauf befindlichen Gebäude erworben. Das sich auf dem Grundstück befindende Wirtshaus wurde zum Pfarrhaus und das dazugehörige Brauhaus zum Betsaal umgebaut und am 7. September 1856 durch den damaligen Dekanatsverwalter der Diözese Rheinbischofsheim, Pfarrer Schember von Freistett, und den Pfarrverwalter Friedrich Wilhelm Schmidt, der seit 30. August 1855 in Bühl war, feierlich eingeweiht.
Bereits 1854 wurde dem Bühler Geistlichen auch die Pastoration der Waldkolonie Herrenwies übertragen. Zum Pastorationsbezirk Bühl gehörten damit die Gemeinden Altschweier, Balzhofen, Bühlertal, Eisental, Hatzenweier, Herrenwies, Hildmannsfeld, Hundsbach, Kappelwindeck, Lauf, Leiberstung, Moos, Neusatz, Neuweier, Oberbruch, Oberwasser, Oberweier, Ottersweier mit Hub, Steinbach, Unzhurst, Varnhalt, Vimbuch, Waldmatt und Zell.
1864 erhielt die evangelische Pastorationsstelle Bühl die Standesbeamtung, ein weiterer Schritt zur offiziellen Anerkennung der Genossenschaft. Der 14. März 1901 brachte dann die ersehnte Bildung einer evangelischen Kirchengemeinde, umfassend die Evangelischen der 9 Gemarkungen Bühl, Altschweier, Bühlertal, Kappelwindeck, Ottersweier, Hatzenweier, Oberweier, Eisental und Steinbach. Die erste Pfarrerwahl für die nun selbständige Kirchengemeinde erfolgte im Januar 1905. Sie fiel einstimmig auf den derzeitigen Pfarrverwalter Hellmuth Hack, der am Sonntag, dem 12. Februar 1905, feierlich eingeführt wurde.
Die Volkszählung 1925 ergab für Bühl 645 Evangelische, für das ganze Kirchspiel 1277. Diese zahlenmäßige Zunahme der Gemeinde in Verbindung mit dem Anwachsen des Schulwesens (die Realschule wurde Oberrealschule mit Realgymnasium, ferner Gewerbeschule, Handelsschule, Fortbildungsschule und Kreishaushaltungsschule mit Religionsunterricht) brachte schließlich eine Arbeitslast, die für einen Geistlichen untragbar wurde. Durch Beschluss der Kirchenregierung vom 13. Mai 1927 wurde in Bühl ein ständiges Vikariat errichtet.
1933 wurde Pfarrer Fritz Mölbert an die Pfarrstelle gerufen und sollte nun die Aufgabe haben, die immer größer werdenden Gemeinden geistlich zu versorgen. Mit großem Elan und Einsatzbereitschaft baute er ein großes Netz von Gottesdienst- und Unterrichtsstationen von Bühl aus auf und versorgte zusammen mit einem Vikar den ganzen großen Pfarrbezirk. Bis nach dem 2. Weltkrieg blieb nun Bühl unter seiner seelsorgerlichen Leitung der Mittelpunkt des ganzen Diasporabezirkes von Herrenwies bis an die Grenze des Hanauerlandes in Unzhurst und Moos, von Ottersweier bis nach Neuweier und Gallenbach.